REZENSION


THE WHITE DRAGON

von Fred H. Schόtz



Hongkong, 2004 - betrachtet am 23.3.09 auf Kabel 1.

Asiatische Filme können nunmal nicht ohne Kung-Fu - auch wenn es fantastische Filme sind. Wer mich kennt weiß aber, daß mir Kampfsport gleich welcher Couleur ausgesprochen zuwider ist.
Auch der weiße Drache - man beachte, daß die Verleihfirma dem deutschen Publikum soviel Englischkenntnisse zutraut, daß es den Originaltitel versteht - beginnt mit Kung-Fu, verläßt diese Schiene aber gleich und führt die Story als Liebesschnulze a la Pilcher fort.
Ja doch! Ob's der Regisseur war - Wilson Pu (puh?) hieß der wohl - oder der Drehbuchschreiber, der den Film verpfuschte, oder gar beide, wer kann das wissen … Von Japan mal abgesehen scheint die ganze asiatische Filmwelt in Aufruhr. Zumindest gibt es keine typisch chinesischen Filme mehr und keine Kung-Fu-Kracher a la Hongkong. Was Wunder, daß die musikalische Untermalung auf den europäischen Geschmack zugeschnitten wurde (Lied an die Freude) und wenn man dann sieht wie's bei Hofe zuging - jedenfalls steht jetzt für mich fest, daß es die Chinesen waren die im Mittelalter den Jazz erfanden!
Mit den Schauspielernamen ist es bei asiatischen Filmen so eine Sache. Die sind chinesisch - oder ein Mix aus englischem Vornamen und chinesischem Familiennamen. Wenn aber der Hauptdarsteller im Film "Hühnchenfeder" gerufen wird, während die Besetzungsliste ausschließlich asiatische Namen widergibt, habe ich keine Chance; da kann ich lange suchen …
Nur den Namen der Hauptdarstellerin weiß ich: die junge Dame heißt Cecilia Cheung (sprich: Dschiang). Demnach wäre sie Hongkong-Chinesin, aber nach ihrem Gesichtsschnitt zu urteilen, stammt sie, ebenso wie ihr Filmpartner ("Hühnchenfeder"), aus Korea. Zudem ist sie auch für den europäischen Geschmack - bestimmt aber für meinen - ausnehmend hübsch.
Ach so, die Story! Was für eine Story? Nun ja, also, wenn eine junge, gebildete und temperamentvolle Lady ihr für einen Mann recht gut aussehendes Gegenüber ständig anmotzt, sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, daß sie in ihn verliebt ist, nichtwahr …
Selbst er merkt es, obwohl er (pilcherscher Geniestreich!) blind ist, aber er erträgt seine Bürde mit Würde und ihre Launen mit Fassung. Klar doch, daß sie sich zum Schluß kriegen! Wenngleich …
Na ja, da ist der kaiserliche Erbprinz (eigentlich ist sein älterer Bruder für den Posten des Thronfolgers vorgesehen, aber der stänkert gegen seinen Vater - den Kaiser, wen sonst - und White Dragon macht ihn nachher alle) also, diesen jungen, vornehmen und eleganten Herren, dem man sofort an der Krone auf seinem Haupt ansieht wer er ist, hat sie sich angelacht (weil er so gerne unters Volk geht und folglich für jedermann leicht erreichbar ist) und weil sie so hübsch ist, ist er nicht abgeneigt …
Aber gerade wie er ihr - auch noch öffentlich - seinen Antrag macht, muß er einsehen, daß Guin Peng (so heißt Cecilia im Film) ohne Hühnchenfeder nicht kann. Aber der hängt längst am Pranger, wohin ihn der stänkernde Bruder des Prinzen verbannt hat, und soll einen Kopf kürzer gemacht werden.
Nun, edle Menschen sind edlen Gemüts und deshalb gibt der Prinz - der nunmehr Kaiser ist, aber wo ist eigentlich der alte Kaiser geblieben - nicht nur seinen Anspruch auf Guin Peng auf und Hühnchenfeder die Freiheit zurück, nein, Pilcher zuliebe setzt er noch einen drauf und läßt Guin Pengs Lover vom kaiserlichen Leibarzt behandeln, auf daß dieser sein Augenlicht wiedergewönne - aber das geschieht erst ganz zum Schluß!
Zuvor muß geklärt werden warum oder woher Hühnchenfeder diesen dämlichen Namen hat. Er ist nämlich nicht nur blind sondern auch ein hervorragender Kung-Fu-Kämpfer - was er gleich am Filmbeginn unter Beweis stellt und den sehnsüchtig nach Rauf- und Keilereiszenen lechzenden Zuschauern (jedenfalls denen die dem Fernsehjournal die Behauptung, es handele sich hier um einen Actionfilm, geglaubt haben) zeigt, was eine Harke ist. Ja, denn er befördert einen nicht nur hochnäsigen sondern auch korrupten Palastbeamten mit einem Schnipp des Zeigefingers ins Jenseits um gleich darauf Guin Pengs alte Kung-Fu-tüchtige Erzieherin, die ihm ans Leder will, an den Rand des Grabes zu hauen …
Hühnchenfeder aber heißt er, weil es ihm eine diebische Freude bereitet ein Gickelchen nach dem anderen vom kaiserlichen Hühnerhof zu klauen und die gerupften Federn als Beweisstück A zurückzulassen.
Deshalb soll er auch gekillt werden, denn des Erbprinzen ewig stänkernder Bruder behält sich das Recht vor, jeden eigenhändig zu lynchen, dessen Visage ihm nicht gefällt - wozu ist man denn Prinz bitteschön - und außerdem schützt er im Kampf seine Zähne indem er auf ein Orangenviertel beißt …
Und besiegelt letztendlich sein eigen Schicksal.
Dafür hat der nur körperlich blinde Hühnchenfeder einen Moment der Hellsichtigkeit als ihn Guin Peng im Streit mit ihrer Bambusflöte von hinten ersticht - da sieht er sie, wie sie wirklich ist, aber ob er sie für schön ansieht ist nicht ersichtlich denn Liebe macht bekanntlich blind.
Woher in Buddhas Namen kommt denn nun der hochtrabende Filmtitel?
Weiß, das wissen wir, ist das Gegenteil von schwarz und gilt außerdem in China als Farbe des Todes. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, daß man dort einen weißen Drachen für ein gut Ding hält.
Es ist also so, daß die schwer verletzte Erzieherin wohl ihr letztes Stündlein für gekommen hält und nicht sterben will, ohne ihr Geheimnis weiterzugeben. Das tut sie indem sie Guin Peng die Technik des White Dragon Kung Fu auf magische Weise in einer Minute einbläut. Ganz urplötzlich ist das bis dato unbedarfte Mädchen Großmeisterin des Kung Fu, kann fliegen und beherrscht die ausgefeiltesten Kampftechniken ohne mit der Wimper zu zucken …
Und weil das Ganze ja auch einen Sinn haben muß, geht sie sogleich los, angetan mit einem weißen Kampfanzug und mit einer weißen Tüllgardine vorm Gesicht, durch die ein jeder, der ihrer nur einmal ansichtig wurde sie augenblicklich wiedererkennt. Als weißer Drache macht sie auf Robin Hood und schenkt den Armen was sie den Reichen nimmt …
Bei einem dieser Raubzüge trifft sie auch auf Hühnchenfeder - oder er auf sie, auf jeden Fall beide aufeinander - und das Schicksal … aber wen interessiert's?


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