Vortrag EU - Quo Vadis?
Guten Morgen, Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Wir haben das Privileg, in einer spannenden Zeit der friedlichen politischen Umbrüche leben zu dürfen. Die letzten zehn Jahre haben entscheidende Veränderungen der politischen Landkarte Europas mit sich gebracht. Wer hätte sich 1988 gedacht, daß unsere östlichen Nachbarstaaten in zehn Jahren eng mit der Europäischen Union assoziiert sein werden und gerade mit den Beitrittsverhandlungen beginnen? Mehr als vierzig Jahre hat der Systemkonflikt zwischen Ost und West die politischen Realitäten in Europa geprägt. In der Folge der politischen Umbrüche in Osteuropa haben alte Bekannte die politische Weltbühne neu betreten und ihr eindeutiges Interesse an der Erfolgsstory Europäische Union bekundet. Der Integrationsprozeß hat eine rasante Eigendynamik entwickelt. Die Funktionalisten hatten recht, als sie meinten: Wirtschaftliche Integration führe mittelfristig quasi automatisch zur politischen Integration. Diskutiert wird nur noch, ob wir den "point of no return" schon überschritten haben oder nicht. Ich persönlich denke, ohne das jetzt mit konkreten Zahlen oder Daten zu belegen, daß die Union den "point of no return" schon längst hinter sich gelassen hat. Die Geschichte der europäischen Integration zeigt, daß eine Umkehr nicht möglich ist. Die Dynamik des Integrationsprozesses stellt die Europäische Union vor neue Aufgaben und Herausforderungen. Es gilt nun, diesen angemessen zu begegnen. Schon im Vertrag von Maastricht ist die Einberufung einer Regierungskonferenz zur Revision der Verträge im Jahr 1996 festgelegt worden. Diese hat zum Vertrag von Amsterdam geführt, durch den - gemeinsam mit der Agenda 2000 - die Weichen für das zukünftige Europa gestellt wurden. Ich habe das Amt des Leiters der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich vor zwei Jahren, im März 1996, übernommen: - fast zeitgleich mit dem Beginn des intensiven Reformprozesses, der die Union für die Herausforderungen des nächsten Jahrtausends fit machen wird. Im März 1996 wurde erst sehr zaghaft über Inhalte der anstehenden Regierungskonferenz diskutiert. Doch im Laufe der folgenden zwei Jahre haben die Verhandlungen zu konkreten Entscheidungen geführt, deren Höhepunkte eben der Vertrag von Amsterdam und die Agenda 2000 sind. Es erfüllt mich mit etwas Freude und Stolz, daß ich aufgrund meines Amtes diesen Reformprozeß aus der inneren Perspektive der Kommission mitverfolgen konnte und noch weiterhin kann. Ich freue mich deshalb auch besonders, dieses Wissen und diese Erfahrungen durch meinen Vortrag "EU-Quo Vadis?" mit Ihnen teilen zu können und möchte mich an dieser Stelle herzlich für Ihre Einladung bedanken. Wie Sie sehen hat meine Anwesenheit für mich nicht nur dienstlichen Charakter, sondern auch eine persönliche Komponente. Bei meinem Vortrag handelt es sich um die Gedanken eines überzeugten Europäers im Dienste der Europäischen Kommission. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Die Vielfalt an Themen der Europäischen Union ist riesig. Jedes für sich würde einen eigenen Vortrag verdienen. Die Frage "EU-Quo Vadis?" kann natürlich nicht kurz und konkret beantwortet werden. Deshalb ziehe ich es vor, mein Referat inhaltlich etwas weiter zu fassen. Folgendes steht meiner Ansicht nach fest: Das nächste Jahrtausend wird eine wachsende Union mit neuen politischen Kompetenzen und einer gemeinsamen Währung bringen. Europa wird weiterhin aus verschiedenen Völkern bestehen und die von dem polnischen Schriftsteller Witold Gombrowicz aufgestellte Definition von Europäertum auch in Zukunft gelten: "Das Europäertum beruht nicht auf einem Sich-Verschmelzen mit Europa, sondern darin, ein Bestandteil zu sein - ein spezifischer, einer, der sich durch nichts ersetzen läßt." Wie das alles zusammenpaßt und funktionieren kann, ist natürlich der interessantere Aspekt. Auch wenn es nicht möglich ist, die Frage "EU-Quo Vadis?" konkret zu beantworten, ist es aber sehr wohl möglich, die Grundlagen für die zukünftigen Entwicklungen zu erkennen, zu beschreiben und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Derzeit gibt es insbesondere vier Politikfelder, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man sich mit der Europäischen Union beschäftigt: Dazu zählt erstens natürlich der Euro, der in weniger als einem Jahr unsere neue Währung sein wird. Über die Einführung des Euro muß nicht mehr diskutiert werden. Die Entscheidungen sind längst getroffen und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Am 25. März erscheint der Konvergenzbericht