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GOLCONDA

Folge 3

von Susanne Stahr



Norina

Die Kugeln der kleinen Rechenmaschine klickten leise aufeinander und untermalten das Kratzen der Feder auf dem billigen Papier. Verzweifelt fuhr sich Arwed durch sein braunlockiges Haar und fluchte leise. "27 und 48 ist ... ist ...", murmelte er und schob wieder Kugel an Kugel.
"73?", kicherte Gaspard. "Oder 56?"
Mit einem Stöhnen lehnte sich der schlaksige Magier zurück und rümpfte die Nase. Dieses Formular strömte einen unangenehm trockenen Geruch aus. "Warum kannst du nicht rechnen?", raunzte er. "Ich glaube, du willst dich nur drücken." Beleidigt zwickte der Kobold, der auf Arweds Schulter saß, seinen Meister ins Ohr. Ansonsten enthielt er sich jeden Kommentars. Dass Kobolde nicht lügen konnten, wusste jedes Kind. "Wie soll ich nur eine Steuererklärung abfassen, wenn diese verflixten Kugeln immer wegrutschen!", schimpfte der Magier weiter.
"Du kannst genauso wenig rechnen wie ich", spottete das grün gekleidete Männlein. "Gib's doch zu!"
Zornig zerknüllte Arwed das bekritzelte Formular. "Ich kann das nicht!", jammerte er. "Und ich kann mir keinen Steuerberater leisten." Damit sprach er die Wahrheit.
"Du kannst dich schätzen lassen", schlug der Kobold vor.
"Ha!" Arwed streckte abwehrend die Hände aus. "Dann bin ich erst recht bankrott. Sieh dich nur um!" Auch damit hatte er recht. Von dem Gold, das die Wiederbeschaffung des Wettersteins gebracht hatte, hatte er sich kuschelige Teppiche und teure, farbenprächtige Gobelins für sein Arbeitszimmer gekauft. Es war sogar noch einiges davon übrig. Doch er konnte sich nicht entscheiden, wofür er es verwenden sollte. Für den Staatssäckel gewiss nicht.
"Du bekommst Besuch, großer Meister", intonierte Gaspard ironisch. "Zwei mehr oder weniger ehrenwerte Personen. Im nächsten Moment hörten sie schon das Bum-Bum des Türklopfers. Tschrt'schlog, Arweds Agami-Diener, eilte in weißer Schürze und Kochhaube, ein halb gerupftes Huhn in der Klaue, zur Tür und ließ die Besucher ein. Der Agami hatte sich, nachdem Arwed ihn überzeugt hatte, dass man auch noch anderes als Fisch essen konnte, als ausgezeichneter Koch erwiesen. Der Nachteil waren seine langen Vorträge über gesunde Ernährung.
"Meister Luitbert aus dem Hause Billinger und sein Sohn Trudbert", meldete der Echsenmann und führte zwei Männer in Arweds Büro.
Mit einem erleichterten Seufzer schob der Magier seine Rechnungen beiseite und sah seinen Besuchern erwartungsvoll entgegen. "Was kann ich für euch tun, meine Herren?"
Meister Luitbert klappte seinen langen, hageren Körper zusammen und platzierte ihn auf einem von Arweds Besucherstühlen. Das borstige, am Scheitel bereits schüttere, graue Haar und der große Adamsapfel gaben ihm einen aggressiven Anstrich. Kleine Augen, ein schmaler Mund über einem fliehenden Kinn taten ein Übriges ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Hai zu geben. Trudbert war ein jüngeres Abbild seines Vaters, mit dem Unterschied, dass sein Haar noch voll und mittelbraun war. "Meister Arwed", begann Luitbert mit knarrender Stimme. "Sie müssen eine Person für mich suchen." Kunstpause. "Es ist ein Dieb, der meinem Sohn Teutobert einen wertvollen Talisman gestohlen hat."
Arwed bemühte sich um eine möglichst ausdruckslose Miene. Teutobert, das einzige Mitglied der Familie Billinger, das nicht magisch begabt war, hielt seit Jahren die Polizei in Atem. Angefangen von kleinen Betrügereien bis zum schweren Raub wurde ihm jedes nur erdenkliche Verbrechen zur Last gelegt. Doch jedes Mal, wenn er vor Gericht stand, gab es einen Zeugen, der ihm ein Alibi verschaffte, vorzugsweise ein Familienmitglied. Da das Haus Billinger aus mächtigen Wassermagiern bestand und Vater Luitbert erst voriges Jahr das Dekanat der wässrigen Fakultät innehatte, musste die Polizei den Übeltäter immer wieder laufen lassen. "Du suchst den Talisman und den Dieb?", vergewisserte sich der Luftmagier.
"Ja. Da die Person den Talisman berührt hat, brauchen wir sie zur Reinigung." Der Blick der hellen, kalten Augen bohrte sich in Arweds.
"Hast du einen Anhaltspunkt? Wie sieht der Talisman aus? Gibt es einen Verdacht? Oder hat der Täter etwas am Tatort zurückgelassen?"
Die knochige Hand Luitberts legte einen in ein Tuch gewickelten Gegenstand auf den Tisch. "Das hat er verloren. Da er auch ein Wassermagier ist, brauchen wir das überlegene Element, um ihn zu fangen. Und du hast in letzter Zeit ziemlich viel Staub aufgewirbelt."
Stolz erfüllte den jungen Magier, aber ein scharf geflüstertes "Grins nicht so blöde!" holte ihn wieder von seiner Wolke. Ein Fingerschnipsen entfernte das Tuch und offenbarte ein Nachtglas. Einige rasche Tests zeigten ihm, dass das Glas in den letzten 48 Stunden mehrmals den Besitzer gewechselt hatte. Dabei waren verschiedene Rassen vertreten. Dazu lag eine Aura panischer Angst wie grauer Nebel über der Scheibe. Arwed nickte. "Könnte ich mit deinem Sohn sprechen, über die Umstände des Diebstahls. Er kann seinen Talisman sicher auch am besten beschreiben", fragte er verbindlich.
"Das ist leider nicht möglich. Durch ein unglückseliges Missverständnis wurde er verhaftet und niemand darf zu ihm. Der Talisman würde helfen, die leidige Sache aufzuklären."
"Wie sieht der Talisman aus?", bohrte Arwed noch einmal.
"Der Talisman? Äh ... das ist ... das ist eine Leopardenkralle an einer ... äh, einer Silberkette", bequemte sich Luitbert endlich die Frage zu beantworten.
Eigenartig, dachte der Magier, als ob er den Talisman nicht kennen würde. "Ich gebe dir nächste Woche Bescheid", versprach Arwed und erhob sich.
"Du verstehst nicht, Meister Arwed!" Luitberts Stimme bekam einen schrillen Beiklang. "Mein Sohn braucht den Talisman in drei Tagen, damit er ihn zur Verhandlung hat."
"Wie willst du ihm das Amulett zukommen lassen, wenn er keinen Besuch empfangen darf?", fragte Arwed unschuldig und zuckte zurück.
