SCHWERPUNKTTHEMA


FORTBEWEGUNGSMITTEL UNSERER HELDEN


WASSERTRETEN

von Eva Kalvoda



Wäre dies ein Witz, würde er ungefähr so beginnen: Treffen sich zwei Tintenfische, sagt der eine...
Aber dies ist kein Witz, dies ist die Geschichte eines Abenteurers, der gegen die Vorurteile seiner Umwelt kämpft.

"Was hast du da, sieht seltsam aus?"
"Das ist eine Laufhilfe, die Menschen verwenden es, sie nennen es Fahrrad."
"Erstaunlich! Wie bewegen sie es mit ihren vier verkümmerten Tentakeln?"
"Mit den zwei kurzen Tentakeln halten sie hier oben fest, und bestimmen die Richtung, in die sich das Fahrrad bewegt, und mit den zwei langen Tentakeln drücken sie abwechselnd diese Dinger runter, so dass diese Kette mit dem Kranz das ganze antreibt. Es ist ganz unglaublich gut auf die verkümmerten Tentakeln der Menschen angepasst."
"Und was willst du damit?"
"Natürlich es benutzten! Das ist sicher lustig und spannend, und wer weiß, was ich alles damit erlebe?"
"Bestimmt einen Unfall! Wenn es nur für vier Tentakel gebaut ist, werden sich die restlichen sicher in den drehenden Dinger verfangen, und du wirst dir die Tentakel quetschen."
"Nein, ich werde natürlich vorsichtig sein. Ich habe es schon ausprobiert. Es geht ganz leicht. Mit zweien trete ich, mit zweien lenke ich, mit zweien halte ich mich fest, und mit den restlichen zwei halte ich das Gleichgewicht."
"Also ich kann mir nicht vorstellen, dass es schneller geht als die herkömmliche Art. Und ganz bestimmt ist es viel anstrengender!"
"Nein, es ist nur anders. Außerdem werde ich auf dem Grund bleiben, so ist es konstruiert, und so funktioniert es sehr gut."
"Dann wirst du sicher im Schlamm versinken!"
"Ich kann die schlammigen Stellen ja umgehen. Und zur Not kann ich es ja hochheben. Es ist ganz leicht!"
"Na, ich weiß nicht. Wie willst du damit Garnelen fangen? Die nehmen doch alle vor Schreck Reißaus, wenn sie dieses Ding sehen!"
"Walpfurz! Ich kann ja ein Päuschen machen. Dann kommen sie alle wieder zurück. Und wer weiß? Vielleicht sind sie so neugierig, das ich das Fahrrad sogar als Lockmittel verwenden kann?"
"Das glaubst du doch wohl selber nicht! Außerdem werden dich alle anderen auslachen."
"Damit kann ich leben. Der erste Tintenfisch, der in den Mariannengraben hinabstieg, wurde vorher auch ausgelacht. Jetzt gilt er als Pionier des Grabensteigens, und viele andere haben auch Gefallen daran gefunden."
"Das kannst du wohl kaum vergleichen! Die werden höchsten denken, du bist verrückt geworden!"
"Vielleicht finden sie es aber auch lustig! Möglicherweise schaffe ich es damit sogar in den Zirkus!"
"So ein Algenmatsch, schon mal was von einem Unterwasserzirkus gehört?"
"Also bitte, was ist den ein Aquarium anderes als ein Unterwasserzirkus? Da kommen auch alle zum schauen hin!"
"Ist es das, was du willst? In ein winziges Aquarium gesteckt zu werden, und immer auf diesem dummen Ding herumhampeln zu müssen?"
"Jetzt wirst du melodramatisch. Es gibt schließlich auch sehr große Aquarien, und die sind gar nicht schlecht. Essen frei Haus, Unterhaltungsprogramm inklusive, und immer irgendwelche Menschen da, die man verulken kann."
"Na toll! Dann werden sie denken, wir sind alle so, und kommen uns fangen, damit wir alle in kleinen Becken Kunststückchen vorführen. Ist es nicht schon schlimm genug, dass sie uns fangen um uns zu essen!"
"Vielleicht werden die Menschen dann weniger von uns essen wollen, wenn sie merken, dass wir genauso schlau sind wie sie!"
"Walpfurz! Dann werden sie uns höchstens noch mehr jagen, damit wir keine Konkurrenz sind!"
"Ehrlich, ich glaube du bist heute mit dem falschen Tentakel zuerst aus der Höhle gekrochen. Wie kann man nur so negativ eingestellt sein?"
"Oh, das geht ganz leicht, man muss nur realistisch bleiben."
"Ich glaube, wir beenden dieses Gespräch besser. Ich saug mich jetzt auf das Fahrrad und ziehe los."
"Na viel Spaß dabei! Aber komm nicht heulend heim, wenn du dir einen blutigen Schnabel holst!"

Und so radelte unser kleiner Freund davon. Verärgert über die Engstirnigkeit seines Artgenossen.
Aber bald vergaß es das wieder, denn erstens ist Fahrradfahren für einen Tintenfisch tatsächlich recht anstrengend, was er aber natürlich nie zugeben würde, und zweitens erlebte er wirklich ganz erstaunliche Dinge.
Das wohl erstaunlichste war, dass er nach einer gewissen Zeit gegen eine Glasscheibe stieß.


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