Spielbesprechung von Györög Kurt
Mystery Express
03.10.2010

von Antoine Bauza & Serge Laget
Days of Wonder
für 3 - 5 Spieler
ab 10 Jahren

„Nach den Missgeschicken der letzten Tage haben Sie beschlossen, sich einen wohl verdienten Urlaub und den extravaganten Luxus einer Fahrt im legendären Orient Express zu gönnen. Doch Ihre Ferienstimmung wird schon bald jäh unterbrochen …, denn kaum hat der Zug Paris verlassen, geschieht es: Ein Passagier wird ermordet, und noch dazu auf eine besonders scheußliche Art und Weise!
Der passend in „Mystery Express“ umbenannte Zug saust auf seinen Bestimmungsort zu. An Bord befinden sich die verunsicherten Reisenden, um die sich ein Netz aus Intrigen und Betrügereien spinnt. Ihre kleinen grauen Zellen arbeiten auf Hochtouren, während Sie alle möglichen Verdächtigen und deren Motive unter die Lupe nehmen. Werden Sie den Täter finden, bevor die Fahrt endet? Sie haben keine Zeit zu verlieren!“


Wer hat den Mord wie, wann, wo und warum begangen?

Spielmaterial:
1 Spielplan (der den Mystery Express und die Strecke von Paris nach Istanbul zeigt), 5 Spielfiguren und 5 entsprechende Personenplättchen (in gelb, rot, grün, blau und schwarz), 5 Umschläge (mit der Hintergrundgeschichte der entsprechenden Person, sowie einer Beschreibung ihrer Spezialfähigkeit und einer Zusammenfassung eines Spielzuges), 100 Ermittlungsbögen, 72 Verbrechenskarten (6x 2 rote Tathergang-Karten, 6x 2 grüne Verdächtigen-Karten, 6x 2 blaue Motiv-Karten, 6x 2 schwarze Tatort-Karten und 8x 3 weiße Zeitkarten), 1 Telegrammblock (zum Festhalten der Vermutungen die in Budapest angestellt werden), 1 Mystery Express-Zug (um die Fahrt am Spielplan nachzuvollziehen), 1 graue Schaffnerfigur und 6 Schaffner-Plättchen (mit denen die Position des Schaffners an Bord des Zuges angezeigt wird), 2 Passagier-Plättchen (die unterwegs zusteigen), 1 Reisetasche (um zu ermitteln, ob ein Spieler erfolgreich das Gepäck eines anderen durchwühlt), 1 Pfeife (für den Startspieler) und 1 Spielanleitung.

Spielziel:
Am Ende des Spieles die meisten Komponenten des Verbrechens ermittelt zu haben.

Spielablauf:
Der Spielplan kommt in die Tischmitte.

Jeder Spieler erhält in seiner Farbe eine Spielfigur, das entsprechenden Personenplättchen, den Umschlag, einen Ermittlungsbogen, den er in dem Umschlag legt, ein Telegramm das sie bereitlegen – die Spielfigur kommt auf einen beliebigen Eisenbahnwagen am Spielplan.
Für 3 und 4 Spieler werden einige Verbrechenskarten aussortiert und aus dem Spiel genommen – die restlichen Karten werden nach ihrer Art getrennt sortiert, gemischt und als verdeckte Stapel bereitgelegt. Von jeder Verbrechenskarte ist jede Karte zweimal im Spiel – von den Zeitkarten gibt es sogar jede Karte dreimal.
Von jedem Stapel wird eine Karte genommen und – verdeckt – unter den Spielplan geschoben. Diese Karten legen nun fest, wer, wie, wann, wo und warum den Mord begangen hat.

Der Stapel mit den Zeitkarten kommt nun neben den Spielplan, die restlichen Verbrechenskarten werden gut miteinander gemischt und je 7 an jeden Spieler verteilt, die diese auf die Hand nehmen.
Die restlichen Karten kommen verdeckt auf die dafür vorgesehenen Felder am Spielplan: 1. Passagier, 2. Passagier und Schaffner.

