SCHWERPUNKTTHEMA


SPIEGEL


SPIEGELGESCHICHTEN - EINE EINLEITUNG

von Eva Kalvoda



Elefanten können ihr Spiegelbild erkennen, also liegt es nahe, dass auch Mammuts das konnten. Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass der Mensch schon in natürliche Spiegel sah, als er biologisch eigentlich noch ein Affe war.
Viele archäologische Funde belegen, dass es schon 8.000 v. Chr. polierte Bronzespiegel gab, und der Begriff "Spiegel" ist schon in der Bibel überliefert. Metallene Spiegel gab es schon, lange, bevor die Menschen das Geheimnis der Glasherstellung gelöst hatten. Wir können also annehmen, dass der Mensch schon immer von seinem Spiegelbild fasziniert war. Hier konnte er sein wahres Selbst erblicken. Und natürlich hat sich eine Menge Aberglauben rund um den Spiegel angesammelt.
Einen Spiegel zu zerbrechen bedeutet je nach Kultur "nur" sieben Jahre Pech oder auch den Tod eines Angehörigen. Keinesfalls sollte man sich in den Scherben sehen, denn das bringt schwere Krankheiten und massives Unglück.
In Russland verhängt man alle Spiegel im Haus wenn jemand gestorben ist, weil man glaubt, ein Spiegel ist eine durchlässige Grenze zum Jenseits. Und damit der Verstorbene nicht durch den Spiegel zurückkehrt und spukt, wird jeder Spiegel verhängt.
Die Slawen wiederum sehen nie nachts in den Spiegel, um nicht von dämonischen Mächten erblickt zu werden. Und Kleinkinder dürfen gar nicht in den Spiegel sehen, weil böse Geister zurückblicken.

Glaubt man den Wissenschaftlern, resultiert viel mystischer Unsinn über Spiegel schon allein aus der Tatsache, dass man sich im Spiegel verkehrt sieht. Für den frühen Menschen wurde dadurch deutlich, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Etwas Magisches musste also dabei sein.
So wundert es nicht, dass man viel über Zauberspiegel lesen kann. Alexander der Große soll sogar einen solchen auf dem berühmten Pharus aufgestellt haben, so dass er all seine Feinde erblicken konnte, egal wo sie sich aufhielten. Auch über Pharaonen mit derartigen "Weitsichtspiegel" wird berichtet. Und jeder kennt das Märchen vom "Spieglein an der Wand". Ein gewisser Pater Zallinger berichtete im 18.Jhd. sogar, dass man Fische sehen kann, wenn man nur lange genug in einen Spiegel schaut.

Tatsächlich ist der Spiegel allgegenwärtig. Nach den Feng Shui-Lehren schützt er Auren, leitet Energien um, oder gleicht eine schlechte Aussicht aus. Der Teil des Tellers auf dem das Schnitzel liegt heißt Spiegel. Es gibt einen bekannten Musiker, der sich Zaza nennt, was mit "Zwiespältiges Spiegelwesen" übersetzt werden kann. Etwas am Hinterteil der Hirsche heißt in der Jägersprache Spiegel! Berühmte Schriftsteller schreiben Romane in denen Spiegel Schlüsselrollen spielen. Nicht zu vergessen die vielen Sprichwörter und Redewendungen:
Jemanden den Spiegel vorhalten; in den Spiegel der Seele blicken; keine Spiegel zerbrechen; sich im Spiegel verlieren; ...
Bis zum Ende des Mittelalters wurden Spiegel hauptsächlich aus Glaskugeln hergestellt. Beim Glasblasen wurden Metall-Legierungen in die Kugel eingebracht, und dann Teile der Kugel zerschnitten, um Konvexspiegel zu erhalten. Da Konvexspiegel aber eine große Verzerrung aufweisen, experimentiere man weiter, bis man die Technik der Quecksilber-Spiegel entdeckte. Mit dieser sehr aufwendigen Methode konnten relativ ebene Spiegel hergestellt werden.
Dabei blieb es im Großen und Ganzen dann auch bis ins 19. Jahrhundert, bis man endlich Silberspiegel herstellen konnte. Ein gewisser Herr Justus Liebig beschrieb 1835 die Methode mittels Silbernitratlösung. Der Erfinder dürfte jener Herr Liebig aber nicht sein, auch in franzischen und englischen Schriften wird diese Methode beschrieben. Endgültig durchsetzten konnte sich der Silberspiegel aber erst, als 1886 die Quecksilber-Spiegel wegen ihres Giftgehaltes verboten wurden.
Der Moderne Spiegel allerdings wird einfach mittel Pressung von Alufolie auf Glas erzeugt.

