REZENSION


WIE EIN WOCHENENDE INS WASSER FÄLLT

von Fred H. Schütz



Um mit einer Binsenweisheit zu beginnen, man weiß ja, daß Vorfreude die reinste Freude ist. So hatte ich mich auch auf das Wochenende vom 15./16. November gefreut alldieweil die liebe lange Woche hindurch nichts im Fernsehen gesendet wurde, das des Anschauens wert gewesen wäre. Und nun gleich zwei Märchenfilme auf einmal! Herz, was willst du mehr …
Wo Märchenfilme doch mehr Phantasie beinhalten als Fantasy (die von allen Filmemachern der westlichen Welt grundsätzlich als Horror ausgewiesen wird …)
Also sprach ich, zumal Nietzsche schon lange und Zarathustra noch viel länger der Vergangenheit angehören, ohne zu ahnen, welche Enttäuschung auch diesmal mein Los sein würde. Aber erstens kommt es immer anders …
Also kamen gleich zu Anfang, nämlich Samstag Abend zur Hauptzeit, das heißt viertel nach acht - für Freunde des Hochdeutschen 20:15 Uhr - die beiden Märchenfilme auf einmal. Das macht nichts, sagte ich mir, die werden ja morgen (das heißt Sonntag) nachmittags wiederholt. Und so war's ja dann auch. Warum ich mir am Samstag den Narnia-Film und den anderen am nächsten Tag angesehen habe kann ich nicht sagen; es war im Grunde auch egal. Nun ja, vielleicht weil der Narnia-Film ein bißchen länger war … Ach, 's ist doch eh wurscht!
Ich hoffe Ihr erwartet nicht, daß ich die Inhalte dieser beiden Filme brühwarm von A bis Z erzähle? Ich setze doch mal voraus, daß Ihr sie kennt, oder? Also, im ersten Band und gleichermaßen der ersten Filmfolge von Narnia: The Lion, The Witch and the Wardrobe werden vier Geschwister des Kriegs wegen von London aufs Land zu einem verschrobenen Onkel geschickt. Der wohnt in einem Schloß und in dem Schloß steht ein Kleiderschrank (auf Englisch heißt der Wardrobe.) Durch diesen Schrank gelangen die Kinder in das Land Narnia, wo die Weiße Hexe (Tilda Swinton) den ewigen Winter ausgerufen hat und darauf besteht, daß man sie mit "Majestät" anredet. Buch und Film handeln also davon, wie die Kinder dem wahren König (als König der Tiere natürlich ein Löwe; so steht's schließlich schon bei Goethe) helfen das Land sowohl vom Winter wie auch von der Hexe zu befreien. Am Ende der Handlung sind viele Jahre vergangen und die Kinder erwachsene Leute als sie zum Schrank zurückkehren, und wie sie hindurch und ins Schloß zurück purzeln, sind's wieder Kinder.
Wohlgemerkt: Diese Septualogie trägt den Übertitel (auf deutsch wie auf englisch) Die Narnia-Chroniken. Von der ersten Folge (Buch wie Film) habe ich mir nur den englischen Titel gemerkt (siehe oben) aber der deutsche wird sich wohl kaum unterscheiden. Die zweite Folge wurde bereits verfilmt und soll irgendwann demnächst auf DVD kommen. Ob ich sie je im Fernsehen zu sehen kriege, kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Die erste Folge wurde an den genannten Daten von Sat-1 ausgestrahlt.

Der andere Märchenfilm heißt anders und ist ganz anders: Die Schöne und das Tier, nach dem französischen Feenmärchen La belle et la bete von Gabrielle-Suzanne de Villeneuve. Ein Kaufmann hat neben anderen Kindern drei Töchter. Die beiden älteren wünschen sich Schmuck und schöne Kleider aber die Jüngste möchte lediglich, daß er gesund von seiner Geschäftsreise heimkehren soll. Erst als er in sie dringt sagt sie, na schön, eine Rose. Der Mann hat aber Pech und verliert alles, und auf der Heimreise sucht er vor einem Sturm in einem einsamen Schloß Zuflucht wo er nicht nur prächtig bewirtet wird sondern auch eine Rose sieht die er pflückt. Dafür verlangt der Hausherr - das Tier - sein Leben oder eine seiner Töchter. Traurig kehrt er nach Hause zurück aber die Jüngste ist sofort bereit seine Schuld einzulösen. Also verlebt sie einige Zeit bei dem Tier bis sie Heimweh verspürt. Sie erbittet von ihm Urlaub und zu Hause ist es dann wieder so schön, daß sie das Tier vergißt. Erst im allerletzten Augenblick erinnert sie sich seiner, rennt zurück so schnell sie kann und dadurch wird das Tier erlöst und ist ein schöner Prinz. Und wenn sie nicht gestorben sind …
Dieser Film war bei Super-RTL zu sehen. Es handelt sich hier um eine moderne Neuverfilmung des Stoffs der zuerst in den frühen 1930ern von Jean Cocteau in schwarz-weiß verfilmt wurde. Der zu seiner Zeit weltberühmte Jean Marais war damals das Tier. Auch wenn die Handlung in beiden Filmen im Wesentlichen die gleiche ist unterscheidet sich der moderne sowohl in Farbe wie in Details, woraus sich wohl auch die größere Länge erklärt.
Beide bisher besprochenen Filme wurden in den Disney-Studios produziert. Man sollte also gewisse Ähnlichkeiten erwarten, doch liegt der Schwerpunkt bei Narnia auf Action während in dem Märchen das Melodram überwiegt.
Beide Filme sind technisch gut gemacht und auch die Filmtricks sind nicht ohne - nun ja, das Tier war reine Maske, da kann von Computeranimation keine Rede sein, aber die vorgeführten Zaubereien waren schon sehenswert - also, worüber beschwere ich mich dann?
Nun, zunächst mal ist anzumerken, daß bei C. L. Lewis von Fantasy im Grunde keine Rede sein kann. Lewis' Anliegen war Religion, dafür war er Professor an der Uni (ob Cambridge oder Oxford weiß ich im Moment nicht auswendig) und alle seine Bücher waren christlich-moralische Parabeln - davon macht auch das Kinderbuch Narnia keine Ausnahme. Mein Protest richtet sich gegen die Filmmacher - die Disney-Studios - die hier "hilfreich" eingriffen. Vor allem die Schlachtenszenen von denen der moderne Actionfilm offensichtlich nicht lassen kann - siehe die Tolkien-Verfilmungen - sind widerlich. Dazu kommt die meine Augen beleidigende Darstellung der beiden Greife als Widersacher des Löwenkönigs: sie sehen aus wie zottige Hunde mit Geierschnabel und -schwingen, sind also eine groteske Karikatur meines Flitz! Aber schließlich weiß man ja, daß Disney gegen Katzen aller Couleur was hatte …
In Die Schöne und das Tier - für welches das Märchen im Original allerdings Vorarbeit leistete - trieft das Schmalz bei Disney geradezu aus allen Poren. Rebecca de Mornay, die ich aus den verschiedensten Rollen ganz anders in Erinnerung habe, ist als Belle derartig süß, brav und sittsam, daß eine Box Kleenex pro Auge nicht ausreicht. Nun ist das Schlimmste nicht mal, daß Disney den Film als Musical gestaltet hat. Wer's bis jetzt noch nicht weiß dem sei gesagt, daß ich Musicals ausnahmslos zum Vomitieren finde (auf Latein klingt's nicht so brutal.) Aber das Allerschlimmste haben sich die Leute geleistet die für die deutsche Fassung zuständig waren. Sie haben zwar die Songs gnädig auf englisch belassen - so wäre es eine Wohltat gewesen - aber dann schlugen sie gnadenlos zu und ließen deutsch in den englischen Gesang hinein sprechen! Nun sage mir bitte mal ob du eine verstehst wenn du zwei Sprachen gleichzeitig hörst!

