E I N L E I T U N G

Biologie
Nur Vertreter der Familie der Podonidae sind in den Küstenbereichen von Meeren und in Brackwasserzonen anzutreffen.
Die Masse der Cladocera hat fast alle Typen von stehenden und langsam fließenden Süßgewässern erobert. Durch die hochspezialisierten Dauereier (Ephippien), die leicht durch Wind oder Wasservögel verbreitet werden können, gehören sie meist zu den Erstbesiedlern von neu entstandenen Gewässern, wie Baggerseen, aber auch Überschwemmungstümpel oder Regenpfützen. Als besondere Kuriosität wurden schon Cladocera-Funde aus Taufbecken u.ä. gemeldet (Wesenberg-Lund 1939).
Hauptverbreitungsgebiete sind Kleingewässer und Litoralbereiche größerer Seen. Planktisch leben wenige Gattungen der Daphniidae, in diesen Fällen kommt es dann auch zu Massenentwicklungen einzelner Arten. So gehören Cladoceren neben Copepoden und Rotatorien zur Hauptmasse des Zooplanktons von Tümpeln, Weihern und Seen.
Die Ernährungsweise ist in den meisten Fällen filtrierend, Polyphemoidea und Leptodoridae leben räuberisch.
Zur Fortbewegung dienen in erster Linie die mächtigen zweiten Antennen, die als Ruderorgane ausgebildet sind. Bei planktischen Formen schlagen diese Antennen meist kräftig. Es folgen längere Pausen, wodurch die typisch hüpfende Bewegung zustande kommt ("Wasserflöhe"). Substratgebundene Arten bewegen die Antennen häufig schwirrend, in diesem Fall können auch das erste Rumpfbeinpaar zum Festklammern und das Postabdomen zum Nachschieben verwendet werden (Flössner, 1972).

Fortpflanzung
Parthenogenese ist bei konstant günstigen Umweltbedingungen vorherrschend. Die diploiden Subitaneier gelangen aus den paarigen Ovarien über die Ovidukte direkt in den dorsalen Brutraum. Anzahl der Eier und Entwicklungsdauer sind unter anderem stark vom Ernährungszustand der Tiere und der Wassertemperatur abhängig. Der Brutraum ist caudal durch den sogenannten Verschlußapparat, zipfelig ausgezogene Anhänge des Postabdomens, begrenzt. Nach Abschluß der direkten Entwicklung werden durch diesen Verschlußapparat die fertigen Jungcladocera entlassen.
Die Bedingungen, unter welchen Männchen und haploide, befruchtungsbedürftige Dauereier entstehen, sind zwar im einzelnen bei wenigen Arten gut untersucht, die großen Zusammenhänge sind jedoch noch weitgehend unklar. Sicher ist, daß die Produktion von Dauereiern unmittelbar von den herrschenden Umweltbedingungen abhängig ist. Als solche beeinflussende Faktoren scheinen jedenfalls Wassertemperatur, Intensität und Dauer der Photoperiode, Individuendichte, Menge der Stoffwechselendprodukte im Wasser, Sauerstoffgehalt und Salinität von Bedeutung zu sein (Carvalho and Hughes, 1083). Die spezifische Wirkung von wechselnden Umweltbedingungen auf einzelne Arten, ja auf einzelne Populationen ist sehr unterschiedlich und dürfte genetisch festgelegt sein. So stellten Ferrari et al. (1982) experimentell fest, daß Populationen der gleichen Art, in diesem Fall Daphnia magna (nach der Flössner-Systematik: Ctenodaphnia magna), die aus Lebensräumen mit unterschiedlichen Umweltbedingungen stammten, im Labor auf exakt gleiche Verhältnisse bzw. deren exakt idente Änderung, völlig unterschiedlich reagierten, während das Fortpflanzungsverhalten innerhalb einer Population voraussagbar war.
Die Ausbildung von Ephippien, d.h. die Verwendung von Exuvien bzw. modifizierten Exuvienteilen als Schutzhülle der Dauereier kommt nur bei der Überfamilie der Chydoroidea vor, ist innerhalb der Gruppe aber durchgehend zu beobachten und dürfte im Tierreich einmalig sein.
Primitivephippien, bei denen der Carapax mehr oder weniger unverändert übernommen wird, kommen hauptsächlich bei der Familie der Chydoridae, aber auch bei einigen Gruppen der Macrothricidae und Bosminidae vor. Leicht abgeänderte Ephippien, meist mit verstärkter Schale, aber immer noch den ganzen ehemaligen Carapax umfassend, sind innerhalb der Macrothricidae bei den Gattungen Macrothrix, Drepanothrix und Streblocerus zu beobachten (Flössner 1972).
Die höchste Entwicklungsstufe der Ephippien erreichen die Familien Daphniidae und Moinidae. Hier wird der dorsale Teil des Carapax im Tier völlig umgebaut, häufig um das Vielfache verdickt und bei den erstgenannten mit gasgefüllten Kammern als Auftriebsorgane versehen. Nach der Häutung, bei der das Ephippium frei wird, reißt der restliche Carapax an einer präformierten Bruchstelle ab, der untere Rand wird verschlossen. Die Dauereier liegen dann in einer fast abgeschlossenen Kapsel. Derart geschützte Dauereier können monate- bis jahrelange Austrocknung überdauern. Ephippien können auch im Gefieder von Vögeln haften bleiben, die Dauereier dienen in diesem Fall als Verbreitungsstadium (Flössner 1972).
Die Anzahl der Dauereier ist bei den Cladocera unterschiedlich, artlich aber meist fixiert und nicht wie bei den Subitaneiern von Umwelteinflüssen abhängig. Bei Arten, die ein höher entwickeltes Ephippium ausbilden, werden maximal zwei Dauereier pro Häutungsintervall produziert.
Die Anzahl der Dauereier in einem Primitivephippium ist sehr variabel.