der Europäischen Kommission. Zum zweiten rückt die Erweiterung der Union immer mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei geht es, ähnlich wie beim Euro, um die politische Zukunft des Kontinents. Nur mit dem Unterschied, daß beim Kapitel Erweiterung die grundlegenden Entscheidungen noch zu treffen sind. Zu Gesprächen eingeladen sind alle beitrittswilligen Kandidaten, doch die Union hat ein komplexes System aus Verhandlungen, Konferenzen und Partnerschaften entwickelt, das - fein nuanciert - die unterschiedlichen Entwicklungsgrade der einzelnen Länder berücksichtigt. An dritter Stelle steht die Vertiefung, der interne Reformprozeß der Union, durch den Vertrag von Amsterdam und die Agenda 2000. Diese bringen eine Neuorientierung und Neuorganisation der meisten Politiken der Europäischen Union, - auch im Hinblick auf die Erweiterung. Ich möchte mich hier besonders auf die Institutionenreform und die Reformvorschläge der Kommission hinsichtlich der Strukturpolitik der EU konzentrieren, da sich hier für Österreich Änderungen ergeben. Am 18. März werden, dem Kommissionsprozedere folgend, die Erweiterungen zur Agenda 2000 vorgestellt. Schließlich werde ich mich mit einem spezifisch österreichischen Punkt beschäftigen: Österreich wird bei all dem eine besondere Position einnehmen, da es in der 2. Hälfte 1998 routinemäßig als erster der neuen Mitgliedstaaten die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen wird. Die Zahl der zu lösenden Aufgaben ist beträchtlich und die Erwartungen hochgesteckt: Reform der Strukturfonds, Reform der Agrarpolitik, der letzte Schritt zur Währungsunion und die Beitrittsverhandlungen. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Bevor ich jedoch zu diesen Herausforderungen der unmittelbaren, europäischen Zukunft komme und mich dem "Quo Vadis" annähere, möchte ich noch einige Worte darüber verlieren, woher Europa eigentlich kommt. Um die derzeitigen Prozesse in ihrer vollen Tragweite verstehen zu können, müssen sie immer im Bewußtsein der historischen Entwicklung der europäischen Integration gesehen werden. Der Traum von einem vereinten Europa ist nämlich schon Jahrhunderte alt. Aber erst in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts wurden konkrete Schritte gesetzt, die aus einem Traum Wirklichkeit machten. Bereits lange vor den Römischen Verträgen hat es Ansätze zur Europäischen Einigung gegeben. Die Europaidee geht eigentlich bis zur griechisch-römischen Antike zurück. Danach bildete im Mittelalter vor allem die Kaiseridee des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ein Band europäischer Gemeinsamkeiten. Dichter, Denker und Politiker haben die Einigung Europas verlangt und ihre Vorstellungen zu Papier gebracht. Erinnern wir uns nur an Immanuel Kant als Vorkämpfer für ein "Bündnis der europäischen Staaten", das den "ewigen Frieden" und ein Völkerrecht garantieren sollte, oder an den französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau als Verfechter einer föderalistischen Regierung Europas. Heute ist die europäische Idee hinter diesen Werken fast völlig in Vergessenheit geraten, möglicherweise, weil den politisch-philosophischen Traktaten keine Taten folgten. Tatsache ist aber, daß die Europaidee schon Jahrhunderte alt ist. Bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert fehlte es an einer Initialzündung. Eigentlich hätte der I. Weltkrieg eine solche Zäsur sein müssen, um von den Europäern zum Anlaß genommen zu werden, den Kurs Europas neu zu bestimmen. Es war Wien, wo dank Richard Coudenhove-Kalergi die Paneuropaidee ihren Ausgang nahm. Sein politisches Credo besagt, daß "jedes große historische Geschehen als Utopie begann und als Realität endete." Doch sein paneuropäisches Konzept konnte sich nicht durchsetzen. Die politische Realität sah anders aus. Ganz im Gegenteil zu den Ideen Coudenhove-Kalergis stützte sich Präsident Wilsons Programm zum Wiederaufbau Europas auf das nationalstaatliche Prinzip. Zukünftige Konflikte sollten durch die Zuerkennung einer souveränen Rechtspersönlichkeit für alle Völker, die das wünschten, und nicht durch die Einigung Europas verhindert werden. Erst die Verbrechen und Verwüstungen des II. Weltkrieges haben ein Umdenken gebracht, die Europäer waren bereit zu lernen. Der britische Premierminister Winston Churchill forderte 1946 die Schaffung der "Vereinigten Staaten von Europa" und Jean Monnet und Robert Schuman schufen die Grundlagen für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Durch die Vergemeinschaftung von Schlüsselindustrien in sechs europäischen Staaten sollte