SCHWERPUNKTTHEMA


FORTBEWEGUNGSMITTEL UNSERER HELDEN


ICH, DER HELD

von Fred H. Schütz



Das Sternenschiff Enterprise rast über den als Weltall aufgemachten Bildschirm mit der serienüblichen Geschwindigkeit von Warp neun. Obwohl es niemals ausdrücklich gesagt wird, "weiß" der eingefleischte Star Trek-Gucker genau, daß dies nur neunfache Lichtgeschwindigkeit sein kann. Das heißt, von der Erde zum vier Lichtjahre entfernten erdnächsten Fixstern Proxima Centauri brauchte das Schiff wenn es immer die gleiche Geschwindigkeit flöge ziemlich genau 162 ¼ Tage.
Da haben die Fernsehgewaltigen aber garnicht aufgepaßt, denn laut immer gleichem Schema rast es viel weiter in viel kürzerer Zeit!
Nun ist es nicht mein Anliegen, den Enterprise-Fans unter meinen Lesern den Spaß an der Serie zu vermiesen, alldieweil ich nichts anderes im Schilde führe als auf das Thema meiner Betrachtung einzustimmen. Das Thema - Ihr ahnt es schon - ist das von Andreas vorgegebene Schwerpunktthema Beförderungsmittel unserer Helden.
In diesem Zusammenhang, denke ich, ist auch der obige Titel nicht schlecht gewählt, schreibe ich doch wie weiland Karl May meine Erzählungen allzugern in der Ich-Form.
Als Held - ich muß es zugeben - fühle ich mich allerdings reichlich selten, selbst dann wenn ich auf dem Computer Heldentaten vollbringe ...
Ich mach's mal einfach und teile das Genre in zwei Kategorien, nämlich in Science Fiction (das ist immer dann wenn der Held per Raumschiff unterwegs ist und Laser-Kanonen abfeuert) und wenn er ein Pferd oder irgendein wildes Tier reitet und mit Schwert oder Lanze ficht, dann ist es - auf neudeutsch, wie gehabt - Fantasy!
Also ist unser hypothetischer Held mit - oder auf, wie's kommt - allen möglichen Dingen und Viechern unterwegs, da sind der Einbildungskraft des Autoren nur die Grenzen seiner Bildung (auch wenn die selten in Erscheinung tritt) und seines Erfindungsreichtums gesetzt.
Nehmen wir mal den deutschen Nationalhelden schlechthin - der nur hier und nirgendwo sonst weltberühmte Perry Rhodan - er steht und fällt mit seinem ultramodernen Raumschiff, das bestimmt auch einen Namen hat. (Ich erinnere mich, einmal vor langer, langer Zeit, als ich von Langeweile angespornt eines der überall und immer in Massen zu habenden Groschenhefte durchblätterte, da war ein Längsschnitt dieses Vehikels wiedergegeben - geschätzt gut fünf Meter lang und vollgestopft mit etlichen Aggregaten, und wenn ich mich recht erinnere war da sogar eine Toilette drin!)
Oder, der im Gegensatz zum vorigen tatsächlich international bekannte Dr. Who (Doktor wer?), seines Zeichens Timelord, der zwar ständig seine Gestalt ändert aber ansonsten immer nur im England der Jetztzeit unterwegs ist. Sein Gefährt - rot gestrichen im Einklang mit den Gepflogenheiten des britischen Postwesens - taucht auf und verschwindet nach seinem Ermessen und dessen Maße, äußerlich eine stinknormale englische Telefonzelle, aber innen drinnen - Junge, Junge, ganz London hätte darin Platz!
Das ultimativste aller Raumschiffe aber, die von Douglas Adams ersonnene superlativste, ultramodernste und gewissermaßen zukünftigste Titanic, ist wahrhaftiglich so gigantisch, daß ihr Kiel bei ihrem Irrflug durch das All auf dem Feld vor einem Bauernhof im Südens Englands hängen bleibt. Ihr Kapitän ist demnach nicht irgendein Held sondern - so irre das auch klingen mag - ein irrer Papagei!
