STORIES


DER GREMLIN IM BLUMENTOPF

von Eva Kalvoda



Hallo, mein Name ist Sainmhainiu und ich wohne in einem Blumentopf. Das hört sich jetzt vielleicht ein wenig seltsam an, aber ich fühle mich da wohl, weil es mich an zuhause erinnert.
Ich komme aus Irland, dort ist es feucht und grün, wie in meinem Blumentopf. Ich schreibe euch, weil ich weiß, dass ihr noch Geschichten brauchen könnt, und ich bin im Geschichtenerzählen echt gut! Weil in die Sippe meiner Großmutter hat ein Cluricaun eingeheiratet, und was die für Geschichten erzählen, wenn sie ein Weinfass geleert haben, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.
Auf alle Fälle liegt mir Geschichten erzählen sozusagen im Blut. Also habe ich beschlossen, euch meine Geschichte zu erzählen, und in die E-Mail meiner Gastgeberin zu schmuggeln. Schließlich hat sie mich euch gegenüber schon einmal erwähnt. (Was ich ihr immer noch übel nehmen. Wenn sie mich schon entdeckt hat, was schon peinlich genug ist, könnte sie wenigsten darüber schweigen!)
Wie gesagt, ich komme aus Irland und ich bin ein Gremlin. Letztes Jahr war meine Gastgeberin wieder auf unserer schönen Insel, und weil meine Sippe mit ihr schon mal so richtig Spaß gehabt hat, habe ich beschlossen mein Auslandschulung bei ihr zu machen. Damals haben wir ihre Bootsbatterie gekocht, das war ein Spaß. Die waren damals mit drei Booten unterwegs, und ich war gerade auf Besuch bei der Sippe meiner Tante, die wohnen in der Bilgepumpe eines dieser Boote.
Auf alle Fälle hatten wir viel Spaß mit denen. Wir haben uns auf alle drei Boote aufgeteilt, Vetter Dobharchu hat seine Talente in der Bilgepumpe voll zum Einsatz gebracht, und Base Cam-an-ime hat sich im Radio eines der Boote vergnügt. Mein Vetter Taoide und ich haben uns jede Mühe mit der Batterie gegeben, und sie schließlich zum kochen gebracht.
Letztes Jahr habe ich dann eine aus dieser Touristengruppe wiedergesehen, und sofort beschlossen, mit ihr mitzufahren. Schließlich muss ich mich ja auf ein Gebiet spezialisieren, und so eine Auslandsschulung kann dabei nur hilfreich sein. Wenn ich mal meine eigene Sippe gegründet habe (sofern Rois auf mich wartet), muss ich über genügend Erfahrung verfügen, um für die Winzlinge ein Vorbild zu sein.
Viele von uns gehen dafür ins Ausland, zumindest eine Zeitlang. Und wenn man sich da an einen Touri hängen kann, den man schon kennt, ist das echt gut. Und weil es damals so lustig war mit dieser Gruppe, habe ich mir gedacht, dass es bei denen zuhause auch toll sein muss.
Das war leider nicht wirklich so. Meine Gastgeberin hat zuhause nämlich zwei Katzen! Ich habe versucht, mich mit den beiden zu arrangieren, aber österreichisch Katzen kennen offenbar keine Gremlins, dementsprechend unkooperativ waren die Zwei. Dauernd haben sie mich angeschrien. Und ständig haben sie mich verfolgt.
Das riesige rote Ungetüm hat sich sogar einmal auf mich draufgelegt! Ich wäre fast erstickt, und dieser Strolch hat sich auch noch freudig auf mir herum gewuzelt. Endgültig gereicht hat es mir dann, als die schwarze Katze versucht hat, mich unter die Couch zu ziehen. Ich will gar nicht wissen, was sie dort mit mir machen wollte, vermutlich auffressen, aber unter solchen Bedingungen kann man natürlich nicht arbeiten.
Ihr wisst es vielleicht nicht, aber für Tiere sind wir Gremlins immer sichtbar. Zu guter Letzt habe ich mich im Geschirrspüler versteckt, um vor den Biestern sicher zu sein, und nur so als Abschiedsgeschenk habe ich eine Turbinenschaufel verbogen. Schließlich musste ich mich doch irgendwie angemessen von der Wohnung trennen.
Ich bin dann mit meiner Gastgeberin in die Arbeit mitgekommen, weil ich mir gedacht habe, dort wird es wohl keine Tiere geben. Stimmt auch! Und so kommen wir jetzt zu meinem Blumentopf. Der steht im Büro meiner Gastgeberin und ihrer Sekretärin, und ist ein tolles Zuhause. Wie gesagt, erinnert mich an Irland.
Manchmal wackle ich absichtlich mit den Blättern, nur um die zwei zu irritieren. Je nachdem, wann ich das machen, sagen die zwei dann "Guten Morgen" oder "Mahlzeit", weil meine Gastgeberin schon den Verdacht geäußert hat, einen Gremlin "eingeschleppt" zu haben, wie sie es ausdrückt. Aber was ich tatsächlich so den ganzen Tag treibe, davon haben die beiden keine Ahnung!
Am Anfang habe ich mit Kleinigkeiten begonnen, wie schwer zugängliche Stecker lockern oder die Stromzufuhr in einem bestimmten Bereich zu stoppen. Aber da sind die schnell dahinter gekommen, und ich musste mich technisch echt weiterbilden, um ständig etwas Neues zu finden. Genau so sollte ein Auslandsstudium sein, ständig neue Herausforderungen!
Mittlerweile habe ich mich zum Computerspezialisten weitergebildet, was unter uns gesagt mit Microsoft-Produkten nicht so schwierig ist. Trotzdem bin ich stolz auf mich. Ich schaffe es, mitten aus einem Pulk Rechnungen eine heraus zu löschen, so dass alles durcheinander gerät. Vor allem wenn angezeigt wird, dass es eh gedruckt wird, aber dann einfach nicht da ist, das sind großartige Momente. Das kann man in allen möglichen Variationen machen, mit allen möglichen Programmen.
Dass wirklich gute daran ist, dass nicht einmal der Computermensch meiner Gastgeberin weiß, warum das passiert. Der sagt dann immer: "Das gibt es nicht!" Und das regt meine Gastgeberin immer ganz toll auf. Das hat mir übrigens neue Dimensionen eröffnet, den Computermenschen mit einzubeziehen. Ich mache irgendwas mit dem Computer, meine Gastgeberin versucht es wieder hinzukriegen, dann kommt der Computermensch, und bei dem geht's auf einmal! Obwohl er genau dasselbe macht wie meine Gastgeberin! Da solltet ihr sie sehen!!
Manchmal mache ich auch extra was nur für den Computermensch. Dann sitzt er stundenlang grummelnd vor dem Blechtrottel, und versucht eine Lösung zu finden. Da ist er richtig verbissen.
Zwischendurch, so zum Auflockern, schraub ich immer mal wieder ein bisschen an den Haushaltsgeräten herum, wie dem Staubsauger oder der Kaffeemaschine. Sozusagen als Hobby.
Nächstes Jahr werde ich wieder nach Irland zurückgehen, weil da meine Gastgeberin wieder hinüber fliegt, und ich finde zwei Jahre Fremdstudium reichen aus. Dann werden wir ja sehen, wie sehr mich Rois vermisst hat, und was meine Sippe mittlerweile so gemacht hat.
Oha! Ähm, eines habe ich euch über meinen Blumentopf noch nicht gesagt, sozusagen der einzige Haken. Wenns in Irland regnet sitze ich unter einem großen Blatt und schaue den Tropfen zu. Hier geht das nicht, weil der Regen aus der Gießkanne kommt, und direkt in meinem Bett landet. Sorry, Leute, muss schnell weg, Gießkanne im Anmarsch!


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