SCHWERPUNKTTHEMA


FORTBEWEGUNGSMITTEL UNSERER HELDEN


WIE UNSERE HELDEN REISEN

von Eva Kalvoda



Auf den ersten Blick scheint es so, als gäbe es unendlich viele Möglichkeiten der Fortbewegungsmittel für die Helden der Geschichten, die wir lesen, uns erzählen, oder uns im Kino ansehen.
Bei genauerer Betrachtung stellt man aber schnell fest, dass die Art der Geschichte doch einen sehr engen Rahmen vorgibt, wenn man von absoluten Einzelfällen absieht.
Oder wer hätte schon mal von einem Ritter der Tafelrunde gehört, der auf einem Fahrrad gegen die Bösen auszieht?
Noch nicht mal bei Monty Phyton gibt es so was. Zumindest kann ich mich jetzt nicht bewusst daran erinnern, aber da alles schon mal da gewesen ist, nehme ich an, irgendein Held in irgendeiner Geschichte wird schon mal mit dem Fahrrad unterwegs gewesen sein.
Es gibt also klassische Archetypen der Fortbewegungsmittel, die von dem jeweiligen Helden und der Art der Geschichte abhängen.
Der besagte Ritter zum Beispiel kann zwar aus mehreren Möglichkeiten wählen, wird aber in neunzig Prozent der Fälle bei seinem Streitross bleiben. Nicht, dass das schlecht wäre. Schließlich ist ein gutes Streitross ein treuer und ungemein brauchbarer Gefährte!
Wird dem Ritter im Laufe der Geschichte dieser Gefährte abgenommen, gibt es auch wieder mehrer Möglichkeiten. Ersten: es war kein sehr gutes Streitross, weshalb es leider getötet wurde, und nun muss der Knappe des Ritters dessen Rüstung schleppen.
Zweitens: die Umstände erfordern einen Wechsel des Fortbewegungsmittels. Nun kann die Geschichte durchaus eine spannende Wendung erfahren. Wenn der Ritter zum Beispiel auf Meerjungfrauen umsteigen muss. Interessant oder?
Wenn der Ritter auf ein Raumschiff umsteigen muss, wird nicht nur das Fortbewegungsmittel, sondern auch gleich die Art der Geschichte gewechselt.
Natürlich kann unser Ritter aber auch auf einen Drachen umsteigen, obwohl solche Begegnungen im Allgemeinen nicht mit einem gemeinsamen Flug enden.
Wirklich gemein ist es, wenn unser Ritter plötzlich zu Fuß gehen muss. Hat er etwa im Kampf nicht nur sein Streitross, sondern auch seinen Knappen verloren, wird es echt anstrengend für den armen Kerl. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine erzieherische Maßnahme des Autors, um den Ritter Demut zu lehren, oder ihm das wahre Leben vor Augen zu führen. Wie auch immer, es wird mühsam für unseren Panzerträger.
Manch edler Recke reitet auf einem Einhorn, doch ach, nur eine gewisse Zeit lang, denn gewisse Aktivitäten führen zum Verlust dieser speziellen Reitmöglichkeit.
Das führt uns direkt zu einem anderen Vertreter des Archetyps, dem Wanderer. Sein Fortbewegungsmittel sind die eigenen Beine, und meist ist er in Fantasy- oder Mittelaltergeschichten beheimatet. Entweder ist dieser Held zu arm, um sich ein Pferd zuleisten, oder er stolperte so unverhofft in das Abenteuer, dass er keine Möglichkeit hatte, geeignete Reisevorbereitungen zu treffen. Ihr müsst den Kerl jetzt aber nicht bemitleiden. Meistens ist er es gewohnt zu Fuß zu gehen, und es macht ihm gar nicht so viel aus. Auch dieser Held wechselt manchmal sein Fortbewegungsmittel, aber eher selten das Genre der Geschichte. Obwohl es natürlich vorkommen kann, das ein Wanderer mit Hilfe eines Handtuchs in einem Raumschiff landet.
Bei dem klassischen Abenteurer hängt das Fortbewegungsmittel besonders stark vom Genre der Geschichte ab. Meinst findet man hier ein mehr oder weniger ausgeprägtes Wechselspiel zwischen Beinen und Pferden, wenn es sich um Fantasy handelt. Der klassische Abenteurer kommt sonst eigentlich nur noch in Science Fiction Geschichten vor, wo er eher ein Raumschiff benützt. Eigentlich immer, um genau zu sein. Was soll schließlich eine SF-Geschichte, wenn sie nur von einem laufenden Raumhaudegen handelt. Das einzig noch denkbare stellt ein Robotergefährt dar. Das kann dann aber in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten. Etwa als sprechendes Auto, als Flugrad oder als riesiger, mechanischer Bodenzerstampfer, oder wie immer die vierbeinigen Dinger bei Star Wars heißen.
Ein seltsames Phänomen der Science Fiction ist der Bus. Selten, aber doch wird dieses Fortbewegungsmittel gewählt. Hierbei handelt es sich aber meistens nur um ein kurzes Intermezzo, beispielsweise um den nächsten Gleiter noch zu erwischen, oder weil in untergegangenen Zivilisationen offenbar immer nur die Busse übrig bleiben, (Was mich wieder zum Fahrrad bringt: Wohin verschwinden diese Dinger? Wieso ist ein Bus haltbarer als ein Fahrrad?) und die einzige Möglichkeit darstellt, das entfleuchte Raumschiff doch noch einzuholen. Mir ist nur eine einzige Geschichte bekannt, in der ein Bus die ganze Zeit über das Fortbewegungsmittel der ersten Wahl ist. Allerdings ist das ja auch ein raumtauglicher Bus, und der Film natürlich eine Parodie. Ja, ihr habt es erraten, ich schreibe gerade über Spaceballs.
