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DIE HACKER SIND DIE GUTEN

Bei einem angenommenen Jahres-Schaden von 55 Mrd. USD fragt man sich schon: Was für kranke Hirne stecken hinter den grassierenden Viren und Würmern?


Seit MyDoom zahllose PCs gefallen hat, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht vor Viren und Würmern gewarnt wird. Die Antiviren-Softwarehersteller überschlagen sich förmlich mit ihren Warnungen vor neuen E-Mail-Viren. Zuletzt trafen vor allem Nachfolger ein: Mydoom war am 4. März in der Variante H anzutreffen, Beagle hat sich bereits bis K weiterentwickelt und Netsky ist derzeit bereits als F-Version unterwegs.

Obwohl nicht alle von ihnen auch wirklich eine Bedrohung für den PC darstellen, so ist das vermehrte E-Mail-Aufkommen doch zeit- und kostenraubend. Vor allem scheint sich zwischen den Virenschreibern ein regelrechter Krieg abzuzeichnen - in den Quellcodes der Viren beschimpfen sich die Autoren gegenseitig. - Angeblich sind die Bagle- und Mydoom-Autoren über die Aufmerksamkeit, die Netsky erhält, nicht glücklich.

Da fragt man sich doch: Was sind das für Leute und was macht sie „glücklich“?
Das Klischee will, dass diese Leute jung, weiß, intelligent, computersüchtig und sozial etwas unterentwickelt sind. Das Klischee spricht auch durchwegs von Hackern, obwohl das nachweislich nicht stimmt.

Hacker glauben an die Freiheit


Hacker sind die Guten. Eric S. Raymond beschreibt sie in „How to become a Hacker“ folgendermaßen: „Hacker bauten das Internet, Hacker machten das UNIX-Betriebssystem zu dem, was es heute ist, Hacker betreiben das Usenet, ..., Hacker glauben an Freiheit und freiwillige, gegenseitige Hilfe.“ Sie stehen für kostenlose Software, kostenlose Programmierwerkzeuge und kostenlose Betriebssysteme.

Im Gegensatz dazu die Codierer und Virenschreiber: Die sehen sich als Elite, haben viel Programmier-Hintergrund, schreiben Codes, benutzen sie aber nicht selbst. Betreiben eigene Netzwerke zum Experimentieren („Zoos“ genannt) und überlassen es anderen, ihre Codes in „The Wild“ (= Internet) zu stellen.

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Wie zum Beispiel die Script Kiddies oder Cyber Punks, meist weiße 12 bis 30jährige Computersüchtige, die (Viren-)Scripts runterladen oder Infosysteme hacken, um sie zu vandalisieren – und oft geschnappt werden, weil sie online damit prahlen.

Und die noch Böseren: Die Cracker, die ihren Spaß daran haben, in Telefonnetze und Computer einzudringen. Von den dort eingesammelten Informationen leben sie. Weiters stehlen sie Passwörter, verändern Daten oder löschen sie, kopieren geschützte Software und geben sie weiter. Cracker halten auch Verbindungen zur organisierten Kriminalität.
Aus diesen Dunstkreisen kommen jene Leute, die für die Viren und Würmer verantwortlich sind, mit denen sich Private herumplagen und die den Firmen enorme Geldsummen kosten.

Warum? Der Soziologe Roland Girtler meint, Virenschreiber wären kleine Gauner, die andere ärgern und es „denen da droben“ zeigen wollen. Der Psychologe Jerrold M. Post ist der Ansicht, Viren sind für solche Leute ein – virtuelles - Spiel, bei dem die Konsequenzen ignoriert werden können (zumindest bis die Polizei an der Tür klopft). Die Täter haben für ihn meistens ein Minderwertigkeitsgefühl: Sie flüchten vor der realen Welt, und das Meistern einer Technologie oder der Zusammenbruch von Firmen-Netzwerken oder –Websites gibt ihnen ein Gefühl von Macht. Ein Schaden in Millionen-Dollar-Höhe scheint für sie ein Powertripp zu sein.

Außerdem hat sich die Virenschreiber-Szene gewandelt. Früher waren es laut dem Experten Natalya Kaspersky vor allem technisch versierte Teenager, die ihre Freunde oder ihre Virencommunity beeindrucken wollte. Heute sehen wir einen zunehmenden Zusammenschluss von kriminellen Elementen, die materialistische Interessen verfolgen.
Heute habe Viren oder Würmer meist eine Zweit- oder Drittfunktion an Bord – neben der beinahe Standard gewordenen Benutzung des E-Mailadressbuchs. Nach Einschätzung des Wiener Anti-Virensoftwareherstellers Ikarus war etwa der Hauptzweck von „Mydoom“ das Sammeln von regulären E-Mail-Adressen, entweder um diese zu verkaufen oder um sie selbst als Ziel für Spam-Mails zu verwenden.

Und so kann man sich heute nicht einmal mehr auf bekannte Absender verlassen, da viele Würmer mit gefälschten Adressen arbeiten.

45 Milliarden Euro Schaden


Der Schaden, den Viren 2003 bei Unternehmen weltweit anrichteten, beläuft sich auf 55 Milliarden USD, umgerechnet also knapp 45 Milliarden Euro. – Diese Zahl nennt der Antiviren-Software-Hersteller Trend Micro, der 2003 einen Nettoabsatz von 454 Millionen Dollar und einen Nettogewinn von 87,3 Mio. erzielte.

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Da sieht man, für wen sich die Viren und Würmer noch auszahlen. Und nicht wenige bekannte und anerkannte (Sicherheits-)Experten starteten ihre Karriere mit Hacken oder Cracken:
- Dennis Ritchie und Ken Thompson: erfanden in den frühen 70er Jahren die heute am meisten verbreitete Programmiersprache C und programmierten 1969 UNIX.
- John Draper: führte Gratis-Telefongespräche mit dem Plastikpfeiferl-geschenk aus einer Cornflakes-Packung; gab diesen Tipp weiter und ging für acht Monate ins Gefängnis.
- Mark Abene: Hacker und Phreaker (Telefonnetz-Anzapfer), Mitglied der Legion of Doom, später Gründer Masters of Deception, welche Gruppen sich einen wahren Hacker-Krieg lieferten
- Kevin Poulsen: erschlich sich einen Porsche, indem er bei einem Radio-Gewinnspiel die Telefonleitung blockierte; brach in die FBI-Datenbank ein.
- Ian Murphy alias Captain Zap: Vorbild für den von Robert Redford gespielten Hacker/Cracker aus dem Film „Sneakers“.
- Kevin Mitnick: Nachdem er in einige der bestgesicherten Computersysteme der USA eingedrungen war, wurde er 1995 vom FBI verhaftet. Nach seiner Entlassung aus fast fünfjähriger Haft im Januar 2000 betätigte er sich als Autor und Sicherheitsberater.
Aber es gibt auch die richtig schweren Jungs, denen es wohl egal ist, ob sie als Hacker, Cracker sonst was bezeichnet werden, und die es wohl nicht mehr zum Sicherheitsberater bringen werden:
- Adrian Lamo: drang in die Computer-Netzwerke von Microsoft, Excite@Home, Yahoo, MCI WorldCom, Bank of America, Citicorp, Pfizer Chase Mellon, Daimler Chrysler, FOX TV, H&R Block, and General Electric Networks ein
- Karl Koch: sein Leben diente ebenfalls als Filmvorlage („Cuckoo’s egg“ und „23“); wurde vor allem durch den so genannten KGB-Hack in den 1980er Jahren bekannt (er verkaufte Entdeckungen auf gehackten Rechnern an den KGB)
- Vladimir Levin: wahrscheinlich das Mastermind des 10-Mio.-$-Internetraubs an der Citibank

Levins Raub war übrigens eines der wenigen Cybercrimes, die an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Denn abgesehen von Viren, Würmern und sonstigem Ungeziefer – diese richten angeblich gerade einmal ein Siebentel des Schadens an, der durch Datendiebstahl, Betrug und Erpressung via Internet verursacht wird. Aber schlechte Publicity kommt wahrscheinlich noch teurer. ###

@ Extradienst 2004


DEFINITIONEN

Cracker/Hacker: Cracker stehlen Passwörter, verändern Daten oder löschen sie. Sie können Programme beenden und Systeme damit zerstören. Sie kopieren geschützte Software und geben sie weiter. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden genau diese Taten Hackern zugeschrieben, was aber falsch ist. Hacker sind Experten, die in Systeme eindringen, sie aber nicht zerstören.

Virus: Ein Programm, das sich vervielfältigt und Schaden verursachen kann. Es infiziert andere Programme, indem es sich selbst einschleust und anhängt. Besonders empfänglich für Viren sind Attachments.

Wurm: Ein Programm, das sich selbst kopiert, zum Beispiel von einem Laufwerk auf ein anderes oder indem sich das Programm über eine E-Mail kopiert. So kann es Schaden verursachen und die Sicherheit des PCs beeinträchtigt werden. Tritt als Scherzprogramm auf.

Trojanisches Pferd: Ein Programm, in dem sich wie bei Homer Gefahr verbirgt. Wird als E-Mail versendet, kann sich nicht vervielfältigen oder kopieren, weshalb sie als nicht ganz so gefährlich gelten wie Viren. Ein "Trojaner" kann aber Passwörter oder Kreditkartennummern ausspionieren. Tritt als Scherzprogramm oder Scherz-Software auf.

Quelle: EC Austria-Lexikon

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