REZENSION


WU JI: DIE REITER DER WINDE

von Fred H. Schütz



VRC, HK, ROK, J 2005
gesehen am 5.9.'08 bei RTL-2

Laut Catherine die, wie inzwischen wohl alle wissen die mich kennen, fließend chinesisch spricht, bedeutet Wu Ji "Das Versprechen." Wie die deutsche Filmanstalt die den Film herausgibt auf den oben wiedergegebenen Titel gekommen ist, dürfte allen, sie selber eingeschlossen, ein Rätsel sein …
Nach meiner Erfahrung begegnet man einem chinesischen Filmschauspieler sehr selten ein zweites Mal in einem anderen Film; wer heute ein Star ist, ist morgen vergessen. Ich habe mir deswegen auch die Namen der Schauspieler nicht gemerkt und nenne hier nur die Filmnamen der Charaktere.
Der Regisseur dieses, laut Fernsehjournal "teuersten und aufwendigsten" Reißers in der Filmgeschichte Hongkongs, ist der im Westen bereits gut bekannte Chen Kaige.

Résumée:
In grauer und deshalb mythischer Vorzeit liegt dort wo man heute China findet das Königreich, im Nordwesten daran anschließend das Schneeland und im Südwesten das Barbarenland. Ein kleines Mädchen in zerrissener Kleidung läuft über ein Schlachtfeld und klaubt einem toten Krieger den Reiskuchen aus der erschlafften Hand. Dieses Mädchen heißt Quingchen (merke dir den Namen gut; man spricht ihn "Tschingtschenn" aus.)
Der Knabe Wu Huan (ein Prinz) entreißt ihr den Kuchen und will ihn ihr nur wiedergeben wenn sie verspricht seine Sklavin zu sein. Sie kann sich des Kuchens wieder bemächtigen und rennt davon; dabei verliert sie aber den Kuchen als sie über ein tiefes Wasser huscht. Die Göttin Manchen bringt ihn ihr zurück und bietet ihr ein Leben in Luxus und Reichtum, sowie die Bewunderung der weltweit mächtigsten Männer wenn sie auf Liebe und Glück verzichtet. Das sehr hungrige Mädchen, dem Männerliebe (noch) nichts bedeutet willigt ein.
Das ist das Versprechen.
Zwanzig Jahre später schlägt der General Guangming eine Schlacht in der er allein die Feinde nur so niedermäht (das ist übrigens zu meiner großen Erleichterung die einzige Schlacht des ganzen Films und Gott sei Dank währt sie nur kurz!) Dabei wird er aber auch verletzt und rettet sich auf eine einsame Wiese.
Wie man später erfährt, hat er sich gegen den herrschenden König gestellt, weil er dessen Frau - niemand anders als Quingchen - begehrt. Der steht indessen auf dem Dach seines fünf Stockwerke hohen Palasts und bietet dem unten lauernden Heer, ihnen den Körper seiner Frau zu zeigen wenn man ihn verschont. Quingchen gehorcht seinem Befehl und beginnt sich vor aller Augen zu entkleiden, verlangt aber als Preis dafür den Tod des Königs. Wutentbrannt setzt der ihr nach und will sie umbringen.
Fünf Stockwerke über dem Erdboden.
Der Sklave Kunlun läuft schneller als der Wind. Trotzdem verliert er seinen Herren den er auf dem Rücken trägt weil Guangming einen Pfeil auf ihn abschießt. Der General findet ihn auf der Wiese wo er seinen toten Herren begräbt und nimmt ihn in seinen Dienst.
Dort trifft auch der geheimnisvolle Schneewolf auf die beiden. Schneewolf ist der Attentäter des überaus verschlagenen und heimtückischen Prinzen Wu Huan (derselbe der bereits als Knabe ein Auge auf Quingchen geworfen hatte.) Der Prinz hatte ihn einst als Attentäter verpflichtet und ihm einen Zaubermantel gegeben der ihn befähigt schneller zu laufen als die Zeit. Wu Huan spinnt Intrigen mit denen er alle vernichten und Quingchen in seine Hand bringen will; er hat Schneewolf befohlen Guangming umzubringen.
Schneewolf erkennt in Kunlun, der nicht weiß woher er stammt noch wer seine Eltern waren, den Landsmann aus dem Schneeland und verschont beide. Kunlun rät er in seine Heimat zurückzukehren.
Der aber sieht sich als Sklave des Generals, und als Sklave ist er verpflichtet alles zu tun was sein Herr ihm befiehlt. Er muß dessen Rüstung anlegen (einen bunten Mantel mitsamt reichverziertem Helm und Goldmaske vor dem Gesicht) und Quingchen holen um sie zu Guangming zu bringen.
Er erreicht den Königspalast gerade rechtzeitig um die vom Dach stürzende Frau aufzufangen. Um sie zu retten schleudert er das zur Generalsrüstung gehörige Schwert auf den König und es fährt in dessen Brust.
Fünf Stockwerke hoch. Ade König.
Mit der Frau auf dem Pferd flieht er. Wu Huan setzt ihm nach und holt die Frau zurück. Als Wohnstätte bietet er ihr einen riesigen goldenen Käfig wo sie sich denn auch wohlfühlt; jedenfalls ist sie dort vor Männern sicher.
Guangming legt seine Generalsrüstung wieder an und befreit Quingchen mit Kunluns tatkräftiger Unterstützung. Er bringt sie in sein Landhaus und sie verleben eine schöne Zeit. Aufgrund der Rüstung hält Quingchen ihn für ihren Retter und verliebt sich in ihn.
Damit bricht sie das der Göttin einst gegebene Versprechen.
Guangming hat für Kunlun keine weitere Verwendung und jagt ihn fort. Im Bettlergewand durchzieht Kunlun das Land, das für ihn zur Wüstenei geworden ist, und bricht endlich entkräftet zusammen.
Schneewolf findet ihn und bringt ihn durch die Zeit zurück ins Schneeland. Dort läßt er ihn die Mutter und seine kleine Schwester sehen. Dabei sagt er ihm, daß er sich auf die eine oder andere Weise entscheiden muß und rät ihm zum Schneeland.
Kunlun jedoch, obwohl von Guangming frei, hat sich gleichfalls in Quingchen verliebt und kehrt ins Königreich zurück. Aber die Sehnsucht Mutter und Schwester wieder zu finden bleibt.
Wu Huan läßt Guangming, Quingchen und Kunlun gefangen setzen. Von Schneewolf verlangt er den Mantel zurück. Nun zeigt Schneewolf welche Kraft wirklich im Zaubermantel steckt: als er ihn ablegt kommt zuerst sein durch die Mördertätigkeit für Wu Huan schneeweiß gewordenes Haar zum Vorschein, und als der Mantel sich öffnet verglüht er und vergeht. Good bye Schneewolf.
Vor Gericht beschuldigt Wu Huan den General als Königsmörder. Quingchen, die inzwischen erkannt hat wer sie wirklich gerettet hat, zeugt für Guangming. Das Gericht beschließt darauf, Guangming, Quingchen und Kunlun wegen Hochverrats zu verbannen.
Das ist Wu Huan nicht recht; er will alle Zeugen seiner Niedertracht vernichtet sehen. Nur so hält er sich für sicher.
Er bietet Guangming den Zaubermantel. Der nimmt zum Schein an, aber nur um mit der darin verborgenen Waffe Wu Huan zu töten. Es entspinnt sich ein Zweikampf in dem beide einander tödlich verletzen.
Noch könnte Wu Huan mit dem Leben davonkommen, aber Kunlun kommt herbei und tötet ihn.
Aus, Feierabend, Wu Huan!
Nun legt Kunlun den Zaubermantel an und bringt Quingchen durch die Zeit zurück in ihre Kindheit. Wieder Kind geworden darf sie sich noch einmal entscheiden, und die Göttin Manchen rät ihr, diesmal weise zu wählen.
Das Kind schweigt und läuft über das Wasser davon ...

