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DU SPINNST DOCH!

von Pascal Bothe



Schon immer hat die Menschheit das Ferne, das Außergewöhnliche gelockt und fasziniert. Schon immer stellten der Weltraum, die Sterne und die Sonne eine Faszination dar...
So war es eine Frage der Zeit, bis die Menschen versuchen würden, dorthin zu wollen, in den weiten Raum über dem Himmel. Und so kam es: Die Technik wurde besser und zuverlässiger, sodass man erste Tests machen konnte. Zunächst unbemannt, später mit Hunden und Affen. Schließlich schien die Technik sicher und man startete mit einem Menschen, Juri Gagarin, ins All. Man forschte weiter, betrat den Mond! All das waren wir: Die Menschen!
Heute rund 250 Jahre später schreibt man das Jahr 2215 und all das ist Geschichte...
In diesen Jahren, von der Mondlandung bis heute, ist uns "nur" ein weiterer Vorstoß in den Raum gelungen: Wir betraten den Mars! Aber Leben gefunden haben wir in unseren Weltraumabenteuern und -expeditionen nie. Wir scheinen immer noch die einzig intelligente Form des Lebens in der Milchstraße zu sein, keiner der umliegenden Planeten scheint besiedelt. Wir sind ganz allein! Auch ein Planet, der unserer Erde gleicht, ist uns bis heute nicht untergekommen. Sollte unsere Erde einmal vergehen, wären die Menschen vernichtet oder heimatlos. Andere Alternativen bleiben uns nicht.
Mit diesen Aussichten vergingen weitere fünfzig Jahre. Wieder entwickelte sich die Technik weiter und wurde leistungsfähiger. Die Wissenschaftler wollten noch in diesem Jahrhundert, sprich bis 2299, das Betreten eines Menschen der Venus geschafft haben...
UND SIE SCHAFFTEN ES! Am 4.Mai 2298 startete die Venusexpedition "Venera" mit ihrem Ziel die Venus zu betreten.
Soweit die Vorgeschichte...
Die Astronauten Buzz Arenzen, Verena Garre, Paul McBeal und der Bordjüngste Martin Gean befanden sich nun schon seit vier Tagen in der Rakete des Typs Venus-VI.
Die mächtige Rakete schwebte im Raum und zog an etlichen Himmelskörpern entlang. Für die Astronauten Paul und Martin ein wahnsinniger Anblick. Die beiden hatten gerade Dienst und saßen so in der Kommandozentrale. Die anderen Besatzungsmitglieder schliefen und ruhten sich aus, bis sie Dienst hatten. So eine Reise zur Venus war keine leichte Sache. Es knisterte im Helm des blondhaarigen Mannes und sein Kollege Martin meldete sich zu Wort:
"Und, wie geht es Dir?"
"Tja, wie soll es mir schon gehen? Man kann ja nicht hier raus! Was soll ich machen", antwortete Paul und räusperte sich, was ein fieses Geräusch im Funkhelm des anderen erzeugte. Neben den Helmen trugen sie normale Kleidung. Beide blaue Hemden. Ihre Hosen waren nicht zu erkennen, da sie durch die Gurte der Sitze verdeckt waren.
"Ja, da hast Du wohl recht. Aber was wird es für ein Gefühl sein, wenn wir mit unseren Füßen den Boden der Venus betreten werden? Ist doch irre, wenn Du Deinen Enkeln später Holografien zeigst, auf denen Du die Venus betrittst. Andere zeigen ihren Kindern Urlaubsfotos aus Spanien, Du von der Venus, das ist doch der helle Wahnsinn."
"Stimmt.", meinte Paul und konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. "Wir müssen uns dann auf ein anderes Leben vorbereiten, schließlich sind wir dann Nationalhelden. Wir, hörst Du, wir!"
"Nun, beruhig Dich doch erst einmal. Noch waren wir nicht da, ... das dauert noch.", mäßigte ihn Paul.
"Kommst Du allein klar?", fragte Martin seinen älteren Kollegen.