Problemstellung und Ausblick
Durch den Umbau des Carapax bei der Bildung von Dauereiern bei den Daphniidae erhält das Ephippium ein typisches Aussehen, das durch die Derbheit der Cuticula auch über lange Zeit erhalten bleibt. Selbst wenn eine Population durch die Änderung von Umweltbedingungen zugrundegegangen ist und deren Überreste längst mineralisiert wurden, zeugen immer noch Ephippien im Sediment von der einstigen Existenz dieser Population.
Es ist ohne weiteres möglich, Daphniiden-Ephippien schon mit einer Lupe, Ephippien größerer Arten mit freiem Auge bis auf das Gattungsniveau zu bestimmen. Umriß, Zahl und Lage der Eier, sowie, falls vorhanden, Anhänge werden zur Bestimmung herangezogen. Eine Bestimmung auf die Art war bislang aufgrund der großen Ähnlichkeiten der Ephippien innerhalb der Gattungen größtenteils nicht möglich, wenngleich schon bei diversen Artbeschreibungen und auch teilweise in der Bestimmungsliteratur Hinweise zu finden sind, daß die Ephippien bis zur Art hin (vielleicht sogar bis zur Rasse) unterschiedlich sind. Es sind dies zumeist sehr ungenaue Angaben bezüglich der Skulpturierung, etwa deutlich - weniger deutlich, engmaschig - feinmaschig skulpturiert etc.. Ebenso läßt sich aus der Bestimmungsliteratur ersehen, daß die Carapaxskulpturierung innerhalb der Gattungen nicht einheitlich ist (Flössner, 1972; Dumont and Pensaert 1983). Da die Ephippien aus dem Carapax hervorgehen, war diese Tatsache ein weiteres Indiz, daß auf den Ephippien von Daphniiden arttypische Merkmale zu finden sein könnten.
Erste Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop erhärteten die Vermutungen.
Nach Klärung dieser Fragen konnten die Ziele der vorliegenden Arbeit abgesteckt werden.
Es sollten möglichst alle Daphniidae eines bestimmten Gebietes erfaßt und deren Ephippien beschrieben werden. Eine Revision auch der äußeren Umrisse der einzelnen Ephippien war nötig, da die Angaben hiezu bei den einzelnen Artbeschreibungen, wie auch in der zusammenfassenden Literatur, sehr dürftig sind. Das Hauptaugenmerk sollte jedoch auf die Beschreibung der Skulpturen der Ephippien mittels Rasterelektronenmikroskop gelegt werden. Mit einer genauen Artbeschreibung der Ephippien sollte es möglich werden, die komplette Daphniiden-Fauna eines Gewässers im untersuchten Gebiet zu einem beliebigen Zeitpunkt des Jahres anhand von Sedimentproben zu erfassen. Wegen der stark wechselnden Daphniiden-Generationen waren dazu bisher laufende Beprobungen während eines ganzen Jahres, oder wenigstens des Sommerhalbjahres, nötig. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit könnte sich aufgrund der langen Haltbarkeit der Ephippien in der Paleolimnologie finden, durch Bestimmung der Ephippien in tieferliegenden Sedimentschichten könnte ermittelt werden, wie die Daphniidenfauna in einem bestimmten Gewässer in längst vergangenen Zeiten ausgesehen hat, bzw. wie sich diese in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten veränderte.
Um mögliche Beziehungen zwischen Carapax- und Ephippialskulptur verstehen zu können, sollten die Carapaxskulpturen der parthenogenetischen Weibchen beschrieben werden, auch diese sind in der Literatur bisher nur ungenügend behandelt.
Um Ursache und Mechanismus des Carapaxumbaues zu ergründen, der schließlich aus dem normalen Cararax eines parthenogenetischen Weibchens ein Ephippium entstehen läßt, wurde schließlich noch die Betrachtung des inneren Aufbaues der Ephippialwandung nötig. Dazu schien es sinnvoll, Querschnitte der Ephippien anzufertigen, um diese mit dem normalen Carapax der Art zu vergleichen, aber auch um zwischen den Arten und Gattungen Ähnlichkeiten und Unterschiede in Aufbau und Entstehung der Ephippien zu finden und Beziehungen zwischen Aufbau des Ephippiums und Lebensweise der Arten herstellen zu können.
Eine Ausdehnung der detaillierten Beschreibung der Ephippialmerkmale auf andere Ephippien-bildenden Cladoceren- Gattungen scheint wegen der geringeren Haltbarkeit und weniger komplexen Beschaffenheit der Oberfläche dieser Ephippien wenig sinnvoll.
Eine weiterführende Untersuchung sollte Daphniidae-Ephippien möglichst vieler österreichischer Gewässer zum Gegenstand haben. Dabei könnte die Betrachtung der Carapax- und Ephippialskulpturen mittels Rasterelektronenmikroskop auch neue Aufschlüsse zur Problematik der Rassen- und Bastardbildungen, speziell der Gattung Daphnia s.str., bringen.