ARTIKEL


IRLANDS KLEINE QUÄLGEISTER

von Eva Kalvoda



In diesem Jahr unternahmen wir erneut eine Forschungsreise nach Irland. Nachträglich betrachtet war diese hinsichtlich neuer Erkenntnisse nicht sehr ertragreich, aber an wissenschaftlicher Sensationalität kaum zu überbieten.
Wir konnten endlich klären, wie die Fairies die Dinge in Irland verschwinden lassen! Naja, um ehrlich zu sein, Beweise haben wir natürlich keine, aber schließlich können wir schlecht ein Fairy fangen und solange foltern bis es mit der Wahrheit herausrückt.
Doch zunächst zu anderen, nicht ganz so sensationellen Entdeckungen:
Offenbar hat das meist regnerische Wetter in Irland eine neue Subart von Fairies hervorgebracht. Wir alle wissen, dass es in Irland praktisch täglich regnet, auch wenn es heuer ein wenig heftiger als normalerweise ausgefallen ist. Aber prinzipiell sind die Bedingungen zur Bildung dieser Unterart in Irland natürlich optimal. Es handelt sich hierbei um einen vermutlich zur Familie der Pixies gehörenden Unhold, der stets mit einem Glas Wasser und einer Pipette bewaffnet ist. Mit dieser Ausstattung spaziert er über Regenrinnen und platziert sich so, dass er besonders dicke Tropfen in den Kragen oder auf die Nase der darunter gehenden Menschen fallen lassen kann. Ich habe den kleinen Kerl nie persönlich gesehen, aber er hat mich täglich mehrmals getroffen, was ich als Beweis seiner Existenz ausreichend finde. Und verflixt schnell muss diese kleine Kröte auch sein, denn kaum sind wir wo ausgestiegen, hat er mich auch schon wieder gefunden. Nur einmal, als wir vom Norden runtergefahren sind in den Süden, da hat er tatsächlich einen halbe Tag gebraucht, um uns einzuholen!
Es scheint auch Unholde zu geben, die auf das Festhalten von Schuhsohlen spezialisiert sind. Das müssen ziemlich kräftige Kerlchen sein, die jedes Mal dann zugreifen, wenn ein Tourist versucht einen Stein weg zu kicken. Blitzschnell packen sie bei so einer Gelegenheit die Sohle an der Schuhspitze, und rammen sie in den Boden. Dabei geht nicht selten genau dieser Spitze die Sohle ab. Dann treten die Kooperationspartner der Unholde auf den Plan: die Drückeberger! Die drücken heftig auf alle im Supermarkt erhältlichen Superklebertuben, so dass die schuhsohlengeschädigten Touristen auch noch drei Tage lag superkleberbedeckte Finger haben. Wir nennen diese beiden Arten bewusst Kooperationspartner, da wir hier einen engen Zusammenhang erkennen!
Außerdem vermuten wir, dass die Touristen schon am Flughafen einem bestimmten Pixie zugeordnet werden, der dann die Verantwortung für die Koordination der Pixieaktionen hat. Der, der uns abgeholt hat, muss ein kleines Schleckermaul gewesen sein. Obwohl wir ein frisch geputztes Leihauto bekamen, hatten wir doch überall Zucker kleben als wir ausstiegen. Am nächsten Tag haben wir auch den Grund gefunden, ein zerflossenes Zuckerl in der Seitenablage! Ich nehme an, unser "Reiseleiter" musste schnell ausweichen, als ich den Straßenatlas dort hineinstopfte, und hat auf der Flucht sein Bonbon liegenlassen.
Vielleicht war er ja ein Quereinsteiger, und kam ursprünglich von den Limonadenschüttlern.
Das sind erst ekelhafte kleine Kerle, die schütteln und ärgern die Tupfen in der Limonade solange, bis die so aggressiv sind, daß sie jeden anspringen, der die Flasche aufmacht!
Überhaupt scheint der Tourismus eine wahre Flut von Betätigungsfeldern für die Pixies geschaffen zu haben. Neben Limonadenschüttlern sind uns heuer auch Wespenscheucher aufgefallen, die es sogar bei Regenwetter schaffen, die Wespen zu den Touristen zu scheuchen. Ganz zu schweigen von den Hügelstraffern. Die ziehen ständig an den Hügeln herum, so dass diese immer steiler werden, je länger man geht.
Und man muss leider sagen, dass nur wenige Pixies in ihrem ursprünglichen Aufgabengebieten verblieben sind. Das Pixiegras (Oben Gras, unten Wasser) ist derartig vernachlässigt, das wir glatt eine Stunde durchwaten konnten, und nur dreimal bis auf die Socken nass wurden!
Sogar die Fairies, die für die Feenkreise zuständige sind, scheinen hie und da mal kleine Aussetzer zu haben. Statt Pilze im Kreis zu züchten, haben die doch glatt Kühe im Kreis arrangiert!
Die Pixies, die sich auf Schilder spezialisiert haben, und von den wir schon 2006 berichten konnten, halten sich offensichtlich am liebsten in der Nähe von Steinkreisen, Dolmen, und Hügelgräbern auf, alles was in Irland unter megalithische Sehenswürdigkeit fällt. Diesmal konnten wir sogar den Fall beobachten, wo alle Schilder zu solch einer Sehenswürdigkeit verschwunden sind. Das ist dann wirklich schon Schwierigkeitsstufe eins!
