SCHWERPUNKTTHEMA


HEXEN


HEXEN - HEUTE UND DAMALS

von Eva Kalvoda



Der Wandel der Hexen reicht vom weisen Weiblein über die hässliche Alte und die wollüstige Rothaarige bis hin zur modernen Feministin. Hätte dieser Wandel nicht so dramatische Folgen gehabt, könnte man durchaus behaupten, die Hexen wären die Anpassungsfähigste Gruppe, die die Menschheit je gesehen hatte.
Leider aber fand diese Veränderung nicht innerhalb dieser Gruppe statt, sondern wurde ihr über Jahrhunderte hinweg von Außen aufgezwungen.
Und das führt schnurgerade zur Religion. Schon die ältesten Aufzeichnungen über weise Frauen beinhalten immer auch Hinweise auf eine gewisse Vertrautheit mit den Naturgottheiten.
Da die heidnischen Religionen großteils Naturreligionen waren, ist dies nicht überraschend.

Um Heilung zu erreichen, war es damals genauso wichtig, mit der entsprechenden Gottheit oder dem Geisterreich einig zu sein, wie auch die richtigen weltlichen Kräuter und Rezepte zu kennen. Das zweite Gesicht, also das gleichzeitige Sehen auf der Geisterebene, gehörte zu einem Weisen oder einer Heilerin ebenso dazu, wie die Kommunikation mit eben diesen Wesenheiten.
Auch war es damals nicht unüblich, dass eine Frau die Führung über viele Bereiche innehatte. Zwar gab es nicht sehr viele weibliche Häuptlinge, aber nicht etwa weil deren Führungsfähigkeiten in Frage gestellt wurden, sondern weil die Frau nun einmal die Gebärende ist, und sich so einen gewissen Zeitraum ihres Lebens ihren Kindern widmen muss. Keine Schwangere zog als Kriegerin aus, nicht aus Angst, sondern aus Rücksicht auf das ungeborene Leben.
Das Leben damals war sozusagen Bedingungsabhängig. Starb der alte Häuptling, und hatte keinen Sohn, übernahm eine Tochter, konnte oder wollte sich die wegen Schwangerschaften und Geburten nicht kümmern, übernahm ein Neffe, der schon alt genug war, füllt sich jedoch die Tochter trotz aller Umstände fähig, und die Sippe war auch zufrieden, machte sie weiter.
War ein Mädchen am besten geeignet, Lehrling eines Schamanen oder einer Weisen Frau zu werden, wurde sie es aufgrund ihrer Befähigung, war ein Junge besser geeignet, wurde er es.

Die frühen Religionen waren eins mit sich und dem Kreislauf der Natur und allen damit verbundenen Umstände.
Das änderte sich durch die aufkommende Christianisierung. Die Kirche wollte weder mächtige noch unabhängige Frauen, und am allerwenigsten mochte sie mächtige und unabhängige Frauen, die sich ihrer Macht bewusst waren. Schließlich ist Gott ein Mann, und Jesus auch. Leider konnte man ihn nicht von einem Mann gebären lassen, also akzeptierte man zähneknirschend eine jungfräuliche Maria; aber bitte untertänig und bescheiden, wenn schon.
Hätte die Kirche nun ihre Ziele offen verfolgt, wäre vieles anders gekommen, aber die Kirchenväter waren schlau, assimilierten die alten Religionen, und führten die Menschen so nach und nach durch ein Gemisch aus alter und neuer Religion, bis nur noch die christliche Doktrin galt.
Und diesem Prozess fielen auch die Hexen, bzw. weisen Frauen zum Opfer. Zuerst wurde ihr Status in der Gesellschaft langsam umgewandelt, dann wurde ihre Bezeichnung umgewandelt, und schließlich wurde ihre Tätigkeit umgewandelt.
Aus dem netten, alten Kräuterweiblein wurde eine böse, hässliche Hexe. Plötzlich wurden Märchen erzählt, in denen nicht mehr der böse Geist, sondern die böse Hexe der Übeltäter war. Und wer sollten diese Hexen anderes sein, als diejenigen, die über Kräuter und Heilung Bescheid wussten?

Im 13. Jahrhundert schließlich machten die Hexen eine weitere Wandlung durch, die quasi die Verfolgung auslöste. Bei Thomas von Aquin wurde sie zum wollüstigen Weib, das mit dem Teufel sexuell verkehrte, womit auch gleich erklärt wäre, warum lüsterne Gedanken immer die Schuld der Frauen waren. Sogar Martin Luther faselte von Teufelshuren, die Leute zur Buhlschaft zwingen und zu Dingen des Teufels, und überhaupt neigen Weiber von Natur aus zu Zauberei. "Ich wollte sie selber verbrennen."
Tja, vielen Dank für diese Wortmeldung, Herr Luther.

