REZENSION


PHANTASTISCH! - AUSGABE 2/2005

von Andreas Leder



Es scheint so, als stecke dieses Magazin, das sich hauptsächlich mit dem geschriebenen Wort beschäftigt, in einer noch tieferen Finanz-Krise als unsere (un)geliebte Europäische Union.
Im Vorwort, das Chefredakteur Klaus Bollhöfener gleich an Verleger Achim Havemann abgibt, erklärt uns dieser, dass jede Ausgabe von "phantastisch!" einen deutlichen vierstelligen (Euro)Minusbetrag einfahre. Auch die Zahl der Abonnenten (dzt. 1.200) und die Einzelverkäufe nähmen nur sehr langsam zu. Trotzdem wollen alle dieses vierteljährlich erscheinende Magazin retten und seien bereit dafür auch Opfer zu erbringen. Nicht nur Layouter und Autoren hätten auf Teile ihrer Honorare verzichtet, nun sei der geneigte Leser gefordert, seinen Obolus im Form eines erhöhten Verkaufspreises zu erbringen. Wir werden sehen, kämpft und fischt doch "phantastisch!" in ähnlichen Lesersegmenten, wie die übermächtige SOL der Perry Rhodan Fanzentrale.
Mehr zufällig als geplant bin ich an die 2. Ausgabe des heurigen Jahres geraten, die uns folgende Beiträge liefert:
Andreas Eschbach schildert auf gewohnt spannende Art und Weise das letzte Literaturseminar auf Schloss Wolfenbüttel. Er hatte entgegen jede Vernunft die Idee, mit allen Teilnehmern an nur einem Wochenende einen kompletten etwa 300-seitigen Roman zu schreiben. Dass es möglich ist, wenn genügend Vorbereitung und Wille dabei sind, ist nun belegt.
Ein wahres Feuerwerk an Interviews lässt "phantastisch!" auf seine Leserschaft los. Zuerst kommt Reinhard Köhrer zu Wort, weiters Jack McDevitt, Kai Meyer und schließlich Joachim Körber.
Nachrufe auf Walter Ernsting sind sehr viele erschienen, dieser doch sehr sachliche stammt aus der Feder von Heiko Langhans. Einen weiteren Nachruf widmet Klaus N. Frick dem im Jänner 2005 verstorbenen Charles Wilp, dem selbsternannten ARTonauten, der wirkliche Bekanntheit 1969 mit dem für Afri-Cola produzierten Werbeslogan "Sexy-mini-super-flower-pop-up-Cola, alles ist in Afri-Cola", erreichte.
Weiters wird an den 100. Todestag von Jules Verne erinnert und an Jorge Luis Borges, den spanischen Meister der phantastischen Literatur, der 1986 starb.
Weitere Artikel beschäftigen sich mit Zukunftsprognosen aus vergangenen Jahrzehnten, einer launischen Abhandlung über Verkehrssysteme der Zukunft und der inzwischen inflationär gewordenen Entdeckung extrasolarer Planeten.
Dazwischen sind auf halben und viertel Seiten Rezensionen verschiedener Bücher aus dem phantastischen Genre zu finden.
Wirklich herausstechend ist die leider einzige phantastische Erzählung, die dieses Heft bietet. Mit "Anja" liefert Boris Koch eine neue, absolut amüsante Sichtweise des Jenseits.
Und das war's auch dann schon wieder - auf 68 Seiten. Eine sachbuchähnliche Mischung, die nicht durchgehend attraktiv und lesenswert war. Ein gut geführtes Interview kann den Höhepunkt eines Magazins darstellen, hier werden gleich vier Interviews auf den geneigten Leser losgelassen. Nachrufe ergeben sich, dieser, auf Walter Ernsting, war mir doch zu sachlich, zu sehr biographisch. W. E. war ein Humanist und vom Gedanken des friedlichen Miteinander durchdrungen - das kommt hier nicht heraus.
Es wundert mich gar nicht, wenn "phantastisch!" ums Überleben rudert. "phantastisch!" ist ein Nischenprodukt, das auf kommerzieller Basis über kurz oder lang nicht bestehen kann, nicht zu diesem Preis, nicht mit diesen Inhalten.
"phantastisch!" wäre ein typisches Fanzine, das sich eine kleine Gruppe leistet, aber Gewinne schüttet ein solches Projekt sicher nicht aus.
Woran fehlt es? Ich möchte nicht behaupten, die Weisheit mit dem Löffel gegessen zu haben und alle Wege aus der Krise zu kennen, aber gemäß dem Untertitel: "Neues aus anderen Welten" und dem Impressum von der Internetseite: "phantastisch!" ist ein Magazin für die Freunde phantastischer Literatur und Medien (SF & Fantasy)" fehlen mit einige dieser Welten bzw. Medien doch sehr.
Die vorliegende 18. Ausgabe und die anderen Hefte, die sich (nicht alle) in meinem Besitz befinden, beschäftigen sich mit dem geschriebenen und gedruckten Wort, den längeren und kürzeren Geschichten aus phantastischen Welten.
Viele Themen werden aber nicht nur durch Printmedien transportiert. Aufsehen erregender sind da oftmals die Filme und Verfilmungen im fantastischen Bereich. Und da leistet sich "phantastisch!" etwas Eigenartiges. Den sechsseitigen Artikel über die "wichtigsten phantastischen Filme im Kinojahr 2004" gibt es nur im Internet als herunterladbare pdf-Datei. Ist das der Anfang vom Ende? Wird "phantastisch!" tot gespart und bald nur mehr im Internet erscheinen?
Jürgen Kirchner referiert über den fantastischen Film im deutschen Kino, ist aber nicht immer gleicher Meinung mit anderen Rezensenten, insbesondere, wenn man seinen Beitrag zu Emmerichs "The day after tomorrow" liest. Sonst sind seine Ansichten gut nachvollziehbar.
Ein weiteres Segment des fantastischen Genres bleibt völlig links liegen, das ist die Welt der Computerspiele. Nicht unerwähnt sollten in diesem Zusammenhang das neue "World of Warcraft", die "Star Wars"-Reihe, zuletzt mit "Knights of the old Republic" und eventuell die Serien um Half Life und Gothic (zuletzt "Die Nacht des Raben") bleiben. Nicht nur Kinder und Jugendliche bewegen sich in diesen virtuellen Welten, auch viele Erwachsene gehen daran nicht vorbei.
Abschließend möchte ich feststellen, dass "phantastisch!" ein wunderbares Heft ist. Wenn die Macher dieses Magazins aber genau so weiter machen und nichts Neues liefern, dann ist der kommerzieller Untergang besiegelt...

bedauert
Andreas


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