Was uns von den Raumpiraten, die natürlich auch nur mit Schiffen unterwegs sind, zu den anderen bringt, den Urpiraten, die auf den sieben Meeren herumschippern.
Von Piraten ist bekannt, dass sie sich nur mit Booten und Schiffen aller Arten fortbewegen, und doch soll schon der eine oder andere Seefahrer auf einem Kamel gesichtet worden sein. Erstaunlich oft müssen diese Männer des Meeres auch zu Fuß gehen, oder gar klettern! Unwürdig, echt. Es gibt sogar einen Roman, da wird gleich ein ganzes Volk von Seefahrern als Armee angeheuert, weshalb die, statt auf dem Wasser rumzupaddeln, ständig provisorische Verteidigungsfestungen bauen. Aber das würde ich echt als Ausnahme werten.
Mittlerweile ist auch ein Drache ein archetypisches Fortbewegungsmittel geworden. In so vielen Romanen und Geschichten geht es um eingespielte Gespanne aus Mensch und Drachen. Hier ist eine eindeutige Zuordnung meist leicht, der Drache gehört zur Fantasy, nur manchmal dreht sich das Genre und wird zur Science Fiction, die Drachen zu Bioklonprojekten und die Menschen zu den Resten einer untergegangen Zivilisation. (Und auch hier keine Fahrräder!)
Zeitgenössische Fortbewegungsmittel wie das Auto, der Aufzug oder das Flugzeug werden eigentlich nur im Horror-Genre eingesetzt, und hier sind es keinesfalls pure Fortbewegungsmittel, nein, über diesen Bestimmungszweck haben sie sich erhoben. Sie haben eine andere Daseinsberechtigung entwickelt: Sie fressen Menschen! Na gut, nicht alle, manche töten sie einfach nur, oder entführen sie, wie auch immer, zeitgenössische Fortbewegungsmittel sind zumindest in diesen Geschichten eher zu meiden. Außer natürlich man ist unverwundbar, dann bringen diese Dinger einen Super-Kick!
Manch ein Fortbewegungsmittel ist doch sehr speziell, weshalb sie nun auch in einem eigenen Absatz behandelt werden. Nehmen wir zum Beispiel den fliegenden Teppich her. Der spielt zwar in arabischen Märchen meist eine große Rolle, ist ansonsten aber eher zu einer witzigen Einlage verkommen, vorzugsweise in der Fantasy-Literatur. Als ernst zu nehmender Bestandteil einer Geschichte wird er alle hundert Jahre vielleicht einmal eingesetzt.
Auch das Beamen ist stark Star Trek-spezifisch. Nirgends sonst werden Menschen zwecks Hauruck-Transports in ihre Atome aufgelöst. Okay, das stimmt nicht ganz, Star-Gate macht das auch, aber eigentlich ist das kein Beamen, dort wird mit Wurmlöchern gearbeitet.
An Wurmlochbenutzern besteht jedenfalls kein Mangel. Diese Verbindungen sind schon fast so stark frequentiert wie bei uns die Autobahnen. Woraus sich wiederum recht dramatische Nebeneffekte ableiten lassen, die der Geschichte die rechte Spannung verleihen. Aber eigentlich sind Wurmlöcher nicht als Transportmittel zu werten, denn womit fliegen die ganzen Sternenstürmer durch diese Wurmlöcher? Genau, ein Wurmloch ist also nur ein Anhängsel der Raumschiffe.
Und die paar Geschichten, in denen die Leute im Schrank verschwinden, um in einer anderen Welt wieder aufzutauchen, die stehen überhaupt außerhalb dieser Einteilung, da hiermit ja nur der Einstieg von "unserer" Welt in eine völlig andere erklärt werden soll. (Ich habe nachgesehen, kein einziger meiner vier Schränke hat ein geheimes Portal, offenbar bekommt man solche Extras nicht bei Ikea.)
Die Einzelfälle, wie etwa auch die Riesenadler bei Tolkien, oder die Wolfsreiter von Elfquest, sollten in eine ganz eigene Kategorie aufgenommen werden. Diese Transportmittel sind nicht nur sehr spezifisch, sie sind praktisch immer nur in einer Geschichte zu finden.
Außer bei Piers Anthony habe ich noch nie von einem Helden gelesen, der auf einem riesigen Regenwurm gereist wäre. Natürlich könntet ihr jetzt einwenden, dass sich alle diese Einzelfälle zur Überkategorie "Transport durch Tiere oder Tierartige Wesen" zuordnen lassen. Tja, stimmt auch irgendwie, aber das hätte mir meine schöne Einteilung durcheinander gebracht. Und wie ich eingangs schon erwähnte, die Wahl des Fortbewegungsmittels hängt stark vom Helden-Typus und dem Genre der Geschichte ab.


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