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DIE GRENZE

von Gabriele Fleischhacker



Als meine Wunde vernäht ,
die Aussagen protokolliert,
die Polizei verschwunden war,
da kehrte langsam wieder Ruhe ein.

Doch als der Schmerz wieder kam,
kam auch die Wut wieder
und ich wünschte ihm
alles Schlechte der Welt.

Sie war ein Biest, ein Luder.
Aber er hatte eine Grenze überschritten
mit seinem direkten Angriff auf mich,
mit diesem Stich in meinen Arm.

In diesem Moment
des Schmerzes und der Wut,
da hätte ich auch beinahe
diese Grenze überschritten.

Diese Grenze war ja so süß, so verlockend,
versprach Befreiung von all' der Pein.
Ich erschrak über mich:
So leicht sollte das sein?

Es fiel mir schwer, sehr schwer
zu widerstehen,
nur abzuwehren,
zu verteidigen.

Und ich erinnerte mich plötzlich
an den Ausdruck seiner Augen
als er abgeführt wurde.
So viel Trauer und Schmerz.

Der Rasende, der Täter
waren verschwunden.
Übrig blieb nur ein Mensch,
ein ratloser Mensch.

Widerstreitende Gefühle,
Wut und Schmerz
und Verwunderung
durchzogen mein Herz.

Jetzt, wo ich beide Seiten kenne
muss ich an die Bibel denken:
Wer ohne Schuld ist,
werfe den ersten Stein.

Ich werfe nicht.
Zu nah war ich dieser Grenze, zu nah.


FFB, den 28.8.2005 10.40h
Ein langer, lebhafter Traum. Und als ich aufwachte, wusste ich noch alles! Da musste ich schreiben.


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