Spielbesprechung von Györög Kurt
Bali
17.06.2002

von Uwe Rosenberg
KOSMOS
für 3 - 4 Spieler
ab 12 Jahren

"Das Malaiische Archipel (das heutige Indonesien) blickt auf eine lange, wechselhafte Geschichte zurück. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts zerfiel das letzte Großreich der Majapahit und die regionalen Fürsten gründeten eigene Sultanate.

Aus dieser Zeit stammt die Geschichte dieses Spiels, die auf Bali heute noch in den berühmten Schattenspielen erzählt wird. Dabei bewegt ein Puppenspieler seine fein geschnitzten Figuren hinter einer hellen Leinwand und er spricht auch alle Rollen.

Zu dieser Zeit begründete sich die Herrschaft des Königs auf den Besitz heiliger Symbole. Das waren einmal kunstvoll gefertigte "Dämonenmasken" und die heiligen "Herrschafts-Siegel". Jedes dieser Symbole hat einen bestimmten Wert, und wer die Symbole mit dem höchsten Wert besaß, war anerkannter und geachteter König. Starb ein König, so wurden die Masken und Siegel unter den Bewerbern auf den Königsthron neu verteilt. Der "Dalang" (der oberste Puppenspieler) reiste von Insel zu Insel und vergab Dämonenmasken an die Bewerber, die durch ihre sichere Herrschaft würdig erschienen, der nächste König zu werden. Gelang es einem der Bewerber zum Zeitpunkt des Besuches des Dalang gar die weltliche und die geistige Macht auf sich zu vereinen, so gewann er das besonders wertvolle Herrschafts-Siegel dieser Insel.

Sobald alle Dämonenmasken verteilt waren, wurde der Bewerber, der die Symbole mit dem höchsten Gesamtwert errungen hatte (Masken und Siegel), zum neuen König gekrönt."


... und so interessant wie sich Bali anhört, so interessant ist auch das Spiel um die Macht !!!

Spielmaterial:
Zum Spiel gehören 4 Inseln, 135 Hofstaat-Karten (30x Priester, 30x Krieger, 30x Fürst, 30x Gelehrter, 15x Künstler), 24 Dalang-Karten, 4 Startkarten, 16 Dämonenmasken, 4 Priester- und 4 Fürsten-Chips, 4 Herrschafts-Siegel und 1 "Dalang".

Spielziel:
Die meisten Herrschafts-Siegel und die wertvollsten Dämonenmasken zu erringen, um damit der neue König (und somit Sieger des Spiels) zu werden.

Spielablauf:
Die 4 Inseln werden als "Viereck" so auf den Tisch gelegt, das immer die gleichen Farben in eine Richtung zeigen. Außerdem muss zwischen den Inseln mindestens zwei "Kartenbreite" Platz gelassen werden.
Die 4 Startkarten werden aussortiert - die restlichen Karten gut gemischt, und für jeden Spieler werden nun 3 Karten auf "seiner" Inselseite (bei allen 4 Inseln) verdeckt aufgelegt. Der Rest der Karten dient als verdeckter Nachziehstapel.
Die 4 Startkarten werden nun ebenfalls gemischt, und an die Spieler verteilt. (Bei 3 Spielern bleibt ein Karte übrig und kommt auf die Seite). Der Spieler mit der niedersten Nummer beginnt.
Auf diesen "Startkarten" wird für jeden Spieler angegeben, auf welcher Insel er bereits mit einem Priester- und einem Fürstensymbol vertreten ist. Auf seiner "Inselseite" wird ein jeweiliger Chip auf den vorgesehenen Platz gelegt, und zeigt an der er hier der Inhaber der "geistigen" bzw. "weltlichen" Macht ist. Auf Grund dieser Startkarten ergibt sich auch die "Startinsel" für den Dalang, und die Figur wird dort aufgestellt.
Die Herrschafts-Siegel und Dämonenmasken werden bereitgelegt.

Der Startspieler ist nun "aktiver" Spieler - und das Spiel beginnt auf der Insel mit dem "Dalang". Die restlichen Spieler werden als "passive" Spieler bezeichnet.
Die Spieler nehmen nun ihre jeweiligen Karten von dieser Insel auf die Hand.

