SCHWERPUNKTTHEMA


ZWERGE


VON STUREN GEISTERN UND VERSTECKTEN PRIESTERN

von Eva Kalvoda



Najila war grantig, hoch grantig, und das, obwohl man den Grantfaktor gar nicht mathematisch erfassen kann. Aber zu sagen, die Hexe war grantig wäre einfach hoffnungslos untertrieben. Schon an normalen Tagen war sie von Natur aus grantig, aber heute (um ehrlich zu sein ging dass schon seit zwei Tagen so) war Najila noch viel grantiger* als sonst.
Was die Sache noch verschlimmerte, war die Tatsache, dass die Hexe niemand anderen als sich selber die Schuld geben konnte. Und sich das einzugestehen, tja, das hatte zu dem Übermaß an Grant geführt.
Selbsterkenntnis ist kaum je eine fröhliche Angelegenheit, aber wenn man eine Hexe ist, so alt wie manche Dörfer, trifft einen die eigene Dummheit einfach noch viel härter. Na gut, die Hexe war hin und wieder etwas vergesslich, aber Dummheit hatte sie sich noch nie vorwerfen müssen.
Alles hatte damit begonnen, dass die Skelettchen offenbar Nachwuchs bekommen haben, was die Hexe als absolut unmöglich betrachtete. Dass die kleinen Knochenbündel damit auch noch äußerst geheimnisvoll taten, und Najila wochenlang irritiert war, mag als Entschuldigung herhalten, aber dass die Hexe unüberlegt die Springer auf die Skelettchen losgelassen hatte, das konnte sie nur sich selbst ankreiden.
Da half es auch nicht, dass die Hexe mittlerweile wusste, wie es zu dem Knochennachwuchs gekommen war. Denn eigentlich hatte alles schon angefangen, als Najila für das einsame Skelettchen eine Gefährtin gesucht hatte. Aus unterschiedlichen Gründen war nur ein Pixieskelett in Frage gekommen, und da das ursprüngliche Skelettchen männlich zu sein schien, hatte die Hexe ein weibliches Pixieskelett ausgewählt. Ganz automatisch und ohne darüber nachzudenken, denn ihr damaliger Suchzauber war auf ein weibliches Skelett abgestimmt. Was nicht einmal im Unterbewusstsein der Hexe aufgetaucht war, war die Tatsache, dass Pixies magische Geschöpfe sind, und somit zu Dingen fähig, die ein "normales" untotes Skelett (wie klein es auch sein mag) nicht vermag. Und auch dafür könnte Najila sich nur selbst die Schuld geben!
Schließlich wusste sie alles über magische Geschöpfe (Drachen, Pixies, Fairys, …), im Unterschied zu magisch geschaffenen Geschöpfen (Zombies Untote, Wachgeistern,…). Ja, sie wusste sogar, dass es eine Grauzone gab. Hexen und Zauberer werden nur deshalb so alt, weil sie ständig mit magischen Energien Kontakt haben, aber sie zählten trotzdem noch zu den normalen Sterblichen, sie waren nur magisch aktiv.
Die Hexe hatte also quasi ein magisches Geschöpf noch einmal magisch erschaffen, denn nicht Anderes war diese Wiederauferstehung als Skelett gewesen. Da braucht sich niemand wundern, dass dieses vermaledeite Pixieskelett mit Nachwuchs aufwarten kann.
Und in ganz, ganz stillen Momenten musste sich Najila eingestehen, dass genau so eine Situation der Grund dafür war, warum alle Hexen davor gewarnt wurden mit magischen Geschöpfen herum zu experimentieren. Aber sie hatte nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, welche Konsequenzen sich ergeben konnten. Schließlich war sie eine mächtige Hexe, die so ein Pixieskelett ohne Probleme auferstehen lassen konnte. Natürlich, aber nur weil man etwas kann, heißt das ja noch lange nicht, dass man es auch tun soll. Und diese Erkenntnis war es, die den Unmut der Hexe zu Grant hoch Grant werden lies. Sich benommen zu haben, wie ein Lehrling! Und zwar durch die Bank, die ganze dumme Skelettchen-Affäre lang.
Und deshalb saß Najila in der Wohnstube (und nicht oben in ihrem bequemen Schaukelstuhl) und starrte grimmig auf die Standuhr, wie um sich ihre Dummheit auch noch selber unter die Nase zu reiben.
Die Skelettchen ihrerseits waren auch grantig. Wen wundert's! Die Springer hatten ihre Standuhr zerlegt, das kleine Geheimnis bloßgestellt, und schuld daran war nur die Hexe! Weil die nicht warten wollte, bis die beiden Skelettchen ihren Nachwuchs von selbst präsentierten. Und die Fragen, die sie gestellt hatte! Unerhört!
Gut, die Hexe hatte die Standuhr sofort wieder zusammengehext mit einem Reparaturzauber, sie hatte sogar noch eine Etage extra angebracht, so dass es nun genug Platz für alle gab, und oben sogar noch einen Balkon. Trotzdem! Die Springer gaben kaum noch Ruhe, weil sie den Nachwuchs nun eben gesehen hatten, und offenbar mit diesem spielen wollten. Das hatten die beiden Skelettchen kategorisch verboten. Beim nächsten Nachwuchs würden die Skelettchen auf Urlaub fahren, und dann konnte die Hexe große Augen machen, wenn vier von Ihnen zurückkämen!
Und Fleck war auch grantig, oder zumindest das springersche Äquivalent dazu, er war nämlich beleidigt! Er hatte nicht dabei sein dürfen beim Standuhr zerlegen. Nein, er hatte sich ja von dem doofen alten König noch viel dooferes Zeug anziehen lassen müssen. Der Besuch in dem Schloss, wo er normalerweise nie hinkam, war überhaupt nicht so spannend gewesen, wie Fleck vorher gedacht hatte. Es war ungerecht, da passierte daheim etwas so aufregendes, und er war nicht dabei!
Die einzigen im Hexenhaus, die gar nicht verstehen konnten warum alle grimmig dreinblickten, waren die restlichen Springer. Es hatte Spaß gemacht, die Standuhr zu zerlegen, es war aufregend und spannend, denn da war tatsächlich noch ein Skelettchen drinnen, ein noch viel kleineres als die anderen beiden. Schade nur, dass der Winzling nicht zu Spielen raus kam. Obwohl sie immer wieder versuchten es rauszulocken.

Der allgemeine Grantfaktor im Hexenhaus war also ziemlich hoch, die Stimmung explosiv, und wie das in solchen Situationen oft der Fall ist, reichte ein Tropfen um das Fass überlaufen zu lassen.