Aber muß es denn nur ein Raumschiff sein? Wie wär's zum Beispiel mit einem Bus? Jawoll! In einem Film - irrtümlich als Science Fiction-Parodie deklariert - sah ich eine ganze Flotte davon! Selbstverständlich gasdicht damit kein Furz den Weltraum verschmutzte. Allesamt gesteuert von versoffenen Genies denen es auf der Erde zu langweilig geworden war - und allesamt glichen sie in punkto Aussehen und Ausmaß den Monstertrucks die auf den Landstraßen der neuen Welt und Australiens unterwegs sind ...
Vom Bus zur Bahn ein Katzensprung. So ganz beiläufig wie einer der's nicht nötig hat erwähne ich mal kurz (und nicht ohne Verbeugung vor Ambrose Bierce) meine Story Express nach Nirgendwo und den Wachtraum eines sterbenden Astronauten wie er auf einen vorübertuckernden "Choo-Choo" des späten neunzehnten Jahrhunderts aufspringt ...
Ich gebe auch gerne zu, dass mich eine frühe amerikanische Comicreihe, nämlich Little Nemo, zu meinem Roman Reise zum Zentrum der Galaxis inspirierte ...:
Mister Ed, das immerhin sprechende, auf einem Trödelmarkt erstandene, alte Messingbett, das mich in einem Augenzwinkern (so schnell ist kein anderes!) von einem Ende des Universums zum anderen trug - was natürlich als Metapher zu verstehen ist, alldieweil niemand so richtig weiß, ob das Universum ein Ende hat (von zweien garnicht erst zu reden.) Auch Douglas Adams wußte es nicht und hat sich zu dessen zeitlichem Ende gerettet.
Und wenn ich, mehr oder weniger bequem im Rollstuhl sitzend und von Lili geschoben, durch den Wirrwald schwebe dann, ja dann schätze ich, haben wir mein liebstes Betätigungsfeld, nämlich das Reich der Fantasy erreicht!
In diesem Zusammenhang möchte ich als allererstes anführen, daß Einhörner als Reittiere höchst ungeeignet sind! Einhörner, die durch Eintauchen ihrer oft gewundenen und meist silbrig glänzenden Hörner in einen schmutzigen Tümpel diesen in reinstes Wasser verwandeln, sind das Symbol der Reinheit schlechthin und nur Jungfrauen dürfen sich ihnen nähern. Anderen Menschen, vor allem Männern, dürften sie höchst gefährlich werden.
Wenn Ihr's nicht glaubt fragt Gabi!
Wie oft hingegen liest man in Fantasyromanen, wie der Held ein gehörntes und ansonsten pferde- bzw. hirschähnliches Tier reitet ... Der für mich letzte Fall dieser Art fand im Rhyn-Zyklus von Carole Douglas statt - und das ist rund zwanzig Jahre her, alldieweil ich damals mit dem Lesen aufhörte und seither nur noch schreibe.
Nun gibt es eine Kategorie die man vom Historienfilm abkoppeln muß, weil sie in der Regel geschichtliche Unwahrheiten enthält, und das sind die Ritterfilme (egal welches Land sie produziert) mit Rittern in Kunststoffrüstungen auf schlanken Pferden. In Wahrheit waren es aber vierschrötige Kerle eingehüllt in tonnenschwere Eisenrüstungen (man mußte sie per Kran auf den Gaul hieven und wenn sie runterfielen blieben sie liegen bis sich jemand ihrer erbarmte.) Die Ungetüme auf denen sie saßen, angetan mit Wehrschürzen (jedoch nicht aus Mitleid mit der Kreatur) waren Riesenviecher von der Art wie sie heute noch für Shows von Brauereien vorgeführt werden, weil kein anderes Tier die Last zu tragen vermochte. Die Kombination von Rittersmann und Kampfhengst brachte ein Gewicht auf die Waage, die einen heutigen Sherman-Panzer in den Schatten stellen würde.
Ich kann weder geschichtliche Wahrheit noch filmische Fälschung gutheißen und darum wende ich mich eilends anderen Themen zu.
