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BOMBAY DUCK

von Fred H. Schütz



"Guten Tag, Mr. Goldwalla!"
"Guten Tag, geehrter Herr. Ah, Dr. Banerjee, Sie sind's! Welche Ehre, daß Sie mein Geschäft besuchen! Seien Sie mir willkommen! Treten Sie ein, nehmen Sie Platz!"
"Ja, danke. Zuviel der Ehre, Mr. Goldwalla!"
"Aber nicht doch, Dr. Banerjee! Für Sie ist mir nichts zuviel. Ein Täßchen Kaffee?"
"Danke, vielen Dank, Mr. Goldwalla, aber ich muß auf meine Gesundheit achten."
"Ach ja, da haben Sie recht, Dr. Banerjee. Kaffee ist ein erhitzendes Getränk. Aber Tee nehmen Sie doch?"
"Danke, Mr Goldwalla. Wenn es keine Umstände macht, etwas Hibiskustee."
"Hibiskustee, natürlich, Dr. Banerjee! Wo wird es denn Umstände machen! Frau, bring sofort einen Hibiskustee für meinen Freund, Dr. Banerjee!"
"Sie sind wirklich zu liebenswürdig, Mr. Goldwalla. Vielen Dank."
"Wie schon gesagt, Dr. Banerjee, für Sie ist mir nichts zuviel! Hier, Ihr Hibiskustee! Mit einer Prise Goldstaub, wie es sich für einen Freund gehört!"
"Danke, Mr. Goldwalla. Sie sind außerordentlich liebenswürdig."
"Nicht doch. Dr. Banerjee! Zuviel der Ehre! Und wie geht es Ihnen, Dr. Banerjee?"
"Ja, danke, Mr. Goldwalla, sehr gut. Und Ihnen?"
"Auch sehr gut, danke, Dr. Banerjee! Und Ihrer Familie?"
"Auch sehr gut, Mr. Goldwalla. Vielen Dank. Und Ihre Familie, alle gesund?"
"Ja, danke, Dr. Banerjee. Alle gesund, Wischnu sei Dank! Ihr Familie auch, hoffe ich?"
"Ja, danke. Mr. Goldwalla. Alle gesund, dank allen Heiligen. Aber Ihre Tochter, hat sie nicht Asthma?"
"Ja, Dr. Banerjee, leider. Jetzt wo Sie's sagen. Aber sie ist ein tapferes Kind, hilft ihrem Vater wo sie nur kann! Und Ihre Tochter?"
"Alle gesund, Mr. Goldwalla. Alle vier. Bringen Sie sie zu mir in die Sprechstunde, dann gebe ich ihr ein Medikament für ihr Asthma. Zum Vorzugspreis, selbstverständlich, weil Sie es sind!"
"Sie sind ein echter Freund, Dr. Banerjee! Danke, heißen Dank! Wieviel?"
"Nun, fünfzig Rupien sollten nicht zuviel sein. Das ist Ihnen die Gesundheit Ihrer Tochter doch wert, nicht wahr, Mr. Goldwalla?"
"Selbstverständlich, Dr. Banerjee, selbstverständlich! Nur, soviel kann ich mir im Moment nicht leisten. Die Geschäfte, Sie verstehen? Sie gehen schlecht! Zehn Rupien?"
"Bedenken Sie, Mr. Goldwalla, daß ich die Medikamente auch nicht umsonst bekomme! Und von etwas leben will man schließlich auch. Dreißig!"
"Das sehe ich ein, Dr. Banerjee, wirklich. Nun gut, ich gehe bis zum äußersten! Fünfzehn!"
"Ach, Mr. Goldwalla, Sie sind ein harter Geschäftspartner! Aber gut, weil Sie's sind und nur für Sie, verstehen Sie, verzichte ich auf meinen Gewinn. Fünfundzwanzig!"
"Sie sind ein wahrhaft gütiger Mann, Dr. Banerjee! Ich werde im Tempel des Juggernaut für Sie beten, ja, das tue ich! Zwanzig und keine Anna mehr!"
"Dafür bin ich Ihnen aufrichtig dankbar, Mr. Goldwalla. Zweiundzwanzig!"
"Das Herz blutet mir, Dr. Banerjee! Aber gut, weil Sie mein bester Kunde sind, zweiundzwanzig!"
"Fein, Mr. Goldwalla, abgemacht."
"Ja, Dr. Banerjee, abgemacht. Ich werde meine Tochter morgen zu Ihnen bringen."
"Ich fürchte, morgen geht nicht, Mr. Goldwalla! Ich habe die ganze Woche im Hospital zu tun. Aber Sonntag Vormittag hätte ich für Sie Zeit."
"Sonntag Vormittag, wunderbar, Dr. Banerjee. Ich bin Ihnen aufrichtig dankbar und werde pünktlich da sein! Was kann ich sonst noch für Sie tun, Dr. Banerjee?"
"Jetzt wo Sie's sagen, Mr. Goldwalla. Ja, wissen Sie, wenn's genehm ist, würde ich einen Nasenring für meine jüngste Tochter erstehen. Aber nur, wenn's Ihnen keine Umstände macht, verstehen Sie, Mr. Goldwalla!"
"Wo wird es denn Umstände machen, Dr. Banerjee! Im Gegenteil, ich freue mich Ihnen einen guten Nasenring - was sage ich, den besten natürlich! - verkaufen zu dürfen! Über den Preis werden wir uns schon einig. Aber Sie müssen Ihre Tochter herbringen, Dr. Banerjee, damit ihr meine Frau das Loch für den Ring stechen kann."
"Wird sie es denn hygienisch machen, Mr. Goldwalla? Sie wissen, heutzutage ..."
"Sie haben ja so recht, Dr. Banerjee! Ja, es ist leider wahr: des lieben Profits halber wird so mancher zum Betrüger. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen, Dr. Banerjee: Meine Frau ist eine anerkannte Ringstecherin!"
"Das ist gut zu hören, Mr.Goldwalla. Ich freue mich daß meine Tochter bei Ihnen in guten Händen sein wird. Dann bringe ich, wenn's recht ist, sie morgen her."
"Jederzeit, Dr. Banerjee, jederzeit! Sie wissen, für Sie bin ich immer da!"
"Sie sind ein wahrhaft gütiger Mann, Mr. Goldwalla! Bis morgen dann. Auf Wiedersehen!"
"Bis morgen, Dr. Banerjee. Wischnu beschütze Sie!"
"So Schiwa will, Mr. Goldwalla, so Schiwa will."
"Puh, er ist weg! Schnell, Frau, bring Räucherwerk! Der Kerl hat Bombay Duck* gegessen und meine ganzes Geschäft stinkt jetzt nach Trockenfisch!"
"Mr. Goldwalla**, ba! Nicht einmal meinen Namen hat er sich gemerkt!"


*Bombay Duck, d.h. Bombay-Ente heißt ein bei allen Anrainern des indischen Ozeans sehr beliebter Speisefisch. Er wird wie Stockfisch behandelt, d.h. an der Luft getrocknet und riecht entsprechend.

**Goldwalla bedeutet Goldschmied oder Goldhändler


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