Spielbesprechung von Györög Kurt
Puerto Rico
11.05.2002

von Andreas Seyfarth
alea
für 3 - 5 Spieler
2-Spieler-Variante
ab 12 Jahren

"Goldsucher oder Gouverneur, Siedler oder Baumeister?
Welche Rolle ihr auch in der Neuen Welt spielt, ihr habt nur ein Ziel: möglichst viel Wohlstand und Ansehen zu erlangen! Wer besitzt die ertragreichsten Plantagen? Wer errichtet die bedeutendsten Gebäude? Wer erringt die meisten Siegpunkte ...?"


Puerto Rico - ein taktisches, Aufbau-, Strategie- und Wirtschaftsspiel - ganz und gar ohne Glücksfaktor !!!
So würde ich dieses, doch irgendwie einfache, aber trotzdem sehr umfangreiche und sehr vielfältige Spiel zu umschreiben versuchen ...

Spielmaterial:
In der gut aufgebauten und organisierten Schachtel befinden sich 5 Spielpläne, 1 Ablageplan, 1 Gouverneur-Karte, 8 Rollenkarten, 49 Gebäude, 58 Insel-Plättchen, 1 Kolonistenschiff, 1 Handelshaus, 5 Transportschiffe, 50 Siegpunktechips, 54 Dublonen, 50 Warensteine, 100 Kolonisten und eine Spielanleitung. (Das sind 384 Einzelteile !!!)

Spielziel:
Es wird über mehrere Runden gespielt. Wer am Ende des Spieles die meisten Siegpunkte vorweisen kann, hat das Spiel gewonnen.

Spielablauf:
Jeder Spieler erhält 1 Spielplan, und je nach Spieleranzahl Geld und 1 Plantagen-Plättchen.
Der Startspieler wird ausgelost und erhält außerdem noch die Gouverneur-Karte.

Der Ablageplan wird mit allen Gebäuden bestückt und in die Tischmitte gelegt. Das restliche Spielmaterial wird für alle sichtbar und leicht erreichbar bereitgelegt.
Darunter auch die Rollenkarten.

Der Startspieler beginnt nun, indem er sich eine der Rollen aussucht, und die entsprechende Aktion ausführt. Anschließend kommen dann auch alle anderen Spieler an die Reihe. Alle anderen Spieler dürfen diese Aktion ebenfalls ausführen. Der Vorteil für den Spieler, der die Rolle auswählt, liegt im Privileg - welches jeder Rolle zugeteilt ist - und das nur er nutzen kann.

Folgende Rollen stehen zur Verfügung:
Der Siedler:
- es darf eine Plantage aus der Auslage genommen werden.
- Privileg: es darf eine Plantage oder ein Steinbruch gewählt werden.
Der Bürgermeister:
- Die Kolonisten vom Kolonistenschiff werden auf die Spieler verteilt und alle Kolonisten am Spielplan dürfen neu umsortiert werden.
- Privileg: ein zusätzlicher Kolonist aus dem Vorrat.
Der Baumeister:
- Es darf ein Gebäude errichtet werden.
- Privileg: man zahlt eine Dublone weniger, als das Gebäude kosten würde.
Der Aufseher:
- Es werden Waren produziert.
- Privileg: einen zusätzlichen Warenstein einer Ware, die man soeben produziert hat.
Der Händler:
- Waren dürfen in das Warenhaus verkauft werden.
- Privileg: man erhält eine zusätzliche Dublone für den Warenverkauf.
Der Kapitän:
- Es MÜSSEN Waren an die 3 Transportschiffe verkauft werden.
- Privileg: man erhält einen Siegpunkt mehr.
Der Goldsucher:
- Hier gibt es keine Aktion.
- Privileg: man erhält eine Dublone aus dem Vorrat.

Nun ist der nächste Spieler an der Reihe, und darf sich eine der verbliebenen Rollen aussuchen. Nun können wieder alle Spieler, beginnend mit ihm (nicht mit dem Startspieler) die Aktion, die dieser Rolle zugrunde liegt ausführen.