Besagter Tropfen klopfte in Form eines Besuchers an die Haustür.
Und das Überlaufen äußerte sich in gebrüllter Form, nämlich in dem die Hexe lautstark erklärte, was sie von dem Besucher hielt: "Kümmert euch doch selber um eure dämlichen Probleme! Mami, ich habe mir den Zeh gebrochen, soll ich damit zur Hexe gehen? Warum könnt ihr nicht vorher aufpassen, anstatt mit dem ganzen Dreck immer zu mir zu kommen! Verschwinde! Strutzdummes Hausiererpack!"
Seltsamerweise verschwand der Besucher ob dieser Begrüßung nicht einfach wieder, sondern brüllte nun seinerseits eine Beleidigung durch die Türe, und zwar in einer solchen Lautstärke, dass die Angeln zitterten. "Besenreitende Angeberin! Mach doch auf, und sage mir das ins Gesicht wenn du dich traust! Du hinterhältige Heulsuse!"
Die Skelettchen schlugen sicherheitshalber die Fensterläden zu, während die Springer Zuflucht hinter der Küchentür suchten, und dann hielten alle den Atem an. (Bildlich gesprochen, denn die Skelettchen atmen ja gar nicht.)
Die Hexe gab ein paar würgende Geräusche von sich, ihr Haar richtete sich unvermittelt auf, und die Funken, die aus Najilas Augen stoben hätten einen ganzen Wald in Brand setzten können. Mit einem Satz war sie bei der Türe, riss diese auf, und starrte - ins Leere.
Erst als Najila ihren verblüfften Blick nach unten richtete, konnte sie dem Unruhestifter ins Gesicht sehen. Denn vor der Türe stand ein Zwerg. Grimmiger Gesichtsausdruck, Bart, Helm, Kettenhemd, Axt, genauso wie man sich eben einen Zwerg vorstellt.
(Nun glauben sicher viele Leute, dass diese Situation nur mit Kampf, Zauber und Blutfehden ausgehen kann, tatsächlich aber brachte der Zwerg das physikalische Grantniveau sozusagen auf null zurück. Denn Zwerge sind von Natur aus ebenso grantig wie Hexen, und wenn alle gleichermaßen grantig sind, ist DAS nun wiederum der Normalzustand. Somit hat sich ein neuer Nullwert gebildet, der zwar höher liegt, als in jeder anderen Gesellschaft, nicht desto trotz hier nun völlig alltäglich ist. Daher kam es auch nicht zu Handgreiflichkeiten, sondern nur zum Austausch von Höflichkeiten, relativ gesehen.)
"Was hat dich abgehackten Staubwühler denn aus deiner Steinhöhle getrieben?"
"Sicher nicht dein anziehendes Wesen."
"Oho, da weiß einer mit Worten umzugehen, vielleicht ist das ja alles was du kannst, und bist deshalb als Dreckschaufler ungeeignet."
"Wärst du eine Fuhre Felsen, hätte ich dich schon lange zerkleinert. Aber ich kann dir gerne als Liebesbeweis die Kniescheiben zertrümmern."
"Ach, und wie willst du ohne Leiter an die ran kommen?"
"Ich fang mit den Zehen an, und warte bis du umfällst."
"Du würdest doch meine Zehen nicht einmal finden, wenn du eine Landkarte dafür hättest."
"Tja, die brauche ich auch nicht, so eine alte Hexe finde ich auch so."
Bisher hatte die Hexe fast so etwas wie ein Grinsen gezeigt, mit jeder Beleidigung ein bisschen mehr, aber nun zogen sich ihre Mundwinkel zusammen, bis sie fast an der Nasenspitze anstießen.
"Also ehrlich! Ich weiß gar nicht, warum ich mir die Mühe machen soll, dich zu beleidigen. `Alte Hexe´? Was soll das für eine Beschimpfung sein. Ich bin eine Hexe, und ich bin alt! Wenn du das Ganze nicht ernst nimmst, bin ich nicht bereit weiter mit dir zu reden."
Und dann warf die Hexe die Türe zu. Sie starrte immer noch entgeistert in die Luft, als es erneut klopfte. Unwirsch riss Najila die Türe wieder auf.
"Was?"
"Können wir noch mal von vorne anfangen?" Der Zwerg sah tatsächlich ein wenig zerknirscht aus und drehte ein wenig verlegen seine Axt hin und her.
"Das ist höchst ungebührlich. Und außerdem macht es jetzt keinen Spaß mehr."
"Okay, okay, ich mache dir einen Vorschlag: ich lasse noch eine richtig gute Beleidigung vom Stapel, und dann beenden wir das Begrüßungsritual. Was ist?" Die Hexe überlegte einen Moment, nickte dann mit dem Kopf und blickte den Zwerg erwartungsvoll an.
"Es ist ein Wunder, dass dir beim Fliegen nicht dauernd der Besen an den Kopf knallt, denn den muss es ja dauernd reißen vor lauter Schreck über deinen Anblick."
"Hmm, na gut, das war in Ordnung, komm rein."
"Danke, ich bin ein wenig aus der Übung und ein bisschen unter Druck, nimm es mir also nicht übel."
Der Zwerg nahm ungebeten Platz, und die Hexe ließ Tee erscheinen. Mit dem Tee erschienen auch die Springer, und die Fensterläden der Standuhr gingen wieder auf. Allerdings hielten sich alle Springer außer Reichweite des Zwerges. Nicht einmal Fleck traute sich auf den Schoß der Hexe. Diese war darüber gar nicht erstaunt, denn Zwerge können sehr rabiat werden, wenn irgendetwas in ihren Stollen auch nur im Entferntesten Unfug treibt. Die meisten Springer versuchten nur ein einziges Mal in einen Zwergenstollen zu spielen.
"Also gut. Was hat dich vor meine Türe getrieben?"
"Um ehrlich zu sein: ein toter Zwerg. Mein Name ist K´zunz vom Stamm der Rutzkaspitze. Wir hatten einen Stolleneinbruch, wir geben es nicht gerne zu, schon gar nicht euch Stelzenfüßlern gegenüber, aber hin und wieder passiert so was auch uns. Bei dem Einsturz sind drei Männer getötet worden. Wir konnten ihre Körper nicht bergen, da wir den Stollen nicht räumen können ohne weiter Einstürze zu riskieren. Normalerweise wird dann einfach der verschüttete Stollen eingesegnet und zur Gruft erklärt, und so die Seelen der Getöteten zu Trunker geschickt. Das Problem ist nur, diesmal blieb einer der Geister hier. Er weigert sich zu glauben, dass er tot ist." Najila hatte ein wenig erstaunt zugehört, nicht nur, dass ihr ein Zwerg gegenübersaß, der einen Tunneleinsturz zugab, allein die Tatsache, dass er so viel sage, erstaunte die Hexe. Zwerge sind normalerweise ziemlich wortkarg, wenn es nicht gerade um Beschimpfungen ging.
"Aber müsste die Macht eures Priestern nicht trotzdem ausreichen, ihn zu eurem Gott zu befehlen? Ich meine, soweit ich weiß, stattet Trunker seine Priester mit nahezu allumfassenden Kräften aus."
Wer so alt ist wie eine Hexe, hat vieles schon gesehen, und erlebt immer wieder etwas Neues. K´zunz schien sich tatsächlich zu winden, und sah verlegen drein.
"Würdest du mir beim wahren Namen deiner Göttin schwören, dass nichts von dem, was ich dir erzähle jemals diesen Raum verläst?"
Das wiederum erstaunte die Hexe nicht im Mindesten, Zwerge waren die geborenen Geheimniskrämer. "Ich schwöre es, bei Galea."
Und weil kein Geheimnis sicher ist, wenn Springer in der Nähe sind, legte Najila einen Gesprächsschluckzauber um den Tisch, und einen Kitzelfunkenring dazu. Die Springer waren schon aufgeregt näher gerückt, überlegten es ich angesichts der Kitzelfunken jedoch anders. "Falls einer der kleinen Quälgeister auftaucht, und ich fürchte, sie werden es trotz ihres Respekts vor dir versuchen, greif nach ihnen und brüll sie an, das sollte sie ausreichend erschrecken. Eigentlich kennen sie das, da es hin und wieder nötig ist, aber natürlich weckt es auch ihre Neugierde."
Der Zwerg legte demonstrativ seine Axt auf den Tisch, direkt neben seine Teetasse, und warf den Springern noch einen Ärger verheißenden Blick zu.
"Gut, also der Tote Zwerg, D´rukd, erschien schon zwei Stunden nach dem Einbruch und wollte bei den Aufräumarbeiten helfen. Als wir merkten, dass er eigentlich unter Tonnen von Felsen liegen sollte, aber trotzdem lauthals Anweisungen brüllte, waren wir mit der Situation ein wenig überfordert. Du musst wissen, es gibt keine Zwergengeister. D´rukd ist der Erste. Zuerst glaubten wir an eine Verwechslung. Aber nun ja, mehrere Männer hatten D´rukd in den Stollen gehen sehen, nur eine Minute bevor dieser einbrach. Deshalb befragte unser Priester Trunker, und damit war es klar. Unser Gott weiß schließlich ob wir tot sind oder nicht. Leider hat D´rukd unserem Priester nicht geglaubt. Im Gegenteil, er hat ihn beschimpft. Sehr beschimpft. Weißt du, es gehört zu unseren Ritualen, dass wir mit Nicht-Zwergen Beleidigungen austauschen, aber untereinander sind wir gewöhnlich sehr höflich. Also eigentlich, noch nie wurde ein Zwerg von einem anderen Zwerg derartig beleidigt, wie unser Priester von diesem Geist. Unser Priester ist ein guter Mann, vielleicht nicht so intelligent wie Trunker es sich wünschen würde, und vielleicht ein wenig zu sehr von sich eingenommen, aber doch ein guter Mann, und hat solche Bezeichnungen einfach nicht verdient. Und ich befürchte, da ist etwas mit ihm durchgegangen. Er erklärte D´rukds Seele sei bereits bei Trunker, befahl nur die beiden andern zu Gott und ignorierten den Geist fortan. Das hat schon richtig skurrile Ausmaße angenommen. Unser Priester geht irgendwo lang, da taucht D´rukd vor ihm aus, unser Priester versucht möglicht unauffällig auszuweichen, so nach dem Motto, was nicht sein darf kann auch nicht sein, nur um im nächsten Gang erneut von D´rukd gestellt zu werden. Zuerst hat Z´monz, das ist unser Priester, versucht einfach durch den Geist durch zu gehen. Aber das hat D´rukd so verärgert, dass er es tatsächlich zu ein wenig Masse gebracht hat, vermutlich irgendein Energieding, keine Ahnung. Jedenfalls, als Z´monz das nächste Mal versucht hat, einfach durch den Geist durch zu wandern, hat es ausgesehen, als versuche er sich durch Gelee zu kämpfen. Muss recht unangenehm gewesen sein, weil seither hat er sich aufs Ausweichen verlegt."
Offenbar merkte der Zwerg jetzt erst, wie sonderbar sich das alles anhört, daher lächelte er ein wenig schief und nahm einen Schluck Tee. Die Hexe nutzte die Gelegenheit für einen Einwurf.
"Ich nehme an es geht darum den Geist los zu werden. Aber wenn eurer Priester rumspinnt, kann ich auch nichts tun. Ich wüsste wirklich nicht, wie ich ihn zur Vernunft bringen soll. Und ich kann sicher keinen Zwerg zu seinem Gott befehlen. Wir Hexen können ja nicht einmal Trunkers geweihte Stollen betreten, wenn uns keiner seiner Priester dazu einlädt. Trunker ist da eigen, und das ist eine Abmachung der Götter, an die ich mich leider halten muss, wenn ich ihre Gunst nicht verlieren will."
"Ja, ich weiß. Nun, das ist wirklich kein Problem. Okay, was soll's, du musst es ja schließlich erfahren." Seufzend streckte der Zwerg seinen Arm aus, und hielt plötzlich ein Bierglas in der Hand. DAS erstaunte die Hexe nun wirklich, und zwar so sehr, dass sie kurz einem Hügelgnom ähnelte. Zwinker, zwinker, zwinker.
Dazu muss man wissen, dass Trunker noch viel eigenartiger ist, als die meisten Leute denken. Seine Priester können manche Wunder vollbringen, die sonst nur Magiekundige fertig bringen. Es geht die Legende, dass eine der ersten Fähigkeiten, die Trunker seinen Priestern schenkte, jene war, jederzeit und überall Bier aus dem göttlichen Raum zu holen. Angeblich deshalb, damit sie sich die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zwerge sichern konnten. Zwerge sind mitunter schwer von etwas zu überzeugen, aber bei Bier werden sie zumindest sehr, sehr aufmerksam.
