Vortrag Projekt Europa - Von Rom nach Maastricht Sehr geehrte Damen und Herren! Generell ist mir die Einbindung der Schulen in Informationsaktivitäten über die Europäische Union ein besonderes Anliegen. Die Idee Europa, ihre historische Einbettung und die konkreten Auswirkungen müssen an die Jugend weitergegeben werden. Es geht dabei um nachhaltige Aufklärungsarbeit gemeinsam mit Lehrern und Schülern. Dem Einzelnen soll ein Gespür für den europäischen Einigungsprozeß vermittelt werden. Dies ist gerade bei einem jungen Mitgliedstaat wie Österreich nicht zu unterschätzen, da Identifikation mit einem neuen System erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Die Europäische Union muß zu einer Selbstverständlichkeit der Herzen werden. Darunter verstehe ich die generelle Akzeptanz des Projekts Europa und der Europäischen Union. Generelle Akzeptanz deshalb, weil der kritische Blick auf einzelne, konkrete Bereiche und Strukturen durchaus erwünscht ist und sogar gefördert werden soll. Meine Damen und Herren Ich möchte mich nun kurz mit dem Beginn der Integrationsbemühungen nach dem zweiten Weltkrieg beschäftigen und dann sogleich einen Zeitsprung in die 80er Jahre machen. Mitte der 80er Jahre hat sich die Europäische Union - damals noch Europäische Gemeinschaft - selbst aus einer "Dämmerphase" aufgeweckt. Gemeinsam mit dem Fall des eisernen Vorhangs hat dies eine Dynamik ausgelöst, die den europäischen Integrationsmotor heute noch mit Energie versorgt. Ein weiterer Teil meines Vortrages wird sich mit der unmittelbaren Zukunft des Projekts Europa beschäftigen. Die großen Herausforderungen sind ja bekannt: Die Regierungskonferenz, die nächstes Monat in Amsterdam abgeschlossen werden soll, die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Osterweiterung. Mir geht es darum, den Stellenwert und die Einzigartigkeit der Europäischen Union im globalen politischen System herauszuarbeiten. Es gibt weltweit keine politische Institution, die mit dem europäischen Einigungswerk zu vergleichen ist. Die Supranationalität ist Ausdruck einer neuartigen Souveränität, und ruft als solche selbstverständlich auch Gegenmeinungen hervor. Meine Damen und Herren! Es ist etwas mehr als ein Monat vergangen, seit wir den 40. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge gefeiert haben. In ganz Europa wurde dieses Ereignis mit Festakten gewürdigt. In Rom selbst fanden die Hauptfeiern mit Kommissionspräsidenten Jacques Santer und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, José Maria Gil-Robles, statt. Auch in Österreich hat es diesem Tag zu Ehren Festakte und Veranstaltungen gegeben. Im Rahmen des heutigen Tages besonders erwähnenswert ist die von der Vertretung der Europäischen Kommission erstellte Broschüre "Das Abenteuer Europa", die mit Hilfe des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten an alle 16 und 17 jährigen Schüler Österreichs verteilt wird. "Das Abenteuer Europa" gibt einen Einblick in die historische Entwicklung Europas von den Römischen Verträgen bis heute. Im speziellen wird auf die Situation der Jugend in den einzelnen Zeitabschnitten eingegangen. Diese Broschüre wurde von der Vertretung der Europäischen Kommission herausgegeben, um auf auf die Bedeutung der Römischen Verträge hinzuweisen. Lassen Sie es mich bewußt pointiert ausdrücken: Am 25. März 1997 hat die Europäische Union ihren 40. Geburtstag gefeiert. Der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) kann als historische Basis für die Europäische Union gewertet werden. Selbstverständlich dürfen die Bemühungen und Resultate der Integrationspolitik vor 1957 nicht vergessen werden. Aus diesem Grunde ist der Europatag, der den Anlaß für das heutige Forum Europa bildet und übermorgen - am 9. Mai - gefeiert wird, von besonderem Interesse. Der Europatag versetzt uns nämlich zurück zu den Wurzeln der Europäischen Union. Am 9. Mai 1950 hat der französische Außenminister Robert Schuman den von Jean Monnet entworfenen Plan für eine Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor allem zwischen Deutschland und Frankreich verkündet. Die Schuman-Deklaration war das konkrete Startzeichen für die erste der drei heute noch bestehenden Europäischen Gemeinschaften und somit für die Basis der Europäischen Union. Die Schuman-Deklaration bringt die Problematik der politischen Verhältnisse nach dem II. Weltkrieg auf folgende Formel: "Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen. Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen." Diese Solidarität der Tat soll entstehen "durch die Zusammenlegung der Grundstoffindustrien und der Errichtung einer Obersten Behörde, deren Entscheidungen für Frankreich, Deutschland und die anderen teilnehmenden Länder bindend sein werden. Dieser Vorschlag wird den ersten Grundstein einer europäischen Föderation bilden, die zur Bewahrung des Friedens unerläßlich ist." Die historische Bedeutung dieses Plans ist evident: Nur fünf Jahre nach Kriegsende hat Frankreich seinem ehemaligen Erbfeind ein gemeinsames Handeln auf den Gebieten Kohle und Stahl angeboten, die die Grundlage der klassischen Rüstungsindustrie waren und sind. Die Motive von Jean Monnet und Robert Schuman waren vielschichtig: Wirtschaftlicher Fortschritt und sozialer Zusammenhalt zählten unbestrittenermaßen dazu. Aber in eindrucksvollsten Worten hat der erste Kommissionspräsident Walter Hallstein festgehalten: "Kein Motiv für die Europäische Einigung kann es an Stärke mit dem Verlangen nach Frieden aufnehmen." Es ging also um die Aussöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern in Europa, insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland, und um die Sicherung eines dauerhaften Friedens auf unserem Kontinent. Diese Bestrebungen haben 1951 zur Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) durch die Staaten Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg geführt. Diese Gemeinschaft war offensichtlich ein Auslöser, der dem lange aufgestauten Wunsch nach der Integration Europas zum Vorschein verhalf und eine Kettenreaktion zur Folge hatte, die heute noch anhält. Jean Monnet und Robert Schuman hatten ihre großartige Vision durchgesetzt. Die damals führenden Politiker Europas, vor allem Konrad Adenauer in der Bundesrepublik Deutschland, Alcide De Gasperi in Italien, aber auch Politiker der Beneluxländer, halfen mit ihrer wohlwollenden Unterstützung. Ohne diese großen Staatsmänner wäre das Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen. Motiviert von diesem großen Erfolg wurden gleich die nächsten Schritte geplant: Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft war der Versuch, Armeeverbände aus Einheiten verschiedener Nationen aufzustellen. Die Europäische Politische Gemeinschaft sollte intensiveres Zusammenarbeiten auf der politischen Ebene bringen. Doch der Versuch, diese beiden Gemeinschaften zu installieren, scheiterte 1954. Die nächsten Initiativen ließen aber nicht lange auf sich warten. Schon 1955 unternahmen die Benelux-Staaten einen weiteren Anlauf. Sie forderten in einem Memorandum die Verschmelzung der nationalen Volkswirtschaften in einen einheitlichen Europäischen Binnenmarkt. Auf der Konferenz von Messina wurde der belgische Außenminister Paul Henri Spaak beauftragt, die Voraussetzungen hierfür zu untersuchen. Im April 1956 legte er einen Bericht über die Ausgestaltung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) vor. Dieser Spaak-Bericht war die Grundlage für die Ausarbeitung der neuen Verträge über die EWG und die EAG. Am 25. März 1957 wurden in Rom diese beiden Verträge von den Gründungsmitgliedern der EGKS unterzeichnet. Eine historische Zäsur für Europa, die sich heuer zum vierzigsten Male gejährt hat. Aufgrund ihrer fundamentalen Bedeutung für den alten Kontinent kann man heute durchaus vom 40. Geburtstag der Europäischen Union sprechen. Seit damals existieren die 3 Gemeinschaftsverträge nebeneinander. Im Laufe der Zeit hat sich für diese drei Gemeinschaften der Begriff Europäische Gemeinschaft entwickelt. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde 1993 formal die Bezeichnung Europäische Union eingeführt, wobei der EWG-Vertrag - adaptiert und in EG-Vertrag umbenannt - noch immer den Kern bildet. Es ist für uns heute sicherlich etwas schwierig, die Bedeutung der Unterzeichnung und die Emotionen der Menschen erahnen zu können. Mittels Zeitungsartikel kann man jedoch versuchen, einen ungefähren Einblick zu bekommen. So schwärmte die auch damals schon nüchterne Frankfurter Allgemeine Zeitung von der Unterzeichnung auf dem Römer Kapitol: "Rom hat aus Anlaß der Unterzeichnung ein Festkleid angelegt. Auf dem hoch über der Stadt angelegten Vorplatz rings um das Reiterstandbild Mark Aurels hat die Stadt 27 Bildteppiche ausgehängt. Das Forum Romanum bis zum Titusbogen und zum Kolosseum war in Scheinwerferlicht getaucht. Alle öffentlichen Gebäude waren illuminiert." Auch an den österreichischen Medien ist dieses Ereignis natürlich nicht spurlos vorübergegangen. "Die Presse" meldete: "Am Montag, dem 