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konzentrisch
(für ExM)
spiel spielchen
draußen regnet es tonnenschwer
tote
lach lächeln
drinnen vererben gespenster
gebräuche
TEIL EINS
Seitdem du gestorben bist, schmerzt jeder Satz mich, den ich nicht zu dir gesagt
habe. Ein Loch, trotzdem es ein Loch ist, tonnenschwer, belastet mir Atmen wie
Denken, und ich bin fest davon überzeugt, daß es mich eines Tages
verschlingen wird, nicht grausam wie ein reißendes Tier zum Beispiel,
sondern ich kann mir vorstellen , es trübt mich ein, bis ich jede Menschlichkeit
verloren habe, bis ich bereitwillig selbst zu einem Loch werde, in das man bedenkenlos
werfen kann, alles werfen kann, dem nicht einmal mehr etwas gleichgültig
sein mag, das gefühllos ist.
Mein Loch–Werden käme dem Selbstmord gleich.
Trotzdem du nicht mehr lebend bist, bin ich bei dir. Meine Umgänge beschränken
sich auf das Notwendigste, meine mir noch liebsten Momente sind jene, in denen
du statt mir auf unserem Großvatersessel sitzt, und was mir diese Momente
wiederum verleidet, ist, daß nicht du da sitzt, sondern meine Vorstellung
von dir.
Mir ist kein Mensch je so bekannt gewesen, soweit es mir möglich ist, mich
zu erinnern, konnte ich keinem seine Antwort auf meine Frage geben. Aber ich
zweifle – ich muß –, ob die Gespräche, die ich mit dir
führe, nicht doch nur meine eigenen sind, oder die, welche, welche ich
mir vorstellen könnte, mit dir zu führen.
Du bist in mich eingeflossen, seit du mir in die Augen sehen lerntest, und du
bist nicht mehr von mir abzugrenzen, seit du mich nicht mehr um 4h30 morgens
wachrüttelst, weil du nicht schlafen kannst. Dann liegen wir auf verschiedene
Arme aufgestützt, rauchen gemeinsam eine Zigarette, sprechen kaum, vertrauen
auf die Stille, bis diese gestört wird. Du küßt mich zärtlich
und schläfst sofort ein. Ich liege und suche einen Ausdruck für Glück.
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Manchmal, wenn ich mir wie eben zwei Zigaretten gleichzeitig anzünde, je
eine für uns, werfe ich eine davon ins Klo, betrachte ich die andere, wie
sie abbrennt. Ist es der Rauch, der sich in meine Augen zieht, oder weine ich
jetzt auf einmal ganz von selbst?
Gleich darauf zünde ich mir eine Zigarette an und rufe ins Klo, ob du nicht
schon bald fertig bist, ob du nicht runterspülen könntest, weil es
schon bis ins Schlafzimmer stinkt, ob du meinen Namen aussprechen könntest,
leise, leise, leiser, bis ich ihn nicht mehr hören kann
Wärst du auch tot, wenn wir beide gestorben wären?
Am Tag danach stand ich dauernd vor dem Spiegel. Ich sah mich an, sah mich,
sah. Mir in die Augen, wollte mehr sehen als Pupillen und Weiß, sah mehr
als Pupillen und Weiß, weil ich wollte. Ich wollte sehen, was nun noch
wird. Und ich sah nichts außer Pupillen und Weiß.
Als ich einmal sagte, man kann alles, was man will, hast du gelacht.
Ich laufe in der Wohnung umher, forme Sätze, stolpere über erste Buchstaben,
über die Türschwelle zum Schlafzimmer. Vor dem Lautsprecher falle
ich hin, vergrabe die Finger in die Fasern des Teppichs. Setzt die Musik aus,
bleibe ich liegen, höre mich gegen die Stille atmen, drehe nicht wie früher
sofort die Platte um.
Wenn die Straßenbeleuchtung zu flimmern beginnt, gehe ich vielleicht zum
Auto, vielleicht fahre ich auch, meistens in Richtung unseres Lokals. Oft warte
ich, bis es geschlossen wird, dann drehe ich die Musik laut auf und schreie,
dann lache ich, singe mit.
Wenn ich im Bett aufwache, bist du schon gegangen.
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Hat es genügt? Glaubst du, daß, es genug war?
Gut; ich frage nicht. Du hast immer gesagt, daß du mir ohnedies einmal
antworten würdest. Doch ich bin mir nicht sicher: Ist etwas offen geblieben?
Hast du mir verschwiegen, was ich nicht hören hätte wollen?
In der Nacht. Ich streichle mir die Schamhaare. Ich will nicht onanieren. Die
Vernunft will mich nicht onanieren lassen.
Ich habe immer auf Vorzeichen geachtet. Wenn ich heimkam, habe ich versucht,
den Fuß gleichzeitig mit dem Grün–Werden der Ampel auf die
Straße zu setzen. Gelang es, warst du da. Hatte ich erst gewisse Hoffnung
auf dich.
Onanierte ich, geschah, was ich wußte, daß geschehen würde,
und ich gab meinem Onanieren die Schuld.
Ich streichle meine Schamhaare, aber ich will nicht onanieren.
Du bist tot. Und ich habe onaniert. Kannst du deshalb schon gestorben sein?
Schuld. Schuldig. Auch wenn du nicht willst, du weißt ja, daß ich
immer bei mir anfange. Daß du mich auf die Schuld der anderen stoßen
mußtest. Ich habe immer bei mir angefangen.
Und wäre zu klären, was war, was wäre änderbar? Du kämst
nicht nach hause, auch wenn ich mich für deinen Tod nicht zu schämen
bräuchte.
Laß mich nur ein bißchen hoffen. Was hat uns denn am Leben gehalten?
Die Gewißheit der Ungewißheit. Die Gleichgültigkeit der Unterschiede.
Die Verzweiflung der Hoffnung.
Was hat dich denn abgehalten? Hattest du die Verzweiflung gewiß? Und was
konnte dir gleichgültig sein?
Was hat uns denn geeint? War unsere Gemeinsamkeit Selbstbetrug. Und war Selbstbetrug
zwangvolles Beglücken.
Ich habe dir nie etwas versprochen. Ich habe gesagt, laß uns nicht vergleichen.
Ich habe wissen wollen, was dich hält. Und du bist gegangen. Freiwillig.
Im Sommer hast du dich wohl gefühlt. Du bist rausgefahren, du hast mich
angerufen und gesagt, eben hat ein Vogel für mich gesungen.
Du bist wandern gewesen, und wenn du zurückkamst, hast du keinen Kaffee
getrunken. Du hast wenig geraucht. Ich habe mir Wein eingeschenkt und dir zugesehen,
wie du die Lippen bewegt hast. Das hast du nicht für mich getan. Es ist
dir passiert. Diese Lippen hatten ihre eigene Sprache für deine Gedanken,
deine Gefühle. Und ich durfte dir zusehen.
Das waren Augenblicke, gegen die ich fünf Sonnenaufgänge getauscht
hätte.
Mach Musik, sagst du; was du willst. Ich versuche, die Musik auszuwählen,
die du magst. Lies mir vor. Ich lese dir vor. Ich lese dir vor, was du hören
wollen könntest. Hol mir bitte ein Glas. Ich bringe dir dein Glas.
Du bedankst dich nicht. Du hörst Musik, du nimmst Sprache auf, du trinkst.
Das genügt mir vollauf.
Und du hattest die Augen geschlossen. Ich bin eingeschlafen. Ich wache auf.
Du liegst und siehst mit zu.
Ich frage, wie spät es ist. Du weißt es nicht. Ich sehe es schon
hell werden.
Fahren wir gemeinsam? Heute?
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Wir lernten uns konzentrisch kennen. Es wäre möglich, unser Bekanntwerden
graphisch darzustellen. Aber es würde nicht stimmen.
Es war immer Musik um uns. Und Stille.
Ich war sprachlos. Ich konnte nur wiedergeben, was auch technische Geräte
wahrnehmen können. Auch das stimmt nicht.
Unsere Körper lernten wir auswendig. vor allem die Orte der brennenden
Lust. Ich begriff nie, weshalb deine Miene oft schmerzverzerrt, sodann wieder
glühend wie Buschbrände leuchtete.
Nichts wollten wir dem anderen verbieten, somit war alles erlaubt. Nur Kinder
wollten wir keine zeugen, empfangen. Dazu waren wir wohl noch nicht überzeugt
genug.
Ich leide. Ich sehne. ich bin süchtig. Ich bin aufgestanden, um nach dem
Wetter zu sehen. Ich habe oft geschwiegen. Ich habe viel geredet. Wenn im Sommer
die Sonne nicht geschienen hat, hast du den Glauben verloren. Dann stand ich
kopf. Zu mittag hat ein Mann im Regen gestanden. Er bewegte sich nicht. Er lächelt,
hast du zu mir gesagt. Ich schwebe. Und du hast mich aufprallen lassen. Es hat
mir den Leib zerfetzt. Aber ich lebe.
Dann standen Farben im Wind. Robben besprachen die Musik des Lächelns.
Zu Tauwetter begatten sich verschiedenartige vorhänge im leben im leben
traum fabrk lixtnrs
Es ist bewölkt. Wolken. Socken. Ich wasche Wäsche am Abgrund der Träume.
Siebenschläfer zielen sorgsam. Blumen. Eistaufrühlingheiß. Manchmal
fühle ich Ringlotten tanzen. Doch es wird mir genauestens erklärt,
woran es denn läge. Es liegt eine Tote im Sarg. Sag, hast du sie nicht
gekannt?
Jaja, stammelt der Schläfer und fällt vornüber ins Gras.
Ich gebe ja zu. ich bin nicht allzuoft vergnügt gewesen. Probleme wälzen.
Lawinen lostreten. Begraben wollte ich dich ja nicht. Unbedingt. Ich dachte
immer, daß wir beide doch gleichziehen. Ich sage, du sagst. Ich klage,
du klagst. Du fragst, ich frage. Ich frage mich, was noch geschehen könnte.
Entstehen könnte.
Es ist in der Früh. Ich liege da und schreibe. Ich drehe Kassetten um.
Seitdem du gegangen bist, ist mir die Stille unerträglich geworden. Es
darf nicht ruhig sein. Nicht ruhig.
Ich liege da. Ich denke: es ist bald Tag. Ich bin müde, aber ich kann nicht
schlafen.
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Jetzt würde ich vieles anders tun. Überrascht dich das? Du meinst
wohl, wir waren unentwegt ehrlich; einfach so. Dabei erhellt nur die Spannung
des Ungesagten eine Beziehung.
Glaub mit kein Wort. Du weißt ja, daß ich gerne rede.
Wie war es nun: Wir haben uns gemeinsam gelebt, nicht wahr? Jeder tat doch,
was er wollte. Und nahm Rücksicht auf den anderen.
Jeder tat, was er wollte, mit Rücksicht.
Schafftest du dich auch aus Rücksicht aus meiner Welt? War das nun, was
du wolltest?
Also kannst du dich nicht geliebt gefühlt haben.
Dir vorgekommen sein.
Weißt du noch, wie schön es ist, die ersten Sonnenstrahlen mit einem
Schweigen, einem Schluck Wein zu begrüßen?
Wir reden die ganze Nacht. Weil es morgen doch nichts zu versäumen gibt.
Weil wichtig ist, was geschieht. Wir reden über uns. Denn nichts anderes
hätte Sinn.
Ich liebe dich.
Das klingt so leer. Darüber waren wir uns doch einig.
Darum habe ich es immer anders gesagt. Immer verschieden. Habe ich jemals ich
liebe dich gesagt?
Kann sein, ich habe fremde Gedichte zitiert. Kann sein, ich habe mich anfangs
unbeholfen ausgedrückt. Aber ich habe es versucht.
Immer verschieden anders.
Und wenn ich dich jetzt auf der Straße treffen würde, wäre ich
gerade nicht überrascht.
Spielen tun wir gerne. Wir kennen keine Namen und keine Regeln. Wir spielen
uns. Wir spielen mit uns. Wir spielen mit uns Spielen.
Wir lachen viel. Wir sind auch verschieden.
Was uns gemeinsam ist, gibt Anlaß zu Streit.
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Ob alles ... Nein; wie kommst du darauf. es ist alles
Ich brauche nichts mehr.
Wir haben uns soviel gegeben, daß ich leer wie ein Bombenkrater bin, wenn
meine Gabe nicht mehr bei mir ist.
Ich fühle meine Zehen kalt werden.
Ich fühle die Sonne nicht.
Was?!
Ich bin spazieren gewesen. Ich bin das Gehen nicht mehr gewöhnt. Anfangs.
Dann ging ich ganz automatisch. Ich mußte nicht mehr daran denken, damit
sich meine Füße bewegten.
Ich sah Frühlingsblumen. Und Schnee.
Am Abgrund steht ein Hochbräuhaus. Sekundenschnell. Im Nebel schleiert
ein Eule. Was zählt, ist die Uhr meine Zeit.
Du sagtest, ob ich noch wisse wie wann du kann malen klopfen am Schnee verteilt
gereiht enteist verbissen beflissen
Ich habe abgehoben, die Flügel aufgespannt, und du ließest dich aus
Höhe umkreisen, drehtest dich mit mir mit.
Eine Kugel aus Eisen. Eine Mauer aus Steinen.
Ich muß erbrechen.
“Wenn der Wind des Schicksals aus einer Richtung wehen würde, hätte
die Seele eine Wetterseite wie die Bäume. Aber schau auf die Straße,
da ist weder Grund zur Hoffnung, noch zur Verzweiflung.”
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TEIL ZWEI
Du kommst und liest, was steht.
Nein. Warum, sagst du. Warum mußt du mich tot machen, um mich zu beschreiben.
Weil dir dein Tod endgültigen Abstand gibt.
Warum willst du Abstand gewinnen.
Weil ich dich näher kennenlernen will.
Aber, wenn du fort bist, erlebst du mich nicht.
Ich bin, bin ich fort, mehr bei dir, als wenn ich bei dir bin.
Warum willst du nicht, daß wir uns verstehen.
Versteinert. Der Blick zurück vesteinert. Doch ich sehe kaum eine Zukunft.
Und ich bin mir nicht sicher, ob ich Vergangenes nicht erfinde.
Sieh mich an. Was siehst du. Was siehst du mich an.
Bevor es abend wird, zünde ich eine Kerze an. Je dunkler es wird, desto
mehr zieht sie mich an. Konzentrisch. Ich kreise um, herum. Genau rundherum.
Es wird dunkler, und ich gleite weiter.
Ich bin wie betrunken vom langen Wach–Sein. Gegenstände beginnen
zu wandern. Licht flimmert.
Es geht ein Wind. Er drückt gegen Einfriedungen jeder Art. Vor allem um
die Fenster sorge ich mich.
Gib wenigstens Geräusche von fern. Laß es am abend kurz hell lachen.
Verfasse ein Gedicht, das sich so reimt, daß es nicht mehr verstanden
sein muß. Oder umgekehrt. Und daß ich mich wirklich bemühe.
Wo hast du das her?
Du hast es mir geschenkt.
Oh.
Denk dir nur! Bleib ganz ruhig. Schrei mich einmal an. Wenn du aber nicht willst.
Beim Tanzen hältst du die Augen geschlossen wie ich.
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Natürlich bleibt etwas zurück. Hängt sich klettenlich an. Ist
nur gewaltsam entfernbar.
Ich finde dich wunderreich.
Ich versuche schon, mir anzugewöhnen, daß du gewiß nicht auferstehst.
Und steht du da, wie kannst du ein Wort noch sagen?
Todversuch.
Mach mich leben wieder. Verzeih mir alles nur, was ich an mir selbst nicht verstehe.
Betrachte jede Orangenschale als potentielle Ausrutschgefahr, Hinfallmöglichkeit,
Fußbrechkannsein.
Ich vergaß die Farben deiner Augen. Ich saß mit vorsorglich denkendem
Kopf auf Hände gestützt, welche wiederum von den auf dem Tisch angewachsenen
Armen getragen wurden. Ich sah mir dein Gesicht ohne Vorlage an.
Werde ich irgendeinen Körper jemals so lieb gewinnen und warm halten wie
deinen; ach du, auch vom angespannten Zittern, vom Stöhnen und Wälzen,
entspannter Leere und peinlicher Selbstgenügsamkeit bin ich wie abhängig
geworden.
Mit fortschreitender Übung kann ich Zigaretten schon mit einem Stoß
ausdämpfen.
Du sagst, ich lehne es ab, mich als Tote zu behandeln. Aber ich finde es zulässig.
Du sagst, du spielst da nicht mit. Das meine Sache soll sein.
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Ich vergleiche dich mit dir.
Schau: Ich bin in dir und betrachte dich ebenso von außen, doch innerlich.
Ob mir das nicht immer noch ermöglichte, mich, dich zu belügen.
Wie soll ich es sagen. Soll ich es sagen. laß ich dich doch reden. Höre
dir ja zu.
Stell dir vor, ich bin müde. Ich glaube nicht, daß Müde lügen
können. Denn am abend nach dem Fernsehprogramm drehte er das Gerät
ab und sprach zu seiner Frau: Iß noch ein kaltes Schnitzel mit mir. Es
ist mir gleich. Mein Orgasmus komme, wie auch deiner. Kann schon sein.
Wenn ich doch will. Willst du mir eine Freude bereiten, mache mit mir, was ich
will.
Laß mich in Ruhe.
Es passiert im Lokal. ich bin sicher, du wartest auf mich, wenn ich vom Klo
zurückkomme.
Du bist fort. Dein Platz ist leer. Dein Sessel ist warm. Deine Zigaretten fehlen.
Ich überlege nicht. Denn ich laufe zum Klo, reiße die Türe auf,
rufe dich, rufe dich oftmals.
Ich werde gebeten, das Lokal zu verlassen. Ich will mich nicht verteidigen,
aber es mag mir ohnedies niemand zuhören.
Ich stehe im Regen vor der Eingangstür. Und du faßt mich leise von
hinten an. Wie ich dich küsse.
Nein. Ich küsse dich nicht, sondern schlage dein blödes Gesicht mit
meiner rechten Hand. Ich ergreife abrupt deine Schultern und schüttle dich,
während dir schon die Tränen kommen, während ich schrie.
Hinter mir her zerre ich dich an der Hand zum Auto. Steig ein! Du sollst einsteigen.
Schnall dich an, weil ich weiß nicht, wie ich jetzt fahre.
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Wir sprechen kein Wort. An den Fensterscheiben schlagen sich unsere sirrenden
Gedanken die Köpfe blutig. Wenn einen von uns ein Blutstropfen trifft,
zuckt er zusammen.
Schweigend steigen wir die Stufen hinauf. Beide suchen wir den Wohnungsschlüssel.
Wer wird gewinnen?
In der Wohnung gehen wir unseren Blicken aus dem Weg. Denn wir wollen uns nicht
mehr versöhnen, auch wenn es gar nicht so gemeint war.
Mir ekelt vor der Art, wie du ißt.
Deine Fragerei nervt mich. Wo ich denn war? Und mit wem.
Wer räumt die Wohnung auf?
ich habe gestern den Mistkübel ausgetragen.
Und ich das Geschirr gespült.
Hör doch auf!
Es wächst Staub. Das Geschirr wasche ich ab. Die Zigaretten werfe ich in
die Klomuschel und spüle nach. Kaffee ist keiner mehr da.
Mit einer Hacke spalte ich dir den Kopf, und weil der Blick deiner Augen mich
stört, bohre ich sie mit einem Taschenmesser aus ihren Höhlen. Ich
trample auf deinem Körper und höre die Knochen brechen, Organe zerquetschen.
Dann trenne ich die Arme, später die Beine vom Rumpf.
Nein du wolltest mich dich nicht lieben lassen, und ich brate mir dein Herz.
Ich fahre aus dem Schlaf in die Dunkelheit. Was ist dir?
Du bist ja da, du liegst ja neben mir, du berührst mich ja.
Ich versuche zu denken, daß ich träume.
Ich träume, daß du neben mir mich berührst. Ich träume,
daß ich aufwache, und daß du neben mir mich berührst. Ich träume,
daß ich im Traum aufwache, und daß du neben mir mich berührst.
Ich träume, daß ich aufschreibe, daß ich im Traum aufwache,
und daß du neben mir mich berührst.
Ich sehe, daß du nicht tot bist, weil du mich berührst.
Ich erwache, wie wenn ich träumte, daß ich erwache.
Du liegst neben mir und berührst mich ja.
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Rette mich vor den Reptilien. Sage frank und fröhlich, wo der Nagel geschnitten
werden müßte. Bleib unnahbar in der Komik. verzichte auf Oberleitung.
Bemesse genau den Quadranten. Entsende Taxis ins Groteske. Lasse den Mond versenken
das Himmelreich. Grabe Löwenzahnwurzeln aus Emailportraits. Veranstalten
wir ein Fest.
Beanstanden wir die Bedienung. Anstand halten. Im Stande laufen. Den Sand durch
die Siebe schleichen bemerken.
Denn wer die Liebe kennt, entsagt um kein Geld nicht.
Wie sein sollten die Menschen zueinander. Frag mich noch dreimal. Denn in der
Theorie wachsen Herzen aus Stahl.
Ich hasse dich. Ich liege da, allein, und hasse dich.
Habe ich jemals ich liebe dich gesagt?
Ich halte dir Reden die ganze Nacht. Morgen könnte ich sie dir nicht wiederholen.
So feig bin ich!
Ich begrüße die Sonnenstrahlen mit einem Seufzen.
Das Schweigen ist peinlich geworden. Uns beiden brennen Antworten, Erklärungen
und Fragen in den Mundhöhlen. Beleidigungen, Quälereien und Drohungen
im Magen. Angestrengt halten wir Schreie zurück; denn diesen Gewinn sollst
du nicht davontragen.
Und wir tragen ohnedies schon schwer. Alle Verzichtsleistungen aus Rücksicht
halten uns unbeweglich. Alle Beschneidungen aus Vorsicht, alle Gewohnheiten
aus Angst.
Ich getraue mich nicht aufs Klo zu gehen, um dir nur ja keinen Anlaß zuzuspielen.
Ja. Wir spielen, spielen schon lange. Sind ein gezwungen vor Glück lächelndes,
ideales Paar.
Tun dir die Muskeln nicht höllisch weh, die du verspannt hast, nur um gut
zu sein?
Und schmerzt nicht der Kopf, dreht sich dein Gehirn nicht selbständig?
Sieh nur, wie lang deine Nägel schon gewachsen sind. Ja, du hast dich vernachlässigt,
um mir zu gefallen.
Aber gib das ja nicht zu! Lächle zu jedem Ratschlag, der auf der Luftbrücke
zwischen uns zu einem Vorwurf wird; erhöhe deine Überheblichkeit ins
Unmeßbare. Spitze deine Lippen zu jeder Bitte. Schließe die Augen,
damit du mich ja nicht hörst!
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Und endlich sagst du: Du fließt in Räume, wie wenn du kein Rückgrad
hättest, und läßt dich von ihren Gefühlen und deinem Verstand
formen! Und sobald du erkennst, das bin ja gar nicht ich, meinst du, daß
dir dich dann keiner mehr abnimmt. Du markierst einen starken Abgang, brichst
vor der Tür zusammen und fließt weiter.
Wer sich verteidigt, gesteht seine Schuld, fährt mir durch den Kopf. Wer
schweigt, macht sich mitschuldig, würdest du antworten.
Alles, was uns zu uns noch einfällt, ist mehr als sonst auch zu rauchen.
Und was wir zuvor – zur heillosen Rettung – als Laien dargestellt
haben, setzen wir gekonnt – zu unbeklatschten Halbprofis gemausert –
ins böse Charakterfach um.
Reißen wir uns die Masken mühevoll gewaltsam von unseren schwitzenden
Fratzen. Und schminken wir uns danach noch ab.
Ja!
Diese bleichen, häßlichen Gesichter sind die unsrigen. Diese mausgrauen
Augen, diese rotzenden Nasen.
Ja!
Gichtkörper unter verschrumpelnder Haut.
Das Märchen wird sein, daß der erste Kuß uns in rosige Prinzessinnen
und strahlend–weiße Prinzen verzaubert. Der letzte läßt
wohl die rostigen Rüstungen und die blutigen Hochzeitsgewänder zurück,
und nackt, nackter als nackt, nackter als nackter als nackt werden wir die Ewigkeit
als gelbschwarze Tag– und Nachtgleiche erkennen müssen.
Ich darf mir deine Endgültigkeit nicht vorstellen. Sobald ich von ihr wissen
werde, werde ich wissen, daß ich sie nicht wissen wollte.
Dann werde ich den Fernseher aufdrehen und mit geschliffenen Wurfpfeilen der
Ansagerin auf die Pupillen zielen.
Brennt es endlich, wärme ich mir die Kälte aus dem Leib. Ich fange
Feuer und brenne lichterloh. Langsam lasse ich mein Zucken zurück. Deine
Hände steicheln mir Mut in die Ohren. Ich komme. Ich komme!
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“Trennen wollten wir uns? Wähnten es gut und klug?
Da wir’s taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach, wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.”
Und als wir uns mutig wiedergefunden hatten, saß dieser im Großvatersessel
und nahm seine Lesebrille ab.
Er stellte fest: Siehe Kreatur, was dir möglich ist.
Verlegen lächelten wir; beide.
Mit einem Mal besaßen wir wieder Körper um die Seelen gewickelt.
Starr vor Angst und stumm vor Freude hielten wir uns umfangen. Zur gleichen
Zeit fragten wir: Willst du mir helfen, bitte?
Tränen sammelten sich, wagten ihren Weg aus der Verzweiflung zu einem Bekenntnis.
Hinsinken in die Wärme aus Zärtlichkeit und Zigarettenglut. Schlucke
zum Zeitvertreib.
Kommt die Sehnsucht wieder, rasch einen Feuerblitz ins Dunkel.
Aber sag bitte jetzt nichts, außer zu mir, daß es wunderbar ist.
© Werner Schuster
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