SCHWERPUNKTTHEMA


SCHWERTER


MAGISCHE SCHWERTER

von Hermann Urbanek



Zu den beliebtesten Lesestoffen unserer Tage gehören zwei Genres, die einander sehr ähnlich sind, sich aber doch in einigen wichtigen Punkten voneinander unterscheiden: der historische Romane, egal, wie exakt die jeweilige geschichtliche Epoche dargestellt und auf die real existierenden Persönlichkeiten eingegangen wird, und die phantastische Literatur in all ihren Spielarten. Doch was ist eigentlich der grundlegende Unterschied zwischen Sagen, Märchen und Fantasy-Epen einerseits und historischen oder pseudohistorischen Romanen und Erzzählungen andererseits?

Nun, während bei den (pseudo)historischen Texten zumindest versucht wird, den Anschein der geschichtlichen Realität zu wahren, gibt es bei den Märchen und Sagen, die zumeist überliefert wurden, oder bei den Kunstmärchen, die von Dichtern eigens zum Zwecke der Unterhaltung ersonnen wurden und für die beispielsweise Oscar Wilde als einer der führenden Vertreter steht, keine historische Realität in diesem Sinne, dafür aber in der Regel ein übernatürliches Element, das die Realität sprengt und für die Geschichte zumeist unentbehrlich ist.
Seien es jetzt Hexen, Zauberer, Magier oder sonstige Personen, die Zauber wirken oder Flüche sprechen können - sie alle besitzen magische Fähigkeiten oder verzauberte Gegenstände, mit denen sie ihr Geschick oder das anderer Akteure im positiven wie auch im negativen Sinn beeinflussen können. Das gilt auch für die Fantasy jedweder Couleur, die man als das moderne Kunstmärchen des 20. und 21. Jahrhunderts bezeichnen kann.
Die Utensilien, deren sich die Kundigen bedienen, sind dabei mannigfaltig. Sie reichen von simplen Zauberstäben und Flugbesen bis hin zu magischen Waffen. Und unter diesen nehmen magische Schwerter eine spezielle Rolle ein. Eine umfassende Abhandlung darüber zu schreiben würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen, doch auf die interessantesten soll hier exemplarisch eingegangen werden.

Das geschichtsträchtigste aller magischen Schwerter ist wohl Excalibur, das Legenden zufolge König Uther Pendragon von der Dame vom See erhalten hat. Kurz vor seinem Tod stößt er es in einen Stein und prophezeit, dass nur der künftige König von England in der Lage sein würde, das Schwert wieder herauszuziehen. Wie die Sage berichtet gelingt dies Jahre später seinem Sohn Arthur (eingedeutscht: Artus). Nach dem Untergang von Camelot und dem Ende der Ritter der Tafelrunde wird das Schwert wieder an die Dame vom See zurück gegeben, wo es noch heute auf einen würdigen neuen Besitzer wartet.

Zu diesem Sagenkreis gehört auch "Die Sage vom Singenden Schwert", besser gesagt: Die grandiose Comic-Serie "Prince Valiant" (dt.: "Prinz Eisenherz"). Als junger Mann erhält der Prinz aus Thule diese magische Klinge von Prinz Arne von Ord, seinem früheren Rivalen um die Gunst der schönen Ilene und späteren Freund. Dabei handelt es sich, wie er Jahre später von der Hexe Horrit erfährt, die für ihn in die Zukunft sieht, um das verfluchte magische Schwert Flamberge, das ihrem Besitzer alles bringt, nur nicht Ruhe und Zufriedenheit. Und dieses Schicksal dürfte Prinz Eisenherz tatsächlich beschieden sein, erlebt er nun schon im 70. Jahr seine Abenteuer in den Comic-Sonntagsseiten und ein Ende ist nicht abzusehen

Ein magisches Schwert ganz anderer Art hingegen ist Stormbringer (dt: Sturmbringer), vom britischen Fantasy-Autor Michael Moorcock für seinen Zyklus um den Albino-Prinzen Elric von Melniboné erdacht. Stormbringer ist ein Runenschwert, das wie sein Zwilling Mournblade von den Göttern des Chaos auf die Erde gebracht wurde und seinem Besitzer Stärke ohnegleichen verleiht. Doch die Klinge ist in gewisser Weise lebendig und benötigt Nahrung - Nahrung in Form von Seelen. Und dabei ist es ihr vollkommen gleichgültig, ob es sich um die Seelen von Freunden oder Feinden handelt. Da Stormblade sich immer wieder seiner Kontrolle entzieht versucht Elric, das Schwert nur im äußersten Notfall zu benutzen. Doch schlussendlich fällt er ihm auch selbst zum Opfer.

Eines der neueren Vertreter dieses Waffentyps ist das Schwert Gryffindors aus Joanne K. Rowlings Zyklus um den Zauberlehrling Harry Potter. Godric Gryffindor war einer der vier Gründer der Zauberschule Hogwarts.
Dieses von den Kobolden geschmiedete Schwert ist unzerstörbar und hat die Gabe, alles, das stärker als es selbst ist, zu absorbieren, wobei es nur von einem wahren Mitglied des Hauses Gryffindor, dem Harry Potter angehört, benutzt werden kann. Es spielt zweimal eine wichtige Rolle: Das erste Mal im zweiten Band des Zyklus "Harry Potter and the Cahmber of Secrets" (dt: "Harry Potter und die Kammer des Schreckens"), als Harry Potter von dem Basilisken bedroht wird und er das Schwert aus dem Sprechenden Hut ziehen und diesen besiegen kann; und das zweite Mal im abschließenden Band 7, "Harry Potter and the Deathly Hallows" (dt. "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes"), als damit drei Horkruxe vernichtet werden und diesmal Neville Longbottom während der Schlacht um Hogwarts das Schwert aus dem Sprechenden Hut zieht und damit Lord Voldemorts Schlange Nagini tötet.

Sagen, Märchen, Fabeln und vor allem die Fantasy-Literatur leben von magischen Gimmicks aller Art, und man kann nur hoffen, dass die in diesem Bereich tätigen AutorInnen ihre Werke auch in Zukunft mit originellen Zauberschwertern bereichern werden.


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