webbrain - Veranstaltungsreihe [KUNST+IDEOLOGIE] KRISE
2009/2010

 


MA7 - Wissenschafts- und Forschungsförderung


 

In einer Reihe von fünf wissenschaftlichen Veranstaltungen ging webbrain der Frage nach, wie unter den Bedingungen der gegenwärtigen (Wirtschafts)Krise die Kunst in Richtung größerer oder beschränkter Handlungsfähigkeit wirkt. Sie kann die Sprache der Macht oder der Ohnmacht annehmen, dabei wird ideologisch entschieden, ob sie zur Emanzipation der Individuen beiträgt. In jeder Krise verbirgt sich immerhin die Chance zum Paradigmenwechsel.
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Als Ausdruck selbstbewusst-zukunftsgewandter Arbeiterkultur etwa interpretiert Stephanie Matuszak-Gross Kinderfiguren und Putti, die als Sujet in den Gemeindebauten des Roten Wien verwendet wurden. Sie verweisen visionär auf die "neuen Menschen" - Hoffnung auf die "neue Zeit" [s. "Otto Bauer und der Austromarxismus. >Integraler Sozialismus< und die heutige Linke", Hgg. Von Walter Baier/Lisbeth N. Trallori/ Derek Weber, Berlin (Dietz-Verlag) 2008]
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Der Begriff des "virtuellen (mit der Zukunft und Vergangenheit aufgeladenen) Realismus" wird vom Galeristen und Ökonomen Reinhold Sturm in die Kunstdebatte eingeführt. Mit der Kunstentwicklung im 20. Jh. gehe parallel oder als Reflex auf historische Entwicklungs-Stockungen und Krisen des kapitalistischen Weltsystem (Weltkriege, Faschismus und Revolutionen) die Destruktion der Sinne und der Sinnlichkeit einher. Analog zu Erkenntnissen in der Physik nimmt die Kunst Multi-Zentrizität und Relativität (Sterne, Dostojewskij, Carroll) als Stilmittel auf [mehr]
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Schuberts "Winterreise", bzw. die Texte von Wilhelm Müller (veröffentlicht 1823) standen im Zentrum von Otto Brusattis musikhistorischer und Bertl Mütters außergewöhnlicher Interpretation auf Posaune und exotischeren Instrumenten (Muschel). Sind Rückzug oder Verschlüsselung Antwort auf die gesellschaftliche Krise der Zeit nach dem Wiener Kongress? "Winter", "Hunde an ihren Ketten", "Krähen" können auch als Metaphern für eine unerträgliche politische Situation, staatliche Autorität und Spitzelwesen gelesen werden, wie der "Mai" und die "geliebte Frauengestalt" als Gegenbilder einer besseren Gesellschaft. [mehr]
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Den ökonomischen Wurzeln der Krise des gegenwärtigen Wirtschaftens ging Peter Fleissner im Gespräch mit Matthias Meinharter (Künstler, mehr) auf den Grund. Die zentralen ökonomischen Kreisläufe (Reproduktion der Arbeitskräfte, Akkumulation von Realkapital und Finanztransaktionen) steuern zwischen den Polen "Effektivierung" und "Humanisierung", aber nicht "automatisch", sondern beeinflusst von politischen Machtkonstellationen [mehr].
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Am Schluss spannte Karin Dupuy in ihrem Vortrag, ausgehend von einem österreichischen kunsthistorischen Spezifikum, den Wiener Aktionisten, den Bogen von den 60er bis in die 90 Jahre. Die Skandale schadeten nicht selten den KünstlerInnen und machten ihre Gegner populärer. Immer wieder ging es neben sexuellen Tabubrüchen um die Bemühungen zur Überwindung des Österreichischen Nachkriegsfaschismus auf (z. B. Jelinek, Bernhard, Hrdlicka).