Die Hexe dachte noch darüber nach, was sie dazu sagen sollte, schließlich bedeutete die Eröffnung ja eigentlich, dass K´zunz die ganze Angelegenheit alleine hätte regeln können, und sich bei der Hexe gar nicht outen hätte müssen, als der Zwerg weiter sprechen wollte. Aber offenbar war es etwas ganz anderes, ob die Hexe Tee herbeizauberte, oder ob ein Zwerg einen Bierkrug aus der leeren Luft holte. Zwei wagemutige Springer materialisierten zitronengelb leuchtend mitten am Tisch. Man sollte Zwerge nicht unterschätzen. K´zunz tat so, als ob er nach den Springer greifen würde, hütete sich aber es tatsächlich zu tun, sondern schlug nur nach ihnen, um nicht von den verschwindenden Knirpsen mitgerissen zu werden. Das zwergische Gebrüll und der Griff nach der Axt überzeugten die kleinen Drachen davon, dass dieser Zwerg es ernst meinte und sie verschwanden wieder. Allerdings hatte ein dritter Springer den Tumult ausgenutzt, und das Bier geklaut. Najila nahm's gelassen, wenn die kleinen Kerlchen einen kleinen Sieg errungen hatten, konnten sie das Ausgesperrt-Sein viel leichter ertragen. Sie bedeutete K´zunz fortzufahren.

"Ich finde es richtig mutig von den Springern, einem Zwerg das Bier zu klauen, oder sehr dumm, je nach dem um welchen Zwerg es sich handelt. Hm, also zur Erklärungen: Trunker nimmt manchmal Priester mehr des Prestiges wegen, als deren Fähigkeiten wegen auf. Du kannst stundenlang mit ihm drüber diskutieren, er findet dass Zwergenpriester ein gewisses Auftreten brauchen. Na ja, und schließlich sollen wir unserm Gott nicht dreinreden. Also es gibt immer auch einen geheimen Priester. Darüber wissen nur Trunker und die geheimen Priester Bescheid. Und tja, ich bin eben einer davon. Du fragst dich jetzt sicher, warum ich und mein Gott die ganze Sache nicht allein wieder in Ordnung bringen. Na, der Haken daran ist eben, dass nur Trunker und die geheimen Priester darüber Bescheid wissen. Und Trunker hat ganz unmissverständlich erklärt, dass er will, dass das auch so bleibt. Seine genauen Worte waren: `Wenn auch nur einer etwas merkt, verschmelze ich deinen Hintern mit dem größten Felsen den ich finden kann.´ Tja, und deshalb bin ich hier. Ich habe mir tagelang den Kopf zermartert, wie ich D´rukds Geist zu Trunker schicken kann, ohne das irgendein anderer Zwerg merkt, dass ich ein Priester bin. Vor allem Z´monz darf nichts mitkriegen."
Die Stirn der Hexe hatte sich in Falten gelegt, und noch während sie nach einer Lösung suchte, schoss Najila eine Frage nach der anderen auf den Zwerg ab.
"Warum ziehen sich du und Trunker nicht an ein ruhiges Plätzchen zurück, und holt euch den Geist einfach?"
"Dazu ist ein Ritual erforderlich, das Z´monz fühlen kann."
"Warum befiehlt Trunker nicht einfach diesem Z´monz, den Geist zu ihn zu schicken?"
"Die Verbindung der sichtbaren Priester zu Trunker ist ein sehr rituelle, Trunker kann so etwas nicht machen, ohne das es alle anderen Zwergenpriester auch mitbekommen, als er das damals so eingerichtet hat, hielt er es für eine gute Idee, um sie im Zaum zu halten. Nur will er jetzt nicht sein Gesicht verlieren, indem er außerhalb dieses rituellen Rahmens Anweisungen gibt. Diese direkte und persönliche Art der Kommunikation behält er seinen geheimen Priestern vor. Du glaubst gar nicht, was er uns manchmal sagt. Und Z´monz verkneift es sich im Moment unseren Gott anzurufen, weil er natürlich weiß, dass er dann eine auf den Helm bekommt."
"Aber muss Trunker nicht befürchten, durch das Verhalten Z´monz´ und den herumwandelnden Geist eher sein Gesicht zu verlieren, als wenn er durchgreift?"
Später versuchte sich die Hexe einzureden, es hätte gar nicht stattgefunden, wenn auch ohne großen Erfolg, denn immer wenn sie daran dachte, rollten scheinbar Steine durch ihren Geist. Mit einem Mal erfüllte eine unglaubliche Macht die Wohnstube, Najila wurde richtiggehend auf ihren Stuhl gedrückt, und konnte keinen Finger mehr bewegen. Alle Springer waren mit einem Schlag verschwunden. Und dann hallte eine Stimme wie rollenden Felsen und krachende Steine durch Najilas Geist.
"WERDET IHR BEIDEN WOHL AUFHÖREN MICH UND MEINE MOTIVE ZU TADELN!! IHR SOLLT HANDELN UND NICHT DRUMHERUMREDEN WIE VERFLIXTE DIPLOMATEN. WENN IHR NICHT SOFORT TUT, WAS ICH VON EUCH ERWARTE, VERSCHMELZEN EUER BEIDER HINTERTEILE MIT DEM HÖCHSTEN BERGGIPFEL DEN ICH FINDEN KANN!"
Als Najila sich wieder bewegen konnte, starrte sie schockiert den Zwerg gegenüber an. Nicht nur, dass sie gerade eine göttliche Erscheinung gehabt hatte, sie war noch dazu von dieser Erscheinung ausgeschimpft und bedroht worden, und das, obwohl es sich nicht einmal um ihren eigenen Gott handelte.
K´zunz grinste entschuldigend und leicht gequält. "Habe ich erwähnt, dass Trunker ungeduldig ist? Schockierend bei einem Gott, ich weiß."
Die Hexe traute ihre Stimme noch nicht ganz, schaffte es aber trotzdem das Zittern in ihrer Kehle zu unterdrücken. "Vielleicht sollten wir uns etwas beeilen. Habt ihr zwei euch was ausgedacht, das ich vielleicht auch wissen sollte?" Und in Gedanken fügte sich hinzu: `Und wie komme ich eigentlich dazu, bin ich etwa ein Zwerg gefangen im Körper einer Hexe?´ Aber sagen traute sie sich das nicht, Najila war nicht ängstlich, aber den Zorn eines Gottes wollte sie sich wirklich nicht zuziehen.
"Also ich habe mir tagelang das Hirn zermartert, und bin auf folgende Idee gekommen, und entschuldige, dass ich es nicht gleich gesagt habe, aber ich dachte du müsstest zuerst die Umstände erfahren, ich haben nicht damit gerechnet, dass Trunker sich gleich einmischt. Wie auch immer, du hast es ja vorhin selber gesagt, du darfst einen geweihten Tunnel nur mit Einladung eines Priesters betreten. Ich lade dich hiermit herzlich ein!"
"Wie lieb von dir, aber was soll das bringen?"
"Nun entweder wird Z´monz denken, Trunker selbst hätte dich eingeladen, um auf diese Weise seinen Unmut kundzutun ohne das jemand sein Gesicht verliert oder im schlimmsten Fall denkt Z´monz, dass Trunker ihm seine Priesterschaft aberkannt hat, und du einfach so hereinspazieren konntest. Egal was er glaubt, Trunker greift offiziell nicht ein, und Z´monz wird den anderen Zwergen gegenüber bestimmt so tun, als wärst du auf seine Einladung dort, um den Geist zur Besinnung zu bringen. Er kann ja schlecht zugeben, dass es nicht so ist. Niemand hat was gehört, niemand hat was gesehen. Gut, oder?"
"Na ja, ein bisschen optimistisch, wenn ich das sagen darf, ohne gleich auf irgendeinen Berg geworfen zu werden. Was, wenn Z´monz vor lauter Überraschung etwas Unüberlegtes sagt, wodurch eben auffliegt, dass er mich nicht eingeladen hat, oder wenn er die andern Zwerge auf mich hetzt? Und was nutzt das, Z´monz selber weiß ja schließlich, dass er mich nicht eingeladen hat, wollte das Trunker nicht gerade verhindern?"
"Oh nein, Trunker will sehr wohl, dass Z´monz eine übergebraten bekommt. Nur soll es so geschehen, dass erstens die geheimen Priester nicht auffliegen, und zweiten so, dass es kein anderer mitbekommt. Das ist das Schöne daran, egal wie, es kann gar nicht schief gehen."
Das dicke Grinsen, dass den Bart des Zwerges links und rechts in die Höhe hüpfen ließ, war wirklich höchst unangemessen. Ja, Najila fand es sogar ekelhaft selbstgerecht. Die Hexe war zwar nicht so überzeugt, wie es der Zwerg und sein Gott waren, aber sie behielt es lieber für sich.
"Okay, wir spazieren also in eure Stollen, ich schnapp mir Z´monz, tische ihm ein Märchen auf, das ihn so wachrüttelt, dass er den Geist zu Trunker schickt, und das war's dann?"
"Im Großen und Ganzen, ja. Nur kann ich dich nicht begleiten, würde auffallen, du verstehst? Ich muss alleine zurückkommen, da ich ja nur auf Botengang war. Du kommst dann auch alleine." Jetzt konnte die Hexe doch nicht länger mit ihren Zweifel hinter dem Berg halten. "Du willst, dass ich, eine Hexe, ganz alleine, ohne offizielle Einladung in eure Stollen wandere?"
"Na wieso willst du wandern, du hast doch diese kleinen Drachen."
"Die soviel Angst vor euch haben, dass sie mich sicher am äußersten Höhleneingang absetzten, und ich gleich zu Fuß gehen hätte können. Tolles Argument, vielleicht bekommt ihr da unten doch zu wenig Sauerstoff."
"Na hör mal, um alles kann ich mich auch nicht kümmern, ein bisschen musst du schon alleine schaffen. Bist du nun eine Hexe oder nicht? Wir bezahlen ja auch. Trunker würde nie so einen Dienst von einem Nicht-Zwerg verlangen, ohne eine entsprechende Bezahlung zu leisten."
"Nur eines hätte ich gerne noch gewusst. Warum hast du dich mir offenbaren müssen, wenn doch Trunker sein Anweisungen eh auch persönlich überbringen kann?"
Eine leichte Röte überzog die Nasenspitze des Zwerges, als er antwortet.
"Ja, nun, das ist eine Frage der Etikette, ein Gott spricht zu Leuten die ihn nicht anbeten ausschließlich durch seine Priester. Ähm, eigentlich."
Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, es war einfach verflixt unfair. Zumindest fand das Fleck. Er hatte nicht zuhören dürfen, er hatte das Bier nicht bekommen, noch nicht einmal zwei Tropfen waren für ihn übrig geblieben, nachdem sich ungefähr sechs Springer darum gestritten hatten, und nun durfte er auch noch eine Extratour zu den Zwergen erledigen. Natürlich waren alle anderen schleunigst abgehauen, als sie das gehört haben. Aber er, er lebte schließlich bei der Hexe, ihm blieb ja nichts anderes übrig. Bestimmt würde es wieder richtig eklig oder nervig oder fürchterlich werden. Diese Sondertouren waren immer so. Offenbar war es nicht gerade Flecks beste Woche.
Darüber dachte der kleine, nun orange leuchtende Drache nach, als er mit Najila an der Hand am Eingang der Stollen unter der Rutzkaspitze erschien. Und prompt schrie ihn ein Zwerg an. Sofort verschwand Fleck hinter der Hexe. Lieber wäre er ganz verschwunden, aber Najila hielt seine Hand fest. Einer der Vorteile an den Springern war, dass man immer und überall als Hexe erkannt wurde. Kein normaler Mensch hätte die Biester auf Dauer unter Kontrolle halten können.
"Mach mal halblang Kniescheibenbeißer, du weißt ich könnte nicht hinein, wenn ich nicht eingeladen wäre." Die Hexe baute sich schützend vor dem kleinen Drachen auf, und starrte den Wächter des Eingangs böse an. Und wenn Hexen etwas echt gut können, das ist es böse Starren.
"Mir hat niemand was von einer Einladung gesagt, wer sollte schon eine nach Hexerei stinkende, olle Langfüßin einladen."
Na bitte, die Zwerge konnten ja doch noch so richtig schön beleidigend sein.
"Und warum sollte irgendjemand einen einfach Türsteher was von einer Einladung sagen. Wahrscheinlich musst du hier draußen stehen, weil du dir drinnen immer die Hacke auf die Zehen haust."
Fleck versteckte sich zwar immer noch hinter der Hexe, aber schön langsam fing ihm der Ausflug doch an Spaß zu machen.
"Ist das ein toter Fuchs, denn du da am Kopf hast, oder sieht dein Haar immer so aus?"
"Wenn du mir nicht aus dem Weg gehst, werde ich mir einfach ein Brett holen, damit ich über dich Grube drüber steigen kann."
Der Wächterzwerg haute demonstrativ seine Axt gegen den Felsen, aber er ging zu Seite. Natürlich nicht ohne ein letztes Kommentar.
"Du würdest gar kein Brett finden, vor dir Schreckschraube läuft ja sogar Holz davon!"
Alle weiteren Begegnungen, die zwischen der Hexe und den Zwergen stattfanden, spielten sich ähnlich ab, nur dass sich die Hexe immer neue Beleidigungen ausdenken müsste. Sie und Fleck sprangen immer nur um soviel weiter, wie die Sicht gerade noch reichte. Schön langsam näherten sie sich dem Zentrum dieses unterirdischen Lebensraumes, wodurch auch die Begegnungen zunahmen. Das den Zwergen andere Wege zur Verfügung standen, merkte die Hexe, als sie am scheinbaren Ende eines Tunnels eine Gruppe Zwerge stehen sah, von denen einer eindeutig die rote Robe des Priesters trug. Dass die anderen schwer gerüstet waren, war nicht unbedingt beruhigend. Na dann auf, die Herumhüpferei war Najila sowieso schon zu langweilig geworden. Die Hexe wappnete sich, holte tief Luft und ging auf den Priester zu.
Als die Hexe nahe genug war, damit Fleck gerade noch vor einer geworfenen Axt verschwinden konnte, rief sie laut und für alle vernehmlich:
"Ah, Z´monz, gut das ich dich alten Luftverpester endlich antreffe, ich sehe du hast immer noch diesen schmutzigen Wischmob im Gesicht hängen."
Mit Namen angesprochen zu werden irritierte den Zwergenpriester sichtlich, auch wenn er sich bemühte, dass zu verstecken. Schließlich fasste er offenbar einen Entschluss, und kam Najila entgegen.
"Die Hexe, na wenn das keine Überraschung ist. Ich dachte schon, du hättest dich verlaufen, hast wohl mal wieder die Berge mit den Bäumen verwechselt."
Damit gab er nichts zu, hatte aber die Situation zumindest scheinbar in der Hand. Die Hexe fand das gut, es würde zumindest nicht gleich zum Kampf kommen. Trotzdem wollte sie der Sache doch gleich die richtige Richtung geben. Und außerdem müsste sie Fleck von den vielen Zwergen wegbringen, der arme Kerl zitterte in Gegenwart so vieler Zwerge derartig, dass Najilas Handgelenk schon fast ausgekugelt war.
"Na, wo ist nun der böse Geist, von dem du mir erzählt hast. Er wird sich doch nicht etwa vor mir verstecken?"
Ein Raunen ging durch die Menge, standen die Taten des Priesters, und das was Najilas Worte andeuteten doch in krassem Widerspruch. Z´monz brauchte dann auch ein bisschen sich zu fangen, was er aber geschickt mit Beleidigungen tarnte.
"Na, bei deinem Aussehen muss man sich ja fürchten. Es ist wirklich schade, dass dir immer die Spiegel zerspringen, wenn du hineinschaust, sonst könntest du ein paar Verbesserungen vornehmen. Warum bewegst du deinen dicken Hintern nicht mitsamt seinem flatternden Anhang zu meinen Räumen, dann können wir uns besprechen. Ihr anderen könnt wieder an eure Arbeit gehen, ich habe mich mit der Hexe zu sprechen, damit wir diesen verdammten Dämon endlich loswerden."
Das war auch sehr geschickt, keiner wusste ob der Priester die Hexe oder den Geist meinte. Schon langsam schöpfte Najila Hoffnung. Z´monz war längst nicht so blöde, wie sie befürchtet hatte. Und das musste sie natürlich auch gleich in einen Satz kleiden, der unter anderem die Wörter Erbsengehirn, Strohhalm und sabbernde Dummheit enthielt.
Während sich die anderen Zwerge zerstreuten, folgte Najila dem Priester, den zappeligen Fleck immer noch an der Hand. Der arme kleine Kerl war quietschorange, und ausnahmsweise einmal froh, von der Hexe festgehalten zu werden. Die Höflichkeiten folgen nur so hin und her, und hätten vielleicht doch noch zu kriegerischen Handlungen geführt, wenn die kleine Gruppe nicht unvermittelt stehen geblieben wäre, weil etwa zwei Meter voraus eine leicht durchscheinende Gestalt auftauchte. Z´monz war so abrupt stehen geblieben, dass ihm sogar die Beleidigung abhanden kam, an der er gerade gefeilt hatte. Der Geist legte auch gleich los, vermutlich hatte er die Beschimpfung gefunden, die der Priester gerade verloren hatte. Der so mit Höflichkeiten bedachte Zwerg lief puterrot an, und wäre sicher auf der Stelle umgedreht, wäre die Hexe nicht dazwischen gegangen.
"Ganz erstaunlich, für jemanden mit so wenig Konsistenz benutzt du aber ziemliche Kraftausdrücke. Wie wär's wenn du deinen gerade noch vorhandenen Steinhintern umdrehst, und mit uns zu Trunkers Schrein marschierst, damit die Sache ein für alle mal geklärt wird." Und dann tat die Hexe etwas, was den Geist und den Priester gleichermaßen entsetzte. Die grapschte sich mit der freien Hand den Bart des Geistes und zog ihn mit sich.
Okay, so gefährlich ist das nun auch wieder nicht. Der Geist war ja schließlich nicht wirklich feststofflich, aber stofflich genug um ihn fest zu halten. Und vermutlich lebte die Hexe einfach schon zu lange mit Springern zusammen, sie war neugierig, ob das überhaupt funktionierte. Und außerdem fielen ihr schön langsam keine richtigen Beschimpfungen mehr ein, und sie brauchte etwas, um die zwei Zwerge abzulenken. Tatsächlich funktionierte alles ganz toll.
Der tote Zwerg war so erstaunt, dass er zu schimpfen vergaß, und vor lauter Zorn wurde er mit jedem Schritt ein bisschen fester, so dass er wirklich gut fest zu halten war. Und der Priester war derartig geschockt, dass er an Beleidigungen gar nicht denken konnte. Am ehesten flitzen Gedanken folgender Art durch seinen Kopf: `was ist wenn die mich am Bart nimmt und vor Trunkers Angesicht zerrt? Oh, Trunker, ich schwöre, ich bereue zutiefst! Sie muss von Trunker geschickt worden sein, sie würde sich sonst nie trauen einen Zwerg am Bart zu nehmen, egal ob lebend oder tot! Und die Welt ist nicht untergegangen! Eine Hexe hat einen Zwerg am Bart gezogen, und die Welt ist nicht untergegangen!´
Nur Fleck war nicht sprachlos, er zwitscherte begeistert los. Zum Teil, weil endlich auch einmal ein Zwerg sein Fett abbekam, zum Teil, weil dieser Ausflug wirklich sehr aufregend und spannend war. Die Woche schien sich doch besser zu entwickeln als gedacht.
Sollte irgend ein Zwerg Zweifel gehabt haben, weshalb die Hexe hier war, der Anblick, wie sie einen Zwergengeist am Bart hinter sich herzog, während sie einen Zwergen-priester vor sich herscheuchte, reichte ganz sicher aus um klare Tatsachen zu vermitteln. Aber in seiner unendlichen Weisheit konnte es Trunker so einrichten, dass kein anderer Zwerg die seltsame Schar sah. Viel wichtiger war, Z´monz hatte nun keinerlei Zweifel mehr, warum die Hexe hier war. Nun war keine Rede mehr von einer Besprechung, die Hexe wollte mit samt dem Geist zu Trunkers Schrein gebracht werden, direkt ins Allerheiligste. Und Z´monz war so schockiert, dass er anstandslos gehorchte.
Als diese sonderbare Truppe endlich vor Trunkers Schrein stand, war der Geist vor Ärger Pflaumenfarben und der Priester vor Angst ziemlich käsig, was einen eigenartigen Akzent zu dem orange leuchtenden Springer bildete. Die Hexe ließ den kleinen Drachen los (der sich trotzdem weiter hinter dem Rücken der Hexe hielt), nicht aber den Geist. Mit der freien Hand kramte sie in ihrer Tasche, holte ein Stück Papier heraus, und klebte es dem verblüfften D´rukd auf die Brust. Sie hatte die ganze Nacht daran gearbeitet, und war wirklich stolz darauf, wie gut es geworden war. Mit einer Endgültigkeit vermittelnden Stimme sprach Najila zu dem toten Zwerg.
"Nur damit wir uns richtig verstehen. Dieses Papier ist eine Geisterfalle, alleine die Tatsache, dass es an dir kleben bleibt, belegt eindeutig, dass du ein Geist bist. Du kannst es glauben oder nicht, du bist nun nicht mehr fähig, diesen Raum zu verlassen. Aber bitte, tu dir keinen Zwang an, versuche es ruhig. Und wenn du dann fertig bist mit toben, brüllen, und gegen die Wand laufen, dann wirst du zu Trunker gehen, denn er erwartet dich schon sehnsüchtig."
Und weil der Geist tatsächlich anfing zu brüllen, und zu toben, und gegen die eine oder andere Wand zu laufen, warf die Hexe auch noch einen Geräuschschluckzauber auf den Geist, bevor sie sich dem schockierten Z´monz zuwandte.
"Und da wir nun unter uns sind, ich soll dir etwas ausrichten, von Trunker, und glaube mir eins, ich bin noch viel wütender, in diese Sache hinein gezogen worden zu sein, als es dein Gott über dein Benehmen ist. Was ich dir ausrichten soll, betrifft deinen offensichtlichen Mangel an Gehorsam. Solltest du nicht alles in deiner Macht stehende tun, um die Seele dieses verwirrten Geistes zu Trunker zu schicken? Hast du dafür nicht unglaubliche Macht von deinem Gott erhalten? Was beim Haufen eines Trolls hat dich dazu gebracht, dich so zu verhalten?"
Ganz ehrlich, auch für Z´monz war es nicht gerade seine beste Woche! Er stand im Allerheiligsten einer wütenden, Funken versprühenden Hexe gegenüber, die offenbar von seinem Gott auf ihn angesetzt worden war. Und wem konnte er die Schuld dafür geben? Tja, das mit der Selbsterkenntnis hatten wir doch schon, oder?
Die Hexe ließ den sichtlich schrumpfenden Zwergenpriester jedoch gar nicht erst zu einer Erklärung ansetzten, da schimpfte sie auch schon weiter.
"Du hast wirklich Glück, weißt du! Nur weil Trunker seine Missbilligung nicht öffentlich kundtun will, bietet er dir diese Möglichkeit. Ich weiß wirklich nicht, warum dein Gott so einen Narren an seinen Priestern gefressen hat. Das ist viel mehr Glück als ich es hatte. Weißt du überhaupt, was Berührungen eines Gottes mit Hexen macht? Oder das die Tatsache, dass ich gar nicht zu seinen Anbetern gehöre, vielleicht äußerst unangenehm für mich ist? Du wirst diesen Geist jetzt zu Trunker schicken, und wehe du machst es nicht richtig."
Najila hatte sich so richtig in Fahrt geredet, zwar übertrieb sie dabei schamlos, aber schließlich müsste sie ja irgendwo ihren Grant loswerden, denn sie wollte das olle Ding wirklich nicht wieder mit nach Hause schleppen.
Fleck, der die Anzeichen richtig gedeutet hatte, war schon beim ersten Satz hinter dem Altar verschwunden, und lugte nun sichtlich nervös hervor.
Der Geist, der mittlerweile eingesehen hatte, dass er wohl hier fest saß, schaute hin und her gerissen dem Schauspiel zu. Einerseits freute er sich, dass Z´monz so richtig eine auf den Helm bekam, andererseits waren die Aussichten für ihn nicht gerade rosig. Diese Wahnsinnige war fest entschlossen, ihn zu Trunker zu schicken. Zwar wollte er sich keinesfalls eingestehen, dass er tot war, aber sollte sich der Zorn der Hexe auch noch ihm zuwenden, zog er es vermutlich vor tot zu sein. Schließlich hatte sie ihm am Bart hierher gezogen, wer weiß was dieser Irren noch einfiel. Da! Gerade hatte er deutlich einen kleinen Blitz aus ihrem ausgestreckten Zeigefinger fahren sehen.
"Also eigentlich hast du gar nicht so viel Glück! Denn da Trunker nun mal mir die Aufgabe zugewiesen hat, dich auf den rechten Weg zurückzuführen, ist es doch nur gerecht, wenn auch du meinen Zorn abbekommst."
Manchmal sind Zwerge wirklich nicht weise. Z´monz machte den Fehler, die Hand zu heben, und ein leises "Aber" einzuwerfen.
Die Hexe schien sich auf der Stelle in ein Gewitter zu verwandeln. Obwohl in der abgeschlossenen Höhle kein Luftzug wehte, stellten sich Najilas Haare auf als hätten sie ein Eigenleben, Schlangen gleich, höchst geladenen Schlangen gleich. Ihre Augen sprühten einen grünen Funkenschauer nach dem anderen, und es traten tatsächlich kleine Blitze aus ihren Fingern. Besonders aus dem Zeigefinger, der zum wiederholtem Male auf Z´monz Brust landete. Auch schien es generell rund um die Hexe düsterer zu werden, aber vielleicht war das auch nur eine optisch Täuschung wegen der feurigen Auswüchse der Hexe.
"Kein Aber! Keine Entschuldigung! Dein Gott mag dir gegenüber zu nachsichtig sein, ICH bin es nicht! Du befiehlst D´rukd jetzt zu Trunker, SOFORT! Und wehe ich muss noch einmal her kommen. Wehe dein Gott findet dein Benehmen noch einmal so unangebracht, dass er mich herschickt!"
Der Zwergenpriester war bei jedem Blitz, der seine Brust traf, ein wenig mehr zusammen gezuckt. Einen kurzen Moment lang dachte er daran, sich zu wehren, die Macht zu gebrauchen, die Trunker im verliehen hatte. Aber dann traute er sich doch nicht. Wenn Trunker ihm diese tobende Wilde als Strafe geschickt hatte, würde er wohl kaum etwas gegen sie ausrichten können. Und wie peinlich wäre das erst, wenn er mit einer theatralischen Geste ausholte, und nichts weiter geschah. Z´monz beschloss die Strafe zu akzeptieren. Immerhin, sie fand hinter verschlossenen Türen statt. Kein anderer Zwerg würde etwas wissen, auch die anderen Priester nicht. Trunker gab ihm die Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren. Er würde Dankbarkeit zeigen, und diese Funken sprühende Irre hinnehmen. (vor allem die Tatsache, dass sie hier im Allerheiligsten Funken sprühen konnte, trug zu dieser Einstellung bei)
Tatsächlich blieb Najila auch dann noch im Allerheiligsten, als Z´monz die Vorbereitungen für das Ritual traf. Die Zwerge, die als Ehrengarde anwesend sein mussten, stellten mit Verwunderung fest, dass wohl zu ersten Mal in der Geschichte der Zwerge eine Hexe und ein kleiner quietschgelber Drache dem Heimholungsritual bewohnen würden. Nie würden sie hier im Allerheiligsten etwas dazu sagen, aber Gedanken machten sie sich schon. Tatsächlich dachte der eine oder andere Zwerg, dass Trunker wohl gerade eine seiner Bierlaunen auslebte.
Es war sowieso ein etwas eigenartiges Ritual, normalerweise wird der Leichnam mit Bier überschüttet, oder zumindest in dessen Richtung, hier wurde ein Geist begossen. Auch zappelte der Tote sonst nicht herum und müsste eingefangen werden. Die Hexe musste den Geist doch tatsächlich am Bart herbeiziehen, bevor ihn der Priester mit Bier übergießen konnte. Und normalerweise wuchsen dem Altar bei solchen Gelegenheiten auch keine Quittengelben Ohren und Flügeln. Die Tatsache, dass der Geist ständig herumzappelte, so aussah als ob er Verwünschungen ausstieß, aber kein Laut zu hören war, war dann sozusagen nur noch eine kleine Eigenart nebenbei. Die würdevolle Erhabenheit, die dieses Ritual normalerweise prägte, fehlte völlig.
Auch das schönste Ritual endet einmal, und in diesem Fall endete es damit, dass der Geist von D´rukd in den Altar gesogen wurde, und alle Anwesenden die Segnung Trunkers spürten. (ja, auch die Hexe und der Springer, ich sage ja, ein höchst eigenartiges Ritual)
Als der letzte Zipfel von D´rukd im Altar verschwand, blieb nur ein Blatt Papier übrig, dass sachte zu Boden glitt, jedoch von der Hexe gleich eingesammelt wurde.
Schließlich schlugen alle Zwerge ihre Helme gegen den Altar (was Fleck so erschreckte, das er auf den Schultern der Hexe auftauchte, und nun dieser statt dem Altar zitronengelbe Flügeln und ein Drachenkopf wuchsen) und verließen Trunkers Schrein.
Die Hexe hatte daraufhin wirklich genug von Zwergen, ob tot oder lebendig, streckte zur Mahnung noch einmal den Zeigefinger in Richtung Z´monz, und erlaubte Fleck sie beide heim zu bringen.
Dort rollte immer noch ein Bierkrug über den Boden, aber Fleck, der Gesegnete, war viel zu erhaben, um sich daran zu beteiligen. Zumindest für den Moment, hatte er doch viele interessante Dinge zu berichten.
Najila zog es vor, sich in ihren Schaukelstuhl zu begeben. Als sie aber im oberen Stock vor ihrem Stuhl stand, konnte sie sich nicht hinsetzten, weil dort ein kleines Paket lag. Die Hexe war vorsichtig beim öffnen, sie hatte schon die eine oder andere Überraschung von den Springern ins Bett gelegt bekommen, wer weiß, vielleicht hatten die jetzt nur das Möbelstück gewechselt. Aber es war keine Überraschung von den kleinen Quälgeistern, es war ein kurzer Brief von K´zunz, der um zwei wachteleigroße Saphire gewickelt war.
"Hallo Stelzenbein,
Trunker läst ausrichten, dass er zufrieden ist. Er hätte sich gut amüsiert (ich konnte ihm ausreden es dir persönlich zu sagen).
Anbei versprochene Bezahlung. Müsste ausreichend sein. Hoffe stark, dass Springer noch Angst vor uns hat, weil Trunkers Segen erlaubt ungehinderten Zugang zu seinen Stollen und des Allerheiligsten. (Können die kleinen Biester eh nicht lesen?)
In diesem Zusammenhang soll ich noch was ausrichten: Du sollst über eine Daueranstellung als schlechtes Gewissen nachdenken.
Interessiert?
Böse Worte, K´zunz"


*Und das will was heißen! Najilas Mutter hat früher gerne erzählt, die kleine Najila wäre schon grantig auf die Welt gekommen, was ihr Berufswahl von vorneherein sehr eingeschränkt hat. Und um das zu untersteichen, erzählte Najilas Mutter gerne folgende Geschichte: Als Najila zwei Monate alt war, kam eine Großtante auf Besuch, um sich das neue Baby anzusehen. Die Tante blickte in die Wiege, stieß einen Schrei aus, und reiste umgehend wieder ab, nicht ohne jedermann zu erzählen, das Baby hätte den bösen Blick. Tatsächlich hat sich die Großtante aber mit den Worten "GulliGulliGuh" über die Wiege gebeugt, war allerdings beim zweiten Gulli stecken geblieben, da ihr das Baby einen höchst grantigen Blick zugeworfen hatten. Offenbar hat Najila schon damals nichts von überflüssigen Worten gehalten, und ganz sicher war sie damals schon grantig gewesen.


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