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BRIEFE VOM WEIHNACHTSMANN

von Peter Stich



Anm. d. Red.: Beim Weihnachtsmann, der ja bekanntlich am Nordpol wohnt, ist immer viel los. Manchmal aber nimmt er sich Zeit und schreibt ganz besonders braven Kindern auch einen Brief.
Hier könnt ihr die Briefe lesen, die die Kinder von Peter in den letzten Jahren vom Weihnachtsmann bekommen haben.


"Durch Phantasie wird lebendig
was andere glauben, dass es nicht gibt."
Peter Stich


Liebe Kinder, liebe Judith, Ulrike und
lieber Michael!
Heuer hat alles recht gut angefangen. Wir hatten zwar sehr viel zu tun, aber Weihnachtsgeschenke vorzubereiten ist nun mal unser Job. Besonders die vielen Trip-Trap Sessel machten uns Mühe. Hier am Nordpol gibt es ja keine Bäume und somit auch überhaupt kein Holz. Polarbär, mein weißer zotteliger Helfer kam auf die glorreiche Idee die Sessel aus Eis zu machen!
"Eis! Weihnachtsmann, Eis haben wir hier mehr als genug, bauen wir doch diese komischen Sessel aus Eis!" gab er einen guten Einfall zum Besten um die Bärenfrau zu beeindrucken.
Ja, die Bärenfrau, die sollte ich mal erwähnen. Nordpolbär hat eine Freundin gefunden. Das hat mich besonders gefreut! Jetzt dachte ich mir habe ich eine Hilfe mehr für die viele Weihnachtsarbeit. Gerade weil Valkotukka und Paksu, die Neffen des Eisbären nicht hier sind. Doch die Bärenfrau hat mir kein Glück und auch keine Hilfe gebracht. Mein lieber Polarbär war ständig daran tolle Sachen zu tun, von denen er die meisten nicht konnte, nur um vor seiner Freundin anzugeben und ihr zu gefallen. Und wenn er sie nicht gerade peinlich umwarb, dann schmusten sie die ganze Zeit herum.
"Nein, mein lieber ungebildeter Freund", versuchte ich ihm zu erklären, "Eissessel würden in den warmen Länder schmelzen. Die Menschen stellen ihre Sesseln lieber an den Tisch als in die Tiefkühltruhe. Vielleicht könntest Du mir einfach helfen und nicht zu viel denken und herumschmusen. Irgendwie habe ich langsam genug von Deinem Herumgezapple und Getue um deine Freundin."
Polarbär war nun etwas angesäuert. Das erkennt man an seinem grimmigen Gesicht und an seiner beleidigten Lippe. Aber wenigstens bemühte er sich ab dem Zeitpunkt etwas mehr.
Doch das große Unglück sollte erst kommen.
Irgendwie haben wir dann doch alles pünktlich vor dem 24sten geschafft, die Stimmung war gut, wir waren alle froh und zufrieden. Die Weihnachtsarbeit war getan. Polarbär war nicht mehr zitronensauer und wurde schon wieder übermütig. Es ging nur mehr ums Verladen und Ausliefern der Weihnachtsgeschenke. Wir müssen dann die, unzähligen unterirdischen Lagerräume ausräumen und alle Geschenke hinaustragen auf die Nordpolarebene. Dort wurden dann die Schlitten beladen.
Polarbär wollte wieder vor seiner Freundin angeben. Er nahm ganz viele Packerln -es waren hunderte, auf jeder Hand versteht sich. Er rief seiner Freundin zu: "Schau wie stark ich bin, ich kann so viele Geschenke tragen wie der Nordpol hoch ist."
Mir stockte der Atem, ich sah das Missgeschick schon kommen. Polarbärin war wirklich beeindruckt, sie raunte ihm ein bewunderndes: "Whow, du bist aber ein kräftiger Kerl!" zu.
Der dicke Zottel freute sich sehr darüber und immer, wenn er sich freut, fängt er an von einem Bein auf das andere zu hüpfen (was er auch macht wenn er nervös oder sonst wie aufgeregt ist). Abgesehen davon, dass er einfältig aussieht, wenn er so ins zappeln gerät, begannen die Geschenktürme bedrohlich zu schwanken. Ihr hättet sein Gesicht sehen müssen als er bemerkte, dass ihm alles aus den Händen fiel!
Patsch! Bum! Plumps, alles purzelte zu Boden (und einiges auch auf seinen Kopf). Da hatten wir nun die Bescherung. Viele der Geschenke sind Durcheinander gekommen, beschädigt oder ganz kaputt gegangen. Polarbär hat eine Beule auf seiner Birne und liegt seither jammernd im Bett. Die Bärenfrau und ich mussten nun alles alleine verladen. Vorsorglich haben wir noch Holzleim eingepackt, damit ihr Beschädigtes reparieren könnte. Ich hoffe ihr habt überhaupt das Richtige erhalten.
"Weihnachtsmann", sagte die Bärenfrau, "ich finde diesen tollpatschigen Nordpolarbär so süß!"
"Das finde ich schön", antwortete ich, "wir sollen uns ja alle so annehmen wie wir sind, und der Nordpolbär hat sein Herz am richtigen Platz, und das ist wohl das Wichtigste!"
Frohe Weihnachten!
...und Grüße vom Weihnachtsmann

