Spielbesprechung von Györög Kurt
Gangster
13.12.2007

von Thorsten Gimmler
Amigo
für 2 - 5 Spieler
ab 10 Jahren

„Chicago, 1930. Rivalisierende Gangsterbanden ringen um die Vorherrschaft in der Stadt. Fast täglich verschwinden Leute auf »Nimmerwiedersehn« im Hafen. An das Geräusch detonierender Bomben hat man sich längst gewöhnt. In den Straßen tobt ein offener Bandenkrieg. Und die Polizei sieht tatenlos zu. Sie ist entweder bestochen oder total überfordert. Es ist die Zeit der großen Gangsterbosse. Sie haben die Stadt unter Kontrolle. Ihre Banden sind wie eine Armee strukturiert: An erster Stelle steht der Boss, unter ihm gibt es seine rechte Hand, den Consigliere (Berater), dann die Capos (Hauptmänner), die Soldati (Revolvermänner), die das schmutzige Geschäft erledigen. An unterster Stelle stehen die Chauffeure, um die Bosse von einem zum nächsten Stadtbezirk zu kutschieren. Alle Gangster schwören auf die Omertá, das oberste Gesetz, das Gesetz des Schweigens. Selbst wenn einer gefangen genommen, eingesperrt oder gar gefoltert wird – der Mann hält dicht: wo kein Zeuge, da kein Prozess. Wer bei der Polizei plaudert, wird ausgeschaltet. Das überzeugendste Argument ist die Thompson Maschinenpistole (Tommy Gun). Mit dieser todbringenden Waffe ist man nicht länger auf ausgebildete Scharfschützen angewiesen. Das große Geld machen die Gangsterbosse mit Erpressung und Gewalt, durch Glücksspiele und illegale Pferdewetten, durch Prostitution, Raubüberfälle und vor allem durch Alkoholschmuggel.
Die Gewinne werden anschließend in legale Geschäfte wie Bars, Kneipen, Nachtclubs, aber auch in Möbelgeschäfte und Friseursalons angelegt. Einen Teil des enormen Profits zweigen die Bosse für sich ab, den Rest investieren sie in die Bestechung von Stadträten und Polizisten. Für ihre skrupellosen Machenschaften bieten sich den Gangstern in Chicago optimale Voraussetzungen. Seit 1920 gilt in ganz Amerika absolutes Alkoholverbot, die so genannte Prohibition. Sie ist für die Gangster ein Geschenk des Himmels. Der Genuss von Alkohol ist tief in der Kultur verankert und niemand gibt das Trinken auf. Der Gesetzesbruch wird zum Kavaliersdelikt oder gar Bravourstück. Die Nachtclubs sind überfüllt mit Vergnügungssüchtigen und Verrückten, die Spaß und Alkohol wollen. Der Alkohol wird aus Kanada übers Wasser in die Stadt geschmuggelt. Diese besondere geographische Lage am Michigan See macht Chicago zu einem Paradies für Bootleger (Alkoholschmuggler). Und die Stadtverwaltung wartet nur darauf, sich dem anzudienen, der die höchsten Bestechungsgelder zahlt. Die Zeit ist reif, denn auch wenn Sie sich in unserem Spiel nicht ganz so weit in diese finstersten Abgründe begeben müssen, dürfen solche Chancen nicht ungenutzt bleiben. Jetzt muss nur noch jemand kommen, um zu ernten. Schnappen Sie sich die lukrativsten Stadtbezirke. Bauen Sie ein Imperium auf und lassen Sie sich feiern, als Boss der Bosse, als König von Chicago!“


Auf - lasst uns Chicago unsicher machen …

Spielmaterial:
1 Spielplan, 5 Autos (in 5 Farben), 100 Gangster (je 20 Holzwürfel in 5 Farben), 5 Einflussmarker (in 5 Farben), 8 Dopplermarker, 5 Gangster-Tableaus (in 5 Farben), 15 Punktetafeln, 30 Sonderausrüstungen, 3 Übersichtstafeln, 15 Bewegungskarten (in 5 Farben – jeweils mit den Werten 1, 2 und 3), 6 Casinokarten, 13 Bezirkskarten (inkl. 3 Polizistenkarten) und 1 Spielanleitung.

