Community Initiative URBAN Innovative Impulse für die Entwicklung der Städte Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich möchte deshalb meine Begrüßung nutzen, um am Beginn der Konferenz einige vielleicht grundsätzlichere Gedanken zur europäischen Strukturpolitik und Stadtentwicklung sowie deren Zukunft einzubringen. Wie Sie alle wissen ist die Europäische Union von erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Divergenzen gekennzeichnet. Zu den regionalen Unterschieden in den einzelnen Mitgliedstaaten kommen die teilweise enormen Unterschiede im Leistungsniveau der jeweiligen Volkswirtschaften hinzu. So reichte 1997 die Bandbreite des BIP pro Einwohner in Kaufkraftstandards (KKS) von ca 13.000 (13.187) in Griechenland bis ca 33.000 (32.885) in Luxemburg. Der EU-Durchschnitt lag bei 19.300 (19.287) KKS. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote betrug 1997 in Luxemburg 3.7% und in Spanien 20.9%. Hier ist Europäische Solidarität gefordert. Die Erfahrung zeigt, daß das freie Spiel der Marktkräfte nicht ausreicht, um eine ausgewogene Entwicklung zu gewährleisten. Die regionalen Disparitäten müssen ausgeglichen werden, und dazu bedarf es öffentlicher Interventionen. Wir müssen die Attraktivität der benachteiligten Regionen erhöhen, um die Lebensqualität der Menschen dort zu verbessern. Im November 1996 hat die Kommission den ersten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Europäischen Union veröffentlicht. Damit sind erstmals die Fortschritte bei der Verbesserung des Zusammenhalts beziehungsweise bei der Verringerung der Unterschiede im Lebensstandard und den wirtschaftlichen Chancen zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen evaluiert worden. In nur zehn Jahren ist es den vier ärmsten Ländern der EU gelungen, ihr Pro-Kopf-Einkommen von 66 auf 74 % des Gemeinschaftsdurchschnitts zu steigern. Hierzu hat die Strukturpolitik der EU wesentlich beigetragen. Das Wachstum in der Union nahm jährlich etwas über 2 % zu, die Beschäftigung um zirka 0,5 %. Seit 1983 sind 7 Millionen Arbeitsplätze jährlich geschaffen worden. Der Kohäsionsbericht vergißt aber auch nicht, die weniger guten Ergebnisse zu erwähnen und weist unter anderem auf Probleme der Arbeitslosigkeit und zunehmenden Armut in den Städten hin. Für einen großen Teil der Bevölkerung der Union ist dies harte Realität des täglichen Lebens. Etwa 80 % der europäischen Bevölkerung lebt in Städten. Europa ist der am meisten verstädterte Kontinent der Welt. In der Mitteilung "Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union" hat die Kommission im Mai 1997 unter anderem folgende Herausforderungen für Europas Städte definiert: Die größeren Städte bilden im Bereich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Hauptquelle des Wohlstands und tragen, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, unverhältnismäßig viel zum regionalen oder nationalen BIP bei. Der Anstieg des BIP hatte jedoch oftmals keine Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Zum Beispiel ist das BIP in den Stadtgebieten von Brüssel, dem Ruhrgebiet und London jährlich um 5-6 % gestiegen, während der jährliche Beschäftigungszuwachs im gleichen Zeitraum in Brüssel 0,2 % und im Ruhrgebiet 0,1 % betrug. In den meisten Städten ist die Gesamtbeschäftigung seit Mitte der 80er Jahre durch die bedeutende Ausweitung des Dienstleistungssektors gestiegen, der heute etwa 60-80 % aller Arbeitsplätze in den Städten stellt. Hierdurch wurden in den meisten Fällen die Verluste von Industriearbeitsplätzen ausgeglichen. Dienstleistungen wie Telekommunikation, Transport und Verkehr, Biotechnologie, Hochtechnologie, internationaler Handel und Einzelhandel, die Entwicklung der Informationsgesellschaft sowie Bildung und Forschung werden an Bedeutung gewinnen. Auch die Umwelt und die Bedingungen für die Lebensqualität im weiteren Sinne werden zu immer wichtigeren Standortfaktoren. Daher stehen die Städte vor der Herausforderung, sich ständig an rasche Veränderungen anpassen zu müssen. Durch die gegenwärtige Entwicklung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten werden die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten noch