Wenn alle Mitspieler an der Reihe waren, gibt der Startspieler die Gouverneur-Karte an den nächsten Spieler weiter. Auf alle übrig gebliebenen Rollen wird aus dem Vorrat eine Dublone gelegt.
(Dadurch werden Rollen, die wenig benutzt werden interessanter gemacht, da man zusätzlich alle auf der Rolle liegenden Dublonen erhält.) Alle gewählten Rollen kommen wieder zurück in die Tischmitte, und der neue Gouverneur beginnt wieder als Erster mit der Wahl einer neuen Rolle.

Die einzelnen Aktionen laufen alle nach einem fix vorgegebenen Schema ab und sind ganz genau geregelt.
Da das nicht immer sehr vorteilhaft ist und das Erarbeiten von Siegpunkte damit erschwert wird, hat man die Möglichkeit durch den Bau von bestimmten Gebäuden, gewisse "Spielregeln" aufzuheben bzw. sich bestimmte "Begünstigungen" oder "Vorteile" zu holen.
Für jedes Gebäude erhält man zu Spielende auch eine gewisse Anzahl an Siegpunkte.
Ebenso braucht man, um überhaupt Waren produzieren zu können, sogenannte "Produktionsgebäude". Ohne diese nützt nämlich die schönste Plantage nichts, da keine Waren erzeugt werden.

Einige Beispiele möchte ich hier erwähnen:

So ist es z.B. nur möglich Kaffee zu produzieren, wenn man eine Kaffeeplantage und gleichzeitig auch eine Kaffeerösterei besitzt - und diese mit Kolonisten besetzt sind. Ohne Kolonisten würde dort ja niemand arbeiten ;-)

Oder: Waren dürfen nur ins Warenhaus verkauft werden, wenn diese dort noch nicht enthalten sind. Baut man sich aber einen Kontor und besetzt diesen mit einem Kolonisten, dann darf auch eine Ware ins Warenhaus verkauft werden, die dort bereits enthalten ist.

Und da gibt es dann noch die "großen Gebäude", die den doppelten Platz am Spielplan einnehmen, aber bei Spielende, wenn sie von einem Kolonisten besetzt sind ("war ja wohl klar") zusätzliche Siegpunkte einbringen.
Für die "besetzte" Festung erhält man am Spielende zusätzlich für je 3 Kolonisten auf dem Spielplan 1 Siegpunkt.

Dies sind aber nur ein paar der Gebäude bzw. Möglichkeiten, die man in diesem wunderbaren Spiel ausnutzen kann.

Alle anderen sind ausführlich und mit Beispielen in der Spielanleitung bestens beschrieben ...

Und damit ist Puerto Rico aber auch schon vom Spielablauf her beschrieben. Der Rest liegt dann am Spieler, diese Möglichkeiten optimal zu kombinieren und auszunutzen.

Spielende:
Das Spiel endet, wenn eine der folgenden Bedingungen eintritt:
  • am Ende der Bürgermeisterphase gibt es nicht mehr genügend Kolonisten, um das Kolonistenschiff zu bestücken.
  • während der Baumeisterphase verbaut eine Spieler sein letztes Stadtfeld, oder
  • während der Kapitänsphase wird der letzte Siegpunkt aufgebraucht (eventuell fehlende Siegpunkte muss man sich merken, und in der Schlusswertung dem jeweiligen Spieler hinzurechnen).

Nun zählen die Spieler ihre Siegpunkte zusammen. Dazu gehören
- die Werte der Siegpunktechips
- die Siegpunkte der Gebäude und
- die Siegpunkte aufgrund besetzter großer Gebäude.

Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen. Bei Gleichstand entscheiden die restlichen Dublonen und Warensteine.

