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DER BRUNNEN

von Susanne Stahr



Die sechs Absolventen der Magierschule von Sembaru hatten ihre besten Kleider angelegt. In einer Reihe standen sie vor dem Obersten Rat der Magier von Shalina um ihre Meisterketten und ihren ersten Auftrag zu empfangen. Großmeister Koitsch, ein Kaimek, dessen schütteres Fell sein hohes Alter anzeigte, hatte für dieses Jahr den Vorsitz. Der Duft von Salbei und Minze stieg von den Feuerschalen auf, während draußen der erste Frühlingssturm um den Schulkomplex heulte.
Drei Frauen, ein Mann und zwei Kaimeks hatten die letzten Prüfungen geschafft. Hinter ihnen saßen in der ersten Reihe die Lehrer der Schule und dahinter die Schüler. Paschitz, ein junger Kaimek mit zitronengelbem Fell, schielte zu den Studenten, wo sein Gefährte Uchas mit ihren drei Kindern Platz genommen hatte. Das Jüngste war erst knapp zwei Jahre alt. Deshalb hatte es Uchas unter seiner Kutte verborgen. Kaimeks waren erst mit drei Jahren fähig, dem Sonnenlicht zu trotzen. Ein stolzes Lächeln lag auf Paschitz Gesicht, gepaart mit etwas Wehmut, denn der Abschied lag nahe.
Meister Flinke Hand, der Direktor von Sembaru, runzelte in sanfter Missbilligung die Stirn und Paschitz richtete seinen Blick wieder auf Koitsch. Die sechsfingrige Hand des alten Kaimek nahm nun eine der vorbereiteten Papierrollen auf, die vor ihm auf dem wuchtigen Eichentisch lagen.
"Messerfrau aus dem Dorf der Waffenschmiede, du wirst als Honighüterin durch die Bienenhügel ziehen", sprach er nun eine der Frauen an. Ihr schlanker Körper ließ nichts von ihrer enormen Kraft ahnen.
Sekundenlang funkelte lodernder Zorn in Messerfraus Augen. Dann senkte sie den Blick. "Ich gehorche", antwortete sie gepresst und setzte sich zu den Studenten.
"Gelber Fleck vom Stamm der Sturmsänger und Tschu aus den Ka-Matrass-Höhlen", fuhr Koitsch ungerührt fort. "Ihr geht zum Dorf der Rotohren. Dort werdet ihr dem Dorfmagier bei der Feldsegnung helfen. Danach reist Gelber Fleck weiter. Das Archiv von Arimotu ist ein heilloses Durcheinander, das dringend einer neuen Ordnung bedarf."
Die beiden antworteten mit der gleichen Formel wie ihre Vorgängerin. Paschitz wurde unruhig. Er wusste aus Erfahrung, dass der Letzte den härtesten Auftrag bekam. War er endlich an der Reihe?
"Dicker Zopf vom Stamm der Graufedern", sprach Koitsch jedoch eine rothaarige, kräftig gebaute Frau an. "Du gehst in die Rote Sandwüste. Die Sandläufer haben im letzten Herbst zwei Heiler verloren. Folge dem Ruf!"
Mit einer respektvollen Verbeugung nahm sie die Rolle entgegen und setzte sich zu ihren Freunden. Sie war auch nicht glücklich über diesen Auftrag, doch ihre Beherrschung war besser als Messerfraus.
"Paschitz aus den Ka-Tahasch-Höhlen und Faust am Boden vom Stamm der Windhufe", wandte sich Koitsch den letzten beiden Absolventen zu. "Für euch habe ich eine besondere Aufgabe. Ihr werdet eine Botschaft zu Grauem Felsen bringen." Mit fast beiläufigen Bewegungen fixierte ein Zauber die Botschaft in den Gehirnen der beiden Magier. Dort würde sie verborgen bleiben bis sie vor Grauem Felsen standen. Dann fuhr er fort: "Auf eurer Reise zu den Grenzbergen habt ihr allen zu dienen, die eurer Hilfe benötigen....."
Es kamen noch einige salbungsvolle Sätze, aber Paschitz hörte nicht mehr zu. Alle siebzehn Jahre sandte eine der sieben Magierschulen einen Menschen und einen Kaimek zu Grauem Felsen, dem verschollenen Eremiten, von dem nur Kinder und vertrottelte Alte glaubten, dass es ihn tatsächlich gab. Paschitz selbst hielt diesen Auftrag für einen Vorwand um die Zahl der Wandermagier konstant zu halten. Es war ein hartes Leben und manch einer fand den Tod durch einen Sandsturm in der Wüste oder in den Abgründen der Felsenberge. "Wandermagier!", fuhr es durch Paschitz ' Kopf während ihm Angst und Wut die Kehle zuschnürten.
"Clanlos!", dachte Faust am Boden, der von seinen Freunden kurz Toptani genannt wurde, und sein Herz krampfte sich zusammen. In seinen Träumen hatte er sich schon als Berater eines mächtigen Häuptlings gesehen. Natürlich müsste dieser wie er vom Stamm der Windhufe sein. Nun sah er all seine Hoffnungen zunichte gemacht.
Dann sahen die beiden einander an. Obwohl sie mehr als sechs Jahre an der gleichen Schule studiert hatte, waren sie doch nie Freunde geworden. Toptani hatte seine Freizeit fast ausschließlich im Tanzbund verbracht. Dort beteiligten sich Kaimeks höchstens als Musiker, da sie, bedingt durch ihr zusätzliches Paar Gliedmaßen, kaum Talent zu menschlichen Tänzen aufbrachten. Sein Wissen über dieses Volk war deshalb nur oberflächlich. Da hatte ihm Paschitz einiges voraus. Im Laufe des Studiums hatte sich dieser durch fast alle Bünde gearbeitet. Freunde hatte er genauso viele unter Menschen als unter seinesgleichen.
"Ich gehorche", sagten sie fast gleichzeitig und nahmen ihre Rollen entgegen.
Toptanis Gesicht glich einer steinernen Maske. Hoch aufgerichtet saß er bei den Tanzbündlern und gab vor, den Abschlussgesängen aufmerksam zu lauschen. Der junge Kaimeks verbarg seine Gefühle nicht. Er hatte seinen Kopf an Uchas' Schulter gelehnt und war in das winselnde Klagen seiner Rasse ausgebrochen.
"Vielleicht bist du der Erste, der den Grauen Felsen findet", versuchte Uchas ihn zu trösten.
"Und meine Mutter war ein Mensch." Paschitz Augen wirkten wie große, grüne Scheiben, da sich seine Pupillen zu haarfeinen Schlitzen zusammen gezogen hatten, ein weiteres Zeichen seines Kummers.
Seufzend schlang Uchas die oberen Arme um ihn und streichelte ihn mit den unteren beiden. Würde er seinen Gefährten wieder sehen? Kaimeks lebten in wechselnden Partnerschaften, jedoch zumeist ihr ganzes Leben in ein und derselben Wohnhöhle.
Die Grenzberge befanden sich am anderen Ende von Shalina, viele Tagesreisen entfernt. Dazwischen lag hinter den Bienenhügeln die Rollende Steppe und der Große Wald von Laine. Dann kam die Kräutersteppe und die Medizinhügel. Zusammen mit den Kahlen Felsenbergen bildeten die Grenzberge eine bogenförmige Barriere, die Shalina gegen das Unbekannte Land im Osten abschirmte.