Wir sehen also, die Spiegelherstellung war früher aufwendig und teuer und daher nichts für das einfache Volk. Der Adel jedoch sah darin eine weitere Methode seinen Reichtum zu zeigen. Wer es sich leisten konnte, bestellte große Spiegel, wer noch mehr Geld ausgeben konnte, lies sich ganze Spiegelwände bauen. Schließlich vergrößert so eine Spiegelwand optisch jeden Raum noch mehr. Bald wurden ganze Spiegelsäle in Schlössern eingerichtet, um so richtig zu protzen. Der wohl bekannteste Spiegelsaal befindet sich in Frankreich, im Schloss Versailles.
Die beim Volk so beliebten Spiegelkabinette, mit ihren Zerrspiegel kamen erst im zwanzigsten Jahrhundert in Mode.

Gibt man heute im Internet Spiegel ein, bekommt man hunderte Seite mit Berichten des Magazins "Der Spiegel". Eigentlich ärgerlich, denn egal mit welchem Wort man Spiegel kombiniert, "der Spiegel" hat sicher einen Beitrag geschrieben, in dem dieses Wort vorkommt.
Und die vielen Vergleiche machen die Suche auch nicht einfacher.
Doch zwischen den endlosen Nonsens-Beiträgen verstecken sich gelegentlich ein paar richtige "Spiegelgeschichten". Wie zum Beispiel "die Entdeckung des Chaos". In dieser Geschichte erfährt man, dass die Welt der Spiegelwesen und unsere Welt einst friedlich miteinander verbunden waren. Man kam und ging durch die Spiegel von hier nach dort und wieder zurück. Doch dann überfielen die Spiegelwesen eines Nachts unsere Welt und nur der magisch begabte gelbe Kaiser von China konnte sie aufhalten. Er schlug den Angriff zurück, und sperrte die Spiegelwesen in die Spiegel ein. Zur Strafe müssen sie bis in alle Ewigkeit die Taten der Menschen wiederholen. Irgendwann, so heißt es, werden die Spiegelwesen diesen Bann jedoch brechen können.

Heutzutage verwenden wir Spiegel ganz selbstverständlich. Im Verkehr für bessere Sicht, in der Trickzauberei als optische Täuschung, oder in der Energiegewinnung. Jeder weiß was eine Spiegelreflexkamera ist. Und Spiegel werden zur subjektiven Verkürzung der Wartezeit in Aufzügen und Eingangsbereichen angebracht; und jedes Bildbearbeitungsprogramm kann spiegeln.
Ich persönlich finde den Spiegel vor allem praktisch. Man kann ihm Grimassen schneiden, wenn man ein wenig grantig ist, ihm die Zunge rausstrecken, wenn man mehr als nur ein wenig grantig ist. Und man kann in ihm versuchen zu erforschen, wie einen die anderen sehen.

PS: Wer gerne Fotos ansieht, bei denen durch die Kombination aus normalem und gespiegeltem Bild völlig neue Formen entstehen, dem sei folgender Link empfohlen: www.fotocommunity.de -> Themen -> Experimente -> Gespiegelt.


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