Zum Beispiel Drachen. Ja, das ist doch was! Der Drache, Fabelwesen par excellence! Fast jeder Fantasy-Autor mitsamt Gönnerschaft - allen voran Anne McCaffrey mit ihren Drachenreiter-Zyklen und der spanische Cartoonist Segrelles (dieser liefert dem Betrachter veritable Gemälde!) - läßt seine Heroen von Drachen durch die Lüfte tragen. Filmemacher (so das schwäbische Spielbergle Emmerich) machen es etwas anders: ihre Drachen (durch moderne Animationstechnik lebensecht) wenden sich als böse Kreaturen gegen den Menschen und spucken Feuer.
Etwas weniger oft - das heißt in Wahrheit sogar nur gelegentlich - fliegt ein anderes Wesen durch die Literatur und im Film so gut wie nie: der Hippogryph (ein Pferd mit Flügeln und Adlerkopf.) Als allererstes mir bekanntes Beispiel trägt ein Hippogryph die Heldin Bramante im rasenden Nachtflug von den Pyrenäen nach Norditalien um gemeinsam mit ihr dem Rasenden Roland in der allentscheidenden Schlacht (gegen wen habe ich leider vergessen) beizustehen. So gelesen bei Ariost.
Trotz seiner vorrangigen Stellung in der Mythologie tritt der Vogel Greif (von mir liebevoll Griffin genannt) so gut wie nie in der Fantasy-Literatur in Erscheinung. Einzig Alice im Wunderland führte eine tiefenpsychologische Unterhaltung mit ihm und obwohl er sich bestens zum fliegenden Untersatz eignete habe selbst ich Flitz niemals die unbedeutende Last meiner nicht unbedeutenden Gestalt zugemutet ...
Tolkien - dessen vierbändige Trilogie von seinen Fans vorzugsweise mit dem Acronym LOTR identifiziert wird - hatte solcherlei Hemmungen nicht. Er ließ den Erzzauberer Gandalf aus seiner Gefangenschaft in Saurons Turm befreien und von dem Riesenadler Gwayhir durch die Lüfte davontragen.
Fantasy verdankt ihr Dasein den Mythologien und deshalb halte ich es für angebracht ein paar dem Thema entsprechende Beispiele daraus zu zitieren. Der nordische Sturmgott Thor (hierzulande Donar geheißen; der Donnerstag war ihm geweiht) ließ seinen Donnerkarren von einem Paar Ziegenböcken in Saus und Braus über Stock und Stein ziehen, während er mit dem Hammer Blitze aus den Wolken schlug. Diese lieblich riechenden Kreaturen wurden des abends geschlachtet und es folgte ein rauschendes Volksfest, wobei wohl der Met in Strömen floß. Die säuberlich abgenagten Knochen der Tiere wurden in deren Felle geschmissen und wenn der Ase (wegen des unvermeidlichen Katers schlecht gelaunt) des morgens erwachte, weideten seine getreuen Gefährten bereits friedlich auf der Wiese.
Dem Leben folgt unweigerlich der Tod und deshalb hat der grimme Geselle seinen wohlverdienten Platz nicht nur in allen Mythologien der Welt sondern auch am Schluß meiner Betrachtung. Bei den alten Griechen trennten die finsteren Wässer des Styx das Land der Lebenden vom Totenreich und wer von einem zum anderen reisen wollte (es ging und geht nur in eine Richtung) mußte sich Charons Fähre anvertrauen. Man pflegte den jüngst Verstorbenen Münzen auf die Augen zu legen, die der düstere Fährmann als Obolus für seine Dienste einkassierte. Dieser Brauch scheint sich - zumindest in England - bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erhalten zu haben wenn man einem Film mit Johnny Depp in der Hauptrolle Glauben schenken darf ...
Als Abgesang hätte ich wohl gerne etwas Tiefsinniges vorgebracht wenn sich denn dieser letzte Satz nicht als Gretchenspruch erwiese:
Helden taten Heldentaten ...


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