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DER BERGSTEIGER UND SEINE FRAU

Vor 50 Jahren, am 27. Juni 1957, verunglückte Hermann Buhl kurz nach der Erstbesteigung des über 8.000 Meter hohen Broad Peak. Ein vor kurzem erschienenes Buch seiner Tochter erinnert auch an die Familie des österreichischen Bergsteigers.


„Es bleibt der Ruf des Berges. Die zwingende Sehnsucht: Empor!“, so der österreichische Alpinist Hermann Buhl. Hat den vor 50 Jahren Verunglückten in seinem nicht einmal 33 Jahre dauernden Leben etwas anderes interessiert als das Bergsteigen? Liest man sein Buch „Achttausend drüber und drunter“, kommt man zu einer eindeutigen Antwort auf diese Frage: nein. Am Rande ist da von Ereignissen die Rede, die dem Klettern förderlich oder abträglich waren, Erwähnung findet auch seine Frau, ansonsten handelt das Buch von immer schwieriger und extremer werdenden Touren, bis Buhl am 27. Juni 1953 als erster Mensch auf dem 8.125 Meter hohen Nanga Parbat steht, welcher als einer der am schwierigsten zu besteigenden Berge der Erde gilt. Und die (in der Ausgabe von 2005 beigefügten) Tour-Tagebücher geben naturgemäß äußerst knapp und „nur“ darüber Auskunft, was sich auf den Bergtouren ereignet hat, etwa „1.6. Lager I: Nachts fast nichts geschlafen. 2h auf. 4h Abmarsch mit Otto u. 6 Trägern. Sehr schwerer Rucksack (20 kg) ... Starkes Kopfweh.“

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Vergleicht man dies mit den heuer erschienenen Erinnerungen der Tochter Kriemhild, „Mein Vater Hermann Buhl“, so erfährt man ergänzend, wie sich das Leben seiner Frau neben und nach dem seinen gestaltet hat. Das hilft auch, den Alpinisten in einem anderen Licht zu sehen, dessen Biografie unter anderem auf der Homepage www.hermann-buhl.de folgendermaßen dargestellt wird: Hermann Buhl wird 1924 in Innsbruck als jüngstes von vier Geschwistern geboren. Nach dem Tod der Mutter verbringt er die nächsten Jahre im Waisenhaus. In den 30er Jahren unternimmt der als schwächlich geltende Junge die ersten Touren in den Tuxer Alpen und im Karwendel. Doch rasch steigert er Können und Leistungsfähigkeit und bewältigt bald schwierigste Kletterrouten bis zum VI. Grad (Das bedeutet: „Überaus große Schwierigkeiten. Die Kletterei erfordert weit überdurchschnittliches Können. Große Ausgesetztheit, oft verbunden mit kleinen Standplätzen.“).

Nach Abschluss der Hauptschule beginnt Buhl eine Lehre zum Speditionskaufmann. Den Krieg erlebt er als Gebirgsjäger in Italien, nach amerikanischer Gefangenschaft bestreitet seinen Lebensunterhalt mangels Berufspraxis mit Gelegenheitstätigkeiten in seinem Geburtsort. Ende der vierziger Jahre schließt er seine Ausbildung als Bergführer ab.

In den folgenden Jahren bewältigt Buhl trotz bescheidener finanzieller Mittel schwierigste Touren in den Ost- und Westalpen. Zu nennen sind hier besonders die Erstbegehung der Westwand der Maukspitze im Wilden Kaiser, die erste Winterbegehung der Marmolada-Südwestwand und die erste Gesamtüberschreitung der Aiguilles von Chamonix.

"Generl"


Aus Sicht der Tochter erlebt Hermanns von ihm „Generl“ genannte Frau diese Jahre so: „Mit ihr taucht die Horizontale an seinem Horizont auf, das Gegenüber von Angesicht zu Angesicht, das Menschliche, dem er sich bisher durch die Flucht nach oben entziehen konnte.“ Jedenfalls überwand Hermann anfangs an jedem freien Wochenende die sechzig Kilometer zwischen Hintertal und Ramsau mit dem Fahrrad, bis „Generl“ schwanger wird. Es wird geheiratet und „Generl“ begleitete ihn bis zum siebenten Schwangerschaftsmonat auf seine Touren. Was bleibt ihr auch anderes übrig, war er doch an den Werktagen bis weit in die Abende hinein beschäftigt, Überstunden zu sammeln, damit er die Wochenenden für seine Bergtouren frei hatte.

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Ende 1952 wird Hermann Buhl von Dr. Karl M. Herrligkoffer zur deutsch-österreichischen Expedition zum Nanga Parbat eingeladen. In der Folge verbringt er praktisch seine gesamte Freizeit im Expeditionsbüro und „Generl“ zieht zu ihren Eltern.

Und dann krönt Hermann Buhl am 3./4. Juli 1953 seine bergsteigerische Laufbahn mit dem legendären 41-stündigen Alleingang vom Lager V in 6950 Meter Höhe (also am Beginn der „Todeszone“, in welcher sich der Körper auf Grund von Sauerstoffmangel selbst zu zerstören beginnt) zum Gipfel des Nanga Parbat. Seine Schilderung des strapaziösen Gipfelgangs („Ich bin nicht mehr ich – nur noch ein Schatten – ein Schatten hinter einem Schatten“) gehört zu den Klassikern der alpinen Literatur.

Zurück in der Heimat erlebt Hermann Buhl die Schatten des Ruhms. Durch Neid, Missgunst und Streit mit dem Leiter der Expedition sieht er sich einerseits als schwieriger Außenseiter dargestellt, wird aber andererseits in Österreich zum Sportler des Jahres gewählt – und „Generl“ macht rasch den Führerschein, um ihn zu seinen Vorträgen zu fahren. Außerdem führt sie seinen Terminkalender und handelt die Honorare aus.

Als er dann den Auftrag für sein Buch erhält, frisst das Schreiben zwischen Arbeitsalltag, Führungstouren und Vortragsreisen den kargen Rest an unverplanter Zeit aus, der ihm für die Familie geblieben war. Doch er verspricht: „Wenn sie (die mittlerweile drei Töchter; Anm.) größer werden, werd ich sie schon mal mit hinaufnehmen ins Karwendel.“
Buhls weitere bergsteigerische Karriere wird zunächst dadurch behindert, dass ihm am rechten Fuß durch Erfrierungen abgestorbene Zehen amputiert werden müssen. Aber schon in den Jahren 1954 bis 1956 unternimmt er – zunehmend im Alleingang – wieder schwierigste Touren in den heimischen Bergen, den Dolomiten sowie im Montblanc-Gebiet.

Im Frühjahr 1956 kann er in einem Bergfilm in Chamonix mitwirken– und nimmt Generl ohne die Kinder für vier Wochen mit. Es wird ihr erster und letzter gemeinsamer „Urlaub“ werden.

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1957 plant er mit Marcus Schmuck, Fritz Wintersteller und Kurt Diemberger seine zweite Himalaya-Expedition, diesmal zum Broad Peak im Karakorum. Zukunftsweisend und ihrer Zeit weit voraus ist die Durchführung „im Westalpenstil“ (mit kleinem Team vom Basislager zum Gipfel ohne Hochträger). Am 9. Juni 1957 erreichen alle Expeditionsteilnehmer den Gipfel auf 8.047 Meter ohne künstlichen Sauerstoff.

Wieder zurück im Basislager, versuchen Diemberger und Buhl eine Besteigung der 7.654 Meter hohen Chogolisa. Ein Schneesturm zwingt sie jedoch in 7.300 Meter Höhe zur Umkehr. Beim Abstieg unter schlechten Sichtverhältnissen stürzt Hermann Buhl mit einer Wächte in die Nordwand ab. Diemberger startet mit den übrigen Expeditionsteilnehmern eine Suchaktion, die jedoch erfolglos bleibt. Hermann Buhl bleibt seitdem in der Nordwand der Chogolisa verschollen.

Gästehaus Herrmann Buhl


Nach seinem Tod wohnt und arbeitet „Generl“ bei ihrer Mutter und weil ihr Bruder die Kinder nicht aushält, beschließt sie, eine Gästepension aufzubauen. Ihre Mutter überschreibt ihr ein Grundstück, für das sie nur als Witwe von Hermann Buhl eine Baubewilligung erhält und das sie in nur sieben Wochen bauen lässt – und bezugsfertig macht.

Geld hat sie keines – Hermanns Ersparnisse hat die Expedition verschlungen – und muss einen Kredit aufnehmen. An eine zweite Heirat glaubt sie nicht („Nur ein Depp halst sich drei fremde Blagen auf und einen Deppen mag ich nicht“), also bleibt sie Alleinerzieherin. In den Sommermonaten bewohnt eine „Parade der Bergsteigerfreunde“ das Haus Hermann Buhl: Japaner, Italiener, Polen und Franzosen wechseln einander ab.
Dann werden die Kinder, die bisher in der Pension mitgeholfen haben, flügge. „Generl“ bleiben ihre Gästepension und die Erinnerungen an Hermann. 2003, zum 50. Jahrestag der Nanga-Parbat-Erstbesteigung, wird sie nach Pakistan eingeladen und muss erkennen: Noch immer, so Kriemhild Buhl, „geht es nur um ihn, keiner will wissen, wie sie, die Witwe, überlebt hat. Das Heroische drängt alles Kollaterale in den Schatten.“ Auch bei der Eröffnung der Hermann-Buhl-Sonderausstellung im Messner Mountain Museum in Sulden am 27.6.2007 wird es ihr wohl nicht anders ergehen.

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Reinhold Messner schreibt: „Hermann Buhl gehört zu den Lichtgestalten des klassischen Bergsteigens. Exzellent als Fels- und Eiskletterer wurde er ein ausdauernder Alpinist, zuletzt war er der beste Bergsteiger seiner Zeit.“

Kriemhild Buhl, die zwischen der Bergsucht ihres Vaters und der Drogensucht einer ihrer Schwestern nicht viel Unterschied macht, sieht in Hermann Buhl einen Suchenden, „dem das Leben als solches zum Leben nicht reichte“. Er selbst hat das so ausgedrückt: „Doch was bedeuten schon Mühen und Entbehrungen im Vergleich zum großen Erleben. Die körperliche Pein, das Unangenehme vergisst man schnell. Das Schöne aber bleibt unauslöschlich in der Erinnerung haften und treibt mich weiter.“ ###


© Wiener Zeitung 2007

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