Spielziel:
Am Ende des Spieles die meisten Einflusspunkte erzielt zu haben.

Spielablauf:
Der Spielplan kommt in die Tischmitte. Die 15 Punktetafeln werden verdeckt gut gemischt und 10 davon offen auf die hellen Felder am Spielplan aufgelegt. Die restlichen Punktetafeln kommen in die Schachtel zurück und werden in diesem Spiel nicht mehr benötigt.
Bei 3 Spielern wird außerdem noch die Punktetafeln im Bezirk Cicero auf die Rückseite gedreht – dieser Bezirk spielt dann nicht mit.

Nun werden noch die Sonderausrüstungen verdeckt gut gemischt und neben dem Spielplan bereit gelegt. 3 Sonderausrüstungen davon kommen offen auf die dafür vorgesehenen Felder am Spielplan (am Hafen). Die Casino- und Bezirkskarten (ohne Polizisten) werden ebenfalls verdeckt gemischt und als 2 verdeckt Nachziehstapel bereit gelegt.

Jeder Spieler erhält nun in seiner Farbe ein Gangster-Tableau, 9 Gangster, den Einflussmarker in seiner Farbe, sowie 3 Bewegungskarten. Der Einflussmarker kommt auf das Feld „0“ der Einflussleiste am Spielplan. Außerdem darf jeder Spieler eine Sonderausrüstung ziehen und auf sein Tableau ablegen.

Der Startspieler zieht nun die beiden obersten Bezirkskarten und platziert in die entsprechenden Bezirke je einen Gangster seiner Farbe auf das Pfeilfeld im Bezirk. In den ersten gezogenen Bezirk kommt auch noch das Auto des Spielers. Nachdem der Spieler die beiden Karten auf den Ablagestapel gelegt hat, ist der nächste Spieler an der Reihe.
Danach werden wieder alle Bezirkskarten (ohne Polizisten) verdeckt gemischt und wieder bereit gelegt. Wieder wird die oberste Bezirkskarte gezogen und der entsprechende Bezirk mit einem Dopplermarker versehen.
Abschließend werden noch in die verbliebenen Bezirkskarten die Polizisten (2 Stück bei 3 oder 4 Spielern bzw. 3 Stück bei 5 Spielern) eingemischt.

Das Spiel geht über 3 Durchgänge, die immer mit einem Tag der Abrechnung enden:
Wer an der Reihe ist, muss eine der beiden folgenden Aktionen durchführen:
Fahren:
Wer fahren will, dreht eine seiner Bewegungskarten um und zieht sein Auto entsprechend viele Bezirke am Spielplan weiter. Das Auto darf dabei nur über eine Verbindung von einem Bezirk in einen anderen bewegt werden – dabei muss die volle Punktezahl der Bewegungskarte ausgefahren werden.
Hat ein Spieler alle Bewegungskarten umgedreht (und somit verwendet), darf er alle 3 Karten wieder aufdecken und erneut verwenden. Außerdem muss er dann auch eine Bezirkskarte aufdecken. Handelt es sich dabei um einen Bezirk, so erhält dieser einen Dopplermarker und die Karte wird danach auf den Ablagestapel gelegt, handelt sich dabei um einen Polizisten, passiert nichts – die Karte kommt ebenfalls auf den Ablagestapel.

Ausladen oder Einladen:
Wer diese Aktion wählt, muss in dem Bezirk, in dem sich sein Auto befindet entweder einen Gangster aus- oder einladen. Aus oder ins Auto werden immer nur eigene Gangster geladen, fremde Gangster kommen immer in den Kofferraum.

Ausladen: kann der Spieler entweder einen eigenen oder fremden Gangster. Dieser kommt immer auf der vorderste frei Feld der Punktetafel im Bezirk. Entstandene Lücken auf der Punktetafel werden nicht aufgefüllt bzw. werden keine Gangster nachgerückt.
Einladen: kann der Spieler einen beliebigen eigenen oder fremden Gangster von der Punktetafel. Eigenen Gangster können beliebig viele im Auto sitzen, im Kofferraum gibt es aber nur Platz für 1 fremden Gangster.

Ein Spieler darf in seinem Zug nur entweder Aus- oder Einladen, nie jedoch beides. Danach ist der nächste Spieler an der Reihe.
Es wird solange gespielt, bis alle 8 Dopplermarker vergeben wurden. Dann ist der Durchgang beendet und es kommt zum …
Tag der Abrechnung:
In den einzelnen Bezirken gibt es unterschiedlich viele und unterschiedlich hohe Einflusspunkte zu gewinnen. Ist an einer Stelle ein „?“ angegeben, wird für diesen Wert die oberste Casino-Karte aufgedeckt, die dann die entsprechende Anzahl an Einflusspunkte vorgibt, die es für das „?“ zu gewinnen gibt.

Der Spieler mit den meisten Gangstern in einem Bezirk, erhält die Anzahl an Einflusspunkte, die ganz links angegeben ist. Der Spieler mit den zweit meisten Gangstern die Anzahl an der 2. Stelle usw.
Es kann durchaus vorkommen, dass einzelne Spieler leer ausgehen, wenn mehr Spieler in einem Bezirk vertreten sind, als Punkte vergeben werden. Auch ist nicht immer der 1. Wert, der höchste – manchmal erhält der Spieler an der zweiten Stelle mehr Einflusspunkte als der erste.
In Bezirken mit einem Dopplermarker werden dementsprechend die doppelt Anzahl an Punkten vergeben.

Ein Gleichstand wird zu Gunsten des Spielers aufgelöst, dessen Gangster weiter hinten auf der Punktetafel steht.

Vor dem nächsten Durchgang werden wieder alle Dopplermarker vom Spielplan genommen, die Bezirkskarten neu gemischt und die erste Dopplermarke vergeben. Die Gangster bleiben auf den Punktetafeln stehen. Außerdem erhält jeder Spieler 6 neue Gangster zur Verwendung aus dem Vorrat – vor dem letzten Durchgang 5 neue Gangster.

Gold Coast (Hafen):
Wenn ein Spieler mit seinem Auto im Hafen zu stehen kommt, darf der sofort alle Gangster aus seinem Kofferraum dort abladen. Diese Gangster sind für das restliche Spiel ohne Bedeutung und wertlos. Zusätzlich muss der Spieler sich eine der offen ausliegenden Sonderausrüstungen nehmen und auf seinem Tableau ablegen. Das freigewordene Feld wird sofort wieder aufgefüllt.

Sonderausrüstungen müssen vom Spieler auf seinem Tableau abgelegt werden – und zwar auf den dafür vorgesehenen Feldern. Diese müssen außerdem von links beginnend aufgefüllt werden. Wenn ein Spieler bereits 3 Sonderausrüstungen besitzt, kommt durch eine neue Sonderausrüstung immer die jeweils ganz rechts liegende Sonderausrüstung wieder aus dem Spiel – und kann vom Spieler nicht mehr genützt werden.

Folgende Sonderausrüstungen gibt es:
  • Bodyguard: besitzt ein Spieler einen Bodyguard, dürfen in dem Bezirk, in dem sein Auto steht, keine seiner Gangster von anderen Spielern eingeladen werden.
  • Motor: der Spieler darf – wenn er möchte – bei seiner Bewegung einen Bewegungspunkt mehr nutzen.
  • Tommy Gun: der Spieler darf fremde Gangster auch aus angrenzenden Bezirken einladen.
  • Kofferraum: besitzt ein Spieler einen Kofferraum, kann er insgesamt bis zu 2 fremde Gangster einladen.
  • Stoßstange: besitzt ein Spieler eine Stoßstange, darf er – wenn sein Auto in einem Bezirk stehen bleibt – ein anderes Auto in einen angrenzenden Bezirk verschieben.
  • Tür: der Spieler darf in seinem Zug bis zu 2 eigene Gangster aussteigen lassen. Dies gilt nur fürs Ausladen.

Spielende:
Das Spiel endet nach dem 3. Tag der Abrechnung. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Einflusspunkten. Bei Gleichstand gibt es mehrere Sieger.

Sonderregel für 2 Spieler:
Jeder Spieler spielt hier mit 2 Farben – kann sich aber selbst entscheiden, mit welcher Farbe er gerade ziehen will. Die Punkte werden aber gemeinsam (mit nur einem Einflussmarker) gezählt.

Fazit:
Gangster ist ein nettes und interessantes Lauf- und Mehrheitenspiel, bei dem man mit seinem Auto durch die verschiedenen Bezirke fährt und versucht, dort die jeweils besten Positionen zu besetzten. Und dabei ist vor allem zu beachten, dass da nicht immer die Mehrheit die beste Position ergibt. In einigen Bezirken erhalten Spieler an der 2. Position mehr Punkte, als der Spieler mit der echten Mehrheit im Bezirk. Auch ist nicht immer von Anfang an bekannt, wie viele Punkte für die jeweilige Position vergeben wird – hier kommt dann das entsprechende Glück ins Spiel.
Hier muss man besonders darauf achten, nirgends die Übersicht zu verlieren – und vor allem seine Mitspieler immer im Auge zu haben.

Zwar kann man durch gezieltes „Entfernen“ von fremden Gangstern immer wieder Einfluss auf die eigene Position in den Vierteln nehmen, aber genauso arbeiten die Mitspieler auch …
Hier kommen vor allem durch die Sonderaustattungen interessante Aspekte ins Spiel. Es kann schon sehr hilfreich sein, wenn ich gleich 2 eigene Gangster auf einmal in einen Bezirk bringen, oder aber 2 Gangster zugleich in meinem Auto abtransportieren kann.

Vorausschauendes und übersichtliches Spielen ist unbedingt von Nöten. Auf dies kann man sich aber auch konzentrieren, da die Spielanleitung gut aufgebaut, übersichtlich und mit vielen Beispielen versehen ist - und so schnell verinnerlicht und erlernt werden kann. Einem schnellen Einstieg ins Spiel steht somit nichts entgegen.

Die Anleitung erstreckt sich über 8 großformatige Seiten, von denen aber schon 3 Seiten wegfallen, da sie nur ein Titelbild bzw. ein Vorwort von Robert Nippoldt enthalten.

Das Spiel ist für 2 bis 5 Spieler geeignet. Das Zweierspiel konnte dabei aber nicht so unbedingt überzeugen, da jeder Spieler mit 2 Farben spielt. Zu dritt bzw. zu viert, oder in voller Besetzung ist das Spiel wesentlich interessanter – wird aber auch mit jedem Spieler unüberschaubarer, weil sich einfach zu viel tut, bis man wieder an der Reihe. Mit 3 oder 4 Spielern hat man ein Mittelmaß an Glück und Taktik zur Verfügung – und das Spiel macht am meisten Spaß.

Thema, Mechanismus und Grafik passen gut zum Spielablauf – und es kommt auch eine gewisse Atmosphäre auf, auch wenn das Spiel vom Thema her doch etwas entschärft wurde. Gangster werden so z.B. zu einem „Buffet am Hafen“ eingeladen, an dem sie das restliche Spiel verbringen – sie werden nicht im Hafenbecken entsort...
Das Spielmaterial ist passend und funktionell ausgefallen - und die Grafik hat zwar einen eigenen Stil, gefiel uns aber sehr gut.

Die Spieldauer beträgt ca. 90 Minuten – die einem auch nicht als zu lange erscheinen. Da man immer ein Auge auf seine Mitspieler haben muss, kommt nie Langeweile auf – und es gibt auch keine Längen bzw. Wartezeiten. Man kann während der Züge der Mitspieler schon austüfteln, wo man wie aktiv werden will bzw. muss.

Uns hat Gangster recht gut gefallen und Spaß gemacht – und wer sich für Lauf- und Mehrheitenspiele dieser Art interessiert, sollte sich das Spiel auf alle Fälle näher ansehen.

Vielen Dank an AMIGO für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars