REZENSION


MATCH POINT

von Andreas Leder



Regie: Woody Allen
Darsteller: Scarlett Johansson (Der Pferdeflüsterer, 1998; Lost in Translation, 2003; Die Insel, 2005), Emily Mortimer, Jonathan Rhys-Meyers (Kick It Like Backham, 2002; Alexander, 2004), Brian Cox, Matthew Goode, Penelope Wilton, James Nesbitt, Ewen Bremner, Rupert Penry-Jones, Margaret Tyzack
Länge: 124 Min., FSK: ab 6
Kinostart: 29.12.2005

Zum ersten Mal filmt Woody Allen nicht in New York, sondern in London. Außerdem ist seine 39. Regiearbeit weder sarkastisch, noch witzig. Der Humor ist hintergründig, bösartig und rabenschwarz. Und gerade deshalb dürfte dieses Portrait eines Emporkömmlings auch sein spektakulärster Film sein.

Der Ball fliegt über das Netz, hin und her. Plötzlich trifft er die Netzkante, steigt hoch und fällt ... entweder zurück in die eigene oder in die andere Hälfte des Spielfeldes. Das ist der Moment, in dem das Glück entscheidet, wer den Punkt gewinnt.

Der einstige Tennisstar Chris Wilton (Jonathan Rhys-Meyers) hat seine Karriere beendet und knüpft nun als Tennislehrer erste Kontakte zur britischen High Society. Über seinen Schüler Tom (Matthew Goode) lernt er die wohlhabende Hewett-Familie kennen und hier insbesondere Toms Schwester Chloe (Penelope Wilton). Diese verliebt sich Hals über Kopf in den smarten Tennislehrer, der dieser Verbindung auch einiges abgewinnen kann.

Während einer Einladung im Anwesen der Hewetts lernt Chris Wilton Toms Freundin, die gut aussehende aber erfolglose amerikanische Schauspielerin Nola Rice (Scarlett Johansson), kennen und knüpft zarte Bande. Es dauert nicht lange, steht für die beiden im Kornfeld und bei englischem Schnürlregen ein Bett bereit.

Die Freundschaft mit Chloe mündet in einen gut bezahlten Job in der Firma des Vaters, einem tollen Appartement mit Blick auf die Themse und in die Hochzeit mit der Tochter des Hauses.

Alle scheint perfekt, trotzdem wirkt Chris weiterhin zerquält. Sein Schwager Tom hat mit Nola Schluss gemacht, so verliert er Nola aus den Augen, die ihm schon seinerzeit gesagt, hat, dass ihre Liebschaft keine Zukunft hat. Monate später, an einem Nachmittag im Museum sieht er sie wieder, spricht sie an, bedrängt sie, bis sie ihm endlich ihre Handy-Nummer gibt. Das Verhältnis nimmt seinen Lauf.

Chloe wünscht sich sehnlichst ein Kind, es klappt aber nicht. Um die Geschichte auf die Spitze zu treiben, wird jedoch Nola von Chris schwanger. Nun will sie ihren Geliebten ganz für sich und ihr gemeinsames Kind. Er soll seiner Frau, die er ja gar nicht wirklich liebt, es ist mehr eine Zweckverbindung, endlich sagen, dass er mit Nola ein Kind erwartet. In einem vertraulichen Gespräch mit einem Freund aus alten Zeiten eröffnet Chris dass er sich an das angenehme Leben und das viele Geld gewöhnt hat und es nicht aufgeben möchte.

Schön langsam zeichnet sich das Ende ab, auf das Chris Wilton hinsteuert. Er entwendet vom Anwesen der Hewetts eine Schrotflinte, transportiert diese zerlegt in seiner Tennistasche. Er lügt Nola vor, gute Nachrichten zu haben, sie solle gleich nach ihrem Verkäuferinnenjob in einer Boutique nach Hause kommen, er möchte mit ihr Pläne schmieden. Am Nachmittag dringt er in die Wohnung von Nolas Nachbarin ein, erschießt diese aus nächster Nähe mit der Schrotflinte, packt jede Menge Schmuck und alle Medikamente ein. Als Nola nach Hause kommt, spricht er sie vor der Wohnungstüre an und erschießt auch sie. Als Tathergang rekonstruiert die Polizei, dass Nola dem Mörder ihrer Nachbarin wohl entgegengekommen ist, als dieser auf der Flucht war und daher die unliebsame Zeugin ebenfalls sterben musste.

Nach der ruchlosen Tat trifft sich Chris mit seiner Frau um eine Opernvorstellung zu besuchen. Am nächsten Wochenende legt er die Flinte zurück in den Waffenschrank der Hewetts. Medikamente und Schmuck versenkt er, bis auf den Ehering der ermordeten Nachbarin, in der Themse. Der Ring prallt am Geländer ab, springt hoch und fällt zurück auf die Uferpromenade.

Die polizeilichen Nachforschungen bringen Nolas Tagebuch zum Vorschein. Chris Wilton folgt einer Vorladung des ermittelnden Inspektors, gesteht ihm nach erstem Leugnen sein Verhältnis zu Nola. Ja, er sei sicher kein moralisches Vorbild, hat er doch seine Frau betrogen - aber ein Mörder, nein, das sei er auf keinen Fall. Der Verdächtige geht dem Polizisten nicht aus dem Kopf - nächtens löst dieser in Gedanken den Fall.

Am nächsten Morgen unterbreitet er die Theorie seinem Kollegen. Doch das Glück ist auf Chris Wiltons Seite. Der Ehering der ermordeten Nachbarin von Nola Rice wurde in der Hosentasche eines Rauschgiftsüchtigen gefunden, der eine nächtliche Schießerei nicht überlebt hat. Somit ist der Täter bekannt und der Mord an den zwei Frauen geklärt.

Endlich haben es Chloe und Chris geschafft, Nachwuchs hat sich eingestellt. Mit Champagner wird dieses freudige Ereignis begossen.



Es ist ein tiefgründiges Spiel zwischen Luxus und Leidenschaft, Unschuld, Mord, kalter Berechnung und heißen Tränen, in dem Woody Allen das Aufsteigerthema mit moralischen Fragen wie Verbrechen ohne Strafe, Schicksal und Glück verbindet.

In "Match Point" widmet er sich dem klassischen Thema der zwischenmenschlichen Beziehungen und überträgt sie sehr glaubwürdig in die britische Upper-Class.

Bezeichnend die Bücher, die Woody Allens Protagonist liest, hier vor allem "Schuld und Sühne" und die Opernarien, die ausschnittsweise zu hören sind.

Eine der ganz besonderen Szenen spielt gegen Ende des Films. Chris Wilton begegnet nachts in der Küche seiner Londoner Wohnung den Geistern seiner Opfer. Die Tat soll gesühnt werden, sagen sie, die Gerechtigkeit wird siegen. Ja, wir wissen, so sollte es sein, aber so geschieht es nicht.



Das Ende des Films ist voll Bosheit - aber es kann gar nicht anders sein.


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