Der Hai war mit gefletschten Zähnen vorgeschossen. "Das lass mal meine Sorge sein. Tu du nur deine Arbeit. Wenn du mir den Dieb bringst, haben wir auch den Talisman." Die Luft begann zwischen den beiden Magiern zu knistern als Arwed instinktiv ein Schutzfeld aufbaute. Luitbert ließ sich langsam zurücksinken. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das beruhigend wirken sollte, aber Arwed nur noch mehr irritierte. "Entschuldige meine Heftigkeit", säuselte er. "Schließlich handelt es sich um meinen Sohn."
Arwed gestattete sich einen tiefen Atemzug als die beiden sein Haus verlassen hatten. Am liebsten hätte er den Auftrag zurückgewiesen. Doch leider gab es keinen plausiblen Grund dazu und so reich, dass er sich seine Klienten aussuchen konnte, war er denn doch noch nicht. Ein Blick auf seine unfertige Steuererklärung ließ ihn schnell einen Entschluss fassen. Dieser Auftrag war doch noch besser als seinen Kopf mit Rechnungen zu strapazieren. Ich werde die Billingers ganz sicher bei keiner gesetzwidrigen Handlung unterstützen, nahm er sich vor. Sobald er bemerkte, dass irgendetwas an dem Auftrag nicht koscher war, würde er ihn zurücklegen. Vergnügt summend begann er in seiner Truhe zu kramen. "Was brauche ich alles?", murmelte er vor sich hin.
"Du bekommst schon wieder Besuch", krähte Gaspard, der auf dem Fensterbrett stand und auf die Straße hinaus schaute. Ein leises Klopfen bestätigte ihn.
Mit teigverklebten Fingern schoss Tschrt'schlog zur Tür. Sein wütendes Zischen verwandelte sich in ein gefährliches Fauchen. Dann wurde die Tür wieder zugeschlagen. "Ich nehme nicht an, dass du der Kirche der heiligen sechsköpfigen Kröte beitreten willst", knurrte er mit orange leuchtenden Schuppen. "Diese verdammten Missionare!" Und stürzte wieder in die Küche. Der Geruch nach Angebranntem wehte zu Arwed herüber. "So kann ich keine Crepes zustande bringen!", jammerte er. "Eine halbe Stunde, Meister! Dann bin ich fertig."
Arwed ging in die Küche. Der Agami hatte das Fenster schon weit geöffnet und die verunglückten Crepes in den Garten gekippt. Ein langer Finger des Magiers versenkte sich im Marmeladenglas. "Eine halbe Stunde", stimmte er zu und genoss den herrlichen Aprikosengeschmack. "Ich werde öffnen, falls jemand kommt." Leise schmatzend leckte er den Finger ab.
"Wenn du das öfter machst, werden deine Zähne ausfallen. Der Zucker in der Marmelade entwickelt ein aggressives Potential ..."
Arwed flüchtete wieder in sein Büro. Er war nicht in der Stimmung für einen Vortrag über Zahnpflege. Eben hatte er alle Utensilien zur Prüfung des Nachtglases beisammen als derbe Fäuste gegen seine Tür hämmerten. Gewohnheitsmäßig wartete er, dass sein Diener öffnete. Das Hämmern wurde dringender.
"Du bist dran, Langer!", erinnerte ihn Gaspard. "Denk an die Crepes!"
Ärgerlich über die neuerliche Unterbrechung stapfte er zur Tür und riss sie auf.
"Meister Arwed aus dem Hause Berenger?", bellte ihn die Stimme eines baumlangen Polizisten an. Er war sogar noch größer als der Magier und in Begleitung eines etwa gleich langen Kollegen. Die beiden könnten Brüder sein, dachte Arwed als er sie ins Haus ließ "Auf Befehl des Statthalters bist du verpflichtet eine wichtige Zeugin bis zum Prozess zu schützen. Falls ihr etwas zustößt, wirst du mit einer Haftstrafe von zwei Monaten und einer Geldbuße in der Höhe von ..." So ging es noch eine Weile weiter.
"Ich habe einen Auftrag angenommen!", versuchte Arwed abzulehnen. "Mein Klient braucht in drei Tagen Ergebnisse."
"Willst du dich dem Willen des Statthalters widersetzen? Es ist eine Ehre ihm zu dienen", schnappte der Beamte.
"Ich habe keinen Platz für sie", jammerte der Magier verzweifelt.
"Wir haben doch genug leere Zimmer", fiel ihm Gaspard in den Rücken. "Und am Dachboden ist alles, was wir brauchen."
"Dann ist ja alles in Ordnung", bemerkte die Wache trocken.
"Und wo ist die Zeugin?", wollte Arwed wissen. Wohl oder übel musste er sich dem Willen der Obrigkeit beugen.
Verwirrt blinzelte der Beamte. "Na, hier!" Sein Kinn deutete nach unten und Arwed sah erst jetzt eine junge Zwergin, die verloren zwischen den Wachen stand und zu ihm aufblickte.
"Das ... das geht nicht!", stotterte der Magier und starrte die stämmige Gestalt, deren Kopf gerade zur Hälfte seine Tischplatte überragte, an. "Das ist ja noch ein Kind!"
"So eine Frechheit! Ich bin 79 Jahre alt!", protestierte die Zwergin. Das entsprach etwa 20 Jahren bei einem Menschen, überlegte Arwed. Sie galt also als erwachsen.
"Das ist Norina Remostochter und du bist jetzt für sie verantwortlich."
Die Tür schlug hinter den beiden zu und Arwed durchbohrte den Kobold mit wütenden Blicken. "Treuloser Knilch! Was hast du getan! Wie soll ich auf einen Zwerg aufpassen und gleichzeitig einen Dieb fangen?!"
Gaspard zog eine gekränkte Schnute. "Du undankbarer Besenstiel!", schimpfte er zurück. "Habe ich dich schon einmal schlecht beraten? Ich reiße mir für dich ein Bein aus, aber du hörst mir nie richtig zu!" Ein leises Plop ertönte und weg war er.
"Gaspard!" Arweds grüngoldene Augen suchten seinen kleinen Helfer. "Gaspard, was ist auf dem Dachboden?" Es war zwecklos, der Kobold war verschwunden und blieb es vorerst auch. Seufzend begab sich der junge Magier auf den Dachboden. Durch ein kleines, rundes Giebelfenster drang Licht ein, das den Staub vieler Jahre glitzern ließ. Arwed nieste herzhaft und sah sich um. Seit er hier eingezogen war, hatte er nur die lebensnotwendigen Räume betreten. Deshalb war er auch nicht wenig überrascht ein kleines Möbellager vorzufinden. Außerdem gab es noch eine Reihe Truhen, die alte Kleider, Hausrat und Kinderspielzeug enthielten. In einem Schrank fand er Gaspards Schusterwerkstatt, aber der Kleine war nicht da. Nachdenklich schloss er die Schranktür und sah sich um. Eine kleine Gestalt stand unter der Tür. "Soll ich dir helfen?", fragte Norina. "Ich bin stark." Zum Beweis hob sie eine kleine Kommode an.