25. März 1957, kurz nach 18 Uhr setzten die Vertreter Belgiens, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs und der Niederlande im Saal der Horatier und Curiatier des Konservatorenpalastes auf dem Kapitol ihre Unterschrift unter die beiden bisher wichtigsten Vertragswerke auf dem Wege zur europäischen Integration: dem Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und dem Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft. Das Dröhnen der Glocken des Kapitols begleitete den feierlichen Unterzeichnungsakt, der mit dem traditionsreichen Zeremoniell der Ewigen Stadt umgeben war." Die Feierlichkeiten und das Dröhnen der Glocken hat Paul Henri Spaak später zu der historischen Aussage verleitet: "25. März 1957: Eine unvergeßliche Zeremonie. Die Italiener leisteten wundervolle Arbeit. Die Glocken von Rom erschallten laut und klar, um die Geburt des neuen Europa zu feiern." Für Henri Spaak war es eindeutig: Die Unterzeichnung der Römischen Verträge ist der Beginn einer neuen Epoche der europäischen Geschichte. Er meinte: "Wenn wir Erfolg haben, wird dieser Tag als einer der wichtigsten in die Geschichte Europas eingehen." Aus heutiger Sicht kann man diesem großen Europäer nur bedächtig zustimmen und sein politisches Geschick bewundern. Der deutsche Bundeskanzler und Vorsitzende der Konferenz Konrad Adenauer hat schon damals die richtigen Worte gefunden, als er in Abwandlung der altrömischen Formel, mit der einst verdiente Konsuln geehrt wurden, erklärte: "Der Staatsmann Paul Henri Spaak hat sich um Europa verdient gemacht." Ein kleines Detail, das vor allem für die anwesenden Schüler interessant sein könnte, möchte ich nicht verschweigen: Auch der italienische Unterrichtsminister Rossi hat die Bedeutung dieses Tages erkannt und den 25. März 1957 für schulfrei erklärt. Durch die Lehrer hat er im ganzen Land verlesen lassen: "Die Zeit, da sich die Völker gegenseitig zerfleischten, sei endgültig vorbei, die Stunde der Einigung und des Zusammenschlusses gekommen." Meine Damen und Herren! Es war ein großer, ein geschichtsträchtiger Tag. Europa und die Welt war sich dessen bewußt. Ich denke, diese kleinen Einblicke und Anekdoten lassen erahnen, mit welchem Hoffnungsschimmer die Gemeinschaftsverträge die Nachkriegszeit erleuchteten. Die Euphorie war nicht unbegründet. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte haben sich die 3 Gemeinschaften zu einer europäischen Erfolgsstory entwickelt. Heute steht die Europäische Union mit 15 Mitgliedern und über 10 Beitrittsanträgen, vor allem der mittel- und osteuropäischen Staaten, am Vorabend einer weiteren Regierungskonferenz. Nach dem Gipfel von Amsterdam im Juni wird die Europäische Union mit mehr Kompetenzen gestärkt, transparenter und bürgernäher agieren können. Mit dem Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wurde die gemeinsame Politik vom Bereich Kohle und Stahl auf weitere Bereiche der Wirtschaft und der Landwirtschaft ausgedehnt. Kern des EWG-Vertrages war die Schaffung eines gemeinsamen Marktes mit freiem Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr. Zunächst war die Abschaffung der Zölle im Rahmen einer Zollunion vorgesehen. Diese Zollunion wird als Grundlage der Gemeinschaft bezeichnet. Sie wurde vor dem vorgesehenen Ende der Übergangszeit 1970 bereits am 1. Juli 1968 verwirklicht, sodaß der Gemeinsame Zolltarif gegenüber Drittländern eingeführt werden konnte. Zusätzlich ist die Verwirklichung gemeinsamer Politiken, vor allem der Gemeinsamen Agrar- und Handelspolitik, vorgesehen worden. Der EWG-Vertrag bildet also die Grundlage für die europäischen Bemühungen um Frieden, Stabilität und Wohlstand nach dem zweiten Weltkrieg. Aus funktionalistischer Sicht war die Zollunion nur der erste Schritt zur politischen Integration. Die Verträge haben dem Kontinent eine Chance gegeben, die es zu nutzen galt und die es heute noch zu nutzen gilt. Die Unterzeichnung allein hat den Erfolgskurs der Europäischen Integrationsbewegung sicherlich nicht zustande gebracht. Es war der permanente Wille, gemeinsam zusammenzuarbeiten und die anstehenden Probleme in den Griff zu bekommen. Willy Brandt meinte später einmal: "Verträge sind nie die Wirklichkeit selbst. Verträge stellen lediglich fest, was sein soll und was sein kann. Es kommt darauf an, was man daraus macht." Ich denke, wir Europäer haben unsere Chance genutzt und in nun schon 40 jähriger täglicher Arbeit bewiesen, daß "wir etwas daraus machen." Der Kontinent ist tatsächlich Schritt für Schritt