REZENSION


BROTHERS GRIMM

von Fred H. Schütz



USA/CZ 2005
gesehen am 14.4.2008 bei ZDF

Die Brüder Will und Jake Grimm (immerhin: Matt Damon und der kürzlich seiner Drogensucht erlegene Heath Ledger) reisen von Ort zu Ort und befreien die Leute von den sie ängstigenden - natürlich von den Brüdern mit großem Brimborium inszenierten - Spukerscheinungen. So verdienen sie gutes Geld. Während Will sich anschließend mit Mädchen vergnügt schreibt Jake lieber ihre Erlebnisse in seinem Märchenbuch nieder.
Indessen hält der französische Oberbesatzer, General Jonathan Pryce ebenso wie Napoleon die Hand auf den Magen, weil der Fraß, den man ihm vorsetzt, angeblich Blutwurst mit Sauerkraut ist, obwohl er aussieht wie durch den Wolf gedrehte Fettleber.
Möglicherweise weil das letzte der zehn verschwundenen kleinen Mädchen das Rotkäppchen ist, schickt er seinen Leib- und Hofzauberer, einen Cagliostro-Verschnitt aus, die Brüder gefangenzusetzen damit sie die Kinder wieder herbeischaffen.
Die Brüder müssen die Kinder suchen, wenn sie nicht folters sterben wollen, also nehmen sie Verbindung mit deren ältesten Schwester auf; die heißt Angelika und verkleidet sich am liebsten als Bursche.
Die Cagliostro-Kopie im Kreuz reiten alle zusammen in den Wald, den sie alsbald als Marschierwald erkennen, wo ihnen die Bäume auf die Pelle rücken. Zum Glück haben sie eine Axt dabei, mit der sie die Bäume in die Flucht schlagen.
Zwischenzeitlich hat Angelika eine ebenso kurze wie heftige Affäre mit einem Werwolf, der nicht nur mit einem Satz von einem Waldrand zum andern springt sondern auch abgeschossene Pfeile in der Luft auffängt, sich aber dann doch lieber aus dem Staube macht.
Anschließend kam eine längere Durststrecke während der ich nichts von den Vorgängen des Films mitbekam, weil ich dringend etliche wichtige e-Mails beantworten mußte, aber nach dem Krach auf dem Bildschirm zu urteilen, muß die Post abgegangen sein, daß es nur so rauchte.
Einmal zwischen zwei Mails kurz hingeblickt, zeigte mir einen kleinen Jungen der am Brunnen Wasser schöpfte. In dem Brunnen war aber nur schwarzer Schlamm und der befand sich dann auch in dem hochgezogenen Eimer. Der Schlamm springt aus dem Eimer, nimmt anthropoide Formen an und erschreckt die Leute, nachdem er dem Jungen Augen und Mund gestohlen hat. Der Junge stürzt in wortwörtlich blinder Panik und stumm jammernd von dannen und wird nie mehr gesehen - und das, seht Ihr, fand ich nicht nett!
Die Gesellschaft - allen voran der nachgemachte Cagliostro, der den Schnabel nicht halten kann und ständig sein italienisch-deutsches Kauderwelsch daherschwatzt - nur verliert er im Laufe des Films immer mehr Haar- und Barthaare und ist schließlich kahl - gelangt an einen himmelstürmenden Turm der dasteht wie ein windschiefer dürrer Baum. Der Turm hat drei übereinandergetürmte Dächer aber keinen Eingang. Dafür hat er hoch unter dem ersten Dach ein Fenster, und darin sitzt Schneewittchen das sich das rabenschwarze, nach Rapunzelart bis zum Turmfuß herunterreichende Haar kämmt.
Im Turmzimmer liegt auf seinem Lager der alte Turmherr und die Raben die ständig um den Turm fliegen, kommen herein und picken ihm die Augen aus. Die müssen aber immer wieder nachwachsen - so genau habe ich das nicht gesehen - denn der Alte hat sie wieder, als er aufwacht.
Im Hintergrund sitzt die Spiegelkönigin und jammert. Nicht ohne Grund, denn sie ist uralt und schrecklich häßlich. Erst als ihr der Turmherr aus einem Becher ein Gebräu kredenzt, das verdächtig nach Blut riecht, wird sie wieder jung und ist Schneewittchen - oder zumindest eine, die so aussieht.
