REZENSION


NAKED WEAPON

von Fred H. Schütz



Hongkong 04,
gesehen auf Das Vierte am 2.12.08

Manchmal hält das Schicksal (in diesem besonderen Fall personifiziert durch Das Vierte, das sich anfangs stolz als "We are Hollywood" identifizierte aber schon längst nicht nur amerikanische Knallerbsen der dreißiger Jahre sondern mit Vorliebe auch deutschen Fernsehschrott zeigt) eine Überraschung für den unvoreingenommenen Zuschauer bereit. Aber ein (oh Emil!) "Martial Arts"-Kracher a la "gelber Drache" außerhalb der Reihe am Dienstag und noch später als sonst? Es war Zufall, daß ich dieses Machwerk einschaltete.
Es fing ja auch so richtig deutsch an, nämlich mit einem wollüstigen Pärchen im Bett - dem Klischee entsprechend ein reicher Amerikaner und eine gertenschlanke Chinesin. Daß sie per Richtmikrophon belauscht wurden, ahnte nicht einmal der Zuschauer. Dann eine zärtliche Liebkosung und er ist augenblicklich zu seinen Ahnen versammelt. Die junge Dame entkommt den eilends herbeiströmenden Gesetzeshütern per akrobatischem Kung Fu reinsten Wassers, nur um von einer geheimnisvollen China-Lady vom fahrenden Luxusschlitten aus echt nach dem Motto "Tote verraten nichts!" per Fangschuß gekillt zu werden. Beobachtet wird dieser Mord von einem chinesischen CIA-Beamten den wir aus alsbald ans Tageslicht tretenden Gründen Romeo nennen wollen (wer kann sich schon chinesische Namen merken.) Er kann jedoch wegen der Menge auf der Straße nichts ausrichten und muß die China-Lady sausen lassen.
Was diese angeht, sie ist nicht nur eiskalt, machtbesessen und jenseits jeglichen Skrupels, sondern steht hauptsächlich einem Verbrechersyndikat vor das kleine Mädchen im Alter von (schätze ich mal) acht bis zehn Jahren überall in der Welt von der Straße holt um auf einer einsamen Insel (von der natürlich niemand ahnt wo sie liegt) im Lauf der Jahre in sämtlichen Martial Arts-Disziplinen, vor allem aber in allen Mörderkünsten hart gedrillt zu werden. Wer lieber nicht mitmachen will darf gerne gehen; dann fischt man eben die Kindesleiche aus dem seichten Wasser am Strand.
(Hier setzt die Häme des Fernsehjournals an, das die Handlung des Films als total abstrus erklärt - ohne zu ahnen, daß es solche Organisationen wirklich und nicht nur in Asien gibt. Man denke nur mal an die Ninja.)
Als die Mädchen nach etlichen Jahren in das Alter kommen, das sie nicht nur ausschließlich für Päderasten attraktiv macht, also etwa achtzehn, wird die letzte, die Hauptprobe angesetzt. Die Mädchen müssen gegeneinander antreten - es gewinnt wer nicht tot liegen bleibt - bis nur noch eine einzige übrig ist. Zu welchem Zweck sehen wir gleich. Nun haben Julia (siehe Romeo! Im Film heißt sie anders) und zwei Freundinnen immer wie Pech und Schwefel zusammengehalten; sie sind die besten und weil sie so gut sind geht die China-Lady von ihrer eigenen Regel ab und nimmt alle drei unter Vertrag.
Ja, das ist der Clou: Sie arbeiten für die Lady, verdienen mindestens eine Million Dollar pro Jahr und nach fünf Jahren läuft der Vertrag aus; dann können sie tun, was ihnen beliebt, zum Beispiel auch für die Lady weiterarbeiten … Was die ach so gütige Frau verschweigt ist, daß keines der Mädchen auch nur den Hauch einer Chance hat das erste Jahr zu überleben!
So geht es denn los: man sieht die Mädchen in New York und in Kapstadt, in Rio de Janeiro, Sidney und weiß Gott noch wo im Bett mit reichen Weißen jedweden Alters das immer nur sie aber niemals die Liebhaber verlassen. Irgendwo, irgendwann dazwischen taucht ein modern elegant gekleideter netter Chinese mit Kräuselbärtchen am Kinn (damit man ihn sofort wiedererkennt) auf, der ausschließlich mit dem Köfferchen voller tausend-Dollar-Scheine unterwegs ist. Das Geld ist als Service-Gebühr für unsere jungen Damen bestimmt. Wie sehr man einander vertraut (hust) erkennt der Zuschauer auch gleich in der ersten Szene in der er zu sehen ist.
Nun folgt eine grausam spannende Szene in der Romeo und Julia, sowie Julias Mutter und deren Mörderin aufeinander treffen. Julia und ihre Mutter erkennen einander augenblicklich wieder, trotz der langen Zeitspanne der Trennung und Julias körperlicher Veränderung. Sie haben jedoch keine Gelegenheit einander gerührt in die Arme zu sinken weil just in diesem Moment Julias zweitbeste Freundin die Mutter erdolcht. Na ja, Mama ist nur schwer verletzt und kommt ins Krankenhaus, wo Romeo beste Gelegenheit erhält sich mit ihr auszusprechen (später treffen sie sich wieder und Mutti ist von ihm sehr angetan.) Julia ist dagegen keineswegs freudig gestimmt. In ihrem Grimm haut sie ihre Freundin mit ein paar gut gezielten Kung Fu-Griffen und -tritten (so genau sieht man das garnicht, weil's so rasch geht) in die ewigen Jagdgründe.
Nun folgt, leider, leider, leider eine längere Sequenz über die ich nichts erzählen kann weil ich mich just in diesem Moment in Arbeit stürzen mußte: für Catherine eine Story lektorieren die "gestern frühmorgens" (wie Amerikaner sich gerne ausdrücken) fällig war - für Catherine an der amerikanischen Ostküste deren Tag sechs Stunden hinter dem unsrigen abläuft war es Hauptarbeitszeit, für mich Mitternacht. Jedenfalls war, nach dem Lautpegel zu urteilen der hinter mir ablief (wenn ich am Computer arbeite befindet sich der Fernseher in meinem Rücken) ordentlich was los.
Romeo muß mitgemischt haben, daß die Fetzen flogen (wozu wäre er sonst eine der beiden Hauptpersonen in diesem Film!) und ich denke mal, daß er oder der CIA die China-Lady bereits einkassiert hatten als ich mich wieder der Handlung zuwandte - die werden doch nicht den Faux pas begangen haben ihr Gelegenheit zu geben unterzutauchen damit man ein Sequel drehen kann?
Also, wie ich wieder hingucken kann ist der Höhepunkt - der bekanntlich stets kurz vor Filmende stattfindet - in vollem Gang. Der nette Chinese hat Julias verbliebene beste Freundin vereinnahmt und sie mit Seilen so festgebunden, daß sie nur Bewegungen ausführen kann zu denen er sie zwingt - zum Beispiel winke-winke mit der linken Hand. Das Ganze findet hinter Panzerglas statt, denn wie Julia ihre Waffe auf ihn abfeuert gibt's nicht einmal Löcher.
Was der nette Chinese will gibt er allsogleich mit einem bösen Lächeln im Gesicht bekannt: er will die Milliönchen in dem Köfferchen, und zwar sofort sonst macht er Julias glücklose Freundin alle - die Klinge dazu sitzt bereits an ihrer Kehle, und Blut hat sie auch im Gesicht. Das Köfferchen ist auch gleich irgendwie und von irgendwoher zur Stelle, aber wenn du denkst, daß Julia es dem Kerl so mir nix dir nix aushändigt, irrst du gewaltig! Julias Freundin ist sowieso hin - mit einem beiläufigen Schnitt hat er das erledigt - und die Schlacht um das Köfferchen beginnt.
Aber was für eine Schlacht: sowas von Kung Fu hast du noch nie gesehen! Da sitzt jeder Griff und jeder Gegengriff, jeder Tritt und jeder Gegentritt, jeder Salto und jeder Überschlag - das kann nur ein wahrer Meister choreographiert haben! Der Fight dauert denn auch eine geraume Weile und man bekommt das Gefühl, daß er die gesamte Filmlänge anhält. Am Ende gewinnt Julia mittels der gleichen "Liebkosung" die sie ihren Liebhabern angedeihen ließ. Da liegt der nette Chinese nun, mausetot inmitten der hingeflatterten und über den Boden verstreuten Geldscheine, die er so dringend haben wollte, daß er dafür mordete. Julia wendet sich ab.
Romeo und Julias Mutter haben das Ende gesehen, aber nicht wohin Julia sich wendet. Sie treffen sich in einem Tempel wo Romeo fromm wird. Muttchen, die ihn längst als Schwiegersohn in spe anerkennt, tröstet ihn, "Du wirst sie wiedersehen!" Als letztes sieht man Julia wie sie sich ziellos in der Menge treiben läßt.
Das wär's. Ehe ich mir Gedanken darüber mache was diesem Film fehlt - zum Beispiel künstlerisches Niveau aus westlicher Sicht, über östliches Niveau wissen wir sowieso nicht Bescheid - überlege ich was gut an ihm ist, zum Beispiel Kung Fu. Dieser war einsame Spitze, ja ich denke mal, daß ein Mensch allein so gut garnicht sein kann. Erotik war drin, denn die Mädchen haben, indem sie Stoff sparten, nicht mit ihren Reizen gegeizt.
Allerdings denke ich, daß der Titel Naked Weapon d.h. nackte Waffe eher auf die nackte Faust anspielt. Zum guten Schluß gebe ich zwei Namen preis. Der eine ist Julias Künstlername, nämlich Maggie Q. - mit diesem Namen kann sie nur eine vielbeschäftigte und erfolgreiche Schauspielerin sein, und für westliche Verhältnisse hübsch ist sie obendrein. Was den zweiten Namen angeht, das ist Produzent/Regisseur Tsui Hark der sich jetzt wohl Chin Hsiu Tun nennt. Catherine, die sich mit China auskennt wie du und ich mit dem Prater, meinte zu Hark, ein chinesischer Name sei das nicht … Wie dem auch sei, ihm verdanken wir A Chinese Ghost Story und der war nicht von schlechten Eltern!


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