Missmutig betastete Paschitz seine Klauen. Für die Zeit des Studiums hatte er sie immer kurz geschnitten. Erst in den letzten zwei Monaten hatte er dies unterlassen. Jetzt besaßen sie aber noch lange nicht die Größe, die eine erfolgreiche Jagd erforderte. Er würde noch einige Zeit von Toptanis Jagdgeschick abhängig sein. Sorgfältig legte er die Meisterkette um sein linkes Handgelenk, wo sie sich für immer mit seinem Arm verband. Noch zeigte sie ein stumpfes Dunkelgrau. Ein einfacher Zauber würde sie aktivieren. Später, dachte er, es ist immer noch Zeit dazu.
Langsam leerte sich die Aula. Die Studenten drängten hinaus in den Innenhof. Diskussionsgruppen bildeten sich, die alle nur ein Thema hatten: Die Suche nach Grauem Felsen.
"Wirst du uns ab und zu besuchen kommen?", fragte Uchas. Er stammte aus den Ka-Daschkor-Höhlen, die am Rande des Großen Waldes von Laine lagen während Paschitz aus den fernen Ka-Tahasch-Höhlen kam. Sein erster Auftrag würde ungleich leichter sein, da er ja die Verantwortung für die Kinder tragen musste.
"Nur die Erdmutter weiß, ob sich unsere Wege je wieder kreuzen werden", jammerte Paschitz. "Ich werde nie mit meinen Kindern jagen können. Warum muss gerade ich die unmöglichste Aufgabe bekommen!" Seine Klauen pflügten liebevoll durch das kurze Fell der beiden älteren Kinder, die sich links und rechts an ihn geklammert hatten.
"Die Besten bekommen immer die schwersten Aufträge", lächelte Uchas weise. "Ich bin stolz auf dich."
"Darauf hätte ich verzichten können. Warum war ich nur so ehrgeizig! Ein wenig mehr Faulheit, ein paar verpatzte Zauber ...."
Uchas lachte nur. Nebeneinander gingen sie in ihr Quartier. Uchas übergab die Kleinen der alten Amme und half Paschitz beim Packen.
"Was hältst du von Toptani?", fragte dieser beiläufig. Er hatte sich inzwischen ein wenig gefangen. "Ich weiß gar nichts von ihm."
Uchas legte Paschitz' sorgfältig gefaltetes Festkleid in den Rucksack und wiegte überlegend den Kopf. Er hatte in letzter Zeit einige Male für den Tanzbund getrommelt und kannte Toptani ein wenig besser. "Er ist ein Menschenmann, der von seinen Freunden sehr geschätzt wird. Sein Arm ist stark und sein Herz ist treu. Aber er ist eine Höhle mit nur einem Ausgang."

Paschitz konnte nur seufzen. Die letzte Bemerkung deutete auf Engstirnigkeit.
Die sechs frisch gebackenen Zaubermeister standen fröstelnd in der frischen Brise, die den salzigen Duft des Meeres mit sich brachte, vor der Magierschule. Die Sonne hob sich orangerot über die bewaldeten Hügel im Osten und ließ auf einen warmen Tag hoffen. Jeder hatte nur einen kleinen Rucksack als Reisegebäck. Die Kaimeks hatten ihre Kutten abgelegt und trugen nun einen losen Umhang und einige Gurte, die den Lendenschurz und ihre Waffen hielten. Paschitz sah auf Toptani hinunter, der ein bunt gemustertes Hemd, dunkelblaue Pluderhosen, glänzend schwarze Stulpenstiefel und einen verwegenen Schlapphut trug. Mehrere Ketten zierten seinen Hals und die Silberbeschläge auf Sattel und Zaumzeug seines feurigen Braunen gleißten im Licht der Morgensonne.
"Sieht aus als ginge er zu einem Tanzfest", dachte Paschitz und verzog verächtlich seine Atemschlitze.
Nach einer Verabschiedung durch das Lehrerkollegium, angeführt von Flinke Hand, setzten sich die jungen Magier in Bewegung. Ein malerisch von kleinen Wäldchen durchsetztes Hügelland lag vor ihnen. Bald zeugte feiner Blumenduft von der Nähe der Bienenhügel. Das war für Messerfrau das Signal sich zu verabschieden. Nachdem sie alle umarmt hatte, auch die Kaimeks, verschwand sie in einem Wäldchen um sich ihren summenden Schützlingen zu widmen.
Als sie die ersten Ausläufer der Rollenden Steppe erreichten, bogen Paschitz und Toptani nach Osten ab während die anderen drei weiter nach Süden zogen. Die Sonne stand nun fast im Zenit und Paschitz Fell sog das bisschen Wärme auf, das sie zu dieser Jahreszeit zu geben bereit war. Die endlose Wellen einer Graswüste lag vor ihnen. In den Senken reichten die Halme bis unter den Bauch des Pferdes während sie auf den Kuppen nur halb so hoch waren. Dort blühte bereits das Moschuskraut und die Lichtnelke. Die Knospen der Flockenblume waren noch fest geschlossen.
"Man könnte schwindlig werden bei diesem ständigen Auf und Ab", brummte Paschitz, der in lockerem Trab neben Toptanis Braunem herlief. Er benutzte dazu außer den Füßen auch noch seine mittleren Arme. Wenn er daran dachte, dass er vielleicht sein ganzes Leben mit diesem Menschen als Weggefährten verbringen musste, wurde ihm übel. Nein, so ein langweiliges Leben hatte er nicht verdient. Er unterdrückte einen Seufzer.
Durch den Kopf des jungen Mannes gingen ähnlich trübe Gedanken. Dieser Kaimek hatte in der Schule den Ruf gehabt, bestehende Regeln immer wieder durcheinander zu bringen. Ein Leben mit ihm konnte mühsam werden. Toptani sah auf den Kaimek hinunter. Nur zu Pferd war ihm das möglich und Paschitz fühlte, dass er es genoss, auch wenn er ihn um die Eleganz seiner Bewegungen beneidete. "Ich hoffe nur, dass es hier keine Erdkatzen gibt. Diese flachen Hänge sehen mir sehr verdächtig aus."
"Ich würde sie riechen", spielte Paschitz auf den wesentlich besseren Geruchssinn der Kaimeks an. "Im Moment rieche ich nur Antilopenlosung." Der Gedanke an eine gut durchgebratene Antilope ließ ihm das Wasser im Mund zusammen rinnen. Seit ihrer Mittagsrast waren schon Stunden vergangen und sein Magen fühlte sich unangenehm leer an.
"Antilopen", sinnierte Toptani. "Frisches Fleisch wäre gar nicht übel. Was meinst du? Sind sie nahe genug für eine Jagd?" Er zog den kurzen Speer aus der Schlinge an seinem Sattel und wog ihn in der Hand.
"Vielleicht", meinte der Kaimek. "Jetzt kann ich ihre Ausdünstung wahrnehmen. Ich könnte dir aber nur ein Tier zutreiben. Meine Krallen sind noch zu kurz....."Er unterbrach sich um witternd die Lippen zu schürzen. "Sie fliehen in panischer Angst."
