"Fertig!" Peter, ein junger Kunststudent, wusch sorgfältig seine Pinsel aus und verstaute sie in seiner Arbeitstasche. "Na, was sagst du?"
Sein Freund Arthur, ebenfalls ein Kunststudent, stand mit gerunzelter Stirn vor dem eben fertig gestellten Gemälde. Es stellte ihn selbst dar, und zwar so naturgetreu wie ein Foto. "Es ist großartig!", sagte er mit Inbrunst. "Aber meines wird noch besser!" Er lachte.
Die Beiden hatte gewettet, wer besser malen könnte. Um das fest zu stellen, hatten sie vereinbart, dass jeder ein Portrait vom anderen malen sollte. Nun war Peters Bild fertig. Arthur musste neidlos zugeben, dass es meisterhaft war. Es war ihm, als sehe er in einen Spiegel.
Arthurs Bild war fast fertig. Nur noch einige kleine Verbesserungen waren zu machen. Das würde höchstens einen Tag in Anspruch nehmen. Dann wollten sie ihre Werke ihrem Lehrer präsentieren. Er sollte entscheiden, wer der Bessere von ihnen war.
Äußerlich waren sie sehr verschieden. Beide hatten braunes Haar, doch Arthurs legte sich in weichen Wellen während Peters starr und stachelig abstand. Arthur war auch einen halben Kopf größer als Peter, schlanker. Sein Freund hatte die bullige Figur eines Schmieds. Seinen fleischigen Fingern traute nur selten jemand derart feine Pinselstriche zu. Arthurs Hände waren schmal und geschmeidig wie die eines Pianisten. Mit einem Wort, Arthur war eindeutig der Attraktivere von den beiden.
"Nun brauche ich nur noch eine magische Figur, dann kann ich mir wie Dorian Grey wünschen, dass das Bild für mich altert", schwärmte Arthur. Er konnte den Blick gar nicht abwenden. "Ich würde natürlich nicht so lasterhaft leben wie Dorian Grey. So müsste ich das Bild auch nicht verstecken." Er lachte wieder.
"Das kannst du haben", lachte nun auch Peter. "Sylvia hat mir von ihrer letzten Ägyptenreise diese kleine Katze mitgebracht." Er reichte seinem Freund eine Figur aus schwarzem Stein.
Arthur nahm die Figur und sah sie an. Die Begeisterung für dieses Bild versetzte ihn in eine übermütige Stimmung. "Ja, das ist es!", rief er theatralisch und hob die Katze hoch. "Ich möchte mit dem Bild tauschen!"
Natürlich passierte nichts. Nichts? Nun, offenbar hatte er sich unbewusst gedreht. Denn er sah jetzt zum Fenster und nicht mehr zur Tür. Und sein Freund stand nun an seiner rechten Seite, nicht mehr links. Er wollte die kleine Skulptur wieder auf das Regal stellen, von dem sie Peter genommen hatte. Doch, was war das? Er hatte sie gar nicht mehr in der Hand. Das Bild hielt plötzlich die Figur. Überrascht wollte er Peter darauf aufmerksam machen, fand sich aber außerstande nur ein Wort zu formen, ja, er konnte nicht einen einzigen Muskel rühren.
"Komm, Arthur, gehen wir einen heben!", schlug Peter vor und nahm den Arm des Bildes.
Des Bildes? Mit grenzenlosem Entsetzen erkannte Arthur, dass sein Wunsch in Erfüllung gegangen war. Er hatte mit dem Bild getauscht. Für immer gefangen in einem Gemälde!
Sein Körper fiel, von Peter gezogen, der Länge nach hin, mitten aufs Gesicht. Erschrocken drehte Peter ihn um. Die Nase blutete.
"Arthur! Was ist los mit dir?!", rief nun Peter verzweifelt. "Sag doch was!"
Mit übermächtiger Anstrengung wollte Arthur antworten. Er wollte schreien: "Ich bin hier! Hier in deinem verdammten Gemälde!" Doch er konnte nicht.
Nun lief Peter zum Telefon und rief einen Rettungswagen. Weiß gekleidete Männer kamen wenige Minuten später in die Wohnung. Einer untersuchte den reglosen Körper.
"Es tut mir Leid", sagte er schließlich. "Ihr Freund ist tot." Er gab seinen Begleitern einen Wink und sie legten den Körper auf eine Bahre, deckten ihn mit einem weißen Tuch zu. "Wir werden eine Obduktion machen müssen um die Todesursache fest zu stellen."
"Nein, ich bin nicht tot!", wollte Arthur schreien. Vergeblich. Das Bild hielt ihn gefangen. Musste er nun sein restliches Leben in ein und derselben Haltung verbringen? Er war gerade mal 23 Jahre alt.
Von Grauen erfüllt beobachtete er den Abtransport seines Körpers. Sein Freund folgte den Sanitätern. Nun war Arthur allein in der Wohnung. Allein mit der kleinen, schwarzen Katzenfigur, die vergessen am Boden lag.