verstärkt. Während die höher qualifizierten Arbeitskräfte im offenen Wettbewerb bestehen können, hat sich eine schwächere Gruppe herausgebildet, die in ständiger oder beinahe ständiger Ausgrenzung lebt. Bildungsabschlüsse und der Zugang zum Arbeitsmarkt sind Hauptfaktoren bei der Teilung der städtischen Bevölkerung geworden. Arbeitslosigkeit drückt sich in den Städten durch die vielfältige Benachteiligung in steigender Armut und Obdachlosigkeit, sozialer Isolation, schlechten Wohnverhältnissen und Kriminalität aus. In vielen europäischen Städten hat die Ausgrenzung zur räumlichen Abtrennung sozialer Gruppen in Gegenden mit mangelnder Infrastruktur geführt. Dieses Phänomen gibt es schon seit langem in nordeuropäischen Städten, und auch in den Städten Südeuropas wird es immer häufiger. Manche Viertel in größeren Städten haben eine Arbeitslosenquote von über 30 % und eine sehr geringe Zahl von Bildungsabschlüssen zu verzeichnen. Mittlerweile hat man erkannt, daß die räumliche Trennung hinsichtlich Beschäftigung, Bildung und geringe Wohnraumqualität ein soziales Problem darstellt. Darüber hinaus wird auch die wirtschaftliche Attraktivität der Stadt beeinträchtigt. Meine Damen und Herren! Maßnahmen zur Förderung der städtischen Entwicklung werden seitens der Europäischen Union hauptsächlich durch die Strukturfonds und den Kohäsionsfonds finanziert. Zusammen belaufen sich diese Fonds im Zeitraum von 1994-1999 auf 170 Milliarden ECU (Preise von 1995). In den Ziel-1-Regionen ist der Erfolg der städtischen Gebiete entscheidend für ihr Wachstum und ihre Entwicklung allgemein. Nach derzeitigen Schätzungen fließen 30 bis 40 % der Gesamtmittel der Programme in Maßnahmen zur Stadtentwicklung. Ziel 2 richtet sich auf die Umstrukturierungsprobleme der Industriegebiete. Diese haben im allgemeinen einen sehr städtischen Charakter, und Stadtentwicklungsprojekte haben in der Regel einen hohen Anteil an der Strukturförderung. Die Maßnahmen der Strukturfonds und des Kohäsionsfonds tragen auch zu allgemein besser funktionierenden Ballungsräumen bei. Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, in die Sanierung verlassener städtischer Grundstücke und in die Aufbereitung städtischer Abwässer sind nur drei Beispiele für Maßnahmen, die sowohl zum Wachstum der regionalen Wirtschaft als auch zur nachhaltigen Entwicklung in den Städten beitragen. Im Rahmen der globalen Wirtschaft gewinnt das erreichte Bildungsniveau in den Städten für die Schaffung wirtschaftlichen Wohlstands zunehmend an Bedeutung. Hierbei können Maßnahmen des Europäischen Sozialfonds im Rahmen der Ziele 3 und 4, die horizontal angelegt sind und daher alle europäischen Städte betreffen, Platz greifen. Neben Maßnahmen, die sich auf Langzeitarbeitslose und arbeitslose Jugendliche konzentrieren, zielen die spezifischen Programme im Rahmen von Ziel 3 oft darauf ab, benachteiligte soziale Gruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies ist besonders für städtische Gebiete relevant. In den letzten Jahren wurde den sozioökonomischen Auswirkungen der räumlichen Trennung in den Städten im Rahmen der EU-Strukturpolitik zunehmend Beachtung geschenkt. Zunächst wurden auf Initiative der Kommission Modellvorhaben gemäß Artikel 10 der EFRE-Verordnung für innovative Ansätze in den Städten durchgeführt. Diese Erfahrung veranlaßte die Kommission 1994, im Rahmen der Strukturfonds die Gemeinschaftsinitiative URBAN ins Leben zu rufen. URBAN ist mit einem Budget von etwa 850 Millionen ECU für den Zeitraum 1994 – 1999 ausgestattet, mit dem in etwa 115 Städten Programme durchgeführt werden, unter anderem in Wien und Graz. Neben der Gemeinschaftsinitiative URBAN werden von den Mitgliedstaaten selbst im Rahmen der Gemeinschaftlichen Förderkonzepte immer mehr Maßnahmen zur nachhaltigen, wirtschaftlichen Entwicklung, zur Verbesserung von Beschäftigungsmöglichkeiten und Lebensbedingungen in benachteiligten städtischen Gebieten durchgeführt. Meine Damen und Herren! Die Zukunft der europäischen Strukturpolitik wird derzeit diskutiert. Mit der Agenda 2000 hat die Kommission im Juli 1997 ein ambitioniertes Reformprogramm vorgestellt, das die Struktur- und Kohäsionspolitik neu konzipieren wird.
Die neuen Gemeinschaftsinitiativen müssen das Gemeinschaftsinteresse und den innovativen Charakter der Initiativen besser hervorheben, als dies derzeit der Fall ist. Maßnahmen, die die 3 neuen Gemeinschaftsinitiativen dann nicht mehr abdecken, können in die Programme einbezogen werden, deren Finanzierung im Rahmen der verschiedenen Ziele geregelt ist. Des weiteren sollen die innovativen Maßnahmen und Pilotprojekte fortgeführt und verbessert werden. Dies bedeutet also, daß die Maßnahmen der nicht mehr fortgeführten Gemeinschaftsinitiativen in andere Programme aufgenommen werden können. Für URBAN-Programme wären, der Agenda 2000 folgend, am ehesten die neuen Ziel-2-Förderungen interessant. Die neuen Ziel-2-Fördergebiete wären Regionen, die von erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Umstellungen betroffen sind, zum Beispiel die Umstellung von einer Industrie- auf eine Dienstleistungsregion. Wichtigster Ansatzpunkt für diese Förderung sind die innovativen Klein- und Mittelbetriebe sowie die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung in den städtischen Problemgebieten. Durch die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung soll der Zugang zu den neuen Technologien erleichtert und somit die Qualifikation der Arbeitnehmer den Anforderungen der modernen Wirtschaft angepaßt werden. Kriterien der Mittelvergabe sind die Arbeitslosenquote, der Wandel der Beschäftigung in der Industrie und in der Landwirtschaft sowie die Dimension der sozialen Ausgrenzung. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit URBAN hat die Kommission vorgeschlagen, im Rahmen des neuen Ziel-2 städtische Problemgebiete als eigenständige Fördergebiete auszuweisen. Die Förderung von Ziel-2-Gebieten sollen insgesamt 18 % der Gemeinschaftsbevölkerung zugute kommen. Nach Vorstellungen der Kommission sollen davon 2 Prozentpunkte für solche städtische Gebiete vorgesehen werden. Eine solche "mainstream-Aufwertung" hat keine andere Gemeinschaftsinitiative erfahren. Unabhängig von dieser spezifischen Ziel-2-Gebietsausweisung können in den neuen Ziel-1- und Ziel-2 Programmen weiterhin Maßnahmen mit "Urbancharakter" vorgesehen und durchgeführt werden. Kommissar Fischler hat die neue Bestimmung von Ziel-2 folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "Das neue Ziel-2 soll Großstädte mit exorbitanter Arbeitslosigkeit abdecken, ländliche Räume mit einem großen Umstrukturierungsbedarf und wie bisher Gebiete mit rückläufiger industrieller Entwicklung." Meine Damen und Herren! Die Gemeinschaftsinitiative URBAN nimmt eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Lebens- und Einkommensbedingungen in städtischen Problemvierteln ein. In Wien können wir die Errungenschaften von URBAN täglich bestaunen. Der Gürtel entwickelt sich sukzessive zu einem blühenden Stadtteil mit Jugendkultur, sanierten Wohnungen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Ich denke, daß diese Konferenz ein wichtiger Beitrag ist, um die Weiterführung solcher Projekte in Zukunft zu sicherzustellen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. |
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