"Ja, sicher."
"Fein, dann hau' ich mich aufs Ohr", freute sich der Jüngere und drehte sich in seinem Sessel um. "Schlaf gut."
Paul war nun also allein für das Raumschiff zuständig und nutzte die Zeit weiterhin, um aus den Bullaugen zu schauen. Doch sein Blickfeld war momentan recht klein. Er sah, um es genauer zu beschreiben, nichts.
Der Sessel wurde langsam ungemütlich und er wünschte sich, endlich hier raus zu können. Doch die Langeweile und Ungemütlichkeit hielt nicht lange an:
Paul sah etwas, er wusste, da war etwas. Draußen vor dem Fenster. Es kam immer näher, nun nahm er deutliche Umrisse wahr. Kugelförmig erschien ihm dieses Ding vor dem Fenster. Rote Punkte leuchteten ihm entgegen, eine Nase und ein Mund zeichneten sich ab. Jetzt schien das Wesen direkt am Raumschiff zu stehen. Paul war sprachlos, er sah zum ersten Mal einen Außerirdischen.
Es gab also doch Leben außerhalb der Erde. Über Funk versuchte er seinen Kollegen zu verständigen: "Martin, wach auf, da ist was vor unserem Schiff. Komm, Mann, wach auf!", seine Stimme war deutlich hektischer geworden und nahm ängstliche Züge an, sein Gesicht verzog sich.
"Paul sei still, Du spinnst doch. Schlaf am besten auch etwas, aber sei ruhig", erwiderte Martin barsch. Sekunden später nahm er schon wieder das dezente Schnarchen wahr... Martin schlief bereits wieder, wenn er nur wüsste, was ihm hier entging. Paul hatte nun aber keine Zeit, hier mit dem jungen Mann zu diskutieren. Er musste mit dem Wesen Kontakt aufnehmen.
Noch immer glubschte das... Monster... durch das schmale Fenster. "Ihr seid auf dem Weg zur Venus?", fragte das Wesen mit der Stimme eines normalen Menschen.
"Mmmhhh, ja, dass sind wir. Woher weißt Du das, woher kannst Du unsere Sprache sprechen?", brabbelte Paul.
Die Überraschung hatte ihm fast die Sprache verschlagen.
"Schon vor tausenden Jahren habe ich vorausgesehen, dass ihr kommen würdet. Woher ich das weiß? Ich weiß alles! Du aber wirst Dein Wissen nach diesem Gespräch wieder verlieren, die Gefahr für Dich wäre zu groß, wenn jemand davon erfährt. Meine Aufgabe besteht nur darin, Euch mitzuteilen, dass ihr auf dem falschen Kurs seid. Würdet ihr so weiter fliegen, käme Euer Raumschiff in ein Black Hole. Ändert das und ihr kommt auf der Venus an und dann sicher wieder zurück auf die Erde."
Paul reckte sich vor, um das Passwort zur Änderung des Kurses einzugeben. Die Basisstation auf der Erde konnte nicht eingreifen, das hatte man damals so festgelegt.
Das waren die letzten Worte des Wesens. Dann veränderten sich die Augen zu einem stechenden grün und begannen sich zu drehen. Das Wesen selbst löste sich in einem gelben Nebel auf und zerstob in tausende Teile.
Minuten kam Paul wieder zu sich, sein Kopf dröhnte, als würden Gleiter in ihm umherfliegen. "Na, alles klar. Du hast ganz schön lang geschlafen", meinte sein Sitznachbar und stupste ihn an.
Langsam kam er wieder zu sich.
"Ich hoffe, Du hast Dich wieder erholt? Du hast vorhin was von einem Wesen gebrabbelt."
"Wovon redest Du?", fragte Paul ernst und begann nach einigen Sekunden in ein schallendes Gelächter zu verfallen.

Seine Erinnerung war weg, die Menschheit um eine bahnbrechende Entdeckung ärmer. Doch die beiden Astronauten wussten von nichts. Für sie war das Wesen nur ein spinnerter Ausspruch aus Pauls Träumen.
Wer weiß? Vielleicht war es auch besser so!

E N D E


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