Ein Jahr später:

Liebe Judith, Ulrike und lieber Michael!
Kein Jahr vergeht ohne Probleme. Obwohl heuer alles so schön begonnen hat. Nordpolbär hat letztes Jahr eine Freundin gefunden (wie ihr wisst). Was ja schon an ein Wunder grenzt. Heuer gab es eine Bärenhochzeit. Nun gibt es nicht nur einen Nordpolarbär sondern auch eine Nordpolarbärin.
"Endlich werde ich genug Hilfe bei der Weihnachtsarbeit haben", dachte ich mir. Doch ich sollte mich irren. Die Bären fuhren gemeinsam in ihre Flitterwochen auf den Südpol. Sie ließen mich alleine mit meiner Arbeit sitzen. Na, wenigstens kann der Zottel keinen Unsinn anstellen, dachte ich mir. Heuer gab es besonders viele Eislaufschuhe zu bauen, auf die ich sehr stolz war und die mir viele Arbeitsstunden kosteten. Deswegen wurde ich mit dem Schreiben der Bücher leider nicht fertig.
Erst kurz vor dem Weihnachtsfest kamen die Bären zurück, pünktlich zum Ausliefern der vielen Geschenke. Der Polarbär hatte auf der Hochzeitreise einiges an Gewicht zugelegt, "das warme Klima im Süden macht halt Appetit" sagte er.
"Weihnachtsmann, ich werde für Dich die Schlitten beladen und die erste Fuhre ausliefern. Raste du dich mal aus." - bot mir der liebe Zottel an. Er hatte offensichtlich ein schlechtes Gewissen. Ich nahm das Angebot gerne an, nachdem ich schon so müde von der Arbeit war.
"Danke", sagte ich, "aber verteile das Gewicht auf dem Schlitten gleichmäßig." Der Bär betrachtete stutzig seinen Bauch und murmelte noch etwas wie "gleichmäßig verteilen, na gut." Um seinen dicken Bauch auszugleichen lud er Unmengen an Eislaufschuhen auf den Schlitten. "Das müsste jetzt mein Gewicht ausgleichen dachte er und schwang sich mit fröhlichem Gesicht auf den Schlittenbock. Doch das war zuviel, das Eis des Nordpolarsees war heuer zu dünn und hielt dem Gewicht nicht stand.
Mit lautem Krach brach das Eis und versenkte die schwere Ladung. Alle Schlittschuhe versanken im Nordpolarsee und liegen nun irgendwo am Meeresgrund. Jetzt kann ich Euch nur Gutscheine schicken, mit der Bitte Eure Eltern sollen mit Euch welche kaufen gehen (was mir sehr unangenehm und peinlich ist).
Polarbär ist traurig und hat eine super Verkühlung und jammert die ganze Zeit vor sich hin. Ich bin froh dass ich heute nicht alleine bin und feiere fröhlich mit meinen Bären.
Frohe Weihnachten
wünscht der Weihnachtsmann

Im Jahr darauf:

Liebe Judith, Ulrike und lieber Michael!
Schnee, Schnee, Schnee, nichts als Schnee. Der Nordpol ist fast ganz zugeschneit. Nur seine Spitze schaut noch oben heraus. Man könnte glauben, wir haben hier allen Schnee der Welt bei uns liegen. Aber auch in vielen Ländern Europas hat es heftig geschneit.
Ja der Schnee machte uns sehr zu schaffen. Ich dachte schon, Weihnachten muss dieses Jahr ausfallen. Mein Haus war so fest eingeschneit, dass niemand mehr rein und raus gehen konnte. Schon gar nicht beim unteren Tor zur Nordpolebene. Doch der Polarbär hatte eine Idee! (Stellt Euch nur vor, der alte Dummkopf kommt manchmal auf ganz gute Gedanken). Er meinte, er könnte ein Tunnel bis ins Freie graben.
"Doch wie soll das gehen, wohin können wir den ganzen Schnee schaffen? Das ganze Haus und alle Keller (ich habe einen sehr, sehr tiefen Keller mit vielen Ebenen und unzähligen Räumen) sind voller Weihnachtsgeschenke", meinte ich und war verblüfft, dass der Zottel auch darauf eine Antwort wusste.
"Kein Problem", brummelte Polarbär, "wir schmelzen den Schnee in großen Töpfen am Herd zu Wasser." Das war eine so gute Idee, dass sie eigentlich von mir hätte sein können.
So machten wir es dann auch. Polarbär schaufelte Schnee, Paksu, Valkotukka und ich liefen kübelweise mit Schnee und schütteten das weiße Nass in große Töpfe.
Ach ja, bevor ich vergesse: Paksu und Valkotukka sind heuer auch hier! Sie sind groß geworden, richtige Bären. Paksu ist etwas dick geraten, aber das macht ja nichts.
Polarbär behandelt sie immer noch wie kleine Bärenkinder - Bärenkinder! Da fällt mir ein, das Wichtigste hätte ich Euch fast vorenthalten! Nordpolbär und seine Frau haben Bärenkinder bekommen - Zwillinge! Nun, nicht, dass ihr glaubt, ich mag keine Bärenkinder, aber gleich Zwillinge, dass ist mir fast zuviel.
Anfangs brüllten und weinten sie die halbe Nacht und jetzt, wo sie schon laufen können, stellen sie allerhand an und auf den Kopf. Nun bin ich dort angelangt wo ich eigentlich mit meiner Erzählung anfangen wollte.
Die zwei Bärenkinder, Winni (ein Mädchen) und Wolpo (ein Bub), was für komische moderne Namen, haben die Lage im zugeschneiten Haus genützt. Wir hatten alle Hände voll zu tun, einen Tunnel durch die meterdicke Schneedecke zu bauen. Polarbär wühlte ganz vorne und arbeitete sich durch die weiße Masse vor. Paksu, Valkotukka und ich brachten den Schnee in die Küche. Dort stand Polarbärin und half mit den Schnee am Herd zu Wasser zu schmelzen.
Wolpo und Winni liefen inzwischen im ganzen Haus umher und durchwühlten die Geschenke, was ihnen sichtlich Spaß machte.
Das Ergebnis war allerdings verheerend! Manche Geschenke haben sie ausgepackt. Viele die nicht eingepackt waren haben sie mit Filzstiften beschmiert (vielleicht habt ihr auch so eines bekommen), und einige Namensschilder haben sie vertauscht, so dass jetzt viele Kinder auf der ganzen Welt Geschenke bekommen, die sie sich gar nicht gewünscht haben. Aber auf das, was sie sich gewünscht haben, warten sie vergeblich. Was für eine Schande!
Nun nachdem ihr den Brief jetzt in euren Händen haltet, wisst Ihr auch, dass wir uns freischaufeln konnten und die Rentiere noch zeitgerecht beladen konnten.
"Weihnachtsmann, sei nicht böse auf meine Kinder, sie verstehen das ja nicht", brummelte Polarbär.
"Nein, keine Sorge", antwortete ich versöhnlich, "besser verdrehte Weihnachten, als überhaupt keine. Und so manche Überraschung ist wohl besser als alles andere. Manchmal lassen wir uns viel zu wenig überraschen und sind zu wenig überraschend", sagte der Weihnachtsmann und lachte dabei, "Kinder sind eben überraschend und das ist gut so, frohe Weihnachten!"


... ganz sicher keine Ende


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