Fazit:
Dies ist beileibe kein Feld-Wald-und-Wiesen-Martial-Arts-Film! Wer also Kung Fu (zum Beispiel) und mit Getöse und Geschrei choreographierte Kampfszenen erwartet sollte sich den Film nicht ansehen; es wäre vergebene Liebesmüh' für ihn. Ja, es wird gekämpft aber es sind zauberische Kunststücke die hier vollbracht werden. Doch ist dies nicht der entscheidende Aspekt des Films. Allein entscheidend (zumindest für mich) ist die Qualität des Films und die ist hoch! Action und Drama gleichwertig nebeneinander wie in einer Peking-Oper; ein panasiatisches Zaubermärchen - nur die Musik ist eher europäisch.
Einzig der etwas zähflüssige Dialog stört, aber das ist nach meinem Dafürhalten der Synchronisation ins Deutsche zuzuschreiben.

Nachtrag:
Wer chinesische Martial Arts-Filme gern sieht kennt das Bild: Der Held springt auf das Pferd und dieses rennt los - steifbeinig und irgendwie bockig - während der Mann auf dem Gaul sitzt wie die Lachnummer im Zirkus, d.h. wie eine auf ein galoppierendes Schwein montierte, auf und ab hopsende kleine Affenpuppe.
In diesem Film ist das anders. Hier laufen die Pferde wie es sich für Pferde geziemt: kraftvoll, geschmeidig, elegant. Und die Reiter reiten wie Reiter reiten sollen: eins mit dem Pferd.
Auch dies ist ein Anzeichen der hohen Wertigkeit des Films.


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