"Wir werden sehen", sagte er und versuchte angesichts ihres verschreckten Gehabes freundlich zu klingen. "Komm mit, Norina." Missmutig stieg er die Treppe hinab und besah sich die leeren Zimmer. Neben der Küche gab es ein großes Zimmer, vielleicht einmal ein Wohnzimmer. Da waren aber noch drei kleine Kammern im hinteren Teil über die er noch nicht nachgedacht hatte. "Such dir eins aus und mein Diener kann dir später beim Einrichten helfen. - Gaspard!" Er ließ seine Blicke umherschweifen, aber der Kleine blieb weiterhin unsichtbar. Ein schmollender Kobold, ihm blieb doch wirklich nichts erspart! Wütend trat er gegen einen Türstock und prellte sich prompt die Zehen. Ein unterdrücktes Kichern ließ ihn herumfahren. "Gaspard?" Aber es war nur Norina. "Hast du dich entschieden?", fuhr er sie ungewollt heftig an.
"Ja, Meister. Neben deinem Schlafzimmer", antwortete sie demütig. "Ich brauche deinen Diener nicht. Wenn du erlaubst, kann ich selbst ..."
Arwed brummte ein zustimmendes "Hm." und kehrte humpelnd an seinen Schreibtisch zurück und zu seinen magischen Vorbereitungen. Es war alles da. Geweihte Kreide, Urrfwurzelpulver, die Mappe mit seinen selbst entwickelten Zaubersprüchen. Die Rechnungen und Formulare schob er beiseite, ignorierte Norinas Rumoren und konzentrierte sich. Ein wenig Urrf auf das Glas, eine starke Rune und ein akzentuiert gesprochener Spruch. Schon leuchtete die Scheibe auf. Viele Hände hatten sie in den letzten 48 Stunden berührt. Eine Elfenaura durchdrang golden die grünliche zweier Menschen und das satte Rotbraun eines Zwergs. Der blaugraue Schimmer, der für Trolle typisch war, blitzte stellenweise auch noch durch. Das alles war so vermischt, dass er kein Abbild entstehen lassen konnte. Ein Wink seines Fingers ließ das Nachtglas aufsteigen und sich langsam in Augenhöhe drehen. Auf der Rückseite erkannte er ein kleines verschlungenes H. Mit einem zufriedenen Lächeln pflückte er die Scheibe aus der Luft und steckte sie in seine Rocktasche. Das wollte er gleich erledigen. Im Vorbeigehen steckte er den Kopf in die Küche. "Tschrt'schlog, ich gehe aus. Pass auf Norina auf." Seine Nasenflügel blähten sich als er die köstlichen Düfte einsog, die den Töpfen entstiegen.
Das Blaugrün des Agami wandelte sich in ein sanftes, Verwirrung anzeigendes Türkis. "Norina?"
"Ja, die Zwergin. Sie steht auf Befehl des Statthalters unter meinem Schutz und darf das Haus nicht verlassen."
In diesem Moment erschien die Genannte hinter Arwed. "Du gehst weg!", rief sie mit panischem Unterton.
"Mein Diener ist ja da", beruhigte er sie. "Es gibt keinen besseren Beschützer als ihn." Ein Schritt zur Seite gab ihr den Blick auf den Echsenmann frei. Tschrt'schlog warf sich in die Brust und zeigte grinsend seine spitzen Zähne. Sekunden später sank er in sich zusammen.
Ein gellender Schrei entfuhr Norina und im nächsten Augenblick hing sie wie ein Äffchen an Arweds langem Bein. "D..d..das ist ja ein Agami!", stotterte sie.
Tschrt'schlogs Schuppen wechselten einen Sekundenbruchteil zu einem ängstlichen Braun um über ein helles, verlegenes Grün zum neutralen Blaugrün zurückzukehren.
"Ich dachte, du bist erwachsen!", höhnte Arwed.
Zwergenmütter schreckten ihre ungehorsamen Kinder mit wilden Geschichten vom zwergenfressenden Agami. Obwohl es sich nur um ein Märchen handelte, begegneten sich die beiden Rassen mit Vorsicht. Denn auch bei den Agami gab es eine ähnliche Geschichte, nur mit umgekehrten Vorzeichen.
"Bin ich auch", brummte die Zwergin und ließ sein Bein los.
"Dann ist ja alles in Ordnung", meinte der Magier und verließ die beiden.

Nachdem Arwed eine halbe Stunde vor dem Spiegel verbracht hatte, machte er sich auf den Weg zum Elfenviertel. Das verschlungene H, das hatte er sofort erkannt, bedeutete Hilarion. Und das war sein Vermieter, der im Elfenviertel einen Zauberladen betrieb.
Arwed nahm die Abkürzung durch den Basar, drängte sich zwischen schwitzenden Hausfrauen und penetranten Händlern durch und erreichte endlich Hilarions Baumhaus. Der alte Elf hatte sein Heim so geschickt in eine große Platane gebaut, dass nur Kundige es fanden. Als er den mit Büchern, Kristallen den verschiedensten Dosen mit Zauberutensilien vollgestopften Laden betrat, setzte sich ein Glockenspiel in Gang und ein in einer kleinen Glaskugel gefangener Dämon kreischte: "Ein Luftmagier!"
Hilarions magere Figur schob sich durch einen Perlenvorhang. Überrascht weiteten sich seine schrägen Augen als er seinen Mieter erkannte. Seit Arwed in das Haus eingezogen war, waren sie sich nicht mehr begegnet. Die Miete holte immer ein Bote ab. "Meister Arwed! Wie schön dich zu sehen!", rief er aus und zeigte grinsend makellose Zähne. Er hat einen guten Zahnarzt, dachte der Luftmagier und erwiderte den Gruß. "Was führt dich zu mir? Dein Name ist in aller Munde! Wie ich hörte, hat dein Kobold die Geister in meinem Haus gebändigt. Und einen Agami-Sklaven hast du auch. Du bist reich geworden und ....."
"Oh, der Kobold ist eine rechte Plage und Tschrt'schlog ist mein Diener, nicht mein Sklave. Sein Lohn bringt mich an den Rand des Ruins. Die Leute übertreiben einfach maßlos. Du solltest nicht auf sie hören", schwächte Arwed ab. Wenn der Alte ihn für reich hielt, kam er vielleicht auf den Gedanken, die Miete zu erhöhen. Hilarion warf ihm einen prüfenden Seitenblick zu, der nur zu genau seinen Unglauben ausdrückte. Um nicht noch mehr Fragen beantworten zu müssen zog der Magier das Nachtglas hervor und legte es auf den Ladentisch. "An wen hast du das verkauft?", fragte er.
Ein kurzer Blick, ein Schulterzucken. "Letzte Woche hatte ich Nachtgläser im Sonderangebot. Sie gingen weg wie frische Zirma-Brötchen. Ein Troll hat vorgestern das letzte halbe Dutzend genommen."
Bei der Erwähnung der Zirma-Brötchen machte Arweds Magen einen Hüpfer. Ob Tschrt'schlog mit den Crepes schon fertig war? "Kennst du den Namen des Trolls?", fragte er schnell.
Der Elf nickte und gab ein Geräusch wie ein abrutschender Steilhang von sich. Trollnamen waren für alle anderen Rassen unaussprechlich, außer für Elfen, die über eine besondere Sprachbegabung verfügten. "Von den Menschen lässt er sich Stahlhammer nennen."
