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FÜR BLÖD VERKAUFT


Diese Kolumne handelt davon, dass man von Naivität ein steifes Genick bekommt.

 

Ich bin ja so was von Kika. Nein. Den Firmennamen streichen wir wieder. Ich will ja hier keine (Gratis-)Werbung machen. Außerdem stimmt‘s nicht. Die Eigenschaft, die dem nicht genannten Firmennamen innewohnt, ist eher nicht naiv. Und ich bin ja so was von naiv.

Da haben alle was davon

Denn ein Mobilfunkbetreiber hatte die Idee, seinen KundInnen jeden Donnerstag jeweils eine zweite Kinokarte zu spendieren. Kostenpunkt (für die KundInnen): ca. ein Euro SMS-Gebühr. Das ist o.k. Denn niemand erwartet von einem Unternehmen, dass es uneigennützig agiert.

Und die (Wiener) Kinos haben auch was davon: Zusätzlich zu den Wochentagen Montag bis Mittwoch wird das Publikum jetzt auch donnerstags mit verbilligten Karten angelockt.

Und so habe auch ich vergangenen Donnerstag diese SMS verschickt. Wir wollten an diesem Tag sowieso ins Kino gehen, warum nicht um ein bisschen mehr als die Hälfte?

Wir hatten nämlich am Mittwoch Roberto Benignis Tragikomödie „La Vita è bella“ (daheim auf Video) angeschaut. Und

1.) waren wir nicht angetan. Ich zum Beispiel hab dem Humor im KZ wenig abgewinnen können, auch wenn ich verstanden habe, dass damit die Lebensfreude von Guido Orefice aus dem ersten Teil des Film gespiegelt wird, wo er völlig unrealistisch seine „geliebte Prinzessin“ Dora für sich gewinnen kann. Aber dass sein Sohn – bei aller kindlichen Fantasiefähigkeit – das im Grunde doofe Spiel des Vaters mitspielt (das ist gar kein KZ, wir sind nur zum Spaß hier und können sogar einen Panzer gewinnen!), konnte ich einfach nicht glauben.

2.) beschlossen wir daraufhin endgültig, den uns von vielen Seiten wärmstens empfohlenen neuen Tarantino anzusehen.

Da haben nicht alle was davon

Und: Ja, die hatten alle recht. Weil

1.) finden – außer Nazi-Sympathisanten – wohl alle die Idee gut (und die Darstellung befreiend), dass es eine Gruppe gegeben haben soll, welche im Zweiten Weltkrieg Nazis getötet hat. (Und es ist sehr intelligent von Tarantino, dass er aus diesen Kämpfern keine makellosen Helden gemacht hat.)

2.) war „Inglourious Basterds“ für mich ein grausliches Vergnügen: Tarantino zeigt halt gerne, was sich beim Umbringen wirklich abspielt, und er hat ein unglaubliches Gespür für Dramatik, deren Tragik er mit Humor bricht (welcher nicht aller Menschen Sache sein muss).

Da haben wieder nicht alle was davon

Und warum bezeichne ich mich selbst als naiv? – Weil ich am Weg zum Kino befürchtete, dass die KassiererInnen von der Mobilfunkbetreiber-Aktion noch nichts wüssten oder diese erst nächste Woche anlaufen würde.

Tatsächlich aber bekam ich – eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn – mit viel Glück zwei der letzten vier Tickets für die „Basterds“-Vorführung um 20.15 Uhr. Und: Schon kurz darauf standen die Leute bis auf die Straße um Karten an. Das fragliche Kino hat zwar zwölf Säle, dennoch werden etliche BesucherInnen wohl leer ausgegangen sein und entweder über den Mobilfunkbetreiber, das Kino, ihre FreundInnen und/oder sich selbst hergezogen sein. Doch bestimmt nicht die Nicht-Naiven, welche diesen Ansturm kommen gesehen und vorsorglich Plätze reserviert hatten.

Und ich tu mir heute beim Tippen schwer. Steifes Genick. Unsere Plätze waren nämlich in der ersten Reihe. Dafür war ich beim Nazi-Killen gewissermaßen mitten im Geschehen. Super.


© Werner Schuster – veröffentlicht auf www.eselsohren.at
im August 2009

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