Indessen haben die Brüder sich wild entschlossen Schneewittchen - oder Rapunzel, wie auch immer - zu retten und einen Plan ausgetüftelt, dort hinauf zu gelangen. Will betätigt den Flaschenzug, den sie auf mir unerfindliche Weise obenauf befestigt haben und Jake gelangt auf das unterste Dach, das er Dachziegel zählend umrundet um sogleich in das Turmzimmer zu gelangen. Dort wird er erstmal kaltgestellt, während die gerade wiedermal jung gewordene Spiegelkönigin sich Will krallt, dem sie einen Nagel mit Plakette vornedran ins Herz versenkt (den Nagel hat sie dem Turmherrn herausgezogen der sogleich ob der Mißhandlung verblichen tot umfällt - was ihn nicht daran hindert, die gleichfalls verblichene Angelika in ein offenes Grab im Waldboden zu versenken. Woran Angelika verblich blieb mir aber leider verborgen.) Der Nagel macht den armen Will augenblicklich zum Sklaven der manchmal jungen Königin.
Nun kann der Turmherr seinen Plan Angelikas Grab zu verschließen nicht vollenden, weil ihm der unablässig kauderwelschende falsche Cagliostro den endgültigen Garaus macht. Der bringt die endlich mal gute Tat allerdings erst fertig, nachdem ihn der aus Kussel (wie bitte?) herbeigeeilte napoleoneske General - der wohl das Magendrücken dort nicht länger aushielt - erschossen hat. Monsieur le Genéràls liebster Zeitvertreib ist nämlich Leute erschießen.
Immerhin macht der nun völlig kahle Cagliostro - wozu ist man denn Zauberer - Angelika wieder lebendig. Das ist auch dringend erforderlich, schließlich muß sie Will, der einfach nicht erwachen will, nachdem ihm Jake mit künstlerisch wertvollem Schwung den Nagel entfernt hat, ins Leben zurück küssen (was Will weidlich ausnützt.)
Jetzt drehen die Brüder auf! Jake haut den Königinnenspiegel in Stücke was Schneepunzel garnicht gut bekommt und sie total verscherbelt herabrieselt und toter als tot ist, während Will sich mit dem General einen Mantel- und Degenkampf (allerdings ohne Mantel) liefert. Dabei stechen sie einander mehrfach ab bis zum - na, wenn der Schluß mal nicht gut ist! - Monsieur le Genéràl von Wills Schwert von vorne nach hinten durchlöchert wie ein Stück Schaschlik daran hängen bleibt und seinen famos letzten Satz "er habe doch nur Ordnung machen wollen" aushaucht.
Aber wirklich happy ist das Ende erst als alle zehn verlorenen Kinder wieder auftauchen und ihren eilends aus Marbaden (also wirklich!) freudig herbeiströmenden Eltern käppchenfrei lärmend in Arm und um Hals fallen und Il Mago Maggiore seine Haarpracht wieder hat!
Erleichtert stöhnt der Betrachter auf. Terry Gilliam hätte wie seinerzeit seinen Münchhausen auch diesen Film total verhunzen können, aber mal abgesehen von seinem Affront gegen zwei ehrsame Wissenschaftler, die mit ihren Grimms Märchen allen Kindern der Welt Freude im Herzen erwachen lassen und seiner Verunglimpfung gutbürgerlicher deutscher Städtenamen, hat er ein ganz beachtliches Fantasy-Abenteuer und somit beste Unterhaltung abgeliefert. Und schließlich: für die wahrhaft gelungenen Filmtricks (u.a. herumschleichende Bäume und herbeirennende Baumwurzeln) kann er ja nichts. Wofür ich allerdings keinerlei Verständnis aufbringen kann ist, daß die verantwortlich zeichnende Firma diesen Film auf gut neudeutsch "Brothers Grimm" tituliert ...


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