Als im 14. Jahrhundert auch noch die Kirchendoktrin ausgegeben wurde, dass jegliche Frau, die sich anmaße zu heilen ohne studiert zu haben, nur eine Hexe sein könne und deshalb zu sterben habe, war keine Heilerin oder Hebamme mehr sicher.
Die Vorstellung, dass eine Hexe nicht nur mit Tränken, Giften und Zaubereien, sondern auch mit sexuellen Lüsten Macht über die Menschen erlangt, wurde so tief in die Köpfe der Menschen gepflanzt, dass keine Frau, ob alt oder jung, schön oder hässlich, ledig oder verheiratet vor der Hexenverfolgung sicher war. Man konnte praktisch jedes Unglück, jeden schlechten Gedanken, ja jedes Fitzelchen Pech einer Hexe anlasten.
Nun hatte man endlich jeglichen Bereich, in dem Frauen noch ein bisschen vermeintliche Macht hatten abgedeckt.

Zwar wurden auch Männer als Hexer und Zauberer verfolgt und getötet, aber Fakt bleibt, dass weit mehr Frauen im Hexenwahn ihr Leben ließen.
Die Zeit der Hexenverfolgung endete offiziell erst Ende des 18. Jahrhunderts. Inoffiziell werden auch heute noch viele Menschen als Hexen getötet.
Im 18. Jahrhundert setzte die Aufklärung ein, es gab Revolutionen, die Macht der Kirche schwand langsam wieder dahin, Monarchien wurden abgeschafft, die Emanzipation setzte ein.
Durch diese Prozesse wandelte sich auch das Gesicht der Hexen - wieder einmal, bis Anfang des 20. Jahrhundert die ersten Hexenzirkel ins Leben gerufen wurden. Die Sucht nach der alten Mythologie war erwacht. Dass dies auch nicht immer das Wahre ist, zeigte sich in der germanischen Blutmythologie des Dritten Reiches. Doch die Menschheit, und auch das neue Interesse an den heidnischen Religionen überlebte diese Zeit.

Erst noch heimlich, im Zuge der Esoterikwelle immer stärker, sprossen an allen Ecken und Enden neuheidnische Hexenbewegungen empor. Man suchte wieder nach den Wurzeln der Religionen, entdeckte die Urmutter neu und befasste sich wieder intensiv mit dem Gedanken der Einheit von Mensch, Natur und Kosmos.
Wenn man nun aber annimmt, dass damit die alte Macht der Hexen wieder hergestellt wurde, irrt man gewaltig. Die neuen Hexenkulte verstehen sich jeder für sich für den einzig wahren, womit sie die Fehler der Kirche wiederholen.
Mittlerweile gibt es zig neoheidnische und neogermanische, ja auch neoindianische Hexenvereinigungen, Schamanenbewegungen und dergleichen, aber auch rechtsradikale Gruppierungen die unter der Flagge der Mythologie segeln. Einen auch nur annähernd kompletten Überblick zu schaffen, ist schier unmöglich.
Zwar gilt in den meisten Bewegungen ein relativ liberales Denken, trotzdem ist die eigene Vereinigung immer noch ein wenig wahrer, ein wenig echter, und wenn schon nichts anderes, dann zumindest ein wenig toleranter, als all die anderen "Hexen".


Die beiden größten Hexenvereinigungen im Überblick:

Wicca

Wicca bedeutet im Altenglischen in etwa Hexe. Und so benannte der Gründer Gerald B. Gardner auch seine neue Hexenbewegung, zu der er sich 1939 durch den Kontakt mit anderen Hexen berufen fühlte. Natürlich schrieb er dann (1965) auch ein Buch dazu, das die Grundlage des Wicca-Kultes bildet. Da Gardner überzeugter Nudist war, wurden traditionelle Wicca Zusammenkünfte nackt abgehalten. Der Moderne Wicca-Kult hat sich jedoch von solchen Anfangsirritationen erholt, und gilt heute als relativ ernst zu nehmende Hexenvereinigung gilt. Die Wicca verehren die große Göttin, die über alle Kräfte des Weiblichen verfügt. Dieser zur Seite steht der gehörnte Gott. Magie wird als natürliche Fähigkeit angesehen, die es durch Willenskraft und mentale Energie zu erlangen gilt, um sie im Einklang mit den göttlichen Kräften auszuüben. Man glaubt an die Wiedergeburt.
Die Hauptanliegen der Wicca sind das Bekenntnis zum reinen Hexentum, ohne Vermischung mit christlichen Glaubensgrundsätzen wie beispielsweise den Teufelsglauben.
(Außerdem glauben Wiccas, sie brauchen kein Glaubensbekenntnis da Ihr Überzeugung keine Glaube, sondern Tatsache ist!)

Pagan Federation

Die Pagans sind wohl die sympathischsten Hexen, da sie nach dem Motto leben: "Solang du andern nicht schadest, tue, was du willst!" Was daraus resultiert, das ihr Hauptanliegen ursprünglich der Kampf gegen Vorurteile und Intoleranz war.
Man sieht sich eher als loser Dachverband diverse Hexenbewegungen, denn als fest definierter Kult. Die Mitglieder verpflichten sich zur Liebe und Verbundenheit mit der Natur. Dem Respekt gegenüber den Kräften des Lebens und dem ewigen Kreislauf von Leben und Tod. Der oben erwähnten Toleranz als positive Moral mit individueller Verantwortung zu Entfaltung der eigenen Natur in Harmonie mit der Umwelt und Gesellschaft, und der Verehrung des Göttlichen, ohne Unterdrückung der männlichen oder weiblichen Aspekte.


ENDE


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