Dieser Name war Arwed bekannt. Stahlhammer war einer der wenigen Trollmagier und ein gewiefter Geschäftsmann dazu, um nicht zu sagen ein Schlitzohr. Als Hilarion versicherte, dass Stahlhammer der einzige Troll war, der Nachtgläser gekauft hatte und zudem sein Magen rumpelte, wandte er sich wieder heimwärts.

Schon im Hausflur fiel ihm die unnatürliche Stille auf. Was war hier passiert? fragte er sich. Neben der Küchentür steckte ein Tranchiermesser in der Wand und ein Fetzen der Tapete hing traurig über den Türstock. Übles ahnend riss er die Tür auf und stand vor einer eigenartigen Szene. Norina saß gefesselt und geknebelt mit hervorquellenden Augen auf einer Obstkiste während der Agami verbissen Zwiebeln hackte. Die Mischung aus Zwiebeln, frischen Crepes und Apfelmus ergab eine einmalige Geruchskomposition. "Was ist passiert?", stieß Arwed hervor und löste zuerst einmal Norinas Knebel um sich dann den Fesseln zuzuwenden.
"Er wollte mich fressen!", keuchte sie.
"Sie wollte mich aufspießen!", zischte der Agami gleichzeitig.
Zweifelnd sah der Magier von einem zum anderen. Wie soll das nur gut gehen? schoss es ihm durch den Kopf. Die Polizisten hatten ihm nicht gesagt, wann die Verhandlung stattfand, in der die Zwergin aussagen sollte. "Welchen Gott habe ich beleidigt, dass ich solches Ungemach erdulden muss!?", jammerte er und raufte sein langes braunes Haar.
"Und was muss ich erdulden?", keifte sein stämmiger Schützling. "Soll das etwa ein Erholungsurlaub sein? Deine bescheuerte Echse hat meine Jacke zerrissen!"
"Gaspard wird sie reparieren", versprach Arwed genervt.
"Der Kleine schmollt noch immer", erinnerte ihn Tschrt'schlog und präsentierte sein scharfes Gebiss.
Arweds Brauen zogen sich finster zusammen. Dann kam ihm eine Idee. "Lasst uns zuerst einmal essen. Dann sehen wir weiter. Diese Crepes duften einfach zu verführerisch", meinte er gespielt gleichgültig und deckte eigenhändig den Tisch. Kaum hatten sie den ersten Bissen im Mund, da erschien der Kobold und rief aufgebracht: "Und mir wollt ihr nichts übrig lassen?"
"Gaspard!", rief Arwed, wieder übertrieben erfreut. "Wie schön, dich zu sehen! Geht es dir jetzt besser?"
"Ich bin hungrig", knurrte der Kleine und schnappte sich ein Crepe, das in atemberaubendem Tempo in seinen Magen wanderte. Sofort griff er wieder zu. Sein zufriedenes Schmatzen zeigte an, dass sein Groll vergessen war.

"Ich muß noch einmal weg", eröffnete Arwed den beiden Streithähnen nach dem Essen. "Ich werde ..."
"Du willst mich mit diesem Monster allein lassen?", riefen die beiden im Chor.
Hilfloser Zorn stieg in ihm auf. "Ich muss ..." Er brach ab. "Jemand muss zu Stahlhammer gehen." Sein Blick fing den Agami.
Die Schuppen des Echsenmannes färbten sich, panische Angst andeutend, rotbraun. "Willst du das wirklich von mir verlangen, Meister? In Bolder ist es so trocken wie in einem tausendjährigen Brotlaib. Kann Gaspard nicht ...?"
"Aber gern!", mischte sich der Kobold ein. "Wenn die Antwort erst in drei Monaten benötigt wird. Solange werde ich für den Hin- und Rückweg brauchen."
Der Kleine hatte recht. Mit seinen kurzen Beinchen kam er nur langsam vorwärts. Teleportation funktionierte nur innerhalb des Hauses. Arwed zermarterte sich den Kopf nach einer Lösung des Dilemmas, aber es wollte ihm nichts einfallen. "Ich könnte dich verzaubern", meinte er nachdenklich zu Norina. "Vielleicht in eine Standuhr? Oder wäre dir eine Fußbank lieber?"
Die Zwergin fletschte ihre kräftigen Zähne. Schließlich meldete sich Tschrt'schlog, die Schuppen in entsagendes Braunrosa verfärbt. "Ich gehe, Meister", erbot er sich gottergeben und trottete los.
"Tschrt'schlog!" Arwed war nun doch eine Idee gekommen.
Der Agami blieb an der Tür stehen. "Ja, Meister?" Hoffnungsvolles Hellblau färbte seine Schuppen.
"Geh in den Strammen Finger und hole Thilo." Nun färbte sich die Echse vor Freude tiefblau. Mit zahnreichem Grinsen sauste er zur Tür hinaus.

Arwed setzte sich seufzend an seinen Schreibtisch und begann wieder einmal seine Rechnungen zu sortieren. "Warum kommt nur alles auf einmal?", murrte er durch die Zähne und schob ein paar Kugeln auf der Rechenmaschine nach rechts. Die mit verlegenem Gesicht neben ihm stehende Zwergin ignorierte er. Nach zwei Stunden schob er die Papiere von sich und streckte sich ächzend. Morgen ist auch noch ein Tag, sagte er sich. Und die Hälfte war geschafft.
"Beeil dich, Langer!", rief Gaspard, der auf der Vorhangstange saß und mit der gelben Feder auf seinem Hut spielte. "Thilo ist im Anmarsch."
"Was?" Arwed sprang so heftig auf, dass er gegen den Tisch stieß. Die mühsam geordneten Rechnungen rutschten von der Platte und segelten fächerförmig zu Boden. "Oh nein! Das auch noch!", entfuhr es ihm verzweifelt.
"Zwei Nachtgläser hat Stahlhammer an Menschen verkauft", begann Thilo. Seit er Gaspards Stiefel trug hatte sich sein Hinken erheblich gebessert. Auch seine Kleidung sah nicht mehr so verwahrlost aus. Sogar seine Züge zeigten einen Anflug von Selbstbewusstsein. "Vier bekamen Zwerge und drei gingen an Elfen. Das letzte behielt er für sich selbst."
"Zwei Menschen, vier Zwerge, drei Elfen und ein Troll. Das sind zehn. Hilarion sagte mir, Stahlhammer habe ein halbes Dutzend Nachtgläser von ihm gekauft. Woher hatte er die restlichen vier?"
"Er hat sie dem Elf gemopst", grinste Thilo. "Stahlhammer hat eine Menge Tricks drauf." Davon hatte Arwed auch schon gehört. Grübelnd überließ er seinem Diener die Bewirtung seines Boten begann eine ziellose Wanderung durch sein Büro.
"Ich hatte auch mal so ein Nachtglas", sagte Norina, die neben seinem Schreibtisch stand und eins der Formulare studierte. "Leider hab ich's verloren. Es war ziemlich teuer."
Gaspard materialisierte auf seiner Schulter und quiekte in sein Ohr: "Hast du's endlich geschnallt, Rooster? Jetzt musst du dir nur noch überlegen, wie du da rauskommst." Das fand er so lustig, dass er sich schier ausschütten wollte vor Lachen.
Sein Meister war aber für Gaspards Humor derzeit total unempfänglich. "Sei still, Stoppel!", fuhr er ihn an. "Ich muss nachdenken." Nervös ging er vor seinem Schreibtisch auf und ab. Dass Norina in seinen Papieren kramte, bemerkte er gar nicht.