zusammengewachsen. Wir müssen uns aber bewußt sein, daß Integration ein Prozeß ist, der nie für beendet erklärt werden kann. Die Bemühungen müssen weiter gehen. Auch heute werden Verträge abgeschlossen, die es in der Folge dann umzusetzen gilt. Österreich war an den Römischen Verträgen noch nicht beteiligt, versuchte sich aber über Umwege mit der Europäischen Gemeinschaft zu verbinden. Rückschläge gab es bei diesem Annäherungsprozeß aufgrund der Südtirolproblematik und der strikten sowjetischen Auslegung der österreichischen Neutralität. Erst 1973 kam es zu dem oftmals vergessenen Freihandelsabkommen zwischen Österreich und der EWG, das für Österreich eine wichtige Liberalisierung des Handelsverkehrs brachte. Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht eine Chronologie der historischen Ereignisse zwischen 1957 und dem Vertrag von Maastricht 1992 präsentieren. Unbestrittenermaßen gab es in diesem Zeitraum eine Vielzahl wichtiger Reformschritte, die den europäischen Integrationsprozeß stärkten. Als Beispiel seien nur der Beitritt neuer Länder, der Fusionsvertrag 1965 oder die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament 1979 erwähnt. Aber keiner dieser Schritte kann es an Wichtigkeit mit der Dynamik aufnehmen, die seit dem Ende der achtziger Jahre das Gesicht der Europäischen Union verändern. Überspitzt formuliert sind nämlich die 3 Gemeinschaftsverträge EGKS, EAG und EWG von 1958 bis 1986 nicht angetastet worden. Zum einen, weil es nicht notwendig war, zum anderen, weil sich die Mitgliedstaaten nicht auf neue Kompromißformeln einigen konnten. Nach fast 30 Jahren vertraglicher Kontinuität ist jedoch der Ruf nach Neuerungen und Adaptionen unüberhörbar geworden. Die Verträge mußten erstmals inhaltlich weiterentwickelt werden. Dies geschah 1986 mit der Einheitliche Europäischen Akte, die das Verfahren der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament einführte, Mehrheitsentscheidungen im Rat erleichterte, die Institutionalisierung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit brachte und die Vollendung des Binnenmarktes festschrieb. Außerdem wurde der Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft um die Bereiche wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, Forschung und technologische Entwicklung sowie Umwelt ergänzt. Die Einheitliche Europäische Akte war ein riesiger Fortschritt für die Europäische Gemeinschaft. Der Prozeß war nicht mehr zu stoppen. Schon Artikel 1 der Einheitlichen Europäischen Akte wies auf die zukünftige Hauptaufgabe, nämlich die Schaffung einer Europäischen Union, hin: "Die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Politische Zusammenarbeit verfolgen das Ziel, gemeinsam zu konkreten Fortschritten auf dem Weg zur Europäischen Union beizutragen." Meine Damen und Herren! Der Weg zur Europäischen Union war nicht mehr weit. Die europäische Integration verlangte nach weiteren Schritten, sodaß schon wenige Jahre nach der Einheitlichen Europäischen Akte die 2. Vertragsrevision, der Maastrichter Vertrag über die Europäische Union, eingeleitet wurde. Im Dezember 1990 haben die Staats- und Regierungschefs der EG in Rom zwei Regierungskonferenzen einberufen. Die eine hat die erforderlichen Maßnahmen zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion erarbeitet, die andere kümmerte sich um die Verwirklichung der politischen Union. Die Ergebnisse dieser beiden Regierungskonferenzen sind im Vertrag von Maastricht niedergelegt. Dieser fixierte die Regeln für die Europäische Union, wie sie heute existiert. Er wurde am 7. Februar 1992 von den damals 12 Mitgliedstaaten der drei Europäischen Gemeinschaften unterschrieben und trat nach Durchlaufen von teils sehr schwierigen Ratifikationsverfahren am 1. November 1993 in Kraft. Mit diesem Vertrag wurden die bestehenden drei Gemeinschaften unter einem gemeinsamen Dach zusammengefaßt und die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Inneres festgeschrieben. Der Vertrag über die Wirtschaftsgemeinschaft wurde in Europäische Gemeinschaft umbenannt. Dies aus einem einfachen Grund: Durch den Maastrichter Vertrag wurde der EWG eine Vielzahl neuer Kompetenzen zugestanden, die über die Belange einer Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Die Streichung des Wortes Wirtschaft aus aus EWG ist somit die symbolische Konsequenz dieser Kompetenzerweiterung. Kernstück der Union ist die Europäische Gemeinschaft mit den Bestimmungen über die Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion. Darüber