Nun wäre das Wochenende noch einigermaßen zu retten gewesen, alldieweil ich ja wusste, daß 3sat Samstag spät abends um Mitternacht einen koreanischen Fantasy-Film senden würde (der Sender hatte den Samstag zum Tag der Hexen erklärt und sendete vom frühen Morgen bis spät in die Nacht nur Hexenprogramme; nur fragt mich nicht was eine koreanische Fantasy mit dem europäischem Konzept der Hexe gemein haben soll.) Der Film den sie auch wirklich ausstrahlten, hatte den deutschen Titel Der Fluch des dunklen Sees und, Freunde, hier kommt die ganze Tragik dieses Wochenendes zum Tragen!
Ich hatte schon ein paar koreanische Fantasy-Filme gesehen und war von mindestens einem hellauf begeistert (siehe Future Magic 61) also konnte ich ähnliches wohl von diesem erwarten, nichtwahr. Ich gebe zu, daß hierbei die Exotik der fremden Kultur eine Rolle gespielt haben mag. Aber ähnliches ist nicht gleich.
Dieser Film läuft auf zwei Zeitschienen, denn vor tausend Jahren war das Reich bedroht und der General des Kaisers hatte den Rebellenführer im Zweikampf erledigt. Nun hatte der Geist des letzteren wohl in dem See überlebt. Nach tausend Jahren ist wieder Krieg und wieder hat ein General alle Hände voll zu tun (wohltuend für den modernen Zuschauer ist sicherlich der Umstand, daß in mythischen Zeiten der General stellvertretend für sein Volk alle Kämpfe allein ausfocht.) Während also der General mit kriegerischen Auseinandersetzungen beschäftigt ist, flieht seine junge hübsche Braut vor den Gelüsten wilder Raubgesellen und sieht keinen anderen Ausweg als sich in den See zu stürzen - wo sie natürlich ertrinkt.
Wunderschön unwirklich magisch der Anblick des Mädchens wie es mit wallenden Gewändern in den dunklen Tiefen des Sees abwärts schwebt ...
Der rachelechzende Geist von damals bemächtigt sich der toten Braut und als sie solchermaßen wiederbelebt hervorsteigt und zu morden beginnt ist der General entsetzt. Er weiß ja nicht, daß seine Braut tot ist, und daß es der Geist des vor Urzeiten getöteten Rebellen ist der mordet, muß ihm erst noch gesteckt werden. Das sieht er auch erst als sich die Tote gegen ihn wendet. Was bleibt ihm übrig: in höchster Todesnot und schwer verletzt sticht er sie ab und springt ihr nach in den See. Jetzt erst verläßt der Geist das Mädchen. Sterbend küßt sie ihn und stößt ihn dann zurück, und während sie in den Fluten versinkt taucht er wieder auf wo ihn sein bester Freund und Kampfgenosse ans sichere Ufer holt.
Ich fand den Film bei aller Idylle unverständlich, weil man nie so recht weiß ob man eine Rückblende auf die Rebellion vor tausend Jahren sieht oder eine Szene der (immer noch mythischen) Jetztzeit. Das und die frappante Ähnlichkeit des Generals mit seinem besten Freund - weswegen man nie weiß wen genau man vor sich hat - verwirrt im höchsten Maße. Die Behauptung "Diese Asiaten sehen doch einer wie der andere aus!" lasse ich für mich nicht gelten; das kann nur sagen wer für Asiaten nichts übrig hat und deswegen nie recht hinsieht …
Nachträglich anführen möchte ich, daß die Braut auch für den europäischen Geschmack unverhältnismäßig gut aussah. Den Namen der Schauspielerin kenne ich dennoch nicht.
Tja, das war's, liebe Freunde, so starben meine Wochenendhoffnungen. Ich weiß nicht einmal ob ich mich mit Nicolas Cage in Vermächtnis der Tempelritter (USA 04, Samstag auf Pro7) bzw. mit Val Kilmer in Red Planet (USA 2000, Sonntag auf RTL-2) besser unterhalten hätte …


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