Der Mystery Express startet in Paris – dorthin kommt auch der Zug am Spielplan. Die Schaffner-Plättchen werden gemischt und verdeckt auf die Zielorte des Mystery Express gelegt. Das erste Plättchen wird aufgedeckt und gibt nun an, auf welchen Wagon die Schaffner-Figur gestellt wird. Die beiden Passagier-Plättchen kommen auf die Orte Strasbourg (Straßburg) und Wien – die Pfeife geht an den Startspieler.

Das Spiel geht über mehrere Runden, die wie folgt ablaufen:
1. Der Mystery Express fährt:
Der Startspieler beginnt und hat – sofern er genug Stunden zur Verfügung hat – folgende Möglichkeiten:
  • Einen Wagen des Mystery Express betreten:
    Der Spieler kann seine Spielfigur in einen beliebigen Wagen ziehen – oder auch dort stehen lassen, und einmalig pro Runde die Aktion des Wagens ausführen. Die Bewegung von einem Wagen in einen andern ist kostenlos, jedoch muss noch genug Zeitguthaben vorhanden sein, um die Aktion im Wagen ausführen zu können.
    Wie viel Zeit für eine Runde zur Verfügung steht ist am jeweiligen Streckenabschnitt angegeben.
  • Eine Aktion ausführen:
    Folgende Wagen und somit Aktionen stehen zur Verfügung:
    • Abteilwagen: Dauer 1 Stunde
      Der Spieler nennt eine Verbrechenskategorie und entscheidet sich für seinen linken oder rechten Nachbarn, der ihm eine Karte dieser Kategorie geben muss. Dieser sieht sich die Karte an und legt diese auf einen eigenen Ablagestapel. Anschließend muss er seinerseits eine Karte dieser Kategorie an seinen anderen (nicht gewählten) Nachbarn weitergeben – besitzt er keine entsprechende Karte, muss er die soeben erhaltene Karte weitergeben.
      Die geht solange bis jeder Spieler eine Karte weitergegeben hat.
    • Clubwagen: Dauer 1 bzw. 3 Stunden
      • Dauer 1 Stunde: der Spieler bestimmt einen beliebigen Spieler, der alle Karten einer Verbrechenskategorie vom Ablagestapel sofort auf die Hand nehmen muss.
      • Dauer 3 Stunden: wenn bereits 1 neuer Passagier zugestiegen ist, darf der Spieler sich eine Karte vom einem zugestiegenen Passagier nehmen und auf seinen Ablagestapel legen.
    • Raucherwagen: Dauer 3 Stunden
      Der Spieler nennt eine Verbrechenskategorie und bestimmt 2 Mitspieler, die ihm eine solche Karte (sofern vorhanden) geben müssen, die er auf seinen Ablagestapel legt. Anschließend muss er jedem dieser Mitspieler eine beliebige seiner Handkarten geben, die diese wiederum auf ihren Ablagestapel legen.
    • Salonwagen: Dauer 2 Stunden
      Der Spieler nennt eine Verbrechenskategorie. Alle Mitspieler müssen eine solche Karte (sofern vorhanden) vorzeigen. Die Karten kommen auf die Ablagestapel der einzelnen Spieler.
    • Schlafwagen: Dauer 1 oder 2 Stunden
      Der Spieler bestimmt einen Mitspieler, der die Reisetasche unter dem Tisch in einer seiner Fäuste versteckt.
      Danach muss der Spieler erraten, in welcher Faust sich die Reisetasche befindet.
      Rät er richtig, kostet die Aktion 2 Stunden und der Spieler darf eine Karte aus der Hand des gewählten Mitspielers ziehen und auf seinen Ablagestapel legen. Rät er jedoch falsch, verliert er 1 Stunde und erhält keine Karte.
    • Speisewagen: Dauer unterschiedlich
      Der Spieler bestimmt beliebig viele Mitspieler, die ihm eine Verbrecherkarte zeigen müssen. Dabei bestimmt der Spieler, welche Verbrechenskategorie er von welchem Spieler sehen möchte, darf sich aber nicht zweimal für die gleiche Kategorie entscheiden. Die Karten kommen auf den Ablagestapel der einzelnen Spieler – und die Aktion nimmt so viele Stunden in Anspruch, wie Mitspieler betroffen sind.
  • Mit dem Schaffner sprechen:
    Befindet sich im Wagen des Spielers der Schaffner, so muss dieser nach der Aktion befragt werden. Diese kostet kein Zeitguthaben und läuft wie folgt ab:
    der Spieler nimmt sich eine der Karten von den Feldern des Schaffners, legt diese auf seinen Ablagestapel und legt eine seiner Handkarten stattdessen auf das entsprechende Feld des Schaffners verdeckt zurück.