hinaus sind der Union zahlreiche neue Kompetenzen übertragen worden. Zum Beispiel in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend, Kultur, Forschung, Sozialpolitik, Gesundheitswesen, Umweltschutz, Verbraucherschutz, Transeuropäische Netze, Industrie und Entwicklungspolitik. Das Verfahren der Mitentscheidung hat im institutionellen Gleichgewicht eine Verschiebung zugunsten des Europäischen Parlaments gebracht. Seither kann das Parlament in einigen Bereichen Entscheidungen definitiv verhindern. Das gemeinsame Engagement in den Bereichen Sicherheit und Außenpolitik sowie in der Justiz- und Innenpolitik wird mittelfristig eine völlig neue Qualität der Integration bringen. Die Auswirkungen sind heute noch nicht abzusehen. Die Europäische Union muß einheitlich auftreten und mit einer Stimmen sprechen, nach innen wie nach außen. Bis dahin ist es sicherlich noch ein weiter Weg. Aber die Regierungskonferenz weist in die richtige Richtung. Ein für mich sehr wichtiger Punkt des Maastrichter Vertrages ist die Frage von Bürgernähe und Demokratie. Jacques Delors hat 1993 dazu gemeint: "Der Aufbau Europas kann nur gelingen und unseren Erwartungen entsprechen, wenn er drei entscheidende Bedingungen erfüllt: die Beteiligung der Bürger, die entschiedene Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und die Achtung der europäischen Vielfalt." Dieses Triumvirat von Bürgerbeteiligung, Subsidiarität und Identität kristallisiert sich in der Unionsbürgerschaft, die durch den Vertrag über die Europäische Union geschaffen wurde. Der Beteiligung der Bürger wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, sodaß ich darauf ein bißchen näher eingehen möchte. Schon in den 70er Jahren sind vom belgischen Premierminister Tindemans Vorschläge unterbreitet worden. Die Einräumung eines Wahlrechts der Gemeinschaftsbürger auf kommunaler Ebene sowie eine Anerkennung der Grund- und Freiheitsrechte im Gemeinschaftsrecht waren wesentliche Forderungen. 1985 hat der "Adonnino-Ausschuß" dem Europäischen Rat einen Katalog mit konkreten Maßnahmen für ein Europa der Bürger vorgeschlagen. Ein Abbau der Grenzformalitäten, die gegenseitige Anerkennung von Diplomen und Prüfungszeugnissen, ein Petitionsrecht und die Einrichtung eines Bürgerbeauftragten beim Europäischen Parlament sollten umgesetzt werden. Die Einheitliche Europäische Akte diskutierte auch schon den Gedanken einer Europabürgerschaft. Aber erst der Vertrag über die Europäische Union brachte den entscheidenden Durchbruch. Artikel A besagt, daß "dieser Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas darstellt, in der die Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden." In der Präambel und in Artikel F des Vertrages verpflichtet sich die Europäische Union, die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention der Menschenrechte gewährleistet sind, zu achten. Besonders hervorzuheben ist aber, daß mit der Europäischen Union die Unionsbürgerschaft eingeführt wurde. Die Unionsbürgerschaft tritt neben die nationale Staatsangehörigkeit, sodaß die nationale Identität der Unionsbürger weiterhin erhalten bleibt. Artikel 8 vermittelt konkrete europäische Bürgerrechte: Die Bürger der Mitgliedstaaten können sich als Unionsbürger im gesamten Gebiet der Union frei bewegen und sich am Ort ihrer Wahl niederlassen. Sie haben das Recht, sich an Kommunalwahlen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, aktiv und passiv zu beteiligen. Auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament dürfen die Unionsbürger in dem Mitgliedstaat, in dem sie wohnen, das aktive und passive Wahlrecht ausüben. Jeder Unionsbürger besitzt darüber hinaus das Recht, sich im Rahmen des Petitionsrechts auch mit persönlichen Anliegen an das Europäische Parlament zu wenden. Vom Europäischen Parlament wurde auch ein Bürgerbeauftragter bestellt, der konkreten Beschwerden von Unionsbürgern über Mißstände bei der Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane nachgeht. Schließlich genießen die Unionsbürger im Hoheitsgebiet eines Drittstaates diplomatischen und konsularischen Schutz durch alle dort vertretenen Mitgliedstaaten, sofern das eigene Land dort nicht vertreten ist. Zum Stichwort Demokratisierung ist vor allem das schon erwähnte Verfahren der Mitbestimmung oder Kodezisionsverfahren anzuführen. Das Europäische Parlament ist hierbei in die Entscheidungsprozesse gleichberechtigt mit dem Rat eingebunden. Entscheidungen können vom Europäischen Parlament nun erstmals endgültig verhindert werden. Für die Zukunft ist es mittlerweile das erklärte Ziel aller Mitgliedstaaten, den Großteil der Entscheidungen mittels Kodezisionsverfahrens zu treffen. Generell hat der Maastrichter Vertrag eine Stärkung des Europäischen Parlaments mit sich gebracht. Die Möglichkeit des Parlaments, die Kommission mittels eines Mißtrauensvotums abzusetzen, ist nur ein Aspekt davon. Meine Damen und Herren! Das ist der heutige Stand der Europäischen Union. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte und dem Vertrag über die Europäische Union ist ein gemeinsames Europa entstanden, das heute schon mit den großen Herausforderungen von morgen konfrontiert ist. Die Wirtschafts- und Währungsunion, die Erweiterung und die Regierungskonferenz. Doch während die Wirtschafts- und Währungsunion schon vertraglich festgelegt ist und nun auf ihre Umsetzung wartet, ist in den Bereichen der Erweiterung und der Regierungskonferenz noch vieles offen. Lassen Sie mich die Anwesenheit der Europtimuspreisträger aus den EU-Nachbarstaaten zum Anlaß nehmen und einige Worte über die Erweiterung und die damit im Zusammenhang stehende Regierungskonferenz sagen. Der Maastrichter Vertrag ist nicht perfekt. Schwierige Verhandlungen erforderten Kompromisse, die zum Teil in einem kleinsten gemeinsamen Nenner mündeten. So ist im Vertrag selbst schon seine eigene Revision vorgesehen. Diese Regierungskonferenz zur 3. Vertragsrevision hat am 29. März 1996 in Turin begonnen. Die Kommission hat auf Ersuchen der italienischen Präsidentschaft eine Stellungnahmen ausgearbeitet, in der ihre wichtigsten Anliegen artikuliert werden. Sehr allgemein formuliert lassen sich diese Forderungen in 3 große Bereiche unterteilen: Der Dienst für die Bürger Europas muß in den Mittelpunkt des politischen Handelns gestellt werden, die außenpolitische Identität der Europäische Union muß gestärkt werden und die Institutionen sind hinsichtlich eines erweiterten Europas zu reformieren. Gerade der letzte Punkt ist heute, am Tag der Europtimus-Preisverleihung für grenzüberschreitende Schul- und Schüleraktivitäten, hervorzuheben. Die jetzt dem Ende zugehende Regierungskonferenz ist sehr wahrscheinlich die einzige und letzte Gelegenheit, in einem Kreis von 15 Mitgliedstaaten Überlegungen anzustellen, wie die Union in einem erweiterten Rahmen funktionieren kann. Die anstehenden Entscheidungen müssen diesmal getroffen werden, da die Wahrscheinlichkeit, zufriedenstellende Lösungen zu finden, mit zunehmender Mitgliederzahl immer geringer wird. Wie ich schon gesagt habe, klopfen über 10 Staaten an die Pforten der Europäischen Union und wollen aufgenommen werden. Die mittel- und osteuropäischen Staaten Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei, Lettland, Estland, Litauen, Bulgarien, Tschechische Republik und Slowenien haben bereits einen formellen Beitrittsantrag gestellt. Der erste kam am 31. März 1994 von Ungarn und der letzte am 10. Juni 1996 von Slowenien. Für alle folgenden Überlegungen gilt als Voraussetzung der untrennbare Zusammenhang zwischen Vertiefung und Erweiterung der Union. Derzeit befinden wir uns im Vorfeld der ersten Beitrittsverhandlungen. Die Europäische Kommission wurde beauftragt, Stellungnahmen zu den Beitrittsanträgen der einzelnen Länder zu erstellen. Diese Stellungnahmen sollen die Beitrittswerber hinsichtlich der vorhin genannten Beitrittsbedingungen durch-leuchten und Empfehlungen über Aufnahme und Führung der Beitrittsverhandlungen beinhalten. Zu diesem Zweck hat die Kommission Fragebögen, die sogenannten Questionnaires, mit ca. 3000 Fragen an die Beitrittswerber ausgesandt. Der letzte Fragebogen ist Ende Juli 1996 retourniert worden. Die Kommission hofft, ihre Stellungnahmen so bald wie möglich nach Abschluß der Regierungskonferenz veröffentlichen zu können. Auf Basis dieser Stellungnahmen sollen laut Zeitplan 6 Monate nach Beendigung der Regierungskonferenz, das heißt wahrscheinlich Anfang 1998, die individuellen Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Einen kollektiven Beitritt aller Reformstaaten wird es aufgrund der starken Unterschiede jedoch aller Voraussicht nach nicht geben können. Die Beitritte werden vielmehr spezifisch erfolgen und von der Erfüllung der geforderten Kriterien abhängen. Die Erweiterung ist kein einseitiger Prozeß. Die Mindestvoraussetzung, die seitens der Union geleistet werden muß, ist die Anpassung ihrer Institutionen und Entscheidungsstrukturen an die zukünftigen Gegebenheiten. Ansonsten ist die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gefährdet, insbesonders unter dem Aspekt, daß eine Verdoppelung der derzeitigen Mitgliederzahl möglich scheint. Der Verhandlungsprozeß befindet sich gerade in der Endphase. Im Juni wird der Europäische Rat in Amsterdam die Regierungskonferenz abschließen und Verträge zu einer neuen, effizienteren, transparenteren und demokratischeren Union vorlegen. Die Verhandlungen sind sehr intensiv. Jedes Land versucht, seinen Standpunkt durchzusetzen. Oberflächlich betrachtet entsteht dabei das Bild einer zerstrittenen Union mit starren Fronten. Aber hinter den Kulissen vereint die Teilnehmer der Wunsch nach einem gemeinsamen Europa. Was die Regierungskonferenz anbelangt bin ich optimistisch und vertraue auf Henri Spaak. Seine Lehre aus den Verhandlungen über die Römischen Verträge war: "Wo politischer Wille ist, gibt es keine unüberwindlichen technischen Probleme." Meine Damen und Herren! Die Kommission und die meisten Mitgliedstaaten drängen also auf eine rasche Reform der Institutionen. Die Europäische Kommission hat für das Parlament, den Rat, die Kommission und generell für die Entscheidungsstrukturen Reformvorschläge vorgelegt. Zum aktuellen Zeitpunkt umfassen diese Reformvorschläge unter anderem folgende Punkte: Das Parlament soll weiterhin repräsentativ zur Bevölkerungsstärke der Mitgliedstaaten zusammengesetzt werden. Deshalb unterstützt die Kommission den Reformvorschlag des Parlaments, die Zahl der Abgeordneten auf 700 zu begrenzen, unabhängig von der Anzahl der Mitgliedstaaten. Als reformbedürftig definiert die Kommission den Ratsvorsitz, da sich die halbjährliche Rotation nachteilig auf die Effizienz dieses Organs auswirkt. Hier gibt es einige Vorschläge von den Mitgliedstaaten. So könnte eine kombinierte Präsidentschaft von mehreren Staaten eingeführt werden, oder der Ratspräsident könnte zusammen mit einigen Vizepräsidenten für länger als ein halbes Jahr gewählt werden. Mit den Beitritten mehrerer kleiner, bevölkerungsarmer Staaten verschieben sich die Machtrelationen und somit die Stimmengewichtungen im Rat zugunsten der Kleinen. Die Kommission ist bestrebt, das heutige Gleichgewicht zu erhalten. Zum einen sollte die bei 71% liegende Schwelle für qualifizierte Mehrheiten nicht erhöht werden, zum anderen ist es denkbar, ein neues Verfahren der doppelten Mehrheit einzuführen, das sowohl auf die Mehrheit der Mitgliedstaaten als auch auf die Mehrheit der Unionsbevölkerung, beziehungsweise auf die wirtschaftliche Stärke, Rücksicht nimmt. Der Kommissionspräsident soll vom Europäischen Rat benannt und vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Die Kommissare sollen unter verstärkter Mitwirkung des Präsidenten der Kommission designiert werden. Zukünftig soll es nur mehr einen Kommissar je Mitgliedstaat geben. Die Reformierung der Europäischen Kommission ist für mich natürlich von besonderem Interesse. Deshalb möchte ich einen kleinen Einblick in die aktuellen Vorschläge geben. Die Palette ist groß. Diskutiert werden unter anderem die Installierung von Juniorkommissaren, ein Rotationssystem und die nationsunabhängige Auswahl durch den Kommissionspräsidenten. Es gibt auch den sehr weit gehenden Vorschlag, alle Institutionen in ein Paket zu geben und jedem Mitgliedstaat anteilsmäßig Posten aus diesem Paket zuzuordnen. Neben der Reform der Institutionen muß jedoch auch die Anpassung der Entscheidungsstrukturen in Angriff genommen werden. Die Kommission fordert die Reduktion des Einstimmigkeitsprinzipes im Rat. Nur Bestimmungen von grundlegender Natur, "Verfassungsbestimmungen", sollen zukünftig der Einstimmigkeit bedürfen, ansonsten wird qualifizierte Mehrheit vorgesehen. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und den meisten Mitgliedstaaten fordert die Kommission die Vereinfachung der Verträge und die bessere Nachvollziehbarkeit der Beschlußfassung. Am Ende des Prozesses soll ein Vertrag mit einheitlichen Institutionen stehen. Die Anzahl der Beschlußfassungsverfahren soll von derzeit über 20 auf 3 reduziert werden: Die Stellungnahme des Parlaments, das Kodezisionsverfahren und die Zustimmung des Parlaments. Die Vereinfachung des derzeit komplizierten Kodezisionsverfahrens und die Vergrößerung seines Anwendungsbereiches etabliert sich immer mehr als eine zentrale Thematik in den aktuellen Verhandlungen. Kompromisse wird es hier sicherlich geben. Um die schwierigen Verhandlungen etwas voranzubringen, hat der niederländische Vorsitz die Frage der Flexibilität zur Sprache gebracht. Flexibilität ist die Möglichkeit für einzelne Mitgliedstaaten, die Ziele der Union rascher zu erreichen als andere. Konkret bedeutet es die Ausweitung des Mehrheitsentscheidungsverfahrens bei gleichzeitigem Vorhandensein von Ausnahmeklauseln, sodaß einzelne Staaten nicht mitmachen müssen. Dabei dürfen jedoch die gemeinsamen Ziele und die Einheit des institutionellen Systems nicht beeinträchtigt werden. Anwendungsmöglichkeiten für die Flexibilität sieht die Kommission vor allem im zweiten und beim dritten Pfeiler, nicht jedoch bei Politikfeldern, die bereits vergemeinschaftet sind. Wenn Binnenmarktregeln sowie andere wichtige Gemeinschaftspolitiken nicht angetastet werden, kann man über solch eine verstärkte Zusammenarbeit einiger Mitglieder, zum Beispiel in der Steuerpolitik, nachdenken. Meine Damen und Herren! Ich habe schon vorhin etwas intensiver auf den wichtigen Bereich der Unionsbürgerschaft erläutert. Deshalb möchte ich nun am Ende meiner Ausführungen auf das zukünftige Verhältnis zwischen Europäischer Union und ihren Bürgern eingehen. Die Mitgliedstaaten und die Union sind nämlich auch hier im Rahmen der Regierungskonferenz gefordert. Die Europäische Kommission will, wie schon erwähnt, ein Europa im Dienste des Bürgers. Dieses Europa hat spezifische historische und gesellschaftliche Wurzeln, die durch die Europäische Union gefestigt werden sollen. Grundlage der Europäischen Union ist das europäische Gesellschaftssystem, das schon durch die Ziele des Maastrichter Vertrages in Artikel B determiniert ist. Das europäische Gesellschaftsmodell basiert auf den gemeinsamen Wertvorstellungen, die die Grundwerte der Demokratie, wie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, mit den Prinzipien der Marktwirtschaft, der Solidarität und des Zusammenhalts verbinden. Die Konferenz soll dieses Modell weiter fördern. Einerseits, indem sich die Union in einem stärkeren Ausmaß den individuellen Menschenrechten verpflichtet, möglicherweise auch der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte beitritt. Andererseits ist die soziale Dimension zu stärken, sodaß zumindest das Protokoll über die Sozialpolitik vergemeinschaftet wird. Die Kommission sieht eine weitgehende Neustrukturierung der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres vor. Die auf Einstimmigkeit basierende zwischenstaatliche Zusammenarbeit der 3. Säule hat in den Bereichen Asylpolitik, Einwanderungspolitik, Terrorismusverhütung usw keine zufriedenstellenden Ergebnisse hervorgebracht. Um dem entgegenzuwirken, wünscht die Kommission eine Vergemeinschaftung von Teilen aus den Bereichen Justiz und Inneres. Vor allem die Regelungen bezüglich der Überschreitung der Außengrenzen, der Behandlung von Staatsangehörigen dritter Länder, der Drogenpolitik, Einwanderungspolitik und Asylpolitik sollen in die erste Säule übernommen werden. Erwähnenswert ist, daß auch eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten die Vergemeinschaftung dieser Politikbereiche und die obligatorische Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für erforderlich hält. Alle Zeichen weisen darauf hin, daß hier eine Einigung zustande kommen wird. Die Kommission verlangt weiters die Einbindung des Inhalts des Schengener Abkommens in den neuen Vertrag. Meine Damen und Herren! Die Regierungskonferenz zur 3. Vertragsrevision ist der Beginn einer neuen Ära der europäischen Integration. Die derzeitigen Verhandlungen müssen immer im Bewußtsein der historischen Entwicklung der europäischen Integration gesehen werden. 40 Jahre nachdem sich 6 Länder in den Römischen Verträgen zu einem immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker verpflichtet haben, bereitet sich die Europäische Union auf die Mitgliedschaft von 10-15 neuen Staaten vor. In Anbetracht dieser großen politischen Vorhaben sollten wir aber nie vergessen, daß es die kleinen Schritte des täglichen Lebens sind, die den Erfolg des Projekts Europa ausmachen. Es gibt natürlich viele Pessimisten, denen vor lauter Skepsis der Blick auf die historische Dimension des Projekts Europa verstellt ist. Aber Ende nächsten Monats wir die Regierungskonferenz zu einem positiven Ende gekommen sein. Und man wird sich wieder an die Unterzeichnung der Römischen Verträge erinnern als Konrad Adenauers sagte: "In diesem geschichtlichen Augenblick der Unterzeichnung wollen wir uns gewiß keine Vorschußlorbeeren winden. Allzu viele Aufgaben liegen noch vor uns. Aber die Optimisten, nicht die Pessimisten haben recht behalten." |
back ![]() |