SCHWERPUNKTTHEMA


SPIEGEL


HINTER DEN SPIEGELN ...

von Eva Kalvoda



... muss man so schnell rennen wie man kann, um am selben Fleck zu bleiben.

Das sagt die Königin zu Alice im Wunderland, wo weiße Kaninchen keine Zeit haben, und Mäuse in Teekannen schlafen.
Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Menschen gibt, der "Alice im Wunderland" nicht kennt. Sollte jemand das Buch nicht gelesen haben, hat er zumindest einen der mittlerweile knapp dreißig Filme über Alice´s Abenteuer gesehen. Und ganze Generationen von Kindern wurden alleine mit der Disney Verfilmung ins Wunderland gebracht. Nicht zu vergessen die Zeichentrickserie im Kinderprogramm am Anfang der achtziger Jahre.
Tatsächlich gibt es kaum einen Bereich, in den 'Alice' noch nicht vorgedrungen ist. Ganze Lieder, Videoclips, und Bilder fluteten aus dem Wunderland zu uns herüber. In bekannten Filmen und Büchern werden Anspielungen gemacht und Szenen aus ‚Alice' persifliert.
Literaten schreiben Fortsetzungen und Abhandlungen zu dem Thema. Und im Fasching läuft man der Herzkönigin und der Schlafmaus über den Weg.

Was steckt also hinter dieser Geschichte, die so allgegenwärtig scheint?
Zunächst einmal Lewis Carroll natürlich. Viel von der Faszination von Alice im Wunderland ist auf diesen Mann zurückzuführen. Wieder einmal ein schreibender Oxford Professor. Doch diesmal ein Mathematiker, und ‚Alice' wurde lange vor der Jahrhundertwende geschrieben. Der als Charles Lutwidge Dodgson geborene Autor galt als gutmütiger, aber menschenscheuer Eigenbrötler, der in seiner Lehrtätigkeit etwas pedantisch war.
Bekannt ist auch, dass es für 'Alice' ein lebendes Vorbild gab. Dieses war Alice Pleasance Liddell, und sie war die Tochter des Dekans der Oxforder Fakultät. Alice war ein aufgewecktes Mädchen. Ihr Verhalten inspirierte Carrolls zu den Abenteuern, die er der kleinen Alice dann zu ihrem großen Vergnügen erzählte.
Schließlich wurde aus vielen kleinen Erzählungen eine ganze Geschichte, die 1865 zur Veröffentlichung kam. Fast sofort wurde "Alice´s Adventures in Wonderland" ein großer Erfolg. Königin Victoria liebte die Geschichte so sehr, dass sie Carroll zu einer Audienz einlud. Die große Popularität kam zum Teil auch von den herrlichen Illustrationen von John Tenniel, dessen Bilder auch heute noch die Vorlage bilden, an denen sich alle neueren Bilder messen lassen müssen.
Die Fortsetzung "Alice hinter den Spiegeln" war zwar ein wenig düsterer, aber ebenso surreal wie sein Vorgänger. Heutzutage werden die beiden Bände meist in einem Buch vermarktet.
Bei "Alice im Wunderland" kam Carroll auch auf den Geschmack der damals so beliebten Rätsel und Denksportaufgaben. 1880 brachte er diese Leidenschaft auch bei einer Zeitung unter, wo logische Rätsel in kleinen Geschichten versteckt waren.
Sind es diese Rätsel, diese kleinen Paradoxen, die "Alice im Wunderland" über hundertfünfzig Jahre lang interessant machen? Vielleicht.
Kinder freuen sich, wenn sie etwas erraten, und Erwachsene kaufen reihenweise Rätselbücher. Es spricht die natürliche Neugierde und das Gefühl etwas "aufgedeckt" zu haben an.
Oder rührt die andauernde Faszination einfach nur daher, dass in dieser Geschichte eben doch etwas hinter den Spiegeln existiert?


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