Fazit:
Puerto Rico ist ein faszinierendes Spiel, dem auf der Schachtel nur ein kleiner Hinweis fehlt: "Achtung - kann süchtig machen !!!" ;-)

Wenn man sich von der sehr umfangreichen, aber sehr gut aufgebauten, 12 Seiten umfassenden Spielregel nicht abschrecken lässt, eröffnet sich einem ein Spiel, das eigentlich keine Wünsche offen lässt. Abgesehen davon, das jeder - wenn das Spiel zu ende ist - gerne noch weiterspielen würde ;-)

Die Spielanleitung ist so umfangreich geraten, weil alle Rollen und Gebäude genauestens beschrieben und mit Beispielen erklärt werden. Es bleiben aber somit auch keine Fragen offen.
Wenn man die Spielanleitung dann durchgearbeitet hat, bemerkt man aber auch recht schnell, das der Spielablauf selbst sehr einfach ist:

Rolle auswählen - Privileg nutzen - wenn gewünscht, Aktion ausführen ...

Der Rest ist, wie schon oben beschrieben, die Kunst die Möglichkeiten optimal zu kombinieren und auszunutzen.

Spielpläne und -material sind grafisch gut gelungen und passen zum Thema. Durch die Vielzahl der Spielteile wird aber auch dementsprechend Platz benötigt, um diese für alle übersichtlich auflegen zu können.
Ein großes Lob gebührt aber der Gestaltung und Organisation der Spielschachtel. Alle Teile können übersichtlich untergebracht werden, und finden sich auch wieder dort wo man sie abgelegt hat.
Deshalb ist es auch möglich, die Schachtel wie ein Buch ins Spielregal zu stellen.

Außerdem gefällt mir gut, das nach Auswahl einer Rolle auch immer alle Spieler die dazugehörige Aktion durchführen dürfen. So kommt es zu keinen Wartezeiten, und man ist immer ins Spiel eingebunden.
Es ist auch faszinierend zu beobachten, wie sich im Laufe des Spieles die Spannung immer mehr aufbaut, und alle Spieler fesselt. Hat man am Beginn noch den Eindruck, es könnte öfters schneller gehen, und man möchte schon wieder an der Reihe sein, erwischt man sich im vorgerückten Spiel immer öfters dabei, das man das man sich nicht entscheiden kann, was man eigentlich als nächstes tun möchte. Es gibt ja so viele Möglichkeiten.

Wichtig ist es in diesem Spiel immer abzuwägen, welchen Nutzen habe ich von einer Aktion, aber was bringt das Ganze auch meinen Mitspielern. Man darf nie außer Acht lassen, das ja auch die Mitspieler die gleiche Aktion durchführen dürfen und daraus Vorteile erfahren.
Hier sei auch noch erwähnt, das es sich bei Puerto Rico um ein Spiel handelt, das ganz ohne Glücksfaktor auskommt.

Einziger kleiner Wehmutstropfen: immer wenn es am schönsten ist - ist es auch leider zu ende ;-) Ohne Rücksicht, das man ja noch das eine oder andere ins Auge gefasst hat.

Auch ist Puerto Rico kein Spiel, das man von Anfang an durchschaut, und sich eine Strategie oder Ähnliches bereitlegen kann. Mit jeder neuen Partie erschließen sich wieder neue Möglichkeiten, die es auszuprobieren gilt und an die man ja noch gar nicht gedacht hat.
Es ist schon notwendig einige Partien zu spielen, um eine kleine Übersicht der Möglichkeiten zu erhalten. Man muss sich die Vielfalt des Spieles "erspielen".

Bei Puerto Rico handelt sich um fesselndes, abendfüllendes Spiel, mit sehr hohem "Wiederspielreiz", das bei uns noch oft - sehr oft auf den Tisch kommen und uns viele spannende und faszinierende Stunden bereiten wird. Es gibt ja noch so viel, das man auszuprobieren bzw. besser machen kann bzw. möchte ...

Vielen Dank an ALEA für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars

"Puerto Rico" bei spielenet.de