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DER
KULTUR-KYNIKER
Und wieder einmal zeigt sich: Der erste Eindruck kann auch täuschen.
Mit News-Kulturchef Heinz Sichrovsky
erlaube ich mir gerne folgenden Spaß: Er wohnt in derselben Straße wie ich und
jedes Mal, wenn ich ihm begegne, grüße ich ihn wie jemand, den er kennen müsste.
Und der Kyniker (d.i. ein Anhänger der Selbstgenügsamkeit, was ich selbst erst
jetzt auf der fehlgeleiteten Suche nach einem schmückenden Beiwort herausgefunden
habe; Anm.) unter den Feuilletonisten tut immer wieder so, als würde er diesen
auf schlecht gekleidetes Understatement machenden Top-Super-Wichtigen wiedererkennen.
Aber Scherz beiseite: Eigentlich wollte ich es dem Kyniker mal so richtig reinsagen,
nachdem ich entdeckt hatte, dass im aktuellen morgen
(einem Kulturmagazin, das sich auch Versorgungsposten-mäßig ganz und gar dem
Bundesland Niederösterreich widmet) ein Kommentar von ihm abgedruckt worden
ist. Dass Arroganz heutzutage leider nicht mehr vor dem Fall kommt, hätte ich
geschrieben. Dass die kulturelle Welt auch aus Zwischentönen besteht und nicht
nur aus Mega und Kacke. Dass man sich als Kulturjournalist entweder ernst nimmt
oder bei/für "News" arbeitet, hätte ich geschrieben.
Aber erstens weiß ich ja gar nicht, wohin sich die "We are most new than new"-Postille
entwickelt hat, seit die Gebrüder Fellner das Schiff verlassen haben, das vor
lauter Eigenlob so entsetzlich gestunken hatte, dass es dieses Odeur schwer
losbekommen wird (– die Gebrüder machen jetzt selbstredend die beste
Tageszeitung). Weil ich unendlich froh bin, es nicht mehr durchblättern
zu müssen, seitdem ich nicht mehr Redakteur bin und der Chefredakteur (der das
Fellner-Produkt bekennenderweise ablehnte und trotzdem stets druckfrisch kaufen
ließ) mich anbrüllt, warum wir denn diese heiße "News"-Story schon wieder nicht
ebenfalls im Blatt hätten.
Und zweitens komme ich vom Thema ab. Denn Heinz Sichrovsky hat, so glaube ich
beim Überfliegen, einen guten Kommentar geschrieben (– ich hoffe, das
bloße "gut" beleidigt ihn jetzt nicht): Er, also der Kommentar, wirkt fundiert,
scheint Hintergrundwissen zu vermitteln, ist ein bisschen witzig und hat sogar
eine Schlusspointe. Er, also der Kommentar, handelt vom Sänger Neil Shicoff,
der schlussendlich doch nicht Staatsopern-Direktor geworden ist, obwohl oder
weil, meint Sichrovsky, sich Bundeskanzler Alfred Gusenbauer für ihn stark gemacht
hat.
Allerdings: Dass bei der Nicht-Bestellung auch ausschlaggebend gewesen sein
könnte, dass Shicoff Sohn eines Kantors von der Ostküste sei, hätte
sich Sichrovsky auch sparen können, weil er da voller Ressentiments gegen Ressentiments
auftritt. Weiters ist es nicht besonders originell, um nicht zu sagen langweilig,
dass Sichrovsky in den hämischen Chor aller einstimmt, die Gusenbauer sogar
als Umfaller hinstellen würden, wenn ihn die Unterwelt offiziell als Steher
anerkannt hätte (– in Österreich bekommt jeder Bundeskanzler ein
Etikett verliehen, das er nie wieder los wird, da kann es noch so nicht stimmen).
Und dass der Dirigent Franz Welser-Möst jetzt von einer roten Ministerin als
Co-Staatsopern-Direktor bestellt wurde, obwohl seine Mutter ÖVP-Abgeordnete
gewesen und er außerdem vom schwarzen Vorgänger der roten Kulturministerin vorgeschlagen
worden sei, und das alles vielleicht nur, weil Gusenbauer ein Umfaller-Kanzler
ist, war und sein wird, – das kann, muss aber nicht wahr sein. Schließlich
sind das bloß als Tatsachen ausgegebene Mutmaßungen, Meinungen, die sich mit
einem Insider-Nimbus schmücken. Und der Insider arbeitet bei einem Blatt, dessen
heiße Stories sich, jedenfalls zu meiner Zeit als Redakteur, bei einer Kurzrecherche
stets als unbestätigte Gerüchte herausgestellt haben.
Aber da bleibt ja kein Argument übrig von diesem guten Kommentar, denke ich
jetzt, da ich meinen letzten Absatz lese! – Schade, dabei hätte ich so
gern mit meinem Spiel aufgehört und dem Kultur-Kyniker bei unserer nächsten
Begegnung verraten, dass ich gar keine Celebrity bin, sondern bloß ein Journalist,
von welchem allerdings dieses Lob hier sei. Aber vielleicht wäre das ohnehin
böse ausgegangen. ###
© Werner Schuster 2007
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