Ein Spielzug gliedert sich nun immer in
1. Karten nachziehen:
- der aktive Spieler darf 2 Karten nachziehen, alle passiven Spieler nur 1 Karte - und
2. Karten ausspielen.
Der aktive Spieler darf beliebig oft je eine Karte ausspielen. Solange bleibt er auch aktiver Spieler.
Sein Spielzug endet, wenn
1. er keine Karte mehr spielen kann oder will (er muss auch gar keine Karte ausspielen),
2. sein Spielzug von einem passiven Spieler zwangsweise beendet wird, oder
3. ein Ortswechsel stattfindet, und es zu einer Wertung kommt.

Folgende Karten können vom aktiven Spieler ausgespielt werden:

Krieger
Alle passiven Mitspieler (bis auf einen, der vom Startspieler ausgesucht wird) werden damit zum Krieg herausgefordert.
Spielt ein passiver Spieler ebenfalls eine Kriegerkarte aus, so ist der Kampf abgewehrt. Kann er das nicht, so muss der passive Mitspieler fliehen. Er darf von seinen Handkarten noch 3 Karten auf seine "Kartenstapel" bei den anderen Inseln verteilen, und ist ab sofort - solange der aktive Spieler an der Reihe ist - nicht mehr auf der aktiven Insel "anwesend".
Spiel ein passiver Spieler sogar 2 Kriegerkarten aus, so wird damit der Zug des aktiven Spielers zwangsweise beendet. Als Ersatz für die zweite Karte darf eine Karte vom Nachziehstapel gezogen werden.

Gelehrter
Der aktive Spieler erhält das Recht bis zu 3 Karten zu seinen eigenen Kartenstapeln bei den anderen Inseln oben auf zu legen, oder von dort (von oben) zu ziehen.
Reihum haben nun auch alle passiven Spieler das Recht - nach Ausspielen einer Gelehrtenkarte - die gleiche Aktion durchzuführen.
Spiel ein passiver Spieler sogar 2 Gelehrtenkarten aus, gilt der Zug des aktiven Spielers als zwangsweise beendet. (Ersatz für 2. Karten darf gezogen werden.)

Künstler
Der aktive Spieler darf bis zu 3 seiner Handkarten auf den Ablagestapel legen, und dafür gleich viele neue Karten nachziehen.
Danach haben auch die passiven Spieler die Möglichkeit eine Künstlerkarte auszuspielen, oder mit 2 Künstlerkarten den Zug des aktiven Spielers zu beenden.

Priester
Durch das Ausspielen einer Priesterkarte erhält der aktive Spieler das Recht, weitere Priesterkarten vorzuzeigen, um somit eventuell die "geistige Macht" auf der aktuellen Insel an sich zu ziehen.
Die geht wie folgt vor sich:
Nach dem Ausspielen der Priesterkarte zeigt der aktive Spieler mindestens 1 oder beliebig viele - weitere Priesterkarten vor.
Reihum haben nun alle passiven Mitspieler die Möglichkeit, die Anzahl der Priesterkarten zu überbieten - also mehr Priesterkarten als der aktive Spieler vorzuzeigen (man kann auch einfach aussetzen und nichts tun).
Der Spieler, der die höchste Anzahl an Priesterkarten vorzeigen kann, erhält die "geistige Macht" auf der aktiven Insel, und somit auch den Priester-Chip auf seine Seite der Insel.
Unabhängig vom Ausgang, bleibt der aktive Spieler an der Reihe.

In der gleichen Art und Weise wird mit dem
Fürst
um die "weltliche Macht" - und somit um den Fürsten-Chip - gekämpft.

Gelingt es einem Spieler auf diese Art und Weise beide (geistige und weltliche) Macht-Chips auf seine Inselseite zu bekommen, so bekommt er auch das entsprechende Herrschafts-Siegel, welches 3 Siegpunkte wert ist.