Der Spieler kann solange Aktionen ausführen, solange er noch genügend Zeitguthaben zur Verfügung hat.

2. Der Mystery Express erreicht eine Stadt:
Nachdem alle Spieler ihre Aktionen ausgeführt haben erreicht der Mystery Express den nächsten Zielort.
Alle Spieler nehmen die Karten von ihrem eigenen Ablagestapel (wieder) auf die Hand und der kleine Zug wird um ein den nächsten Bahnhof gezogen. Je nachdem um welchen Ort es sich handelt, kommt es zu weiteren Aktionen:
Ermittlung der Tatzeit:
  • in Strasbourg: werden die Zeitkarten einzeln nacheinander aufgedeckt und aufeinander gelegt. Danach wird der Stapel wieder verdeckt neben den Spielplan gelegt.
  • in Wien: werden die Zeitkarten verdeckt im Uhrzeigersinn an die Spieler ausgeteilt. Gleichzeitig schauen sich die Spieler diese dann an und geben sie dann an den nächsten Spieler weiter, bis jeder Spieler einmal alle Karten gesehen hat. Danach kommen die Karten wieder als verdeckter Stapel neben den Spielplan.
  • in Budapest: werden die Zeitkarten einzeln nacheinander aufgedeckt und abwechselnd auf 3 Stapel gelegt. Danach wird er Stapel wieder verdeckt neben den Spielplan gelegt.
    Neue Passagiere steigen zu:
  • in Strasbourg: steigt der 1. Passagier zu und erweitert die Möglichkeiten im Spiel.
  • in Wien: steigt der 2. Passagier zu und erweitert die Möglichkeiten im Spiel.
    Ein langer Tunnel:
  • in München: darf jeder Spieler sich eine Karte seines linken und rechten Nachbar ansehen.
    Ein wichtiges Telegramm:
  • in Budapest: schreiben alle Spieler geheim die Komponenten des Verbrechens auf das Telegramm, die sie bisher ermitteln konnten. Jede richtige Aussage ist 1 Punkt wert, falsche Aussagen bringen 1 Minus-Punkt. Die Telegramme kommen bis zum Spielende verdeckt neben den Spielplan.
    Eine unerwartete Enthüllung:
  • in Budapest: muss jeder Spieler eine seiner Handkarten offen neben dem Spielplan auslegen.

    Abschließend wird das Schaffner-Plättchen des aktuellen Ortes aufgedeckt und die Schaffner-Figur entsprechend in den neuen angezeigten Wagon verschoben.

    Danach kann die nächste Runde beginnen.

    Die Spezialfähigkeiten der Figuren:
    Anfänglich – oder je nach belieben – kann man im Spiel die Spezialfähigkeiten der einzelnen Personen zum Einsatz kommen lassen. Diese Fähigkeiten bestehen darin, entweder sich einmal pro Runde eine soeben abgelegte Karte einer bestimmten Farbe eines Mitspielers ansehen zu können oder pro Runde 1 Stunde mehr an Zeitguthaben zur Verfügung zu haben. Die einzelnen Fähigkeiten sind abhängig von der Spielerfarbe, die gewählt wurde.

    Spielende:
    Das Spiel endet, wenn der Mystery Express Istanbul erreicht hat. Die Spieler müssen nun ihre Schlussfolgerungen am Ermittlungsbogen notieren und festhalten. Danach werden die 5 Karten unter dem Spielplan erhausgeholt und einzeln aufgedeckt.
    Wer die meisten Komponenten des Verbrechens richtig erkannt und notiert hat, hat gewonnen. Minus-Punkte gibt es hier keine - bei einem Gleichstand werden die Telegramme zur Hand genommen und es gewinnt der Spieler, der hier die meisten Punkte erzielen konnte. Gibt es erneut einen Gleichstand, gibt es mehrere Gewinner.