"Der Troll fällt weg", murmelte er. Stahlhammer war ein Erdmagier. Zwerge waren zumeist Feuermagier. Aber unter den Elfen gab es Wassermagier, wenn auch die meisten Luftmagier waren. Nur unter den Menschen waren die Elemente gleichmäßig aufgeteilt. Der Dieb war wohl ein Mensch oder ein Elf.
"Hast du die Namen der Käufer?", fragte er Thilo, dessen Nasenflügel sich hungrig blähten.
Hektisch begann der Bote seine Taschen zu durchwühlen und förderte endlich ein zerknülltes Stück Papier zutage.
"Was ist denn das?" Vorsichtig versuchte der Magier den zerfledderten Lappen zu glätten. Die Tinte war verwischt. Aber die Namen konnte man, mit einiger Mühe zwar, noch entziffern. Sie waren ordentlich nach Rassen eingeteilt aufgeschrieben. Elfen, Menschen, Zwerge. Mit dem Zettel unter der Nase nahm er seine Wanderung durch sein Büro wieder auf. Zuerst die Menschen, dachte er. Da war Gero Arlinger und, ... Arwed stutzte. Nantwig Öhlerer, sein Studienkollege und Freund. "Tonne ist ein Erdmagier", murmelte er. "Fällt also weg." Abgesehen davon, dass er seinem Freund keinen Diebstahl zugetraut hätte. "Und Gero, der ist doch ein Luftmagier. Fällt auch weg." Blieben nur die Elfen. Oriel Tokonen, Melian Elminen, Alarich Rinen. Keiner von ihnen war ihm bekannt. "Du musst noch etwas für mich tun", sagte er zu Thilo, der an einer Wurstsemmel kauend aus der Küche kam. "Geh zur magischen Universität und erfrage die Elementzugehörigkeit der drei Elfenmagier."
"Heute nicht mehr", erklärte Thilo mit vollem Mund. "Morgen früh."
Arwed nickte zustimmend und wollte sich an seinen Schreibtisch setzen. Zu seinem Erstaunen hatte sich Norina dort breitgemacht. Ihre Linke schob hurtig die Kugeln der Rechenmaschine hin und her während ihre Rechte Zahlen in gestochen scharfer Schrift auf das Formular schrieb. "Was machst du da?", rief der Magier aus. "Meine Steuererklärung!"
"Dachte ich mir", brummte die Zwergin. "Du hast dich viermal verrechnet. Aber ich hab's gleich."
Wie gebannt starrte Arwed auf die kurzen kräftigen Finger, die Zahl um Zahl in die Spalten malten. "Du kannst rechnen?"
"Natürlich. Mein Vater ließ mich zur Buchhalterin ausbilden, weil er meinte, meine magischen Fähigkeiten wären für uns nutzlos. Aber ich werd's ihm zeigen!" Sie hatte während dieser Rede ihre Tätigkeit nicht unterbrochen. Nun schob sie ihm das Formular hin. "Du brauchst nur noch zu unterschreiben."
Warum war ihm das nicht früher eingefallen? Zwerge waren bekannt dafür, dass sie gut rechnen konnten. "Ich bin dir zu Dank verpflichtet", begann er.
"Drei Dublonen", bewies Norina nun auch ihren Geschäftssinn. "Und du kannst mir helfen, in die Universität aufgenommen zu werden."
"Welches Element?"
"Wasser. Und drei Dublonen schuldest du mir."
"Was?! Das ist ... ist ... ist Wucher!", protestierte der Magier.
"Ein Steuerberater hätte mindestens fünfmal soviel verlangt", konterte sie kühl und damit lag sie richtig.
Aber nun meldete sich Arweds Selbsterhaltungstrieb. "Du wohnst in meinem Haus und wirst auch noch bestens verköstigt. Alles umsonst. Ich gebe dir eine Dublone und das ist noch ein Verlust für mich. Glaubst du, dass der Statthalter mir auch nur ein Kupferstück für meine Arbeit und die Unkosten, die du verursachst, zahlen wird?"
Norinas Augen leuchteten auf. Dieses Feilschen war genau nach ihrem Geschmack. Schließlich einigten sie sich auf eine Dublone und drei Silberstücke und besiegelten mit Handschlag das Geschäft. Arwed knüpfte noch das Versprechen daran, dass Norina den Agami nicht wieder reizen dürfe, andernfalls er ihr nichts bezahlen würde. Wie viel ihr Versprechen wert war bewies sie als der Agami sie zum Essen rief. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, das er aber nur mit einem misstrauischen Blick quittierte.
Kurz vor dem Mittagessen tauchte Thilo auf. Arwed unterstellte ihm, dass er auf eine kostenlose Mahlzeit hoffte, sagte aber nichts. "Oriel und Melian sind Luftmagier", berichtete er. "Nur Alarich ist ein Wassermagier."
"Das könnte unser Mann sein", meinte Arwed.
"Wenn du meinst, dass ein 117jähriger Elf, der an Arthritis leidet, ein Dieb sein könnte, kannst du recht haben", gab der Kobold vom Bücherregal her seinen Senf dazu.
Thilo trat inzwischen ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sehnsüchtig sog er den Duft nach gefülltem Huhn ein, der jedesmal, wenn Tschrt'schlog die Küchentür öffnete, zu ihnen herüberwehte. "Brauchst du mich noch, Meister Arwed?", quengelte er. "Oder ....?"
"Du kannst mit uns essen. Dann habe ich einen neuen Auftrag für dich", beschied der Luftmagier. Ein breites Grinsen breitete sich auf Thilos stoppelbärtigem Gesicht aus.
"Du wirst dich eben doch um die Zwerge kümmern müssen", stichelte Gaspard und fiel über seinen vollen Teller her.

"Vier Zwerge", überlegte Arwed und beugte sich über die zerfranste Liste. "Bodo Hermannssohn, Urs Karlssohn, Clarina Oremstochter und Franko Achimssohn. Du musst noch einmal zur Universität gehen. Das ist die einzige Spur, die wir haben."
Gaspard fing schallend zu lachen an und verschluckte sich prompt an dem letzten Bissen Hühnerbraten. Sein Meister packte ihn kurzerhand an einem seiner Beine und drehte ihn um. Der grüne Hut mit der langen gelben Feder segelte zu Boden und mit ihm eine winzige Perücke. Hustend und spuckend kam Gaspard wieder zu Atem. "Lass mich los!", schrie er nun wütend und trat mit dem freien Bein nach Arweds Hand. Dabei hatte er beide Hände auf seinen unbedeckten Kopf gelegt. Zu spät, alle hatten die kahle Stelle auf seinem Scheitel bereits gesehen. "Willst du mir ein Bein ausreißen, du grobes Klappergestell?", zeterte er.
Arwed setzte ihn auf den Boden und fragte: "Was war denn schon wieder so komisch?"
Hurtig schnappte sich Gaspard Hut und Perücke. "Gibt's noch Nachtisch? Den hab ich mir jetzt verdient." Der Kleine sah sich auf dem Küchentisch um. "Nur weil du das Hirn unter der Kniescheibe hast, wäre ich fast erstickt." Er warf Arwed einen bitterbösen Blick zu.
"Wenn du schon etwas weißt, was ich nicht weiß, warum sagst du es mir nicht?", ärgerte sich der Magier.
"Du fragst mich ja nicht, Herr Detektiv, weil du ja sooo schlau bist." Wieder brach er in Lachen aus. "Es ist zu komisch. Du hast die Lösung vor der Nase und siehst sie nicht." Mit einem winzigen Taschentuch wischte er sich eine Träne von der Wange. Nun begann der junge Magier nachzudenken. Was hatte er gesagt, das bei Gaspard einen Lachkrampf ausgelöst hatte? Er hatte Thilo einen Auftrag erteilt. Was war so komisch daran? "Man sieht richtig, wie du am Schlauch stehst", höhnte der Kobold grinsend. Was habe ich gemacht oder gesagt? Arwed versuchte das listige Feixen zu übersehen. Das schlaue Kerlchen hielt sich eisern an die Regel, nichts zu verraten, nach dem er nicht ausdrücklich gefragt worden war.
"Dir ist nicht zu helfen!", seufzte Gaspard. "Wenn du nicht einmal weißt, was du dahergeplappert hast, wirst du nie auf die richtige Spur kommen."
Das war es. Die einzige Spur. Das hatte er gesagt, fiel es Arwed wieder ein. "Welche Spur meinst du denn?", forschte er triumphierend.
"Das Nachtglas!", gab Gaspard herablassend zurück. "Weißt du nicht, dass es die letzte halbe Stunde speichert? Du brauchst es nur abzurufen." Davon hatte Arwed schon gehört, es aber für eine maßlose Übertreibung gehalten und sich deshalb nicht näher damit befasst. Wenn der Kobold recht hatte ... Er musste recht haben. Kobolde konnten doch nicht lügen. Mit zwei Schritten war er an seiner Zaubertruhe und kramte darin herum. Wieder wurde er unterbrochen. "Trudbert ist im Anmarsch", krähte Gaspard fröhlich, bevor Sekunden später eine ungehaltene Faust gegen die Haustür hämmerte.
"Verschwinde in dein Zimmer", befahl Arwed der Zwergin und öffnete dem Wassermagier die Tür.
Kaum im Haus polterte dieser schon los: "Hast du den Dieb gefunden, Meister Arwed? Die Verhandlung wurde auf übermorgen angesetzt. Wenn meinem Bruder etwas zustößt, werden wir dich zur Verantwortung ziehen!"
Erstaunt stellte Arwed einen Anflug von Panik in Trudberts Stimme fest. "Ich verfolge eine Spur. Aber es ist nicht so einfach. Das Nachtglas ist durch viele Hände gegangen. Und von der Leopardenkralle habe ich noch keine Spur gefunden, kein Od, nichts."
"Die was? Ach, die Kralle! Finde den Dieb, dann haben wir auch den Talisman", zischte Trudbert.
"Bist du sicher, dass er ihn noch nicht verkauft hat? Warum gibst du deinem Bruder nicht einen neuen Talisman? Selbst wenn ich den Alten finde, dauert die Justierung doch einige Zeit."
"Dann trödle nicht länger herum und finde den Dieb!", wiederholte Trudbert störrisch und verließ fluchtartig Arweds Haus.
Nachdenklich kehrte dieser in die Küche zurück. Tschrt'schlog räumte eben seinen und Thilos Teller weg. Gaspard mampfte noch eifrig, aber von der Zwergin war keine Spur. Schnell warf er einen Blick in ihr Zimmer. Sie war nicht da. Auch unter dem Bett oder im Schrank war sie nicht zu finden. "Norina!", rief er mit wachsender Besorgnis, aber es kam keine Antwort. Schnell ließ er einen ätherischen Fühler durchs Haus wandern und hatte sie in kurzer Zeit gefunden. Zum Glück hatte die Zwergin das Haus nicht verlassen. Sie hatte sich nur versteckt und die Angst verdunkelte ihre Aura. "Gaspard, wo ist Norina?"
Der Kleine leckte seinen Löffel ab, wischte sich mit einer zart bestickten Serviette den Mund ab und antwortete undeutlich: "Am Dachboden."
"Führe mich zu ihr." Mit dem Kobold auf der Schulter stieg er die Treppe hoch und ließ sich in die hinterste Ecke des Dachbodens führen. Wieder reizte ihn der Staub zum Niesen. Unter einem Haufen alter Teppiche fanden sie ein zitterndes Häufchen Elend. Ihre Kleidung war von Staub der Jahrzehnte beschmutzt und in ihre dicken Zöpfen hingen Spinnweben. Als sie Arweds ansichtig wurde, klammerte sie sich schluchzend an sein rechtes Bein. "Du musst mich beschützen!", greinte sie. "Der Statthalter hat es befohlen."
"Natürlich wirst du beschützt. Tschrt'schlog ist der beste Wächter, den du dir denken kannst. - Das war doch nur ein Klient."
"Sie wissen, dass ich da bin. Thilo muss mich verraten haben", heulte Norina unbeeindruckt weiter.
"Wie kommst du darauf?" Was war nur mit der Zwergin los? War sie vielleicht der gesuchte Dieb? Aber das konnte doch nicht sein.
"Du darfst mich nicht an sie ausliefern!", schrie sie und quetschte sein Bein noch fester.
Arwed sah auf sie nieder und entdeckte die schmutzigen Finger an seiner Hose. Ihre schniefende Nase hatte einen feuchten Fleck auf dem edlen Stoff hinterlassen und der Staub von ihrer Bluse ... "Lass mich los, du Unglückliche!", rief er aus und versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien.
"Du wirst mich nicht ans Messer liefern!", kreischte sie nun und verstärkte ihren Griff noch mehr.
"Du hast meine gute Hose ruiniert!", warf er ihr vor. "Wenn du mich loslässt, kann ich das Haus mit einem magischen Schutzfeld umgeben. Dann kommt niemand ohne meinen Willen hinein oder hinaus."
Zögernd lösten sich die kräftigen Finger und Arwed stürmte ins Badezimmer. Hastig streifte er die beschmutzte Hose ab und begann sich zu säubern, als schon wieder eine kleine Hand nach seiner nackten Wade grabschte. "Zuerst der Schutzschild", forderte sein Schützling. Sie sah furchterregend aus. Ihre Tränen hatten helle Straßen durch den Schmutz auf ihren Wangen gebahnt und gaben ihr den Anschein einer bizarren Kriegsbemalung.
Wütend warf er sich einen Bademantel um die schmalen Schultern und wob den Zauber. Der tätowierte Hahn auf seinem Handgelenk wurde schlagartig um die Hälfte blasser. Viel Magie bleibt mir heute nicht mehr, dachte er grimmig. Zwei Stunden später verließ er das Badezimmer, frisch gewaschen, dezent parfümiert, frisiert und umgekleidet. Ein letzter, bewundernder Blick galt seinen braunen Locken, dann begab er sich zu seinem Bücherregal. Den Rest des Nachmittags studierte er seine Bücher auf der Suche nach einem Aktivierungszauber für das Nachtglas. Als er ihn endlich gefunden hatte, musste er feststellen, dass ihm einige Zutaten fehlten.
Tschrt'schlog rannte mit einer Liste der benötigten Ingredienzen in den nächsten Zauberladen und kam bei Einbruch der Dämmerung wieder. "Gemahlene Schmetterlingsflügel hatten sie nicht", erklärte er. "Aber der Verkäufer versicherte mir, dass Mottenflügel genauso wirken." Vorsichtig legte er einige in derbes Papier gewickelte Päckchen auf den Schreibtisch.
Arwed rümpfte die Nase. Aus einem der Päckchen stieg scharfer Spiritusdunst auf. Das musste die eingelegte Leguanleber sein. Akribisch genau maß er die Zutaten, mischte sie mit destilliertem Wasser und erhitzte das Gebräu. Blasen stiegen aus der herb riechenden Brühe und zerplatzten an der Topfwand. Arwed drehte die Flamme kleiner und nun erschien dicker weißer Dampf. Der Geruch nach Moor und Fäulnis verbreitete sich im Raum.
Auf ein Fingerschnipsen erhob sich das Nachtglas in die Luft und tauchte in die Dampfwolke ein. Ein rundes schwarzes Fenster erschien. Mit steigender Ungeduld kniff Arwed die Augen zusammen. Wo blieb das Bild? Hatte er etwas falsch gemacht? Erschreckt zuckte er zurück als eine dunkle, schmale Gasse Gestalt annahm, aus der ihn ein Mann mit offenem Mund anstarrte.
Überrascht schnappte er nach Luft. Das Gesicht kannte er doch! Das war doch Teutobert! Doch schon wandte sich dieser ab und beugte sich über einen im Schmutz der Gosse liegenden Toten. Seine Hand fasste nach der Brust der Leiche und zog ein Messer heraus. Gleichzeitig richtete sich der Ermordete auf und begann nach einem Schmerzensschrei wütend zu gestikulieren.
Nach einem Augenblick der Verwirrung erkannte Arwed, dass das Glas die Ereignisse rückwärts abspulte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Teutobert war gar nicht bestohlen worden. Der Besitzer dieses Nachtglases war vermutlich ein Passant, der zufällig Zeuge dieses Mordes wurde. Jetzt verstand Arwed auch, warum Luitbert unbedingt des Eigentümers der Scheibe habhaft werden wollte.
Konnte es sein, dass das Nachtglas Norina gehörte? Eins war sicher. Verdienen würde er an diesem Auftrag nichts. Er konnte sogar noch froh sein, wenn er mit heiler Haut davonkam. Man munkelte, die Billingers hätten schon mehr als einen Zeugen ‚überzeugt', dass es für ihn gesünder war, nichts gesehen zu haben. Trotzdem stand für Arwed fest, er würde die Zeugin beschützen und rechtzeitig zur Verhandlung begleiten. Teutoberts Maß war längst voll. Die ganze Stadt sehnte sich danach, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.
"Du wirst ein Held sein, Arwed aus dem Hause Berenger!", sagte er bei der Abendtoilette zu seinem Spiegelbild und lächelte selbstgefällig. "Die Männer werden mich beneiden und die Frauen werden mir zu Füßen liegen. Violetta wird mich erhören ..."
"... und Luitbert wird dich mit einem Wasserzauber ersäufen", dämpfte Gaspard seine Begeisterung. "Violetta wird an deinem Grab eine halbe Träne weinen, vielleicht."
"Du giftzüngige Missgeburt!", schimpfte der Magier. "Wie kannst du so etwas sagen?
Violetta ist lieblich und sanft und schüchtern und ..."
"Sie ist das, was du dir einbildest", unterbrach ihn der Kobold nüchtern. "Du kennst sie doch gar nicht." Beleidigt schlüpfte Arwed in sein Bett und vergaß dabei den Schutzzauber zu fixieren. So wurde das magische Gespinst dünner und dünner, bis es endgültig zerriss und die Fetzen vom Nachtwind davongetragen wurden.

Der Schlaf des Magiers währte nicht lange. Kurz nach Mitternacht erwachte er, weil Gaspard auf seiner Brust Tarantella tanzte und ihm dabei die Nase zuhielt. Dabei brüllte er: "Wach auf, Langer! Einbrecher! Diebe! Du hast auf den Schutzschild vergessen, du
Esel!" Arwed stürmte mit wehendem Nachthemd und wirrem Haar wie ein Rachegott in das Zimmer der Zwergin, gefolgt von dem gelb leuchtenden Agami, der brüllend sein Schwert schwang. Norina erwachte und begann zu kreischen, während zwei dunkle Gestalten ihre Schrecksekunde überwanden und zu fliehen suchten.
Tschrt'schlog gab ihnen keine Chance. Eine seiner Klauen drückte den einen gegen die Wand, die andere bedrohte den zweiten mit dem Schwert. Arweds Hände woben rasch einen Zauber, der die beiden erstarren ließ. "Du kannst sie jetzt loslassen", befahl er seinem Diener. "Gut gemacht, ihr beiden." Er sah auf die Zwergin, der Gaspard eben eine Pflaume in den Mund steckte, was sie sogleich zum Schweigen brachte.
Unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen standen die beiden Schurken da, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Mit dem Wink seines Zeigefingers gab Arwed dem einen die Sprache wieder. "Nun sag schon, du Ratte, wer hat euch geschickt?"
Der Mann versuchte vergeblich die Worte zurückzuhalten. Doch Arweds Zauber zwang sie aus ihm heraus. "B... B... Bill... Billinger. Luitbert Billinger."
Das war die letzte Bestätigung, die er brauchte. Ein Sprechzwang war zwar eine Methode, die vor Gericht nicht anerkannt wurde, aber das spielte jetzt keine Rolle. Luitbert wollte Norina noch vor der Verhandlung aus dem Weg schaffen, um seinen Sohn zu retten. Tschrt'schlog verschnürte die beiden Einbrecher mit einer Wäscheleine zu einem handlichen Paket und deponierte sie in einem der leeren Zimmer. Mit schlechtem Gewissen erneuerte Arwed den Schutzzauber, dann gingen sie wieder zu Bett. Norina bestand darauf, auf Arweds Bettvorleger zu schlafen, was er schließlich aus reiner Müdigkeit gestattete.

Gleich nach dem Frühstück schickte der Luftmagier den Agami zum Palast des Statthalters und zur Magischen Universität. Dann konnte er nur noch warten. Unruhig rannte er auf seinem neuen Teppich auf und ab. "Wenn du so weitermachst, bist du in ein paar Stunden durch", kommentierte der Kobold trocken. "Was hast du vor?"
Ein dumpfer Glockenton ertönte, gefolgt von einem wütenden Schrei. "Oh, das ist Luitbert! Er ist gegen deinen Schutzschild gelaufen", meldete Gaspard schadenfroh grinsend. "Willst du ihn hereinlassen?" Arwed überlegte noch, da rief der Kleine: "Thilo kommt auch!" Er hüpfte aufgeregt auf dem Fensterbrett auf und ab. "Jetzt wird's spannend. Tschrt'schlog ist auch im Anmarsch, mit zwei Polizisten."
Die grüngoldenen Augen des Magiers erfassten Norina, die auf ihren kurzen Beinen in Richtung Dachboden eilte. Worte der Macht strömten von seinen Lippen. Die Zwergin schrie auf und verwandelte sich in eine gepolsterte Fußbank. "Das ist nur zu deinem Schutz", verteidigte er seine Maßnahme.