Toptani trieb sein Pferd den Hang hinauf und hielt an. Da sah er sie auch schon. Aus dem Südosten kam in wilder Jagd eine kleine Herde Tüpfelantilopen auf sie zu gerast. Paschitz blieb neben seinem Gefährten stehen und starrte den Tieren verwundert entgegen. Die weit aufgerissenen Augen, von den Mäulern tropfender Schaum, die verschwitzten Körper ließen die Panik ahnen, in der die Herde war. Ohne die beiden Magier zu beachten teilte sich die Herde und raste den Hang hinunter, der untergehenden Sonne entgegen. Ein junger Bock stolperte, überschlug sich und geriet unter die gespaltenen Hufe seiner Artgenossen. Jämmerlich blökend blieb er liegen.
Paschitz war zuerst bei ihm. Das getupfte Fell war an einigen Stellen aufgerissen, ein Hinterlauf gebrochen. Das Tier konnte sich nicht mehr erheben. In stummer Resignation sah es den Kaimek an. Es wartete auf den Tod.
Sacht strich er über das Fell zwischen den kleinen Hörnern. "Was hast du gesehen, kleiner Bock?" Er öffnete sein drittes Auge. Im nächsten Moment überschwemmten ihn schreckliche Bilder. Ein riesiger Schatten mit glühenden Augen schien sich auf ihn zu stürzen. Flammen züngelten aus seinem grässlichen Maul. Dazu erklang ein ohrenbetäubendes Kreischen. Stöhnend blockte Paschitz weitere Erinnerungen des armen Tieres ab und berichtete stockend seinem Kameraden. Ein schneller Biss erlöste das Tier von seinen Qualen.
"Wovor können sich die Tiere erschreckt haben?!", brummelte der Windhuf. "Ein Mensch kann das nicht gewesen sein."
Hab ich mir auch gedacht, wollte Paschitz sagen, verkniff es sich aber noch rechtzeitig. Er wollte es sich mit Toptani nicht gleich zu Anfang verderben. Warum sagte er aber auch so etwas Offensichtliches? "Ein Magier? Oder ein Geist?", vermutete er statt dessen.
"Das, was sie in die Flucht gejagt hat, kann höchstens einige Meilen entfernt sein. Sieh, die Herde weidet bereits wieder."
Schon wieder eine Binsenweisheit. Ja, er sah es, ein starker Bock hielt drei Anhöhen weiter Wache. Wir können ja nachsehen. Die Spur ist deutlich genug", schlug er vor. Seine Zunge fing schnell ein paar Ameisen und einen Grashüpfer.
"Waren das rote Ameisen?", fragte Toptani dann misstrauisch. Er kannte die Wirkung, die der Genuss dieser Insekten auf Kaimeks hatte. Ein sinnlos betrunkener Kaimek war das Letzte, das er sich jetzt wünschte.
"Es waren große, schwarze", seufzte Paschitz, "Ich bin hungrig." Mit den Krallen glättete er sorgfältig sein Kopffell, zwirbelte die Pinsel auf seinen spitzen Ohren.
"Bist du gerade weiblich?", fragte der Windhuf anzüglich. Er spielte auf die Fähigkeit der Kaimeks an, ihr Geschlecht beliebig zu ändern. Einzige Ausnahme war die Zeit einer Schwangerschaft. Paschitz war selbst zweimal Vater und einmal Mutter geworden. Männliche Kaimeks galten allgemein als nachlässig in der Fellpflege.
"Nein. Ich pflege mein Fell immer gleich sorgfältig", antwortete Paschitz pikiert. "Halt doch mal die Füße still. Du hast schon eine ganze Mahlzeit zertrampelt."
Fluchend sprang Toptani aus dem Ameisenhaufen, stieg die flache Böschung hinauf und saß auf. Paschitz reichte ihm den toten Bock.
Die Spur der flüchtenden Herde zog sich wie ein dunkler Streifen über das wellenförmige Land von Osten nach Westen. Um schneller vorwärts zu kommen nahmen die Magier diese Schneise.
"Ich rieche Asche", sagte Paschitz nach kurzer Zeit.
"Wenn es von Graufedern stammt, könnte es ein guter Lagerplatz sein", überlegte Toptani. "Wenn wir das hier geklärt haben, müssen wir uns ohnehin nach einem Platz für die Nacht umsehen."
Paschitz schnaubte nur verächtlich. Für ihn war jeder Lagerplatz unter freiem Himmel schlecht. Leider gab es in der Rollenden Steppe keine Höhlen. Die nächsten waren viele Tagereisen entfernt am Nordrand des Großen Waldes von Laine. Sie gehörten den Ka-Daschkor, leider außerhalb ihrer Marschrichtung.
Paschitz' Atemschlitze zitterten. Der Brandgeruch wurde immer stärker. Auch gab es da eine Beimengung, die er nicht genau definieren konnte. "Siehst du etwas?", fragte er seinen Kameraden.
Sie hatten wieder eine Anhöhe erreicht. Toptani richtete sich im Sattel auf und kniff die Augen zusammen. "Oben auf der dritten Welle von hier sehe ich einen schwarzen Fleck."
Ein schwarzer Fleck? Stammte der Brandfleck von einem Signalfeuer? Es konnte aber auch eine rituelle Flamme oder eine Bestattung gewesen sein. Mit gemischten Gefühlen trabten sie weiter.
Die schwarze Stelle war oval und hatte auf der längeren Seite eine Ausdehnung von der Größe Paschitz'. Der Kaimek hakte eine mittlere Hand in seinen Gürtel und hielt die andere vor Mund und Atemschlitze. Der Geruch verbrannter Kräuter stach unangenehm scharf in seine empfindlichen Schleimhäute. Mit einem Fuß kratzte er die kalte Asche auseinander. Als er einen Knochenrest aufdeckte, sprang er erschrocken zurück. "Das war eine Bestattung!", stieß er hervor.
Jetzt saß Toptani ab und legte dem Braunen den Zügel übers Ohr. Der Gaul erstarrte zu einem Standbild. In der baumlosen Steppe hatten sich die Stämme diese Art von Dressur ausgedacht um ihre Pferde am Davonlaufen zu hindern. Er benutzte seinen Speer zum Herumstochern in den Resten des Feuers. "Es war ein Mann, ein Krieger". An der Speerspitze hing eine ausgeglühte Messerscheide. Die Stammeszeichen der Graufedern war noch deutlich erkennbar.
"Hat wohl Pech gehabt", meinte Paschitz. "Wir sollten sehen, dass wir weiter kommen." Er nieste ein paarmal herzhaft und lief die Böschung hinunter.
Toptani folgte ihm. Auf der übernächsten Welle fanden sie die Rückstände von drei weiteren Bestattungen. Diesmal waren die Verstorbenen Frauen.
"Das könnte eine Krankheit sein." Paschitz zupfte nervös an seinem Bauchfell. Vier Todesfälle auf einmal waren ungewöhnlich.
"Oder ein Überfall", bemerkte Toptani trocken. Die Senn-Graufedern sind mit fast allen ihrer Brüder verfeindet."
Warum musste dieser Vierfüßler immer Dinge sagen, die ohnehin jeder wusste, dachte Paschitz und beäugte die Armspangen, die sein Kamerad aus der Asche gefischt hatte.
"Vielleicht hat es etwas mit dem Ungeheuer zu tun, das die Antilopen in die Flucht geschlagen hat", versuchte er es nochmals.
"Möglich wäre es. Wir werden uns genau umsehen. Die Horde kann noch nicht weit sein. Vielleicht ..." Seine Stimme erstarb in einem Murmeln. Seufzend saß er auf. "Mein Pferd riecht Wasser. Dort werden wir übernachten."
