REZENSION


BEST IN THE WEST

von Fred H. Schütz



The Best in the West (muß ich das übersetzen?) ist die Titelmelodie einer Westernparodie und hat mit dem, was ich hier vorbringen will, nur insofern was zu tun, als daß es das Beste anspricht. Das Beste im Westen kommt nämlich aus dem Osten - dem fernen, selbstredend.
Ich könnte auch Silberner Osten, Goldener Westen sagen, aber das fand ich recht dämlich. Außerdem verriete es dem gewitzten Leser gleich worum es geht. Oder auch nicht. Wir werden es ja sehen …
Oder weißt du bereits worum (drum herum, wie die Katze um den heißen Brei) ich rede? Klar doch, das mußt du wissen! Doch von niemand anderem als Jackie Chan, der sich allerdings in den beiden Filmen von denen hier die Rede sein soll Chon Wang nennt, was in der seltsamen Aussprache, die Chinesen an sich haben, wie Johne Wayne klingt.
Upps! In die nun anstehende Verschnaufpause (von diesem Hieb in den Magen muß man sich erstmal erholen!) will ich kurz einflechten, daß es mitunter nur ganz winzige Kleinigkeiten sind die gute von schlechten Filmen unterscheiden. Was an und für sich banal und möglicherweise unterstes Niveau wäre, macht Jackie Chan durch Witz und Charme wett und hebt es durch den vollen Einsatz aller seiner Möglichkeiten hoch über die Flut aller nichtssagenden bis unsäglichen Filmchen.
Es kommt eben immer - zuerst, zuletzt und überhaupt - auf das Wie an, und nur deshalb kann ich ins Schwärmen geraten!
Mit diesem Namen wollte Jackie Chan seinem Idol ein Monument errichten. Daß er damit in den USA gut ankommt ist sekundär, aber seiner Karriere äußerst förderlich.
Das hat auch die Macher veranlaßt noch weitere im Lande der unmöglichen Möglichkeiten wohlklingende Namen ins Drehbuch einzuflechten. So gibt sein keineswegs irischstämmiger Erzbusenfreund O'Bannon - Verzeihung, Owen Wilson der sich hier vom Nobody in die immerhin zweite Riege hochgemausert hat - am Ende des ersten Teils zu, daß er eigentlich Wyatt Earp hieße. Das macht ihn erst recht zum Secundus weil nämlich dieser amerikanische Nationalheld gleichfalls von John Wayne verkörpert wurde (der ihn mit dieser Rolle überhaupt erst zum Nationalhelden hochstilisierte.) Wyatt Earp war in Wahrheit ein rüder Geselle, der erst zur "rechten Seite des Gesetzes" fand, als man ihn als Marshal verschiedener Westernstädte einschwur.
Der Titel Marshal ist für mich überdies der Beweis wie sehr der Mensch die Sprache und die Sprache den Menschen verändern kann. Wyatt Earps Riesenschnauzer (nein, nicht die Hunderasse sondern die Zierde seines Angesichts, quasi das Markenzeichen aller wahren Westernhelden) erhielt seinerzeit die Bezeichnung Handlebar mustache, was übersetzt "Schnurre wie eine (Fahrrad-)lenkstange" bedeutet!
Weißt du noch immer nicht von was ich rede? Es ist doch sonnenklar:


SHANGHAI NOON
ist ein Wortspiel geschaffen aus dem Städtenamen Shanghai (als Synonym für China) und dem Filmtitel High Noon (einem Westernklassiker der fünfziger Jahre in dem Gary Cooper und die spätere Fürstin Gracia Patrizia von Monaco die Hauptrollen spielten. Als Tochter des Kelly-Clans hätte sie, wie andere Kellies auch, wie eine wahre Irin aussehen sollen, nämlich drall, sommersprossig und rothaarig, aber den Gefallen tat sie bekanntlich weder ihrer Sippe noch dem Rest der Welt.)
(Übrigens war das Verb shanghaien im neunzehnten Jahrhundert ein gängiger Begriff: Schiffskapitäne ließen Betrunkene als Ersatz für "abgesprungene" Seeleute aus den Kaschemmen abschleppen. Wenn die armen Kerle mit Brummschädel aus dem Alkoholnebel erwachten war der "Seelenverkäufer" längst auf hoher See und ein Entkommen, geschweige denn Anzeige bei den Behörden unmöglich. Warum man dieser Form von Menschenraub ausgerechnet den Namen einer chinesischen Großstadt verlieh, weiß ich nicht; die Unsitte war jedenfalls damals in allen Hafenstädten der Welt verbreitet. Ich schätze mal, daß die Filmleute auch daran dachten, als sie den Titel für ihren Film aussuchten.)
Wie alles anders kommt als man es sich vorstellt hat dieser Film weder mit der Dame Kelly noch mit High Noon etwas zu tun (der Titel soll nur auf den Westen einstimmen) und schon garnicht mit Shanghai, denn der Film beginnt in der Verbotenen Stadt, wie der chinesische in der Hauptstadt Peking gelegene Kaiserpalast landesüblich heißt. Heute weiß man allgemein (früher wußten es nur Eingeweihte) daß Peking die Schreibweise der seinerzeit China anfahrenden Kolonialmächte gewesen ist und buchstabiert es nunmehr so wie es die Chinesen aussprechen: Beijing, d.h. Nordstadt.
Nun werde ich den Teufel tun und dir den Verlauf der Handlung brühwarm und in allen Einzelheiten erzählen! Nein, nein: geh nur selbst hin und schau's dir an! Und dann wirst du mir danken, daß ich's dir nicht erzählt habe, denn sowas Aberwitziges läßt sich nicht in Worte fassen; man muß es selber sehen.
Nur soviel sei gesagt: Als Palastwächter Chon Wang folgt Jackie Chan seiner ebenso heiß wie heimlich geliebten kaiserlichen Prinzessin in den Wilden Westen Amerikas, um sie aus den Händen ihrer nach Gold lechzenden Entführer zu befreien. Die Prinzessin ist niemand anders als Lucy Liu deren Karriere hier einen steilen Aufwärtsknick erfuhr. Nur hätte sie es vielleicht sein lassen sollen später als Engel für Charlie mitzumischen; sie ist zwar die weitaus beste der drei Engelchen aber das reichte leider nicht die beiden seichten, von Platituden strotzenden Filmchen zu retten.
Tatkräftige Hilfe erhält Jackie Chan von Großmaul Owen Wilson nachdem der sich vom Widersacher zum Busenfreund wandelt. Als Bahnräuber ist er kaum erfolgreich aber wer zu Jackie Chan hält kann nur ein Gewinner sein, auch wenn's reichlich hoch hergeht. Zur Belohnung nimmt ihn die reichlich modern wirkende indianische Häuptlingstochter an die schwellende Brust.
Einem so erfolgreichen Film mußte notgedrungen ein zweiter folgen, und dieses Sequel mußte in punkto Inhalt und Wortspielen das Niveau des ersten Teils einhalten. So heißt der zweite Teil denn auch


SHANGHAI KNIGHTS
Nun, zunächst einmal bildet Knight aufgrund seiner Aussprache (sprich "nait") ein Wortspiel mit Night. Man kann den Titel also ebensogut als Ritter wie Nächte auffassen. Helden sind nunmal ritterlich, nichtwahr, aber wir werden sehen, wir werden sehen. Dafür finden die Nächte auch nicht im Wilden Westen und schon garnicht in Shanghai sondern im viktorianischen England statt (oder sollte ich auch das nicht verraten?)
Die beiden Prinzessinnen - die chinesische wie die indianische - glänzen zwar durch Abwesenheit, dafür tritt jedoch ein Hotelpage namens Jack London (ich habe mir dabei fast in die Hose gemacht, vor Lachen versteht sich!) vorübergehend in Erscheinung. Und - selbstverständlich - Jackie Chans Filmschwester! Die ist ebenso hübsch wie Lucy Liu aber anders.
Diesmal geht's um das kaiserliche Siegel Chinas ohne welches kein Dekret wirksam wäre. Eingefädelt hat den Diebstahl ein entfernter Verwandter jener Königin, die dem viktorianischen Zeitalter ihren Namen lieh. Dieser ist ein Schlemihl, wie seinerzeit Horst Buchholz und kann fechten wie ein Weltmeister sodaß selbst Jackie Chan einen schweren Stand gegen ihn hat. Leider - oder vielleicht zum Glück - ist er sich nicht ganz im Klaren darüber ob er lieber Jack the Ripper oder König von England sein will. Verkompliziert wird die an sich einfache Handlung durch Sherlock Holmes der als Inspektor von Scotland Yard ein ebensolcher Tollpatsch ist wie Lestrade und darum dann doch lieber als Detektiv glänzt.
Tja, und wenn sie nicht gestorben sind - nein, denn vorher tut sich die Liebe zwischen Ost und West auf, die Jackie und Owen filmtatbestandsmäßig verschwägert!
Was mich verwundert, wahrhaftig verwundert, ist daß nicht schon längst ein dritter Teil vorhanden oder wenigstens in Arbeit ist! Was bei Indiana Jones möglich ist muß doch auch für Jackie Chan gelten, oder? Ob's daran liegt, daß den Verantwortlichen (noch) kein geeigneter Titel, der sich für Wortspiele hergibt, eingefallen ist?
Also, ich wüßte schon einen!


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