der Frieden und die Stabilität Europas gesichert werden und der Grundstein für die weitere Vergemeinschaftung darüberhinausgehender Politikbereiche vorbereitet werden. Robert Schuman wollte, daß "Europa durch konkrete Tatsachen entstehe, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen". Der Weg von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl über die Europäische Atomgemeinschaft und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bis heute ist bekannt. Nach einer langen, relativ ruhigen Entwicklungsphase begann Mitte der achtziger Jahre eine regelrechte Reformlawine über die Union hereinzubrechen, die bis heute anhält und deren Ende noch in keinster Weise absehbar ist. Den Anfang machte 1987 die Einheitliche Europäische Akte und den vorläufigen Abschluß der Europäische Rat von Luxemburg, der die letzten Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Erweiterungsprozeß gefaßt hat. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Lassen Sie mich nun zu meinem ersten Punkt, dem Thema Euro, kommen. Neuerungen sind natürlich immer mit Ängsten verbunden. Viele Menschen in ganz Österreich fragen sich "Wieso auf den bewährten Schilling verzichten, der doch ein Teil der österreichischen Erfolgsgeschichte ist?" Ich denke, für unseren Kreis hier ist dies klar und bedarf keiner weiteren Diskussion: Die Einführung des Euro ist die logische Konsequenz des Binnenmarktes und der österreichischen Hartwährungspolitik der letzten Jahre. Trotzdem müssen wir die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen, um sie durch gezielte Informationspolitik von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Währung überzeugen zu können. Umso erfreulicher ist es, daß die Informationsaktivitäten der Bundesregierung und der Europäischen Kommission schon erste Erfolge zeigen: Bei einer vor zwei Wochen präsentierten Meinungsumfrage sprachen sich 55% der Österreicher für die Einführung des Euro aus. Außerdem haben die Österreicher mit der geringen Unterstützung für das Schilling-Volksbegehren bewiesen, daß sie sehr wohl differenzieren und sich nicht von inhaltsleerer Agitation vereinnahmen lassen. Die Vorbereitungen für den Beginn der Währungsunion treten langsam aber sicher in das Endstadium ein. Am 25. März wird die Europäische Kommission ihre Stellungnahme darüber abgeben, welche Mitgliedstaaten ihrer Meinung nach fit für die Euroteilnahme sind. Die Meinung der Kommission in dieser Causa ist zwar nicht bindend. Man kann aber mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß sich der Rat, in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs, an diesen Vorschlag halten wird, wenn er am 2. Mai über die Euro-Teilnehmer entscheidet. Im Anschluß daran wird die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt gegründet und ihr Präsident ernannt. Zugleich werden die Wechselkurse zwischen den Euro-Teilnehmern unwiderruflich festgelegt. Zur Diskussion um den zukünftigen Präsidenten der Europäischen Zentralbank möchte ich folgendes sagen: Für die Europäische Kommission ist es einerlei, ob der Präsident ein Niederländer oder ein Franzose ist. Entscheidend ist ausschließlich die geldpolitische Kompetenz des Kandidaten. Und diese Kompetenz haben beide Kandidaten in den letzten Jahren bewiesen. Mit erstem Januar 1999 schließlich ist der Euro unsere gemeinsame Währung. Ab 2002 werden wir den Euro auch in unseren Geldbörsen haben. Die gemeinsame Währung wird aber zweifellos mehr sein, als nur Geld. Sie ist ein europäisches Kind und wird somit ein Symbol für die europäische Identität werden. Ich denke, die Vollendung der Währungsunion ist ein Gradmesser dafür, ob wir Europäer fähig sind, gewisse Symbole des Nationalismus, wie es eine Währung nun einmal ist, zugunsten eines gemeinsamen Zieles aufzugeben. Und dieses Ziel kann nur eine noch einigere Europäische Union sein, die auf Solidarität beruht und Frieden und Wohlstand für alle garantiert. Der Euro kommt! Und das wird die Rolle des US-Dollars als die bedeutendste Handels- und Reservewährung der Welt beeinflussen. Wurden bisher rund 60% des weltweiten jährlichen Zahlungsverkehrs in Dollar abgewickelt, so wird voraussichtlich in Hinkunft der Euro mit dem Dollar gleichziehen und beide Währungen werden mit je 40% zu Buche schlagen. Je wichtiger der Euro im Welthandel wird, desto wichtiger wird er auch auf den Finanzmärkten und als Reservewährung werden. Ein international starker Euro festigt die Position der EU gegenüber den Handelspartnern und erschwert es den USA mittels Geldpolitik Weltpolitik zu machen. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! So wichtig die Währungsunion für die europäische Integration auch ist, so ist sie dennoch ein Projekt, bei dem die wesentlichen Entscheidungen schon getroffen wurden. Schon sehr bald wird ein anderer Themenkomplex die öffentliche Diskussion beherrschen, wo grundlegende Entscheidungen noch anstehen: Die Erweiterung der Europäischen Union. Die Zielsetzung der Europäischen Kommission ist eindeutig: Wir wollen die Erweiterung bei gleichzeitiger Vertiefung, sodaß die Union weiterhin ihre Rolle als Anker der Stabilität im neuen Europa einnehmen kann. Die Euphorie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 war groß. Doch die Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten. Der Wunsch nach westlichem Lebensstandard, Demokratie und Menschenrechten ist verständlich und der Weg dorthin lang und beschwerlich. Nichtsdestotrotz ist der Fortschritt der mittel- und osteuropäischen Länder seit 1989 bemerkenswert. Der Europäische Rat reagierte 1993 in Kopenhagen auf die besondere Situation mit einem für die Union historischen Versprechen. Die mittlerweile assoziierten mittel- und osteuropäischen Länder, die dies wünschen, können Mitglieder der Europäischen Union werden. Der Beitritt kann erfolgen, sobald ein assoziiertes Land in der Lage ist, den mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen nachzukommen und die erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zu erfüllen. In Kopenhagen wurden diese Bedingungen auch genauer definiert, die von einem potentiellen Beitrittskandidaten zu erfüllen sind. Wesentliche Voraussetzungen für den Beitritt sind demnach, daß Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewahrt sowie die Grundrechte respektiert werden. Weiters muß eine funktionierende Marktwirtschaft vorhanden sein, die dem Wettbewerb in der Union standhalten kann. Schließlich muß der Beitrittskandidat in der Lage sein, den Rechtsbestand der EU zu übernehmen und anzuwenden. Letzter Punkt schließt insbesondere den Beitritt zur Währungsunion aber auch die Gemeinsame Außen - und Sicherheitspolitik mit ein. Der Rat beauftragte die Europäische Kommission, die Beitrittsanträge der Kandidaten im Lichte dieser Kriterien zu beurteilen. Die Antwort der Kommission wurde letzten Juli als Teil der "Agenda 2000" der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Ergebnisse sind bekannt: Die Europäische Kommission meint, daß zum jetzigen Zeitpunkt keiner der Beitrittswerber für die Mitgliedschaft bereit ist. Aber wenn der Reformprozeß weitergeführt und in einigen Bereichen intensiviert wird, dann werden mittelfristig fünf mittel- und osteuropäische Länder fähig sein, die geforderten Verpflichtungen einer Mitgliedschaft bei der Europäischen Union zu erfüllen. Dies bedeutet, daß konkrete Beitrittsverhandlungen neben Zypern, das schon 1993 ein positives Avis bekommen hat, mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechien und Ungarn aufgenommen werden sollen. Der Europäische Rat in Luxemburg hat diese Kommissionsvorschläge Ende 1997 weitestgehend akzeptiert und mit einigen politischen Differenzierungen versehen. Die Staats- und Regierungschefs haben eine Erweiterungsstrategie beschlossen, die im März 1998 beginnt und aus einem Erweiterungs-, Beitritts- und Verhandlungsprozeß besteht. Dies ist einerseits notwendig, um die Länder, die nicht in der ersten Verhandlungsrunde sind, näher an die Union heranzuführen. Sobald diese Länder die erforderlichen Verpflichtungen erfüllen, können die Beitrittsverhandlungen auch mit ihnen sofort beginnen. Andererseits geht es darum, eine Plattform zur Integration der Türkei und zur Lösung des Zypernkonflikts zu finden. Das Herz des Eweiterungprozesses ist die Europa-Konferenz. Die 15 Mitgliedstaaten haben die zehn mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten, sowie Zypern und die Türkei zur Teilnahme eingeladen. Darüber hinaus soll die Europa-Konferenz für alle beitrittswilligen Länder der Zukunft, die die Ziele der Union teilen, offen sein. Inhaltlich wird sich die Europa-Konferenz mit Außen- und Sicherheitspolitik, Innen- und Justizpolitik sowie der wirtschaftlichen und regionalen Kooperation beschäftigen. Das erste Treffen wird morgen, am 12. März in London stattfinden. Wie sich die unerwartet scharfe Haltung der Türkei weiterentwickeln wird, ist noch nicht absehbar. Der Beitrittsprozeß wird am 30. März mit 11 Kandidaten, den zehn mittel- und osteuropäischen Ländern und Zypern, mit einem Treffen der Außenminister beginnen. Basis des Beitrittsprozesses sind die Beitrittspartnerschaften, welche alle Formen der Unterstützung für