"Ich werde dich bei der Kontrollbehörde der Magier verklagen", grummelte die Fußbank, aber Arwed hatte andere Sorgen. Eine Handbewegung hatte den Schutzschild aufgehoben, die nächste öffnete die Haustür.
Luitbert eilte wutentbrannt auf sie zu und wollte sich ins Haus drängen. "Du hast den Dieb schon längst gefunden!", behauptete er. "Ich werde dir die Lizenz entziehen lassen, wenn du gegen meine Interessen arbeitest."
Arwed stand stocksteif in der Tür und starrte wie gebannt auf die andere Straßenseite. Violetta hatte das Haus verlassen und ging mit schwingenden Hüften, eine dicke Mappe unterm Arm, die Krötenzeile hinunter. Ein kleines Lächeln huschte über ihre Züge als sie einen Blick auf Arwed und die Versammlung vor seinem Haus warf. Ihre zarte Hand hob sich zu einem flüchtigen Winken, dann verschwand sie zwischen anderen Passanten.
"... mindestens 1000 Dublonen Schadenersatz fordern. Mein Anwalt wird dich kontaktieren", drang die Stimme Luitberts in das vernebelte Bewusstsein des jungen Magiers. Der Wassermagier hatte weiter geredet, während Arwed in den Anblick seiner Angebeteten versunken war. Nun wich er vor dem üblen Atem seines Gegenübers zurück.
"Du hast mir falsche Informationen gegeben", entgegnete er jetzt und ließ seinen zornigen Klienten eintreten. Thilo winkte er in die Küche und schloss schnell die Tür, damit Luitbert nicht sehen konnte, wohin Tschrt-'schlog mit den Polizisten ging. "Du hättest dir etwas Besseres ausdenken sollen, nicht einen Diebstahl, der gar nicht stattgefunden hat. Unter diesen Voraussetzungen bin ich nicht an den Vertrag gebunden." Das Haifischgesicht verzog sich hasserfüllt und die knochigen Hände hoben sich zu einem vernichtenden Zauber. Doch Arwed hatte das erwartet. Er rief sein Element an und Luitbert wurde von einer winzigen Windhose erfasst und herum gewirbelt. So sehr er sich auch wehrte, er konnte nichts dagegen tun. Der Wirbelwind trug ihn aus dem Haus und warf ihn unsanft in die Gosse.
"Du bist ein mächtiger Magier", sagte die Fußbank ehrfurchtsvoll. "Und Tschrt'schlog ist ein tapferer Krieger."
"Ach was. Luft ist Wasser einfach überlegen. Das hätte jeder mit einem Universitätsabschluss gekonnt."
"Dann möchte ich nicht mit dir aneinander geraten."
"Die Zwerge sind bis auf Clarina Erdmagier", meldete sich nun Thilo zu Wort. "Die Zwergin erscheint nicht auf den Listen."
"Geschenkt, Thilo", rief Arwed. Er warf dem Mann ein Silberstück zu. "Du hast gut gearbeitet." Ein Lächeln ließ Thilos Züge aufleuchten.
Nun kam Tschrt'schlog aus dem Raum, in dem die Einbrecher eingesperrt waren. Die Wachen hatten die Wäscheleine abgewickelt und ihnen Handschellen angelegt. "Das wird Teutoberts Lage nicht gerade verbessern, Meister Arwed", lobte einer der beiden, dessen Abzeichen auf der Uniform ihn als Leutnant auswies. "Ich werde für dich das Verdienstkreuz dritter Klasse vorschlagen."
Davon kann ich meine Miete nicht bezahlen, dachte der Magier nüchtern. "Es war mir eine Ehre, dem Statthalter zu dienen", sagte er laut und brachte sogar ein Lächeln zustande. Dann setzte er sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
"Die luftige und die wässrige Fakultät haben dir Schutz zugesichert", berichtete sein Diener und befestigte eine bunte Schürze an seinen schuppigen Hüften. Seine Klauenhand legte zwei Amulette auf den Tisch.

Müde, aber gut gelaunt, kam Arwed die Krötenzeile entlang. Stolz trug er das bronzene Verdienstkreuz auf der Brust. Er hatte am Morgen die Fußbank in den Gerichtsaal gebracht und wieder in die Zwergin verwandelt. Alles weitere erledigte dann der Staatsanwalt. Arwed hatte seine Aussage gemacht und der Richter Teutobert zur Zwangsarbeit in den Kupferminen verurteilt. Das Haus Billinger wurde mit einem magischen Bann belegt und des Landes verwiesen. Das Vermögen der Familie zog der Statthalter ein. Nach kurzem Überlegen nutzte Arwed die letzte Gelegenheit seine Unkosten wenigstens teilweise zu decken. Er klagte Luitbert auf Vorspiegelung falscher Tatsachen. Nun würde sich zeigen, ob der Statthalter in seinem Sinne entschied. Mit Sicherheit stand ihm eine lange Wartezeit bevor.
"Du hast schon wieder dieses blöde Grinsen im Gesicht", erklang es aus seiner Brusttasche und eine kleine Hand zog an einer braunen Locke. Ein spitzer Hut erschien und listige Äuglein sondierten das Terrain.
Hastig schob Arwed den Kobold tiefer in die Brusttasche und setzte zu einer tiefen Verbeugung an. "Lady Violetta ...", brachte er gerade noch heraus, dann versagte ihm die Stimme. Das Ziel seiner Sehnsucht hatte gerade das Haus verlassen und kam auf ihn zu.
"Meister Arwed, ich wollte dich fragen, ob du mich unterrichten könntest." Ein kecker Blick traf ihn als sie das herrliche Goldhaar kokett zurückwarf.
Arwed sog verzückt den frischen Duft ein, der sie umgab. "Womit kann ich dir dienen?", fragte er und hoffte inständig, dass sie nicht sein Herzklopfen hörte.
"Meister Balko will mich in Dogmatischer Thaumaturgie durchfallen lassen und wenn das passiert, schickt mich mein Vater in das Konvent der Schwestern vom Purpurnen Lotos. Könntest du ...?" Ihre blauen Augen zeigten so gar nichts von der Schüchternheit, die er erwartet hatte.
"Nachhilfe?" Der Gedanke an Meister Balko ließ Arweds Sonnengeflecht verknoten. Er war selbst zweimal durch die Prüfung gerasselt, bevor er endlich bestanden hatte. "Aber mit Vergnügen." Die Welt erstrahlte plötzlich in neuem Glanz. Die Vögel sangen besonders schön und Tschrt'schlogs Schuppen glänzten als käme er direkt aus dem Schlammbad als er die Tür für seinen Meister öffnete. Violetta würde seine Schülerin sein. Das entschädigte ihn für Vieles, auch für seinen finanziellen Verlust.
"Wann können wir denn anfangen? Ich hab's eilig. Die Prüfung ist in zwei Wochen." Das Mädchen verzog ärgerlich das Näschen und stampfte ganz undamenhaft auf.
"Jetzt kannst du sie kennenlernen", flüsterte eine wohlbekannte Stimme in Arweds Ohr.


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