SCHWERPUNKTTHEMA


HEXEN


HEXENGERICHT

von Fred H. Schütz



Für ein Hexengericht benötigte man seinerzeit eine Hexe und einen nutzlosen Klepper, dazu eine Katze (schwarz sollte sie sein) und eine Ratte; außerdem einen großen Kessel voll kochender mittelalterlicher Volkswut. Den Opfern schlitzte man die Leiber auf und entfernte die Eingeweide. Sodann wurden die Bauchhöhlen gefüllt, und zwar das Roß mit dem Weib, dieses mit der Katze und die mit der Ratte. Zum Schluß füllte man diese mit einem zu dem Zwecke gefangenen Sperling. Allen wurde der Bauch wieder zugenäht, worauf man die schmerzgepeinigte Rosinante mit Peitschenhieben davonjagte. Irgendwann, irgendwo würden die gequälten Kreaturen am Straßenrand verenden.

Soweit ehrsame Gerichtsbarkeit vergangener Tage. Nach dem gleichen Prinzip wenn auch aus durchaus ehrbarer Motivation bereitet das Volk der Georgier im südlichen Kaukasus - des Landes, das nicht nur Ursprungsland des Weines ist, sondern nach eigener Auffassung auch Heimat der schönsten Frauen und kühnsten Männer dieser Erde - ein opulentes Festmahl, nur daß sie das Pferd durch einen Ochsen, die Frau durch ein Schwein und die Katze durch eine Ente ersetzen. Anstelle der Ratte verwendet man dort eine Poularde und (sofern noch Platz ist) eine Taube. Natürlich werden die Tiere ordnungsgemäß geschlachtet und nach dem Ineinanderstecken werden die Leibesöffnungen mit aromatischen Kräutern ausgefüllt. Diese Fracht wird an einem Spieß über offenem Feuer gegrillt bis sie durch und durch gar ist, und das kann Tage dauern. Aber dann laben sich die Landsleute mit allen Verwandten, Nachbarn und so weiter, vom Dorfschulzen bis zum letzten Dorftrottel, an dem saftigen Fleischgemisch - und auch das kann Tage dauern.

Wer denkt denn auch bei sowas an Hexen!

Auch der Vater der Drei Musketiere, Alexandre Dumas père, der sich bekanntlich als großer Gourmet feiern ließ - immerhin verfasste er ein umfangreiches Kochbuch, das allerdings von Kritikern verrissen wurde; heute ist es so gut wie gar nicht mehr erhältlich - war von dem Gedanken durchdrungen. Allerdings beschränkte er sich der beengten Räumlichkeiten wegen - oder vielleicht auch aufgrund mangelnder Geldmittel - auf Geflügel. Also brauchte er einen Schwan (sofern der überhaupt erhältlich war) den er nacheinander mit einer Gans, sodann mit einer Ente und schließlich einer Poularde füllte. Dann kam noch eine Taube hinein und in diese legte er behutsam eine Olive. Diese immerhin noch recht gewichtige Gesamtgarnitur ließ er sorgfältig Stunde um Stunde im Ofen backen, und wenn sie richtig gar war - schmiß er alles weg und genoß die von den guten Säften durchdrungene Olive!

Ob's wahr ist?


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