die jeweiligen Beitrittskandidaten zusammenfassen. Die Beitrittspartnerschaften sind relativ umfangreich und die Kommission arbeitet daran, diese bis zum 30. März fertigzustellen. Der konkrete Verhandlungsprozeß wird am 31. März mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern beginnen. Diese sechs Kandidaten werden die Beitrittsverhandlungen in bilateralen Regierungskonferenzen unter der Leitung der jeweiligen Ratspräsidentschaft führen. Parallel zu den Verhandlungen wird es einen Screening Prozeß geben, der die Fortschritte aller Kandidaten bezüglich der geforderten Kriterien untersucht. Auf Basis dieser Screenings werden die konkreten Beitrittsverhandlungen geführt und die Verhandlungen mit den Ländern, die derzeit nur im Beitrittsprozeß involviert sind, vorbereitet. Die Europäische Union wächst. Es gibt natürlich auch kritische Stimmen, die dem Erweiterungsprozeß skeptisch entgegenblicken. Einige Landeshauptleute und Arbeitgebervertreter haben durch negative Aussagen und zum Teil skurrile Forderungen aufhorchen lassen. Ich denke, diese Funktionsträger haben nicht erkannt, daß die Erweiterung ein Prozeß ist, der schon vor Jahren begonnen hat und noch einige Jahre andauern wird. In dieser Zeit müssen sich die Beitrittswerber noch dem wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Niveau der Union annähern, ansonsten können wir sie im gegenseitigen Interesse nicht aufnehmen. Die Europäische Union nimmt nicht morgen zehn osteuropäische Staaten auf, sondern im Laufe der nächsten Jahre werden einzelne oder mehrere Reformstaaten in einem sukzessiven Prozeß der Union beitreten und vollwertige Mitglieder sein, sicherlich mit Übergangsbestimmungen. Die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung haben durch ihre positiven Stellungnahmen zur Erweiterung deutliche Signale gegeben. Die österreichische Wirtschaft braucht sich vor der Erweiterung nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Österreich wird von einer Erweiterung profitieren, genauso wie es vom Fall des Eisernen Vorhangs schon profitiert hat. Erst letzte Woche hat Eurostat veröffentlicht, daß die EU-Ausfuhren in die mittel- und osteuropäischen Länder im ersten Halbjahr 1997 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1996 um 20,7% gestiegen sind. Österreich ist nach Deutschland und Italien der drittgrößte EU-Handelspartner dieser Länder, mit Ausfuhren von 3,7 Milliarden ECU und Einfuhren von 2,4 Milliarden ECU. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Wann der erste Staat oder die ersten Staaten der Union beitreten, kann heute noch nicht gesagt werden. Für die Kommission ist nur eines relevant: Die Erreichung und Einhaltung der objektiven Kriterien, wie sie der Europäische Rat 1993 in Kopenhagen aufgestellt hat. Und hierfür müssen die Beitrittskandidaten noch einige Anstrengungen unternehmen. Anstrengen muß sich aber auch die Union. Die Institutionen, Entscheidungsprozesse und die Bereiche Agrar- und Strukturpolitik müssen einer erweiterten Union angepaßt werden. Der Vertrag von Amsterdam hat die Grundlagen für eine Anpassung der Institutionen sowie der Entscheidungsprozeduren gebracht. Zusammen mit der Beurteilung der Beitrittsanträge hat die Agenda 2000 die Reform der Strukturfonds und der Agrarpolitik skizziert. Außerdem galt es, den Finanzrahmen der Europäischen Union für die Zeit nach 2000 festzulegen. Was die finanzielle Seite der Union betrifft, sollte diese ab dem Jahr 2002 fit für den Beitritt von sechs neuen Staaten sein (Burghardt). Ein wichtiges Kapitel dieser Agenda ist, wie bereits gesagt, die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Ziel der Agrarreform insgesamt ist es, die Preise für die Konsumenten spürbar zu senken, aber trotzdem das Einkommensniveau in der Landwirtschaft konstant zu halten. Dazu wird es notwendig sein, die produktionsunabhängigen Zahlungen an die Bauern zu erhöhen. Gedacht ist etwa an eine direkte Entlohnung für bestimmte gesellschaftlich erwünschte Leistungen wie etwa für die Erhaltung des ländlichen Kulturgutes oder für die Landschaftspflege, die unter anderem für den Tourismus außerordentlich wichtig sind. Um den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt innerhalb der größeren Union besser fördern zu können, schlägt die Europäische Kommission eine Reform der Strukturfonds vor. Ich denke, daß diese Vorschläge für sie besonders interessant sind und möchte deshalb ein wenig genauer darauf eingehen. Vorauszuschicken ist übrigens, daß die Kommission heute in einer Woche, am 18. März, die Erweiterungen zur Agenda 2000 und somit auch zur Reform der Strukturpolitik präsentieren wird. Die derzeit geltenden 7 Zielgebiete sollen zu 3 zusammengefaßt werden. Die maximale Fördersumme für einen Mitgliedstaat soll mit 4% des nationalen BIP begrenzt werden. Ziel 1 - Fördergebiete wären weiterhin solche Regionen, deren Pro-Kopf-Einkommen unter 75% des Gemeinschaftsdurchschnittes liegt. Diese Gebiete haben die größten Probleme hinsichtlich Einkommen, Beschäftigung, Produktionssystemen und Infrastruktur. Deshalb soll hier mit einem Anteil von 2 Dritteln an den gesamten Strukturfondsmitteln weiterhin der Schwerpunkt der Förderungen aus den Strukturfonds liegen. Wesentlichstes Ziel der Förderungen ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die letztendlich die Voraussetzung für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen ist. Für Regionen, die nach Auslaufen der geltenden Planungsziele ab dem Jahre 2000 nicht mehr im Ziel 1 - Katalog aufscheinen, da sie nun knapp über der 75%-Marke liegen, sollte es, unseren Vorstellungen nach, kein abruptes Ende sondern ein sogenanntes "phasing-out" der Förderungen geben. Heute kann noch niemand mit absoluter Wahrscheinlichkeit sagen, welche Regionen in Zukunft Ziel 1 Status bekommen werden. Ausschlaggebend für die Einteilung sind ausschließlich die Wirtschaftsdaten der letzten 3 Jahre vor der Entscheidung, also wahrscheinlich 1996/1997/1998. Das gilt natürlich auch für das Burgenland. Während eine Verringerung der EU-Förderbeträge vor allem für die Burgenländer zweifellos kein erstrebenswertes Ziel sein kann, müssen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament trachten, mit den eingesetzten Mitteln möglichst viele positive Wohlstandseffekte zu erzielen, um die Investitionen vor den "Nettozahlern" zu rechtfertigen. Das Ziel, und darin sind wir uns wohl alle einig, kann nur sein, nicht mehr Ziel 1 Gebiet zu sein. Denn genau das bedeutet letztlich, daß der Wohlstand in der Region gestiegen ist. Worin sollte denn sonst der Sinn von Förderungen liegen? Ziel 2 - Fördergebiete wären Regionen, die von erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Umstellungen betroffen sind. Zum Beispiel die Umstellung von einer Industrie- auf eine Dienstleistungsregion oder ländliche Gebiete mit stark rückläufiger Entwicklung. Kriterien der Mittelvergabe sind die Arbeitslosenquote, der Wandel der Beschäftigung in der Industrie und in der Landwirtschaft sowie die Dimension der sozialen Ausgrenzung. Zur Erfassung der nicht unter die Ziele 1 und 2 fallenden Regionen wird ein neues Ziel 3 geschaffen. Dieses bezweckt, die Ausbildungs-, Berufs- und Beschäftigungssysteme der Mitgliedstaaten anzupassen und zu modernisieren. Während die ersten beiden Ziele auf Regionen abzielen, wäre dieses dritte Ziel ein sogenanntes horizontales, das heißt unionsweites, Ziel. Es sollen Maßnahmen in folgenden 4 Bereichen gefördert werden: Erleichterung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels; lebenslanges Lernen und Verbesserung der Fortbildungssysteme; aktive Arbeitsmarktpolitik und Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung. Insgesamt sind zwischen den Jahren 2000 und 2006 rund 45 Milliarden ECU, das sind derzeit etwa 620 Milliarden Schilling, für die mittel- und osteuropäischen Länder an Strukturhilfen eingeplant. Davon wird jedes Jahr 1 Milliarde ECU, das sind cirka 13,8 Milliarden Schilling, ausschließlich für jene mittel- und osteuropäischen Staaten bereitgestellt, die noch nicht Mitglied der EU sind. Daher bezeichnet man diese Gelder auch als sogenannte "Heranführungshilfen". Die besondere Qualität der Vorschläge der Agenda 2000 liegt aber nicht nur in der Erhöhung der Effektivität der Unionspolitik, sondern vor allem auch darin, daß für die Bewältigung der Zukunft keine Erhöhung der Beitragssätze der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt notwendig sein wird. Obwohl alle Beitrittswerber potentielle Nettoempfänger sind, die Bevölkerung der Union um 100 Millionen Menschen anwachsen und die landwirtschaftliche Nutzfläche um bis zur Hälfte zunehmen könnte, wird der Beitrag, den Österreich höchstens leisten muß, 1,27 % unseres BIP nicht überschreiten. Diese Obergrenze galt schon bisher und stellt somit keine Neuerung dar, wenngleich man zugeben muß, daß geringere Rückflüsse aus Brüssel nicht auszuschließen sind. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Neue Mitgliedstaaten bedeuten zunehmend komplexere Entscheidungsstrukturen in den EU-Institutionen. Der im Juni 1997 durch den Europäischen Rat angenommene Vertrag von Amsterdam hat hier einige Verbesserungen gebracht, die vor allem von der Presse gerne übersehen werden. Die Anzahl der Beschlußfassungsverfahren wird von derzeit über 20 auf generell 3 reduziert: die Anhörung des Parlaments, das Verfahren der Mitentscheidung des Parlaments und die Zustimmung des Parlaments. Die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens wird erheblich ausgeweitet, sodaß fast alle Bereiche, die im Rat mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, dem Mitentscheidungsverfahren unterliegen. Der Ablauf des Verfahrens wird vereinfacht und das Europäische Parlament sukzessive dem Rat gleichgestellt. Der Vertrag von Amsterdam beinhaltet eine Reihe von institutionellen Reformschritten. Die Lösung einiger Fragen wurde aber auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. So wurde im Artikel 2 des "Protokolls über die Organe im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union" festgehalten, daß spätestens ein Jahr vor dem Zeitpunkt, zu dem die Zahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zwanzig überschreiten wird, eine Regierungskonferenz einberufen wird, um die Zusammensetzung der Organe zu überprüfen." Fixiert wurde aber zum Beispiel schon, daß es nach einer Erweiterung nur mehr einen Kommissar je Mitgliedstaat geben wird. Außerdem wird die Kommission ihre Tätigkeit in Zukunft unter der politischen Leitung des Präsidenten ausüben. Die Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips wird eingeschränkt und zu einem großen Teil durch Entscheidungen mittels qualifizierter Mehrheit ersetzt. Über die Neustrukturierung der qualifizierten Mehrheit muß aber noch verhandelt werden. Ob dies durch eine Neugewichtung der Stimmen im Rat oder durch ein System der doppelten Mehrheit geschehen wird, ist noch nicht entschieden. Diese Entscheidung wurde vertagt, gleichzeitig aber mit einer gewissen Automatik versehen und an die Reform der Europäischen Kommission gekoppelt. Das Europäische Parlament wird nicht mehr als 700 Abgeordnete zählen und ein Zustimmungsrecht bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten haben. Neu ist, daß der Vertrag von Amsterdam die Möglichkeit zur engeren Zusammenarbeit einer Gruppe von Mitgliedstaaten schafft. Die Mitgliedstaaten, die beabsichtigen, untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, können die in den Verträgen vorgesehenen Organe, Verfahren und Mechanismen in Anspruch nehmen, sofern sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Welche Konsequenzen dieses System mit sich bringen und wo es Anwendung finden wird, ist noch nicht vorhersehbar. Wird es genutzt, eröffnen sich aber weite Spielräume der intensiveren Zusammenarbeit. Selbstverständlich hat der Vertrag von Amsterdam neben dem Beginn der Institutionenreform noch unzählige weitere Neuerungen gebracht. Ich möchte nur das Beschäftigungskapitel oder die endgültige Durchsetzung der Freizügigkeit für die Unionsbürger erwähnen. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Die Geschichte der Europäischen Union ist beeindruckend: Sie hat sich von einer relativ kleinen Wirtschaftsgemeinschaft in den letzten Jahren zu einer politischen Union mit fünfzehn Mitgliedern und mehr als zehn Beitrittswerbern entwickelt. Wir werden auch im nächsten Jahrhundert darüber diskutieren, ob die Europäische Union nun lediglich ein Staatenbund ist oder sich zu einem Bundesstaat entwickelt. Und es werden wieder Beobachter von außen sein, die eine neue Bezeichnung dafür finden, was schlichtweg der Unionsalltag ist: So hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in seiner berühmten Maastrichtentscheidung die Europäische Union als Staatenverbund bezeichnet und damit die Realität ganz gut getroffen. Die Union ist mehr als ein Staatenbund aber doch kein Bundesstaat und sie wird sich auch in absehbarer Zeit nicht zu einem solchen entwickeln. Welcher Begriff im nächsten Jahrhundert erfunden werden muß, um den Zustand Europas zu bezeichnen, ist noch nicht klar. Daß wir aber gerade an den Grundlagen für ein neues Europa arbeiten und eigentlich schon mitten in diesem Neuerungsprozeß stehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Derzeit arbeiten wir an der Basis, die im nächsten Jahrhundert die Suche nach einem neuen Begriff für die Beschreibung des Zustands der Union notwendig machen wird. Diese Basis setzt sich zusammen aus Euro, Erweiterung und Vertiefung. Der Reformprozeß hat begonnen und jetzt ist es an der Zeit, ihm den Feinschliff zu geben. Österreich hat hierbei eine besondere Position, da es in der 2. Hälfte 1998 routinemäßig als erster der neuen Mitgliedstaaten die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen wird. Somit steht Österreich ein halbes Jahr lang an der Spitze der Union und wird alle notwendigen Verhandlungen leiten. Die wichtigen Themen der österreichischen Präsidentschaft sind schon vorherbestimmt: Wie schon erwähnt werden am 18. März die Erweiterungen zur Agenda 2000 vorgestellt, am 25. März wird der Konvergenzbericht präsentiert und der Verhandlungsprozeß mit den beitrittswilligen Staaten beginnt Ende März. Euro, Erweiterung und Vertiefung werden daher die großen Themen der österreichischen Präsidentschaft sein. Interessant wird auch die erste Evaluierung der Beschäftigungsstrategien der Mitgliedstaaten, wie sie vom Luxemburger Rat beschlossen wurden. Österreich kann sich hierbei mit der zweitniedriegsten Arbeitslosenrate der Union sicherlich profilieren und als relativ neutraler Ideengeber fungieren. Daneben muß aber auch die regulär anfallende Arbeit erledigt werden. So muß zum Beispiel immer in der zweiten Jahreshälfte der Haushalt für das nächste Jahr beschlossen werden. Außerdem vertritt die Präsidentschaft die Europäische Union nach Außen. Wir müssen uns nur die gegenwärtige Eskalation im Kosovo vor Augen führen, um die heiklen Aufgaben für die österreichische Präsidentschaft zu erahnen. Problematisch ist dabei, daß die Union - realistisch betrachtet - in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik noch immer ein Zwerg ist. Gerne wird der Vergleich mit dem Fliegen eines Flugzeuges verwendet: "In der EG sitzt ein Pilot im Cockpit der Maschine, während in der GASP im führerlosen Flugzeug 15 Co-Piloten diskutieren, ob und wann man starten soll." Die Situation hat sich zwar mit den Amsterdamer Beschlüssen verbessert, aber Österreich wird den Ratsvorsitz noch auf Basis der Maastrichter Regelungen inne haben. Die Zahl der Aufgaben für Österreichs Präsidentschaft ist also groß. Durch die Art der Verhandlungsführung kann die Präsidentschaft zum Gelingen der Reformvorhaben wesentlich beitragen. Gerade kleinere Mitgliedstaaten haben in der Vergangenheit mehrmals bewiesen, gute Ratspräsidentschaften zu absolvieren. Größere Staaten lassen sich aufgrund ihres Machtpotentials leichter dazu verleiten, ihre nationalen Interessen in den Vordergrund von Verhandlungen zu stellen. Dadurch wird die Kompromißfindung erschwert. Zwei gute Beispiele für gelungene Präsidentschaften kleinerer Staaten sind Holland und Luxemburg. Unter holländischer Präsidentschaft ist der Vertrag von Amsterdam beschlossen worden und Luxemburg hat die Staats- und Regierungschefs zu einem eigenen Beschäftigungsgipfel zusammengerufen. Neben dem inhaltlichen Aspekt ist die Präsidentschaft auch eine organisatorische Höchstleistung. Sie beginnt und endet mit jeweils einer "Megaveranstaltung". Am 1. und 2. Juli tagt die Bundesregierung mit der gesamten Europäischen Kommission und am 11. und 12. Dezember findet der Europäische Rat in Wien statt. Dazwischen kommt es zu zahlreichen weiteren Ministerräten, Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen. Die Europäische Kommission hat gegenüber der österreichischen Präsidentschaft relativ hohe Erwartungen. Wir hoffen, daß in einigen Bereichen der Agenda 2000, wie zum Beispiel der Strukturpolitik, während dieser Periode konkrete Kompromisse zustande kommen werden. Dies ist umso wichtiger, da die nachfolgende Präsidentschaft Deutschlands durch die anstehende Wahl zum Europäischen Parlament ein wenig beeinträchtigt werden könnte. Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren! Der Integrationsprozeß in Europa ist zukunftsorientiert. Stehenbleiben oder Zurückgehen ist undenkbar. Auf dem Weg zu einem vereinten Europa gibt es keinen Retourgang. Präsident Santer hat dies einmal folgendermaßen umschrieben: "There is no such a thing as the status quo. As a consequence of our own decisions, the European Union is always at the stage of work in progress. We have only one option: to move on." Es gibt natürlich viele Pessimisten, denen vor lauter Skepsis der Blick auf die historische Dimension des Projekts Europa verstellt ist. Aber wir werden alle Herausforderungen meistern, den Euro, die Vertiefung und den Erweiterungsprozeß. Und man wird sich wieder an die Unterzeichnung der Römischen Verträge erinnern, als Konrad Adenauer sagte:" In diesem geschichtlichen Augenblick der Unterzeichnung wollen wir uns gewiß keine Vorschußlorbeeren winden. Allzu viele Aufgaben liegen noch vor uns. Aber die Optimisten, nicht die Pessimisten haben recht behalten." Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. |
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