Das Navigationssystem sagte, das Hügelgrab müsse direkt auf der Straße liegen. Wir sind aber bei keinem der Versuche über irgendwelche Dolmen drübergerumpelt, und sind diese Straße in den letzten Tagen des Öfteren gefahren. Die unterschiedlichen Reiseführer sprechen von direkt an der Straße, sind sich aber hinsichtlich des genauen Ortes nicht einig. (Wetten, als die geschrieben wurden, waren auch grad keine Schilder da!) Mal heißt es sechs Kilometer nach; oder auch: zwischen jenem und diesem Dörfel; oder zu guter letzt: mitten in;
Tatsächlich war das olle Ding natürlich nicht auf der Straße, sondern direkt daneben, aber durch eine Mauer, die sich in nichts von hundert anderen unterscheidet so gut abgeschirmt, dass es praktisch unsichtbar war. Hier haben die Pixies also eine bestehende örtliche Begebenheit derart ausgenutzt, dass sie sich gar nicht erst die Mühe machen mussten, das ganze Grab verschwinden zu lassen.
Daraus schlussfolgern wir, dass die Pixies bewusst den Kraftaufwand auf das entsprechende Objekt auslegen. Sie lassen also nicht wahllos etwa hier und etwas anderes dort verschwinden.
Da wir ja früher schon mit unterschiedlichen Arten der Irreführung konfrontiert wurden, hat uns das geholfen ein weiteres Geheimnis zu lüften:
Pixies wenden unterschiedliche Methoden an, um Touristen in die Irre zu führen!
Die Schildmethode scheint die einfachste zu sein. Hierzu zählt sowohl Schilder verstecken wie auch falsche Schilder aufstellen.
Etwas komplexer dürfte die Methode des Verschwindenlassens sein. Da es sich hierbei um durchaus größere Dinge wie Beispielsweise Supermärkte handelt, muss ein relativ großes Depot zur Verfügung stehen, sofern die Dinger nicht einfach irgendwo anders abgeladen werden. Wie in einem anderen Dorf zum Beispiel. Das würde auch erklären, warum man in ein und dem Selben Dorf in jeweils unterschiedliche Richtungen geschickt wird, wenn man nach dem Supermarkt fragt.
Auch meinen wir, die Methode des Illusionsrollos erkannt zu haben. Reicht die Schildermethode nicht aus und ist aber andererseits die Anstrengung des Verschwindenlassens zu groß, behelfen sich die Fairies mit einer Illusion, die sie wie ein Rollo vor der entsprechenden Sehenswürdigkeit herabziehen. Der Tourist spaziert oder fährt also des Öfteren daran vorbei, ohne es zu merken. (Diese Methode wird vermutlich auch in Kombination mit der Schildermethode verwendet.)
Und schließlich und endlich die Königsdisziplin, dessen Geheimnis wir nur mit Glück lüften konnten, und dessen Lösung wir als Sensation ansehen: die Labyrinth-Methode!
Ihr kennt doch alle das Spiel "Das Labyrinth", bei dem man Wege öffnet oder versperrt, indem man Plättchen am Rand nachschiebt? Genau so machen es die Pixies! Ganz Irland besteht aus Plättchen, und die Pixies schieben munter damit herum.
Es kann gar nicht anders sein, weil uns glücklicherweise (zum Glück deshalb, weil ohne diesem Ereignis wären wir nie draufgekommen) folgendes passiert ist: Wir fuhren zu einem Wasserfall, wofür wir gleich nach einer gewissen Stadt von der Bundesstraße links abbiegen mussten. Auf dieser Straße gelangten wir dann an unser Ziel. Als wir aber auf derselben Straße zurückfuhren, landeten wir etliche Kilometer weiter auf der Bundesstraße bei einer ganz anderen Stadt! Da wir weder am Hinweg noch am Rückweg an Kreuzungen vorbeikamen, die wir hätten anders fahren können, bleibt nur die Labyrinth-Methode übrig, um dieses Ereignis zu erklären!
Da wir diese Methode nur ein einziges Mal beobachten konnten, nehmen wir an, dass sie doch recht aufwendig ist.
Ich persönlich denke sowieso, das irische Pixies nicht nur Schilder, Straßen und Sehenswürdigkeiten verschieben, ich glaube die schieben auch die Wolken herum. Oder welche andere Erklärung gibt es dafür, dass diesen Sommer ständig drei Tiefdruckgebiete über der Insel gekreist haben?
Abschließend möchte ich noch eine Vermutung aufstellen. Ich befürchte, ich habe erneut irgendein Fairy eingeschleppt. Das würde auch erklären, warum mein Koffer beim Heimflug deutlich leichter war, als beim Hinflug, und das obwohl ich einiges eingekauft habe. Wahrscheinlich hat das Fairy im Koffer die ganze Zeit mit den Flügelchen geschlagen, während das Gepäck gewogen wurde. Damit hat es den Koffer gerade so weit hochheben können, dass er unter zwanzig Kilo wog. Ist es nicht erstaunlich, wie viel Kraft die kleinen Kerle aufbringen können?
Das nervige an diesem Fairy ist allerdings, dass es, statt ganzen Straßenabschnitten, nur dicke, rote Kater verschiebt. Seit ich zurück bin, ist es praktisch unmöglich geworden, sich innerhalb der Wohnung zu bewegen, ohne die Veranlagung einer Bergziege zu besitzen.
Egal von wo man aufsteht oder wo man hin will, immer liegt der dicke, rote Kater derartig im Weg herum, dass man über Schränke und dergleichen ausweichen muss, wenn man ihn ihm nicht alle Knochen brechen will. Ich glaube, das Fairy drückt den Kater noch extra platt, damit er noch mehr Platz braucht. Wenn das so weiter geht, habe ich bald einen dicken, roten Plattfisch!


Irischer Kuhkreis


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