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NEIN GESAGT!

von Fred H. Schütz



Die nachfolgende Geschichte habe ich vor langer Zeit einmal gelesen; das heißt, ich weiß heute weder wer ihr Urheber war noch kann ich mich an sämtliche Einzelheiten erinnern. Sie könnte jedoch ein Märchen sein und deshalb will ich sie hier nach bestem Vermögen und so ausführlich wie ich kann wiedergeben.
Es war einmal eine Frau hohen Standes, die hatte eine Tochter die sie von ganzem Herzen liebte. Als nun ihre Stunde kam und sie fürchtete, daß Hochstapler und sonstige Schwindler ihrem lieben Töchterlein schaden könnten, ließ sie es bei seinem Leben schwören Anträgen nie nachzugeben und immer Nein zu sagen. Wären ihre Sinne noch beieinander gewesen, hätte sie vermutlich einen weniger krassen Schwur von ihrem geliebten Kind verlangt.
Von Sorge und Seelenpein zerrissen, tat die Tochter den schicksalsträchtigen Schwur und die Mutter, in der Gewissheit, gut für ihr Töchterlein gesorgt zu haben, tat ihren letzten Seufzer.
Die Tochter, allein in der Welt, war nurmehr nicht nur eine reiche Erbin sondern auch ein schönes Mädchen und deshalb fehlte es ihr nicht an Bewerbern um ihr Herz und ihre Hand. Sie aber erinnerte sich des Schwurs und sagte zu allen Anträgen Nein! So kam es, daß ein Verehrer nach dem anderen vor sie trat und nachdem er seine Abfuhr erhalten hatte sich mit hängendem Haupte davon schlich.
Bis eines Tages einer vor sie kam der nicht nur klug und schön anzusehen sondern ihr auch in tiefer Liebe zugetan war, und ihr Herz entflammte für ihn auf der Stelle.
Aber den Schwur konnte sie nicht brechen wenn sie nicht der Verdammnis der Hölle anheim fallen wollte. Er bat sie, er flehte, er beschwor sie, drang in sie um der Liebe des Himmels willen seine Frau zu werden; nichts half. Sie schüttelte nur immer wieder den Kopf, schluchzte und hauchte ihr verzweifeltes "Nein."
Nun hatte der junge Mann eine alte Muhme, die mit den Vögeln und den Tieren des Waldes reden konnte und die auf alles eine Antwort wußte. Als er eines Abends zu ihr schlich und ihr sein Herz ausschüttete, lachte sie nur leise. "Jüngelchen, du hast die falsche Frage gestellt!" Und dann erklärte sie ihm was er tun und sagen musste, um an sein Ziel zu kommen.
Frisch gestärkt und neuen Mutes trat er am nächsten Morgen vor seine Angebetete und sank auf sein Knie. "Würdet Ihr mir glauben, wenn ich sagte daß ich Euch nicht liebe?"
Erstaunt blickte sie ihn an. "Nein! Natürlich nicht!"
Er forschte weiter: "Aber ist es wahr, daß Ihr keine Liebe für mich empfindet?"
"Nein, das ist nicht wahr!" rief sie bestimmt.
"Dann werdet Ihr mir Eure Hand zum Ehebund verweigern?"
Die junge Dame war nicht begriffsstutzig. "Nein!" jubelte sie.
So kam es, daß der junge Mann das Aufgebot bestellte und als er dem Priester erzählte wie es um seine Liebe bestellt sei, schüttelte der nur den Kopf. Aber was tut ein guter Gottesmann nicht alles um einen Liebesbund im Himmel und auf Erden zu beschließen!
Als dann das Brautpaar in der Kirche vor ihm stand fragte er: "Wollt Ihr, meine Lieben, uneins sein, einander mißachten und auseinander streben in guten und in schlechten Zeiten, bis daß der Tod Euch scheide?"
"Nein!" riefen den beiden wie aus einem Mund.
"Tja," schmunzelte der Pfarrer, der wahrhaftig ein großes Herz besaß, "wenn Ihr das alles nicht wollt, dann, ja dann erkläre ich Euch vor Gott und aller Welt zu Mann und Frau!"
Er brauchte garnicht zu sagen "Ihr dürft die Braut jetzt küssen," denn das tat unser junger Held jetzt ausgiebig und das errötende Bräutchen soll ihm ins Ohr geflüstert haben, "Du hast mich erlöst, mein Liebster!" Aber das letztere ist sicher nur Hörensagen.
Tja, und wenn sie nicht gestorben sind ...


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