STORIES


MOCASSIN-CAT

von Susanne Stahr



Es war einmal ein Müller, der hatte drei Söhne, einen Esel und eine entartete Katze. Als er starb, bestachen die beiden älteren Söhne den Notar, sodass er ihnen die Mühle und den Esel überschrieb. Der jüngste, der ziemlich dumm und faul war, bekam die Katze.
Diese dachte nun: 'Wenn der so weitermacht, sieht's nicht gut für mich aus in Bezug auf volle Futterschüsseln und warme Plätzchen, wenn's draußen regnet. Da muss was geschehen.'
Sie wartete bis der Müllersohn aus seinem Rausch aufwachte, dann sagte sie zu ihm: "Lass mir ein Paar Mocassins machen, dann will ich dich reich und bedeutend machen."
Der Bursche schüttelte zuerst den Kopf, weil er es nicht glauben konnte, dass eine Katze mit ihm redete. Bisher hatte sie das ja nicht getan. Doch dann erinnerte er sich, dass er ja in einem Märchen war und fragte: "Warum willst du gerade Mocassins?"
"Weil gerade ein Indianer da draußen vorbeigeht. Beeil dich. Indianer kommen in deutschen Märchen äußerst selten vor, es sei denn, Karl May hätte sie geschrieben."
Nun, der Müllersohn war nicht gerade der Hellste. So ging er also und kaufte dem Indianer die kleinsten Mocs ab. Das kostete seine letzten Kröten. Über diese Anstrengung wurde er müde und legte sich stilgerecht auf der Ofenbank schlafen.
Inzwischen ging die Katze daran, ihre Zukunft zu sichern. Es gab nämlich in diesem Land einen dämlichen König, der sehr gern Rebhühner aß. In seiner Gefräßigkeit hatte er aber die hiesige Population total ausgerottet. Die Katze ging mit ihren Mocs an den Hinterbeinen über die Grenze und dort in einen Supermarkt, klaute tiefgekühlte Rebhühner und brachte sie dem König, mit den besten Empfehlungen von ihrem Herrn. Um Eindruck zu schinden, beförderte sie diesen kurzerhand zum Grafen.
Der König war hocherfreut und gab der Katze einen ansehnlichen Scheck. Damit war das Leben fürs erste gesichert. In Folge stahl die Katze immer wieder Rebhühner und erkaufte sich dadurch das Wohlwollen des Königs, nicht zu vergessen eine immer volle Futterschüssel. Doch der Detektiv des Supermarkts kam ihr langsam auf die Schliche. So musste sie sich etwas anderes einfallen lassen. Also horchte sie sich um.
Da erfuhr sie, dass der König mit seiner Tochter eine Vergnügungsfahrt machen wollte, die an einem nahen See vorbei gehen sollte. Die Tochter war ein liebliches Geschöpf und noch nicht verheiratet. Schnell lief die Katze zu dem Müllersburschen.
"Auf, du faules Aas!", fuhr sie ihn an. "Du stinkst wie eine alte Mülltonne. Zeit für ein Bad."
"Ich hab doch erst vorletzte Ostern gebadet", protestierte der Bursche.
Aber die Katze ließ nicht locker. Sie führte ihn zum See. Dort musste er sich ausziehen und sie stieß ihn ins Wasser. Freiwillig hätte er sich höchstens die Fingerspitzen nass gemacht. Schnell versteckte die Katze die alten Klamotten und vergaß auch nicht, die Socken hinter einen Busch zu stellen.
Alsbald kam der König mit seiner Tochter des Weges. Da er gerade austreten musste, hielt er an.
Die Katze lief auch gleich pfotenringend zu ihm. "Hilfe, oh König! Räuber haben meinem Herren, dem Grafen, die Kleider gestohlen während er badete. Nun sitzt er am Ufer und bibbert sich die Seele aus dem Leib. Wenn du ihm nicht hilfst, wird er sich auf den Tod erkälten. Und wenn er tot ist, komme ich ins Tierheim und werde eingeschläfert. Wer wird dir dann noch zu Rebhühnern verhelfen."
Diese grausigen Zukunftsaussichten waren dem König unerträglich. Sofort telefonierte er mit seinem Kammerdiener und befahl ihm Ersatzkleider zu bringen, aber nicht gerade die besten. Wenig später erschien auch der Diener schon und brachte einen ausrangierten Anzug. Er war zwar ein wenig zu groß für den Müllersburschen, aber er sah darin ganz manierlich aus. Das Bad hatte auch bewirkt, dass man jetzt erkennen konnte, dass er eigentlich ein hübscher Bursche war. Ganz nebenbei war auch der strenge Geruch verschwunden.
Dem König gefiel der Bursche und er lud ihn ein, mit zu fahren. Vielleicht fand ja die Prinzessin Gefallen an ihm. Bis jetzt hatte sie sich erfolgreich gegen das Heiraten gewehrt, aber ihr Vater gab die Hoffnung nicht auf. Er fuhr auch extra langsam, damit die beiden Gelegenheit hätten, einander näher zu kommen.
Derweil rannte die Katze voraus. Da kam sie an einem Würstelstand vorbei. "Wenn der König vorbei kommt, sag, dass die Bude dem Grafen gehört, dann werden deine Steuern gesenkt", rief sie dem Würstelkoch zu.
Sie wartete nur auf sein Nicken und rannte weiter. Bald traf sie ein Freudenmädchen. "Wenn der König vorbei kommt, sag, dass der Graf dein Zuhälter ist, dann kriegst du eine Sozialversicherung."
Da stimmte das Mädchen begeistert zu.
Weiter ging's, bis die Katze einen Drogendealer traf. "Sag dem König, wenn er vorbei kommt, dass der Graf dein Boss ist, dann kriegst du Straffreiheit und brauchst auch keine Polizisten mehr schmieren, damit sie dich nicht zurück nach Afrika verfrachten."
Das gefiel dem Dealer und er versprach es.
Endlich kam die Katze zu einer großen, schicken Villa. Dort lebte ein mächtiger Zauberer, dem eigentlich all die Sachen gehörten. Mit seiner Magie hatte er die Katze beobachtet und war von ihren schamlosen Lügen und ungeheuerlichen Versprechungen entsprechend verärgert. Er verstellte sich aber und hieß die Katze freundlich willkommen.
Diese merkte nichts von dieser Falschheit, da sie ja selbst falsch war und immer dachte, sie würde jeden Lügner sofort erkennen. "Ach, was bist du doch für ein großartiger Zauberer", schleimte die Katze. "Stimmt es, dass du dich in jedes Tier verwandeln kannst?"
"Ja", gab der Zauberer zu. "Und was kratzt dich das?"
"Lass doch mal sehen. Verwandle dich in einen Elefanten."
"Spinnst du, dann bricht doch der Fußboden ein."
"Na, dann eben in ein kleineres Tier", lenkte die Katze ein.
"Na gut." Der Zauberer verwandelte sich in einen Rottweiler und fraß die Katze auf. Dann ging er vor die Tür und wartete auf den König.
"Wem gehört denn diese schöne Villa?", fragte der König.
"Na, mir natürlich", antwortete der Zauberer. "Die Würstelbude, der Begleitservice und der Verteilerring auch. Und dieser Kerl ist auch kein Graf, sondern ein stinkfauler Müllersohn. Diese präpotente Katze hat dir da einen gewaltigen Bären aufgebunden. So nebenbei bemerkt, sie war auch keine Katze, sondern ein als Katze verkleideter Vielfraß. Nicht einmal die blödeste Katze könnte soviel Mist auf einmal bauen." Dann rülpste er, spuckte dem König ein halbes Vielfraßohr vor die Füße, ging in seine Villa und schlug die Tür hinter sich zu.
Nun geriet der König in Wut. "Zieh sofort die Kleider aus!", brüllte er den Müllersburschen an.
Ganz verdattert gehorchte dieser und machte sich beschämt davon. Irgendwie war sein Leben durch das oftmalige An- und Ausziehen heillos durcheinander geraten. Da ihm diese Art der Beschäftigung aber gefiel, ließ er sich ein paar Intim-Piercings machen und wurde Stripper. Seine Faulheit war derart ausgeprägt, dass er ohnehin für nichts Anderes taugte. Und eine Katze, die für ihn log und hochstapelte hatte er ja jetzt nicht mehr.
Zur Prinzessin sagte der König streng: "Diesen falschen Grafen wirst du nicht heiraten."
"Ganz sicher nicht", stimmte sie ihm zu. "Ich liebe doch schon lange meine Kammerzofe."
Da war der König erstmal baff. Da er aber seine Tochter liebte, schluckte er nur und segnete dann ihren Bund. Als er in Pension ging, wurde sie Königin und adoptierte ein armes Waisenkind um einen Erben zu haben. Ein zweiter Gedanke dabei war, dass mal endlich frisches Blut in den inzestiösen Adel kommen sollte. Auf diese Weise waren alle glücklich. Und wenn sie nicht gelogen haben, hat sie der Zauberer auch nicht gefressen.


zurück