Durch das Ausspielen einer
Dalang-Karte
kann versucht werden, das aktuelle Geschehen auf eine andere Insel zu verlegen. Der aktive Spieler spielt eine Dalang-Karte aus, und sagt einen der beiden aufgedruckten Inselnamen an, auf die das Geschehen verlegt werden soll.
Reihum haben nun alle passiven Spieler die Chance, diesen "Inselwechsel" - wenn sie dies überhaupt wollen - zu verhindern, indem sie ebenfalls eine Dalang-Karte ausspielen, auf der der "angesagte" Inselname angegeben ist.
Wird der "Inselwechsel" verhindert, so ist weiterhin der aktive Spieler an der Reihe, und darf eine beliebige Karte ausspielen.
Finder der "Inselwechsel" statt, müssen zuerst alle Spieler ihre Handkarten auf der "alten" Insel wieder ablegen. Die Karten dürfen vorher beliebig sortiert werden.
Jetzt wird überprüft, ob es zu einer Wertung kommt.
Findet keine Wertung statt, ist der aktive Spieler weiter an der Reihe und alle Spieler nehmen ihre Kartenstapel der "neuen" Insel auf die Hand, und es werden keine Karten nachgezogen.
Findet jedoch eine Wertung statt (dies ist dann der Fall, wenn der aktive Spieler, der den "Inselwechsel" herbeigeführt hat, auf der "neuen" Insel ein beliebiges - oder beide - Machtsymbole auf seiner Inselseite besitzt), so dürfen die Spieler nur die untersten 4 Karten des Kartenstapels aufnehmen. Der Rest kommt auf den Ablagestapel.
Die - oder der alleinige Besitzer - der Machtsymbole erhalten als Belohnung eine Dämonenmaske, und der Spielzug des aktiven Spielers ist damit zu Ende.
Sein linker Nachbar wird neuer aktiver Spieler, und es dürfen Karten nachgezogen werden.

Spielende:
Das Spiel endet nach der Wertung, in der die letzte Dämonenmaske vergeben wurde. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt das Spiel, und wird neuer Herrscher des Inselreiches.

Fazit:
Bali ist ein Kartenspiel, für das man Zeit braucht. Zeit, um sich die 28 (zwar kleinen) Seiten der Spielanleitung zu Gemüte zu führen, aber auch Zeit um in das Spiel "hinein zu kommen".
Bali ist kein Spiel, indem man gleich drauf los spielen kann. Dieses Spiel muss sich dem Spieler erst erschließen. Man muss es "kennen lernen", um die Feinheiten und taktischen Möglichkeiten einsetzen zu können.
Dazu sind dann aber schon einige Runden notwendig.
Wenn man sich aber diese Zeit nimmt, dann hat man mit Bali ein wunderschönes taktisches Spiel, das einem viel Freude und Spaß bereitet.

Die grafische Aufbereitung ist sehr gut gelungen, von der Kartengestaltung, über die "Inselkarten" bis zum "Dalang" selbst. Alles passt ausgezeichnet zum Thema und ist schön anzusehen.

Die Spielanleitung selbst ist gut geschrieben und mit Beispielen versehen. Bevor mir jedoch so ziemlich alles klar war, habe ich sie mir schon zweimal durchlesen müssen. Wenn man es dann aber einmal "hat", dann merkt man aber auch schnell, das das Spiel selbst gar nicht so komplex ist, wie es am Anfang den Anschein macht.
Es ist eher einfach, und man kann seinen taktischen Finessen freien Lauf lassen. Vor allem wenn man dann auch noch etwas Kartenglück besitzt.

Sollt einem das Kartenglück doch nicht so holt sein, dann kann man einiges davon aber auch mit einem guten Gedächtnis wieder wett machen. Es ist nämlich schon sehr wichtig, sich genau zu merken, bei welcher Insel man seine Karten in welcher Reihenfolge liegen hat.
Dann aber kann man durch geschicktes Spielen von Karten, einige raffinierte taktische Feinheiten - aber auch Gemeinheiten und Möglichkeiten ins Spiel bringen.

Die Spieldauer selbst wird mit ca. 1 Stunde angegeben, wird aber vor allem im Spiel zu viert nicht immer zu halten sein. Oder man sitzt mit den absoluten "Tüftlern" am Tisch, auch dann sollte man schon etwas mehr als 60 Minuten einplanen.

Bali ist sicher ein sehr gutes Kartenspiel, indem auch sehr viel steckt. Durch seinen Spielmechanismus, sein Kartenglück und auch seinen "Memory"-Anteil glaube ich jedoch nicht, das es sich um - wie auf der Spielschachtel angegeben - ein "Spiel für Viele" handelt.

Ich bin eher der Meinung, das es sich um eine Spiel für Wenige handelt, die dafür aber viel spielen - und die ein etwas glücksbetontes, aber doch mit vielen taktischen Elementen versehenes Kartenspiel zu schätzen wissen.
Diese aber werden sicher sehr viel Spaß an Bali haben ...

Vielen Dank an KOSMOS für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars

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