    Fazit:
    Mystery Express ist ein sehr interessantes und spannendes Deduktionsspiel, indem es durch geschicktes Kombinieren und Raten ein Verbrechen aufzuklären gibt.
    Neu – im Gegensatz zu den bekannten Spielen dieser Art – ist, dass jede gesuchte Karte zwei- oder sogar dreimal im Spiel vorhanden ist.
    Eine Karte sicher ausschließen kann man nur, wenn man sie in einer Runde zwei- oder dreimal zu Gesicht bekommt. Hilfreich dabei ist, dass die Karten von den Spieler – sobald sie einmal im Einsatz waren – nicht mehr auf die Hand genommen, sondern auf einen Ablagestapel gelegt werden. Genaues Schauen und Aufpassen ist notwendig – und Konzentration vom Anfang bis zum Ende.
    Ebenfalls neu ist, dass die Zeitkarten nicht im Spiel sind, sondern „nur“ dreimal im ganzen Spiel aufgedeckt und vorgezeigt werden, und man diese so ausschließen muss. Höchste Konzentration beim Auflegen der Zeitkarten ist unbedingt notwendig, ansonsten kann man sich ganz und gar nur auf das Raten der Tatzeit verlegen …

    Ansonsten gilt es geschickt und übersichtlich vorzugehen, und möglich gezielt nach Karten zu fragen, die man zum Ausschließen gewisser Komponenten braucht. Wer, welche Karten auf der Hand hat, sieht man ja an den Kartenrückseiten. Den richtigen bzw. passenden Wagen – und somit die entsprechende Aktion – zu nutzen kann dabei sehr hilfreich sein – sofern ein entsprechenden Zeitguthaben vorhanden ist.
    Auf dieses sollte man besonders achten und schauen keine Restzeit übrig zu haben, die dann ungenutzt verfällt.

    Dies alles gilt es geschickt aufeinander ab- und einzustimmen, um sich möglichst viele Informationen zu holen und gleichzeitig aber auch so wenig wie möglich von seinen Informationen preis zu geben.

    Und das alles macht Spaß? Ja – und zwar über die gesamte Spieldauer von 1 bis 1½ Stunden. Spannung vom Anfang bis zum Ende – für alle 3 bis 5 Spieler, die teilnehmen können. Und das Spiel funktioniert auch in allen Besetzungen sehr gut.

    Der Spielablauf wird in einer 8-seitigen Anleitung übersichtlich und ausführlich erklärt – und es gibt genügend Bilder und Beispiele, die eigentlich keine Fragen aufkommen lassen sollten. Gewöhnungsbedürftig – und damit anders – ist, dass eben Karten nur ausgeschlossen werden können, wenn man sie zumindest zweimal gesehen hat. Sich hier ein übersichtliches und erklärendes System bei Vermerken anzueignen, ist sehr vom Vorteil.

    Bei gleichguten Spielern liegt dann ein Augenmerk auch noch am Telegramm, das in der vorletzten Runde (in Budapest) abgeschickt wird. Bei einigen unseren Spiele hat dieses über Sieg und Niederlage entschieden. Dabei ist hier zu beachten, dass nur hier, auch Minuspunkte vergeben werden.

    Das Spielmaterial ist – wie bei Days of Wonder üblich – sehr schön und funktionell ausgefallen. Wunderschöne und passende Illustrationen auf den Karten, aber auch dem Spielplan und dem restlichen Spielmaterial lassen Stimmung und Atmosphäre aufkommen – dazu gehören auch die aufwändig gestalteten Figuren.
    Alles ist in der für Days of Wonder-üblichen großen Schachtel untergebracht und hat dort auch seinen eigenen Platz im Tiefenziehteil. So findet man nach einem Transport alle Teile auch wieder dort, wo man sie hingetan hat.

    Uns hat Mystery Express sehr gut gefallen und recht schnell in seinen Bann gezogen. Viele Fahrten von Paris nach Istanbul haben wir bereits hinter uns gebracht, und damit auch viele, viele spannende und interessante Stunden – und ein Ende ist noch immer nicht in Sicht. Wer Deduktionsspiel mag sollte sich Mystery Express nicht entgehen lassen – es ist Spiel, das man auf keinen Fall versäumen sollte und zumindestens zur Probe gespielt haben sollte, um sich ein eigenes Bild zu machen.
    Wir sind jedenfalls restlos begeistert …

    Vielen Dank an DAYS OF WONDER für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars