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konzentrisch
(für ExM)

spiel spielchen
draußen regnet es tonnenschwer
tote
lach lächeln
drinnen vererben gespenster
gebräuche



TEIL EINS


Seitdem du gestorben bist, schmerzt jeder Satz mich, den ich nicht zu dir gesagt habe. Ein Loch, trotzdem es ein Loch ist, tonnenschwer, belastet mir Atmen wie Denken, und ich bin fest davon überzeugt, daß es mich eines Tages verschlingen wird, nicht grausam wie ein reißendes Tier zum Beispiel, sondern ich kann mir vorstellen , es trübt mich ein, bis ich jede Menschlichkeit verloren habe, bis ich bereitwillig selbst zu einem Loch werde, in das man bedenkenlos werfen kann, alles werfen kann, dem nicht einmal mehr etwas gleichgültig sein mag, das gefühllos ist.
Mein Loch–Werden käme dem Selbstmord gleich.

Trotzdem du nicht mehr lebend bist, bin ich bei dir. Meine Umgänge beschränken sich auf das Notwendigste, meine mir noch liebsten Momente sind jene, in denen du statt mir auf unserem Großvatersessel sitzt, und was mir diese Momente wiederum verleidet, ist, daß nicht du da sitzt, sondern meine Vorstellung von dir.
Mir ist kein Mensch je so bekannt gewesen, soweit es mir möglich ist, mich zu erinnern, konnte ich keinem seine Antwort auf meine Frage geben. Aber ich zweifle – ich muß –, ob die Gespräche, die ich mit dir führe, nicht doch nur meine eigenen sind, oder die, welche, welche ich mir vorstellen könnte, mit dir zu führen.

Du bist in mich eingeflossen, seit du mir in die Augen sehen lerntest, und du bist nicht mehr von mir abzugrenzen, seit du mich nicht mehr um 4h30 morgens wachrüttelst, weil du nicht schlafen kannst. Dann liegen wir auf verschiedene Arme aufgestützt, rauchen gemeinsam eine Zigarette, sprechen kaum, vertrauen auf die Stille, bis diese gestört wird. Du küßt mich zärtlich und schläfst sofort ein. Ich liege und suche einen Ausdruck für Glück.
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Manchmal, wenn ich mir wie eben zwei Zigaretten gleichzeitig anzünde, je eine für uns, werfe ich eine davon ins Klo, betrachte ich die andere, wie sie abbrennt. Ist es der Rauch, der sich in meine Augen zieht, oder weine ich jetzt auf einmal ganz von selbst?

Gleich darauf zünde ich mir eine Zigarette an und rufe ins Klo, ob du nicht schon bald fertig bist, ob du nicht runterspülen könntest, weil es schon bis ins Schlafzimmer stinkt, ob du meinen Namen aussprechen könntest, leise, leise, leiser, bis ich ihn nicht mehr hören kann

Wärst du auch tot, wenn wir beide gestorben wären?

Am Tag danach stand ich dauernd vor dem Spiegel. Ich sah mich an, sah mich, sah. Mir in die Augen, wollte mehr sehen als Pupillen und Weiß, sah mehr als Pupillen und Weiß, weil ich wollte. Ich wollte sehen, was nun noch wird. Und ich sah nichts außer Pupillen und Weiß.
Als ich einmal sagte, man kann alles, was man will, hast du gelacht.
Ich laufe in der Wohnung umher, forme Sätze, stolpere über erste Buchstaben, über die Türschwelle zum Schlafzimmer. Vor dem Lautsprecher falle ich hin, vergrabe die Finger in die Fasern des Teppichs. Setzt die Musik aus, bleibe ich liegen, höre mich gegen die Stille atmen, drehe nicht wie früher sofort die Platte um.
Wenn die Straßenbeleuchtung zu flimmern beginnt, gehe ich vielleicht zum Auto, vielleicht fahre ich auch, meistens in Richtung unseres Lokals. Oft warte ich, bis es geschlossen wird, dann drehe ich die Musik laut auf und schreie, dann lache ich, singe mit.
Wenn ich im Bett aufwache, bist du schon gegangen.
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Hat es genügt? Glaubst du, daß, es genug war?
Gut; ich frage nicht. Du hast immer gesagt, daß du mir ohnedies einmal antworten würdest. Doch ich bin mir nicht sicher: Ist etwas offen geblieben? Hast du mir verschwiegen, was ich nicht hören hätte wollen?

In der Nacht. Ich streichle mir die Schamhaare. Ich will nicht onanieren. Die Vernunft will mich nicht onanieren lassen.
Ich habe immer auf Vorzeichen geachtet. Wenn ich heimkam, habe ich versucht, den Fuß gleichzeitig mit dem Grün–Werden der Ampel auf die Straße zu setzen. Gelang es, warst du da. Hatte ich erst gewisse Hoffnung auf dich.
Onanierte ich, geschah, was ich wußte, daß geschehen würde, und ich gab meinem Onanieren die Schuld.
Ich streichle meine Schamhaare, aber ich will nicht onanieren.
Du bist tot. Und ich habe onaniert. Kannst du deshalb schon gestorben sein?
Schuld. Schuldig. Auch wenn du nicht willst, du weißt ja, daß ich immer bei mir anfange. Daß du mich auf die Schuld der anderen stoßen mußtest. Ich habe immer bei mir angefangen.

Und wäre zu klären, was war, was wäre änderbar? Du kämst nicht nach hause, auch wenn ich mich für deinen Tod nicht zu schämen bräuchte.

Laß mich nur ein bißchen hoffen. Was hat uns denn am Leben gehalten? Die Gewißheit der Ungewißheit. Die Gleichgültigkeit der Unterschiede. Die Verzweiflung der Hoffnung.
Was hat dich denn abgehalten? Hattest du die Verzweiflung gewiß? Und was konnte dir gleichgültig sein?
Was hat uns denn geeint? War unsere Gemeinsamkeit Selbstbetrug. Und war Selbstbetrug zwangvolles Beglücken.
Ich habe dir nie etwas versprochen. Ich habe gesagt, laß uns nicht vergleichen. Ich habe wissen wollen, was dich hält. Und du bist gegangen. Freiwillig.

Im Sommer hast du dich wohl gefühlt. Du bist rausgefahren, du hast mich angerufen und gesagt, eben hat ein Vogel für mich gesungen.
Du bist wandern gewesen, und wenn du zurückkamst, hast du keinen Kaffee getrunken. Du hast wenig geraucht. Ich habe mir Wein eingeschenkt und dir zugesehen, wie du die Lippen bewegt hast. Das hast du nicht für mich getan. Es ist dir passiert. Diese Lippen hatten ihre eigene Sprache für deine Gedanken, deine Gefühle. Und ich durfte dir zusehen.
Das waren Augenblicke, gegen die ich fünf Sonnenaufgänge getauscht hätte.
Mach Musik, sagst du; was du willst. Ich versuche, die Musik auszuwählen, die du magst. Lies mir vor. Ich lese dir vor. Ich lese dir vor, was du hören wollen könntest. Hol mir bitte ein Glas. Ich bringe dir dein Glas.
Du bedankst dich nicht. Du hörst Musik, du nimmst Sprache auf, du trinkst. Das genügt mir vollauf.
Und du hattest die Augen geschlossen. Ich bin eingeschlafen. Ich wache auf. Du liegst und siehst mit zu.
Ich frage, wie spät es ist. Du weißt es nicht. Ich sehe es schon hell werden.
Fahren wir gemeinsam? Heute?
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Wir lernten uns konzentrisch kennen. Es wäre möglich, unser Bekanntwerden graphisch darzustellen. Aber es würde nicht stimmen.
Es war immer Musik um uns. Und Stille.
Ich war sprachlos. Ich konnte nur wiedergeben, was auch technische Geräte wahrnehmen können. Auch das stimmt nicht.

Unsere Körper lernten wir auswendig. vor allem die Orte der brennenden Lust. Ich begriff nie, weshalb deine Miene oft schmerzverzerrt, sodann wieder glühend wie Buschbrände leuchtete.
Nichts wollten wir dem anderen verbieten, somit war alles erlaubt. Nur Kinder wollten wir keine zeugen, empfangen. Dazu waren wir wohl noch nicht überzeugt genug.

Ich leide. Ich sehne. ich bin süchtig. Ich bin aufgestanden, um nach dem Wetter zu sehen. Ich habe oft geschwiegen. Ich habe viel geredet. Wenn im Sommer die Sonne nicht geschienen hat, hast du den Glauben verloren. Dann stand ich kopf. Zu mittag hat ein Mann im Regen gestanden. Er bewegte sich nicht. Er lächelt, hast du zu mir gesagt. Ich schwebe. Und du hast mich aufprallen lassen. Es hat mir den Leib zerfetzt. Aber ich lebe.

Dann standen Farben im Wind. Robben besprachen die Musik des Lächelns. Zu Tauwetter begatten sich verschiedenartige vorhänge im leben im leben traum fabrk lixtnrs

Es ist bewölkt. Wolken. Socken. Ich wasche Wäsche am Abgrund der Träume. Siebenschläfer zielen sorgsam. Blumen. Eistaufrühlingheiß. Manchmal fühle ich Ringlotten tanzen. Doch es wird mir genauestens erklärt, woran es denn läge. Es liegt eine Tote im Sarg. Sag, hast du sie nicht gekannt?
Jaja, stammelt der Schläfer und fällt vornüber ins Gras.

Ich gebe ja zu. ich bin nicht allzuoft vergnügt gewesen. Probleme wälzen. Lawinen lostreten. Begraben wollte ich dich ja nicht. Unbedingt. Ich dachte immer, daß wir beide doch gleichziehen. Ich sage, du sagst. Ich klage, du klagst. Du fragst, ich frage. Ich frage mich, was noch geschehen könnte. Entstehen könnte.
Es ist in der Früh. Ich liege da und schreibe. Ich drehe Kassetten um. Seitdem du gegangen bist, ist mir die Stille unerträglich geworden. Es darf nicht ruhig sein. Nicht ruhig.
Ich liege da. Ich denke: es ist bald Tag. Ich bin müde, aber ich kann nicht schlafen.
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Jetzt würde ich vieles anders tun. Überrascht dich das? Du meinst wohl, wir waren unentwegt ehrlich; einfach so. Dabei erhellt nur die Spannung des Ungesagten eine Beziehung.
Glaub mit kein Wort. Du weißt ja, daß ich gerne rede.
Wie war es nun: Wir haben uns gemeinsam gelebt, nicht wahr? Jeder tat doch, was er wollte. Und nahm Rücksicht auf den anderen.
Jeder tat, was er wollte, mit Rücksicht.

Schafftest du dich auch aus Rücksicht aus meiner Welt? War das nun, was du wolltest?
Also kannst du dich nicht geliebt gefühlt haben.
Dir vorgekommen sein.

Weißt du noch, wie schön es ist, die ersten Sonnenstrahlen mit einem Schweigen, einem Schluck Wein zu begrüßen?
Wir reden die ganze Nacht. Weil es morgen doch nichts zu versäumen gibt. Weil wichtig ist, was geschieht. Wir reden über uns. Denn nichts anderes hätte Sinn.
Ich liebe dich.
Das klingt so leer. Darüber waren wir uns doch einig.
Darum habe ich es immer anders gesagt. Immer verschieden. Habe ich jemals ich liebe dich gesagt?
Kann sein, ich habe fremde Gedichte zitiert. Kann sein, ich habe mich anfangs unbeholfen ausgedrückt. Aber ich habe es versucht.
Immer verschieden anders.

Und wenn ich dich jetzt auf der Straße treffen würde, wäre ich gerade nicht überrascht.

Spielen tun wir gerne. Wir kennen keine Namen und keine Regeln. Wir spielen uns. Wir spielen mit uns. Wir spielen mit uns Spielen.

Wir lachen viel. Wir sind auch verschieden.
Was uns gemeinsam ist, gibt Anlaß zu Streit.
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Ob alles ... Nein; wie kommst du darauf. es ist alles
Ich brauche nichts mehr.
Wir haben uns soviel gegeben, daß ich leer wie ein Bombenkrater bin, wenn meine Gabe nicht mehr bei mir ist.
Ich fühle meine Zehen kalt werden.
Ich fühle die Sonne nicht.
Was?!

Ich bin spazieren gewesen. Ich bin das Gehen nicht mehr gewöhnt. Anfangs. Dann ging ich ganz automatisch. Ich mußte nicht mehr daran denken, damit sich meine Füße bewegten.
Ich sah Frühlingsblumen. Und Schnee.

Am Abgrund steht ein Hochbräuhaus. Sekundenschnell. Im Nebel schleiert ein Eule. Was zählt, ist die Uhr meine Zeit.

Du sagtest, ob ich noch wisse wie wann du kann malen klopfen am Schnee verteilt gereiht enteist verbissen beflissen
Ich habe abgehoben, die Flügel aufgespannt, und du ließest dich aus Höhe umkreisen, drehtest dich mit mir mit.
Eine Kugel aus Eisen. Eine Mauer aus Steinen.
Ich muß erbrechen.

“Wenn der Wind des Schicksals aus einer Richtung wehen würde, hätte die Seele eine Wetterseite wie die Bäume. Aber schau auf die Straße, da ist weder Grund zur Hoffnung, noch zur Verzweiflung.”
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TEIL ZWEI


Du kommst und liest, was steht.
Nein. Warum, sagst du. Warum mußt du mich tot machen, um mich zu beschreiben.
Weil dir dein Tod endgültigen Abstand gibt.
Warum willst du Abstand gewinnen.
Weil ich dich näher kennenlernen will.
Aber, wenn du fort bist, erlebst du mich nicht.
Ich bin, bin ich fort, mehr bei dir, als wenn ich bei dir bin.
Warum willst du nicht, daß wir uns verstehen.

Versteinert. Der Blick zurück vesteinert. Doch ich sehe kaum eine Zukunft. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich Vergangenes nicht erfinde.

Sieh mich an. Was siehst du. Was siehst du mich an.

Bevor es abend wird, zünde ich eine Kerze an. Je dunkler es wird, desto mehr zieht sie mich an. Konzentrisch. Ich kreise um, herum. Genau rundherum. Es wird dunkler, und ich gleite weiter.
Ich bin wie betrunken vom langen Wach–Sein. Gegenstände beginnen zu wandern. Licht flimmert.
Es geht ein Wind. Er drückt gegen Einfriedungen jeder Art. Vor allem um die Fenster sorge ich mich.

Gib wenigstens Geräusche von fern. Laß es am abend kurz hell lachen. Verfasse ein Gedicht, das sich so reimt, daß es nicht mehr verstanden sein muß. Oder umgekehrt. Und daß ich mich wirklich bemühe.

Wo hast du das her?
Du hast es mir geschenkt.
Oh.

Denk dir nur! Bleib ganz ruhig. Schrei mich einmal an. Wenn du aber nicht willst.
Beim Tanzen hältst du die Augen geschlossen wie ich.
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Natürlich bleibt etwas zurück. Hängt sich klettenlich an. Ist nur gewaltsam entfernbar.
Ich finde dich wunderreich.

Ich versuche schon, mir anzugewöhnen, daß du gewiß nicht auferstehst. Und steht du da, wie kannst du ein Wort noch sagen?

Todversuch.

Mach mich leben wieder. Verzeih mir alles nur, was ich an mir selbst nicht verstehe. Betrachte jede Orangenschale als potentielle Ausrutschgefahr, Hinfallmöglichkeit, Fußbrechkannsein.

Ich vergaß die Farben deiner Augen. Ich saß mit vorsorglich denkendem Kopf auf Hände gestützt, welche wiederum von den auf dem Tisch angewachsenen Armen getragen wurden. Ich sah mir dein Gesicht ohne Vorlage an.

Werde ich irgendeinen Körper jemals so lieb gewinnen und warm halten wie deinen; ach du, auch vom angespannten Zittern, vom Stöhnen und Wälzen, entspannter Leere und peinlicher Selbstgenügsamkeit bin ich wie abhängig geworden.

Mit fortschreitender Übung kann ich Zigaretten schon mit einem Stoß ausdämpfen.

Du sagst, ich lehne es ab, mich als Tote zu behandeln. Aber ich finde es zulässig.
Du sagst, du spielst da nicht mit. Das meine Sache soll sein.
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Ich vergleiche dich mit dir.
Schau: Ich bin in dir und betrachte dich ebenso von außen, doch innerlich.
Ob mir das nicht immer noch ermöglichte, mich, dich zu belügen.
Wie soll ich es sagen. Soll ich es sagen. laß ich dich doch reden. Höre dir ja zu.

Stell dir vor, ich bin müde. Ich glaube nicht, daß Müde lügen können. Denn am abend nach dem Fernsehprogramm drehte er das Gerät ab und sprach zu seiner Frau: Iß noch ein kaltes Schnitzel mit mir. Es ist mir gleich. Mein Orgasmus komme, wie auch deiner. Kann schon sein.
Wenn ich doch will. Willst du mir eine Freude bereiten, mache mit mir, was ich will.
Laß mich in Ruhe.

Es passiert im Lokal. ich bin sicher, du wartest auf mich, wenn ich vom Klo zurückkomme.
Du bist fort. Dein Platz ist leer. Dein Sessel ist warm. Deine Zigaretten fehlen.
Ich überlege nicht. Denn ich laufe zum Klo, reiße die Türe auf, rufe dich, rufe dich oftmals.
Ich werde gebeten, das Lokal zu verlassen. Ich will mich nicht verteidigen, aber es mag mir ohnedies niemand zuhören.
Ich stehe im Regen vor der Eingangstür. Und du faßt mich leise von hinten an. Wie ich dich küsse.

Nein. Ich küsse dich nicht, sondern schlage dein blödes Gesicht mit meiner rechten Hand. Ich ergreife abrupt deine Schultern und schüttle dich, während dir schon die Tränen kommen, während ich schrie.
Hinter mir her zerre ich dich an der Hand zum Auto. Steig ein! Du sollst einsteigen. Schnall dich an, weil ich weiß nicht, wie ich jetzt fahre.
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Wir sprechen kein Wort. An den Fensterscheiben schlagen sich unsere sirrenden Gedanken die Köpfe blutig. Wenn einen von uns ein Blutstropfen trifft, zuckt er zusammen.
Schweigend steigen wir die Stufen hinauf. Beide suchen wir den Wohnungsschlüssel.
Wer wird gewinnen?

In der Wohnung gehen wir unseren Blicken aus dem Weg. Denn wir wollen uns nicht mehr versöhnen, auch wenn es gar nicht so gemeint war.

Mir ekelt vor der Art, wie du ißt.
Deine Fragerei nervt mich. Wo ich denn war? Und mit wem.
Wer räumt die Wohnung auf?
ich habe gestern den Mistkübel ausgetragen.
Und ich das Geschirr gespült.
Hör doch auf!

Es wächst Staub. Das Geschirr wasche ich ab. Die Zigaretten werfe ich in die Klomuschel und spüle nach. Kaffee ist keiner mehr da.

Mit einer Hacke spalte ich dir den Kopf, und weil der Blick deiner Augen mich stört, bohre ich sie mit einem Taschenmesser aus ihren Höhlen. Ich trample auf deinem Körper und höre die Knochen brechen, Organe zerquetschen. Dann trenne ich die Arme, später die Beine vom Rumpf.
Nein du wolltest mich dich nicht lieben lassen, und ich brate mir dein Herz.

Ich fahre aus dem Schlaf in die Dunkelheit. Was ist dir?

Du bist ja da, du liegst ja neben mir, du berührst mich ja.
Ich versuche zu denken, daß ich träume.
Ich träume, daß du neben mir mich berührst. Ich träume, daß ich aufwache, und daß du neben mir mich berührst. Ich träume, daß ich im Traum aufwache, und daß du neben mir mich berührst. Ich träume, daß ich aufschreibe, daß ich im Traum aufwache, und daß du neben mir mich berührst.
Ich sehe, daß du nicht tot bist, weil du mich berührst.
Ich erwache, wie wenn ich träumte, daß ich erwache.
Du liegst neben mir und berührst mich ja.
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Rette mich vor den Reptilien. Sage frank und fröhlich, wo der Nagel geschnitten werden müßte. Bleib unnahbar in der Komik. verzichte auf Oberleitung. Bemesse genau den Quadranten. Entsende Taxis ins Groteske. Lasse den Mond versenken das Himmelreich. Grabe Löwenzahnwurzeln aus Emailportraits. Veranstalten wir ein Fest.
Beanstanden wir die Bedienung. Anstand halten. Im Stande laufen. Den Sand durch die Siebe schleichen bemerken.
Denn wer die Liebe kennt, entsagt um kein Geld nicht.

Wie sein sollten die Menschen zueinander. Frag mich noch dreimal. Denn in der Theorie wachsen Herzen aus Stahl.

Ich hasse dich. Ich liege da, allein, und hasse dich.
Habe ich jemals ich liebe dich gesagt?
Ich halte dir Reden die ganze Nacht. Morgen könnte ich sie dir nicht wiederholen. So feig bin ich!
Ich begrüße die Sonnenstrahlen mit einem Seufzen.

Das Schweigen ist peinlich geworden. Uns beiden brennen Antworten, Erklärungen und Fragen in den Mundhöhlen. Beleidigungen, Quälereien und Drohungen im Magen. Angestrengt halten wir Schreie zurück; denn diesen Gewinn sollst du nicht davontragen.
Und wir tragen ohnedies schon schwer. Alle Verzichtsleistungen aus Rücksicht halten uns unbeweglich. Alle Beschneidungen aus Vorsicht, alle Gewohnheiten aus Angst.

Ich getraue mich nicht aufs Klo zu gehen, um dir nur ja keinen Anlaß zuzuspielen.

Ja. Wir spielen, spielen schon lange. Sind ein gezwungen vor Glück lächelndes, ideales Paar.

Tun dir die Muskeln nicht höllisch weh, die du verspannt hast, nur um gut zu sein?
Und schmerzt nicht der Kopf, dreht sich dein Gehirn nicht selbständig?
Sieh nur, wie lang deine Nägel schon gewachsen sind. Ja, du hast dich vernachlässigt, um mir zu gefallen.

Aber gib das ja nicht zu! Lächle zu jedem Ratschlag, der auf der Luftbrücke zwischen uns zu einem Vorwurf wird; erhöhe deine Überheblichkeit ins Unmeßbare. Spitze deine Lippen zu jeder Bitte. Schließe die Augen, damit du mich ja nicht hörst!
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Und endlich sagst du: Du fließt in Räume, wie wenn du kein Rückgrad hättest, und läßt dich von ihren Gefühlen und deinem Verstand formen! Und sobald du erkennst, das bin ja gar nicht ich, meinst du, daß dir dich dann keiner mehr abnimmt. Du markierst einen starken Abgang, brichst vor der Tür zusammen und fließt weiter.

Wer sich verteidigt, gesteht seine Schuld, fährt mir durch den Kopf. Wer schweigt, macht sich mitschuldig, würdest du antworten.
Alles, was uns zu uns noch einfällt, ist mehr als sonst auch zu rauchen.

Und was wir zuvor – zur heillosen Rettung – als Laien dargestellt haben, setzen wir gekonnt – zu unbeklatschten Halbprofis gemausert – ins böse Charakterfach um.

Reißen wir uns die Masken mühevoll gewaltsam von unseren schwitzenden Fratzen. Und schminken wir uns danach noch ab.
Ja!
Diese bleichen, häßlichen Gesichter sind die unsrigen. Diese mausgrauen Augen, diese rotzenden Nasen.
Ja!
Gichtkörper unter verschrumpelnder Haut.

Das Märchen wird sein, daß der erste Kuß uns in rosige Prinzessinnen und strahlend–weiße Prinzen verzaubert. Der letzte läßt wohl die rostigen Rüstungen und die blutigen Hochzeitsgewänder zurück, und nackt, nackter als nackt, nackter als nackter als nackt werden wir die Ewigkeit als gelbschwarze Tag– und Nachtgleiche erkennen müssen.

Ich darf mir deine Endgültigkeit nicht vorstellen. Sobald ich von ihr wissen werde, werde ich wissen, daß ich sie nicht wissen wollte.
Dann werde ich den Fernseher aufdrehen und mit geschliffenen Wurfpfeilen der Ansagerin auf die Pupillen zielen.
Brennt es endlich, wärme ich mir die Kälte aus dem Leib. Ich fange Feuer und brenne lichterloh. Langsam lasse ich mein Zucken zurück. Deine Hände steicheln mir Mut in die Ohren. Ich komme. Ich komme!
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“Trennen wollten wir uns? Wähnten es gut und klug?
Da wir’s taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach, wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.”

Und als wir uns mutig wiedergefunden hatten, saß dieser im Großvatersessel und nahm seine Lesebrille ab.
Er stellte fest: Siehe Kreatur, was dir möglich ist.
Verlegen lächelten wir; beide.

Mit einem Mal besaßen wir wieder Körper um die Seelen gewickelt. Starr vor Angst und stumm vor Freude hielten wir uns umfangen. Zur gleichen Zeit fragten wir: Willst du mir helfen, bitte?

Tränen sammelten sich, wagten ihren Weg aus der Verzweiflung zu einem Bekenntnis.
Hinsinken in die Wärme aus Zärtlichkeit und Zigarettenglut. Schlucke zum Zeitvertreib.
Kommt die Sehnsucht wieder, rasch einen Feuerblitz ins Dunkel.
Aber sag bitte jetzt nichts, außer zu mir, daß es wunderbar ist.


© Werner Schuster

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