Was Toptani mit seinen letzten Worten angedeutet hatte, klang nicht ermunternd. Brummelnd setzte sich Paschitz wieder neben dem Reiter in Bewegung. Seine ansonsten gute Laune hatte eine Delle erhalten. Die Sonne war jetzt fast untergegangen und er wurde langsam müde.
Hinter der fünften Welle fanden sie einen Brunnen. Sechs flache, weiße Steine aus den Medizinhügeln bildeten den Rand. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ließen sie rosig schimmern. Dies war ein beliebter Rastplatz der Graufedern, wie das kurz abgefressene Gras in der ganzen Senke bewies. Ein schmales Rinnsal führte zu einem kleinen Becken, das als Tränke für die Pferde der Nomaden, aber auch für die Wildtiere diente.
Paschitz stillte zuerst seinen Durst. Warum wurde er diesen Aschegeruch nicht los? Prustend schnaubte er durch die Atemschlitze und erntete einen verweisenden Blick von Toptani.
"Wir sollten uns um das hier kümmern", sagte der Nomade streng.
'Das hier' war das zertrampelte Gras in der Umgebung des Brunnens. Die Herde war wohl gerade zur Tränke gekommen als sie sich erschreckt hatte. Das war aber nicht alles, was Paschitz aus den Spuren las. Vor wenigen Tagen hatten Graufedern hier ihr Lager aufgeschlagen. Auch sie mussten es in fliegender Hast verlassen haben, denn er fand einen Stiefel, einen zerbrochenen Holzlöffel und das halb gegerbtes Fell einer Erdkatze. Gewöhnlich ließen die Nomaden nicht die geringste Spur ihrer Anwesenheit zurück, schon um ihre Feinde nicht aufmerksam zu machen.
"Hier riecht es nach Magie, böse Magie", sagte er und beugte sich ein wenig über den Brunnenrand. Seine Magenwände schabten an einander. Eigentlich könnte er jetzt ein Feuerchen machen und die Antilope braten. "Gib mir die Jagdbeute", forderte er von Toptani. "Ich bereite das Fleisch vor und du holst Holz.
"Hier muss etwas sein, etwas Magisches", ging Toptani nicht auf ihn ein. "Das müssen wir zuerst klären. Du wirst es noch ein wenig aushalten." Er beugte sich über den Brunnenrand. "Glaubst du, dass es hier Frösche gibt?"
"Warum nicht? Das Wasser ist gut." Der Kaimek hatte die Antilope bereits gehäutet und ausgeweidet. Jetzt säbelte er die Teile auseinander. "Ich bin bald fertig. Wo ist das Holz?" In den Tiefen seines Bewusstseins wollte ihn etwas ablenken, aber er schob die störenden Gedanken weg.
Sein Weggefährte starrte ihn gedankenverloren an und ging dann die Böschung hoch. Wenig später kam er mit einem Arm voll trockener Zweige zurück. "Ich hab noch einen Karottenkuchen und eine Flasche Most", erklärte er. "Was hast du?"
"Gesalzene Regenwürmer." Paschitz zischte erwartungsvoll. An dem kleinen Bock war nicht viel Fleisch, aber es würde für eine Mahlzeit reichen.
"Auf die Regenwürmer kann ich verzichten", gab Toptani naserümpfend zurück und holte sein Feuerzeug heraus. Sein Blick fiel auf die Kette an seinem Arm. War da nicht etwas, das er tun sollte? Etwas Wichtiges. Doch wenn er den Gedanken erfassen wollte, entglitt er ihm immer wieder. Er sah den Kaimek an. Auch er trug so eine Kette. Na, wenn schon! Er hatte Hunger.
Nachdem sie die ungenießbaren Überreste ihres Mahls vergraben hatten rollte sich Toptani in eine schöne, handgewebte Decke in den Farben seines Stammes, Silbergrau und ein sattes Blau, und bettete den Kopf auf seinen Sattel. "Der Mondgeist möge über deinem Schlaf wachen und dir gute Träume bescheren", sagte er zu dem Kaimek.
Dieser hatte sich eng an die Brunnenfassung gepresst, die unteren vier unteren Gliedmaßen unter den Körper gezogen und den Kopf mit den oberen Armen umschlungen. Gegen die nächtliche Kälte sollte sein Umhang schützen. Im Dunkel der Nacht sah er wie eine monströse Schildkröte aus. "Wie soll ich schlafen, wenn kein schützendes Dach über mir ist?", klang es gedämpft unter dem Umhang hervor. "Mit dem Mond habe ich nichts zu schaffen. Ich bin ein Sohn der Erdmutter."
"Die Gestirne kennen alle Wesen. Sie werden auch dich behüten", seufzte Toptani. "Du kannst ja im Brunnen schlafen, wenn es dir nicht zu nass ist."
Das verdiente keine Antwort, entschied Paschitz. "Große Erdmutter, lass mich das überstehen!", betete er und schloss die Augen.
Der Schlaf kam überraschend schnell und er brachte auch einen Traum. Paschitz fand sich in einem Lager der Graufedern. Entsetzt erkannte er, dass er seine mittleren Gliedmaßen verloren hatte und ein seltsames Ding in seinem Gesicht sein Blickfeld störte. Er war ein Mensch. Um ihn herum waren einige Männer damit beschäftigt, Fleisch in dünne Streifen zu schneiden und auf Trockengestelle zu hängen. Das war doch Frauenarbeit, wunderte sich Paschitz. Dann erst sah er, dass das Fleisch von Menschen stammte. Mit einem Schrei fuhr er in die Höhe und fiel fast in den Brunnen.
Der Braune schnaubte unwillig und stampfte mit den Hufen. Seine Nase stieß gegen die Schulter seines Herrn. Warum wurde Toptani nicht wach? War es der Most? Paschitz wusste, dass es Getränke gab, die auf Menschen eine ähnliche Wirkung hatten wie rote Ameisen auf Kaimeks. Anklagend starrte er den fast vollen Mond an und näherte er sich kriechend dem Lager des jungen Magiers.
Dieser lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen am Rücken, die Augen weit offen. Der Ausdruck namenlosen Entsetzens sprach daraus. Die Meisterkette an seinem rechten Arm flackerte in grellem Weiß.
Ein magischer Schock, erkannte Paschitz. Das sollte einem Meistermagier nicht passieren. Eine kräftige Massage, verbunden mit einem Reinigungszauber brachte Toptani wieder zu sich. Zuerst spielte die verkrampfte Muskulatur verrückt und veranlasste Toptani zu wilden Zuckungen. Doch das würde sich bald geben.
Paschitz spritzte seinem stöhnenden Gefährten Wasser ins Gesicht und nahm ihn fürsorglich in die Arme. "Gleich wird es besser", murmelte er beruhigend.
Nach einigen Minuten wand sich Toptani aus den vier Armen. "Es geht schon", ächzte er erschöpft.
"Was hast du getan? Das war ein magischer Schock!", bohrte Paschitz. Sanft strich er über Toptanis wirre Locken und versuchte wieder ihn in die Arme zu nehmen.
Der Windhuf schlug seine Hand fort. "He, es geht schon wieder. Was ist denn mit dir los?"
"Oh!" Paschitz verschlug es vor Überraschung zuerst einmal die Sprache. Ungläubig sah er an seinem Körper herab, der wesentlich rundere Formen aufwies als noch vor wenigen Stunden. "Ich bin weiblich!", brachte sie endlich stockend hervor.
"Na und? Ihr wechselt doch immer wieder mal das Geschlecht", wunderte sich Toptani.
"Ja, grundsätzlich stimmt das." Frustriert erkannte Paschitz den Informationsrückstand seines Kameraden. "Aber nur in der Pubertät kommt es zu ungewollten Wechseln. Ein erwachsener Kaimek hat das im Griff und ich bin schon sehr lange erwachsen!" Sie war lauter und lauter geworden. Das letzte Wort brüllte sie.
Toptani war mit steigender Lautstärke immer mehr zurückgewichen. "So genau hab ich das nicht gewusst", verteidigte er sich. "Wie konnte das passieren?"
"Ich weiß es nicht", jammerte die Kaimek. "Es kann nur bedeuten, dass ich sterben muss. Oh, meine Kinder! Meine armen Kinder! Ich werde euch niemals wieder sehen!" Winselnde Laute kamen aus ihrem Mund, das Äquivalent zum Weinen bei Menschen.
Fassungslos starrte Toptani seine Weggefährtin an. Waren ihm schon männliche Kaimeks fremdartig erschienen, mit weiblichen Exemplaren dieser Gattung kam er noch weniger zurecht. "Kannst du nicht wieder männlich werden?", fragte er unsicher.
"Spinnst du? Das würde mich sofort umbringen. Ich muss mindestens eine Periode abwarten." Oh, Erdmutter, und das in dieser Wildnis, wo es weit und breit keine Höhlen gab!, kam es Paschitz zum Bewusstsein.
Der Gedanke, einen Monat lang mit einem weiblichen, also besonders gefühlsbetonten Kaimek unterwegs zu sein, löste bei Toptani wahre Horrorvisionen aus. Genervt folgten seine Augen dem winselnden Magier, der schwankend um den Brunnen lief. "Reiß dich zusammen, Paschitz!", schrie er ihn an und deutete mit dem rechten Zeigefinger vor sich auf die Erde. "Setz dich da her. Ich werde dich untersuchen. Meine Noten in Kaimek-Biologie waren ziemlich gut."
"Pffft!", machte Paschitz verächtlich, folgte aber dem Befehl Toptanis.
Umständlich begann dieser in seinen Satteltaschen zu kramen und förderte ein schmales Heft zutage. Das musste es sein, die Checkliste für Kaimeks. Schnell blätterte er die Seiten durch bis er zu der Überschrift 'Unplanmäßiger Geschlechtswechsel' kam. Er setzte eine wichtige Miene auf. "Wie lange dauert ein Wechsel gewöhnlich?"
"Etwa zwei Stunden. Aber nur, wenn ich den Prozess selbst auslöse. Ich ...."
"Ist der Wechsel bereits abgeschlossen?", unterbrach ihn Toptani mit der nächsten Frage.
"Huh?" Sekundenlang lauschte sie in sich hinein. "Jaaa", dehnte sie dann.
"Hast du Stoffwechselprobleme?"
"Wie soll ich das wissen? Ich bin doch erst ...."
"Ach ja." Leichte Röte überzog Toptanis Gesicht. Dass sein erster Patient gerade ein Kaimek sein musste und dann noch einer mit der kompliziertesten Krankheit, die man sich vorstellen konnte. Stirnrunzelnd studierte er seinen Fragenkatalog. "Im Schlaf", murmelte er. "Ja, das könnte es sein. Hast du etwas geträumt?"
"Äh, geträumt?" War da nicht etwas? Ihr Geist haschte danach, aber es entglitt ihr immer wieder. "Kann mich nicht erinnern", sagte sie zögernd.
"Und wie ist es, wenn du bewusst wechselst? Hast du dann Träume?"
"Ja, dann träume ich." Paschitz grinste übers ganze Gesicht.
"Ja? Was denn?"
"Na, hör mal! Das geht dich nichts an! Schließlich ist das ....äh, sehr privat." Ihre Zungenspitzen fuhren nervös über ihre Lippen und hinterließ eine weißlich Spur, das Äquivalent zum menschlichen Erröten.
"Äh, entschuldige." Toptani errötete ebenfalls. "Fühlst du dich müde und geschwächt?"
"Wie soll ich mich fühlen, wenn ich mitten in der Nacht von einem Albtraum geweckt werde, außerdem noch unter freiem Himmel. Mich hat der Mond nicht beschützt und dich auch nicht."
"Sprich nicht so blasphemisch. Wir leben noch. Es hätte viel schlimmer kommen können.", hielt ihr Toptani vor.
"Merkst du noch etwas von dem Schock?", erkundigte sie sich jetzt, einerseits um von ihrer Person abzulenken, andererseits um einen Religionsstreit zu vermeiden.
"Äh, was?" Irritiert blinzelte der Windhuf, da er sich unversehens in der Rolle des Patienten fand. "Ach so, ein bisschen schwindlig, aber sonst merke ich nichts. Hey! Du hast wahrscheinlich auch einen magischen Schock." Hastig blätterte er in seinem Heft. Ja, da stand es. Ein magischer Schock konnte bei einem Kaimek einen ungewollten Geschlechtswechsel auslösen. Dieser Vorgang war nicht schädlich, wenn der Betroffene sein Geschlecht nicht gerade erst nach der letzten Periode gewechselt hatte. "Wie lange warst du denn jetzt männlich?", fragte er.
"Seit mehr als einem halben Jahr. Ich habe gewechselt als ich mein drittes Kind abgestillt habe."
"Dann ist es nicht schädlich. Nach der nächsten Periode kannst du wieder wechseln und es ist alles in Ordnung", eröffnete ihr Toptani strahlend.
"Also, das ist doch die Höhe!", ereiferte sich Paschitz. "Es ist doch keine Krankheit, weiblich zu sein!" Innerlich atmete sie aber auf. "Wir sollten uns jetzt mal umsehen. Vielleicht gibt es magische Spuren," schlug sie vor.
"Moment mal, was hast du gesagt?", wehrte Toptani ab. "Ein Albtraum hat dich geweckt? Dann hast du ja doch geträumt!"
"Hm, jaaa." Wie war das doch gewesen? Paschitz kraulte sich unter dem Kinn. Das regte immer ihre Konzentration an. "Jetzt hab ich's. Ich war in einem Lager der Graufedern und die Männer hängten Fleisch zum Trocknen auf, Menschenfleisch."
"So eine Gemeinheit! Wie kannst du ....?", schrie ihn Toptani entrüstet an.
"Das war mein Traum! Ich weiß, dass Fleisch trocknen eine Frauenarbeit ist und dass Menschen nicht ihresgleichen essen", verteidigte sie sich. "Ich war ja auch ein Mensch, ein männlicher! An dem Traum war einfach alles verkehrt. Hast du auch geträumt?"
Wieder sah sich Toptani von einem Rollenwechsel überrumpelt. Da kam auch schon mit einem Schlag die Erinnerung. Heiliger Polarstern! "Ich war in einem Wald und flog mit den Nachtfliegern zu einer Kaimek-Höhle. Dort holten wir Babys heraus und banden sie in den Baumkronen ..."
"Du Ungeheuer!", schrie ihn Paschitz an und streckte ihre zu kurzen Krallen nach ihm aus.
Toptani brachte sich auf der anderen Seite des Brunnens in Sicherheit. "Das war doch nur mein Traum! Ich würde doch niemals Kaimek-Babys der Sonne aussetzen!"
"Warst du im Traum auch ein Nachtflieger?" Paschitz zwang sich zur Ruhe. Hier gab es ein Problem, das sie nur gemeinsam lösen konnten.
Toptani war nun sehr bleich. "Ja", hauchte er. "Und ich fand es im Traum ganz normal, auch das, was ich tat. Das ist doch entsetzlich." Fieberhaft überlegte er. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Außerdem begannen sich die Hügel im Osten bereits rötlich zu färben. Obwohl es nur ein Traum gewesen war, fühlte er sich schuldig. Mit langsamen Bewegungen legte er seine Kleidung ab.
"Vater Sonne, Spender des Lebens, der du über uns wachst am Tage, erhöre mich!", Splitternackt kniete der junge Nomade auf der Anhöhe, das Gesicht der aufgehenden Sonne zugewendet. Sein drahtiger Körper zitterte im frischen Morgenwind, der seine langen Haare flattern ließ.
"Du wirst dich erkälten, Mensch. Die paar Haare schützen doch nicht", brummte Paschitz und schälte sich aus seinem Umhang.
"..... Geist, reinige meine Seele, reinige meinen Körper, Vater Sonne, Spender des Lebens, der du über uns wachst am Tage, reinige meinen Geist, reinige meine Seele, reinige meinen Körper", beendete Toptani unbeirrt sein Gebet. Zitternd und mit klappernden Zähnen schlüpfte er in seine Kleider.
"Warum hast du nackt gebetet?", wollte die Kaimek wissen. "So früh im Jahr kannst du dir eine Lungenentzündung holen."
"Ich wollte Buße tun für die Untaten, die ich im Traum begangen habe", erklärte der Windhuf indigniert. Noch immer bibbernd entzündete er ein magisches Feuer und hielt die Hände darüber.
"Du spinnst", stellte Paschitz mit Überzeugung fest. "Wer sagt denn, dass du für diesen Traum verantwortlich bist?"
"Nun, es könnte ja sein......", meinte Toptani zögernd. "Für alle Fälle ...."
"Für alle Fälle werde ich Holz suchen und ein richtiges Feuer machen, damit ich dir einen Kräutertee kochen kann. Wir haben nämlich ein Problem, falls du es vergessen hast. Und da brauche ich deine Hilfe. Wenn du krank bist, nützt du mir nichts."
"Ja, wir haben ein Problem und du spielst das Hausmütterchen!", schrie ihn nun Toptani an. "Wir müssen den Brunnen untersuchen und die ganze Umgebung hier. Warum haben wir das nicht schon gestern abend gemacht? Da stimmt doch etwas nicht!"
"Mit leerem Magen kann ich nicht denken und wenn ich friere schon gar nicht. Warum hast du nur solche Eile? Eins nach dem anderen."
Ärgerlich ging Paschitz auf die Suche nach dürren Ästen. Schon bald fand er eine Kriechulme mit vielen abgestorbenen Ästen. Mit einem großen Arm voll davon kam er zurück. Bald loderte ein lustiges Feuer und in Toptanis kleinem Kessel brodelte Wasser. Paschitz kramte seine Kräutervorräte durch.
"Spitzwegerich, Huflattich, Eibischwurzel ...", murmelte sie und warf die genannten Kräuter in das kochende Wasser. Sorgsam legte sie den Deckel darauf und nahm den Kessel vom Feuer.
"Mir ist gar nicht mehr kalt!", protestierte Toptani während er mit einem beinernen Kamm seine mahagonifarbenen Locken entwirrte. "Hast du das Wasser kontrolliert? Vielleicht war es verhext."
"Was?" Paschitz ließ fast den Kessel fallen. "Das kann doch nicht ....!" Hastig stellte sie das Gefäß ab und schöpfte frisches Wasser aus dem Brunnen. Prüfend hielt sie die Hand darüber und sprach einen einfachen Zauber. Das Wasser blieb klar. "Der Brunnen ist in Ordnung. Trink deinen Tee!"
Seufzend gehorchte Toptani. "Du sorgst für mich wie eine Mutter für ihr schwachsinniges Kind", sagte er trocken, und nahm den Lederbecher, den ihm Paschitz hinhielt. Mit kleinen Schlucken trank er das Gebräu. Es tat wirklich gut und wärmte ihn so richtig durch.
Mit einem "Du musst etwas essen!" entfernte sich die Kaimek wieder. Toptani ließ sie gehen. Das fürsorgliche Getue ging ihm langsam auf die Nerven. Nun konnte er wenigstens in aller Ruhe die Umgebung des Brunnens untersuchen. Vor nicht ganz einer Woche hatten hier Graufedern ihr Lager aufgeschlagen. Es musste eine kleine Horde gewesen sein, nicht mehr als fünf Familien, schätzte Toptani. Sie waren mehrere Nächte geblieben. Eine Stute hatte gefohlt. Dann waren vier Menschen gestorben, zuerst die drei Frauen und dann, einen Tag später auch der Krieger. Sie hatten ihre Toten in der vorgeschriebenen Entfernung vom Brunnen bestattet und hatten die Wasserstelle in Panik verlassen.
Warum aber hatte er gerade von Nachtfliegern geträumt? Diese elfenhaften Geschöpfe erreichten kaum die halbe Größe eines Menschen. Ihren Namen hatten sie von ihrer tiefschwarzen Haut und den ledrigen Flügeln. Sie lebten in Wäldern und ernährten sich vorwiegend von Früchten und dem Nektar der Blüten. Ihre Magie war sehr schwach, dafür war ihr skurriler Humor für Menschen schwer verständlich. Ansonsten waren sie eher ängstlich, manchmal, wenn sie in die Enge getrieben wurden, boshaft.
Toptani schüttelte den Kopf. Er erinnerte sich, im Nordosten einen dunklen Streif am Horizont gesehen zu haben. Das konnte ein Wäldchen sein. Seines Wissens hatte sich aber ein Nachtflieger noch nie so weit von seinem Wohnort entfernt.
Vielleicht waren die Geister der Toten noch hier und trieben ihr Unwesen. Er atmete tief ein und griff mit seiner Magie in die Schattenwelt. Diffuses Licht umgab ihn. Die Seelen Verstorbener glitten durch dieses Grau wie Fische im Wasser. Es gab keinen Himmel und keine Erde. Toptani hatte das Gefühl zu schweben, was durch einen sanften Luftzug noch verstärkt wurde.
"Was suchst du hier, Magier?" Ein grauer Schemen glitt auf ihn zu, der Schattenwächter. Es war nicht zu erkennen, ob es sich um einen Kaimek oder einen Menschen handelte. Alte und junge Seelen drängten sich um die beiden, doch sie hielten gehörig Abstand als sie das Leuchten von Toptanis Meisterkette sahen.
"Ich suche vier Graufedern, die in den letzten Tagen angekommen sind", antwortete der Windhuf.
"Sie müssen noch ruhen, ihr Geist ist verwirrt, denn das Leben wich zu schnell aus ihnen. Hier ....." Etwas riss an Toptanis Arm. Die Schatten heulten auf und stürzten auf ihn zu. In fliegender Eile brach der Magier die Verbindung ab und kehrte in die reale Welt zurück.
Paschitz stand vor ihm, ein blutiges Etwas in einer der mittleren Hände. "Ich hab einen Steppenhüpfer geschlagen", strahlte sie ihren Kameraden an. "War gar nicht so leicht mit den kurzen Krallen." Offenbar wartete sie jetzt auf ein Lob.
"Du Unglückseliger!", schrie sie Toptani an. "Hast du beim letzten Wechsel das Gehirn verloren?!"
"Undankbarer Vierfüßler!", winselte Paschitz. "Ich koche dir Tee, ich jage für dich und was tust du? Du ...."
"Ich war in der Schattenwelt!", unterbrach sie der Windhuf aufgebracht. "Hast du dein Diplom beim Würfeln gewonnen? Wie kannst du nur den Seelen Blut anbieten!"
Entsetzt ließ die Kaimek ihre Jagdbeute fallen und rannte winselnd um den Brunnen. "Oh Erdmutter, was hab ich getan!", rief sie nun aus. "Haben sie dich erwischt? Lass mal sehen!" Sie griff nach Toptanis Hemd und zog es aus der Hose.
"Nimm deine Finger da weg!", schimpfte Toptani. "Ich bin in Ordnung."
Doch die Kaimek war mit ihren vier Armen im Vorteil. Sie ließ erst von ihm ab als sie sich überzeugt hatte, dass er unversehrt war. Geräuschvoll schnaubte sie durch die Atemschlitze und hob wieder das tote Tier auf. "Nicht gebissen. Dann werde ich dir mal einen guten Braten bereiten."
Oh, ihr Gestirne!, dachte Toptani. Das konnte ja heiter werden. Einen ganzen Monat musste er diese launische Kaimek ertragen! Wie sollte er das nur überleben? Dem jungen Magier lief es plötzlich eiskalt über den Rücken. Was hatte er gesagt? 'Hast du dein Diplom ...' Das Magierdiplom! Er starrte auf seine Meisterkette, die nun in hellem Lila glänzte.
"Paschitz! Wann hast du deine Meisterkette aktiviert?", fragte er leise.
"Meine was?" Mit weit geöffneten Pupillen glotzte die Kaimek auf ihre Meisterkette, die denselben Farbton zeigte. "Ich hab noch gar nicht .... Ohhhh!" Alle vier Arme schossen hoch und umschlangen den Kopf als Ausdruck ihrer Verlegenheit und Scham. "Ich hab's vergessen", flüsterte sie.
"Ich auch", quetschte Toptani mühsam heraus. "Wir haben uns wie dumme Kinder benommen. Der Zauber dieses Brunnens hat die Ketten aktiviert. Er kann nicht sehr stark sein, sonst hätte er uns getötet." Noch im Nachhinein wurde ihm schlecht bei dem Gedanken. Wie konnte ihm nur so ein Fehler unterlaufen!!
Paschitz' Kopf kam wieder zum Vorschein. "Da haben wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert", stellte sie nüchtern fest.
"Muss ja niemand erfahren", begann Toptani vorsichtig und sah die Kaimek von der Seite an. Würde sie auf diesen Vorschlag eingehen?
"Äh, ja. Das ist auch wieder wahr", bekräftigte sie gleich. "Dann sehen wir uns mal den Brunnen an. Da muss doch etwas sein."
"Ja, du hast recht", stimmte der Windhuf zu, froh dieses unerquickliche Thema so schnell erledigt zu haben. "Ich geh noch einmal in die Schattenwelt." Er erhob sich und ging einige Schritte vom Brunnen fort.
Wieder fand er sich zwischen den Welten inmitten treibender Schatten. Der Schattenwächter kam auf ihn zu und schien ihn anzugrinsen.
"Wir waren noch nicht fertig, kleiner Magier. Warum verwehrst du den Schatten die köstliche Speise?"
"Sag mir, wie die vier Graufedern gestorben sind", forschte Toptani unbeirrt.
"Im Brunnen sitzt ein kleiner Mann, der hat sie verrückt gemacht."
"Hat er das Wasser vergiftet oder verhext?"
"Nein, er ist es selbst. Gib uns ein wenig Blut, Magier"
Toptani konnte die Gier der Schatten fast riechen. "Nein", sagte er. "Ich habe in Sembaru einen Eid geleistet." Damit zog er sich aus der Schattenwelt zurück.
Taumelnd ging er zu seinem Pferd und holte eine kleine Flasche aus der Satteltasche. Jetzt brauchte er ein paar Tropfen des Kraftelixiers. Er setzte sich neben den Brunnen und rieb die Tinktur auf seine Brust. Sofort strömte frische Kraft durch seinen Körper. Mit knappen Worten berichtete er, was ihm der Schattenwächter gesagt hatte.
"Wir könnten eine magische Union schließen und du kletterst in den Brunnen und siehst mal nach. Wenn dort ein Magier sitzt, werden wir zusammen sicher mit ihm fertig." schlug Paschitz vor.
"Nein!" Toptani fuhr entsetzt zurück. "Du kletterst in den Brunnen!"
"Hast du gelbe Pilze gelutscht? Ich will doch in dem engen Schacht nicht stecken bleiben. Du musst runter oder hast du Angst?"
"Ich kann nicht." Toptanis Stimme klang rau. "Mein Tabu."
Jeder Nomade bekam bei seiner Namensgebung ein Tabu mit auf den Lebensweg. Niemals durfte er es verletzen, sonst verlor er seine Ehre, seinen Stamm, seine Lebensberechtigung. Die Wenigen, die es gewagt hatte, hatten bald danach Selbstmord begangen.
"Was ist denn dein Tabu?" Paschitz war sich bewusst, dass es nicht sehr höflich war, danach zu fragen. Doch in diesem Fall blieb ihr keine andere Wahl.
"Ich darf keine Frösche töten", hauchte der Windhuf.
"Da entgeht dir aber eine Delikatesse. So ein saftiger Frosch ....." Paschitz verstummte unter dem empörten Blick seines Kameraden. "Entschuldige", brummte sie. "Dann mach du einen Vorschlag. Irgendwie müssen wir doch das Ding da drin raus kriegen."
"Zuerst müssen wir wissen, wo es sich versteckt." Vorsichtig äugte er in den Schacht, der eine Tiefe von etwa zehn Fuß hatte. Die schrägen Strahlen der Vormittagssonne erleuchteten nur das obere Viertel des Brunnens. Darunter war undurchdringliche Schwärze. Eine kleine, schwarze Hand schob sich in den hellen Teil des Schachts. Dann folgte ein kleines schwarzes Gesicht, umrahmt von wirrem, farblosem Haar. "Das ist ja ein Nachtflieger!", rief Toptani aus.
Blitzschnell verschwand die Gestalt wieder. Ein leises Scharren erklang, dann war alles wieder ruhig.
"Dieser kleine Stinker hat mit seiner rudimentären Magie ......", brüllte Paschitz wütend bis ihm Toptani den Mund zuhielt.
"Scht! Das muss er doch nicht wissen!", zischte dieser. "Es gibt da eine Kräutermischung, die man gegen Nachtflieger verwenden kann."
"Ich weiß", bestätigte Paschitz. "Lichtnelke, Engelwurz, Bergsilge und Mauerpfeffer. Das haut sie sofort um. Aber dazu müsste er herauskommen. Oder wir schütten die Brühe hinein."
"Spinnst du? Dann ist doch der Brunnen vergiftet!"
"Nur Engelwurz ist schwach giftig. Die anderen Kräuter sind vollkommen unschädlich." Paschitz sprang auf und holte seinen Kräuterbeutel. "Ich glaube, ich hab ...."
"Und die Frösche?", wandte Toptani ein.
"Die bekommen höchstens ein wenig Hautausschlag. Jetzt mach kein Theater. Ein Nachtflieger ist doch nur ein Klacks."
Doch der Windhuf ließ sich nicht so leicht überzeugen. "Dieser Klacks hat vier Menschen getötet und eine Herde Tüpfelantilopen in die Flucht geschlagen. Das ist kein gewöhnlicher Nachflieger."
"Du kannst einem richtig die Laune verderben", nörgelte Paschitz. "Ich hab die ganze Zeit gehofft, dass du nicht auf diesen Gedanken kommst."
Betreten sahen sie einander an. Für gewöhnlich verfügten die Nachtflieger nur über schwache magische Gaben, die sie meist für Illusionszauber verwendeten. Einen Magier konnten sie damit nicht täuschen. Normale Menschen erkannten das Blendwerk auch sehr bald. Es war im Grunde nur eine Neckerei. Was aber dieser Nachtflieger getan hatte, überstieg dieses Ausmaß bei weitem.
"Ich verstehe nicht, wie du das so leicht nehmen kannst!", rügte Toptani. "Das ist doch bitterer Ernst!"
"Kannst du das Problem leichter lösen, wenn du darüber trauerst?", entgegnete die Kaimek. "Ich hab eine Idee. Wir werden den Dampf der Kräuterbrühe in den Schacht blasen. Wenn der Nachtflieger gebannt ist, brauchen wir ihn nur herausholen. Und deinen Fröschen passiert auch nichts."
Ohne auf eine Antwort zu warten, begann er Wasser zu schöpfen. Toptani entfachte wieder das Feuer und Paschitz warf die Kräuter in den Topf, sobald es darin ordentlich brodelte.
Ein schwarzer Kopf mit struppigem Haar erschien hinter der Brunnenfassung. Geschlitzte Augen richteten sich auf die beiden Magier. Dann öffnete sich der Mund mit den kleinen, spitzen Zähnen und ein durchdringendes Heulen erklang. Toptani wurde von dem magischen Sturm glatt umgeweht und krachte mit dem Kopf gegen die Brunnenfassung. Da hatte es Paschitz leichter. Sie stemmte die mittleren Gliedmaßen zusätzlich in den Boden und erlangte dadurch mehr Standfestigkeit. Als der Nachtflieger zum Angriff überging, war sie eben im Begriff gewesen, den Kessel vom Feuer zu nehmen. Jetzt warf sie ihn nach der kleinen Kreatur und sprach dazu den ersten Zauberspruch, der ihr einfiel. Das heiße Gebräu ergoss sich über Kopf und Schulter des Nachtfliegers. Schrill kreischend entfaltete er seine Flügel und kam auf sie zu.
Entsetzt erkannte Paschitz, dass sie den Zauber gegen Halsschmerzen gesprochen hatte. Wie ging doch dieser Bannspruch? Verzweifelt sah sie sich nach Toptani um. Der kam eben wieder auf die Beine. Blut lief über sein Gesicht. Da war der Nachtflieger auch schon über ihr. Gierig schnellte die klebrige Zunge auf sie zu. Nur eine blitzschnelle Drehung rettete Paschitz. Sie bekam das Messer zu fassen, mit dem sie den Steppenhüpfer hatte häuten wollen. Blindlings stach sie auf ihn ein. Ein schmerzerfülltes Kreischen zeigte den Erfolg ihrer Bemühungen. Sie versuchte es noch einmal mit einem Zauber. Grollend bildete sich eine kleine, graue Wolke über dem Brunnen und regnete ihren Inhalt ab. Wieder falsch! Da bissen die kleinen Zähne in ihre Schulter. Gepeinigt schrie sie auf und erwischte eine der kleinen Hände. Das Messer war ihr wieder entglitten. Wütend schrie sie noch einen Zauber. Jetzt war es ihr egal, was er bewirkte.
Die ledrigen Flügel klatschten gegen ihren Kopf und nahmen ihr die Sicht. Mit allen vier Armen boxte sie gegen den kleinen Körper. Da hörte sie Toptanis Stimme. Dröhnend sprach der Windhuf den Bannspruch. Paschitz und der Nachtflieger erstarrten und fielen zu Boden.
Hastig schleifte Toptani den steifen Körper des Nachtfliegers vom Brunnen weg und zog einen magischen Kreis um ihn. Dann kümmerte er sich um seine Weggefährtin, die reglos am Boden lag. Aus einer kleinen, aber tiefen Schulterwunde sprudelte helles Blut. Geschickt legte der Windhuf einen Verband an und sprach einen Heilzauber.
"Bist du sonst noch wo verletzt?", fragte er besorgt.
Paschitz rührte sich nicht. Stocksteif und mit geschlossenen Augen lag sie da. Siedendheiß überfiel Toptani die Erkenntnis, dass sie nun ebenfalls gebannt war. Wo waren seine Zaubersprüche? Hastig leerte er seine Satteltaschen aus und holte aus dem Berg Hefte und Bücher einen kleinen, roten Band. Nach kurzem Blättern fand er den richtigen Spruch. Wenige Minuten später öffnete Paschitz die Augen und fasste stöhnend an ihre Schulter.
"Das hat vielleicht gedauert", beschwerte sie sich. "Warum hast du so lange mit dem Bannspruch gezögert?"
Empört blies Toptani die Backen auf. "Warum hast du ihn nicht gebannt? Was du da gezaubert hast! Alles nur kein Bann."
"Ich musste doch kämpfen!", verteidigte sich die Kaimek. "Das Ding hat mich gebissen!"
"Und ich hab mir den Kopf gestoßen", hielt Toptani dagegen. "Hier!" Er tastete nach seiner Stirn. "Ich war ganz benommen ...."
Im nächsten Moment fand er sich in Paschitz' Armen. "Mein armes Kleines!", rief sie aus. "Rühr dich nicht von der Stelle! Gleich mache ich dir einen schönen Verband!"
Seufzend ließ sich der Nomade das Blut von seinem Gesicht waschen und verarzten. "Wir müssen den Nachtflieger in einer Magierklause abliefern. Das ist eine Nummer zu groß für uns."
"Da magst du wohl recht haben", stimmte Paschitz zu. "Obwohl ich meine, dass wir uns gar nicht so übel geschlagen haben."
"Würdest du diese Aktion als professionell bezeichnen?", fragte Toptani dann mit einer Geste nach dem Nachtflieger.
"Äh, nein, nicht ganz", gab Paschitz zu.
"Bringst du immer die Zaubersprüche durcheinander?", stichelte der Nomade.
"Kann vorkommen. Aber dafür lasse ich mich nicht von einem magischen Wind umblasen. Du warst auch nicht besser." Hämisch grinsend sah sie, wie dem Nomaden dunkle Röte ins Gesicht stieg. "Das müssen wir doch niemand erzählen", lenkte sie versöhnlicher ein.
"Brauchen wir auch gar nicht mehr. Es wissen schon genug Leute." Mit einer Rundumbewegung deutete er auf die umliegenden Anhöhen, wo Krieger, Frauen und Kinder der Graufedern standen und stumm auf die Magier beim Brunnen blickten.
"Große Erdmutter!" entfuhr es Paschitz "Das hat uns gerade noch gefehlt!"

ENDE


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