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DER LETZTE LAYOUTER

Die ehemaligen Setzer kommen nicht zur Ruhe. Diejenigen welche während der Umstellung auf Bildschirm-Umbrch erfolgreich um ihren Arbeitsplatz gekämpft haben, hoffen jetzt, daß sie sich schon im Ruhestand befinden werden, wenn das endgültige Aus für ihren Beruf kommt.


Was für ein Leben. Da lernt einer in der Nachkriegszeit ein Handwerk, weil das doch goldenen Boden hat, noch dazu ein besonders angesehenes: Er wird Setzer, also der Akademiker unter den Arbeitern. Und er arbeitet für eine Tageszeitung.

Nach ein paar Jahren kommt der erste Schock. Setzer, erfährt er, ist ein Beruf ohne Zukunft. Eine Maschine soll ihn ersetzen. Ein Computer. Entweder er lernt um, lernt so einen Computer zu bedienen, oder er muß einen unqualifizierten Posten übernehmen. Und nicht einmal alle haben die Chance umzu; nicht mehr 30 Kilogramm schwere Bleiplatten tragen. Er steigt auf, wird Angestellter. Gleichzeitig verliert er an Achtung. Früher hat er sogar einen Chefredakteur in die Schranken weisen können.

Unser Setzer läßt sich umschulen. Fotosatz macht er jetzt, hat mit einem Mal saubere Hände, nicht mehr schwarz vom Blei, muß, die Schranke hieß: Wir versäumen den Andruck. Heute macht die Maschine Druck. Und für die Redakteure, für die er vor kurzem noch ein kunstfertiger Mensch gewesen ist, ist er jetzt nur noch ein Erfüllungsgehilfe.

Kollekivvertrag


Aber er hat seinen Arbeitsplatz behalten. Auch nach dem Wirtschaftswunder. Das ist kein Wunder. Er hat eine mächtige Gewerkschaft hinter sich stehen, eine alte, ehrwürdige; bald, 1992, wird sie ihr 150-Jahr-Jubiläum feiern. Jetzt hat sie ihm zu einem Kollektivvertrag verholfen, während in den Nachbarländern gestreikt und gekündigt wird.

1992 wird der Fotosatz schon längst dem Bildschirmumbruch gewichen sein. Ein junger Redakteure, mit PCs groß geworden, wird keine große Achtung mehr haben vor den älteren Herren an ihren großen Tastaturen, die nach seiner Vorlage arbeiten, ihm höchstens ein bißchen helfen können, wenn der Text ein bißchen zu kurz oder zu lang geraten ist.

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Früher, in Setzer-Zeiten, mußten Texte von hinten zu kürzen sein. Jetzt kann man da einen Satz, dort ein paar Worte streichen. Jetzt kommen die Chefredakteure und wollen die technische Redaktion streichen. Schließlich gibt’s Computer-Redaktionssysteme. Die Redakteure werden sich ihr Layout schon bald selbst machen können. Die technischen Redakteure sind zwischen 40 und 60 Jahre alt, sollen sich ihr Gnadenbrot noch damit verdienen dürfen, die Redakteure einzuschulen, zu unterstützen, sich vollends überflüssig zu machen.

Langsam abbauen


Im Standard, so geht das Gerücht, ist die Situation diesbezüglich am Kochen. Die Betriebsratsvorsitzende Astrid Zimmermann gibt an, es sei der Wunsch des Herausgebers, die technische Redaktion langsam abzubauen.

„Das stimmt nicht“, erwidert Herausgeber Oscar Bronner. Der Standard erscheine zur Zeit mit so vielen Inseraten, daß man auch mehr Seiten produzieren müsse, und man versuche, den Mehraufwand mit einer bestimmten Layout-Software in den Griff zu bekommen.

Astrid Zimmermann erwähnt, daß sich die Redaktion einhellig dagegen ausgesprochen habe, Layouts selbst zu erstellen. Oscar Bronner behauptet, der Sachverhalt sei klargestellt worden. Und es werde derzeit niemand entlassen, im Gegenteil: „Wir engagieren dazu.“

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Dieser Sachverhalt läßt sich auch anders darstellen, wie bei einer anderen Tageszeitung von einem anonym bleiben wollenden technischen Redakteur zu erfahren war: Erstens einmal würden bei den Tageszeitungen schon dazu-engagiert, und zwar Bildbearbeiter, Infografiker und Inserat-Bearbeiter. Nur fällt in den Redaktionen nicht auf, daß die Entlassungen in den Druckereien stattfinden, weil die Arbeitsstufen zwischen Schreiben und Drucken immer weniger würden.

Der Vertreter kommt


Und zweitens wurden in den letzten Jahren bei den Herausgebern und Chefredakteuren der Tageszeitungen zahlreiche Vertreter vorstellig. Mit einem der mittlerweile 40 Redaktionssysteme, die Arbeitsplätze und damit Kosten sparen helfen. Sollen. Denn so ein Vertreter will doch seinen Geschäftsabschluß tätigen. Und erzählt das, von dem er glaubt, daß es der potentielle Käufer hören will. Daß sich mit diesem bestimmten System jeder Redakteur seine Seite selbst machen kann. Hier, sehen Sie die Musterseiten. Jedes Ressort hat 100, nein, 150 zur Auswahl, die man, wenn nötig, leicht verändern kann. Die Layouter werden dann nur noch für die Übergangszeit benötigt.

Und diese Herausgeber und Chefredakteure, bedrängt von ihren Geschäftsführern, treten hin vor die Ressortleiter und Chefs vom Dienst und verkünden die neue Botschaft: Auf lange Sicht, behaupten sie, brauchen wir keine Layouter mehr.

Das kommt den Layoutern irgendwann, irgendwie zu Gehör – und die Situation wird brenzlig. So war das 1994 beim Kurier, dessen technische Redakteure vier Jahre später von der Chefredaktion aus mit Außenstehenden nicht über ihre Lage reden dürfen. Dabei haben sie derzeit nur einen Grund zur Klage: die vielen Überstunden.

Unersetzbar


Denn dort wurde auch ein Redaktionssystem eingeführt, mit dem jeder Seiten umbrechen hätte können. Und die Layouter bekamen Betreuerfunktionen. Es wurde umstrukturiert, nicht gekündigt. Und jetzt behaupten sie glatt, ein Computer könne sie nicht ersetzen. Denn die Redakteure können sich vielleicht eine Seite erstellen, aber bei Änderungen würde es schon hapern. Und das mit den Musterseiten wäre ein ziemlicher Flopp: Bis man so eine, nie ganz passende, Seite gefunden hat, hat sie ein Profi schon längst passend umbrochen.

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Ein Redakteur des Kurier macht hinter vorgehaltener Hand auf folgende Milchmädchenrechnung aufmerksam: Obwohl es die Betreuer gebe, würde sich in jedem Ressort ein Redakteur auf das Layout spezialisieren. Der käme dann nicht mehr zum Recherchieren und Schreiben – und ginge seinem Ressort als Arbeitskraft ab. Da hat man also einen Posten nicht abgebaut und würde noch einen verlieren.
Im Standard ist man noch nicht so weit. Und die technischen Redakteure hoffen, bis zu ihrer Pensionierung noch in ihrem Beruf tätig sein zu können. „Jedes Jahr, in dem ich arbeite, ist ein gewonnenes Jahr“, beschreibt Produktionsleiter Peter Windisch die Lage. Sein Kollege Gerhard Richter will sich an das über ihm schwebende Damoklesschwert schon gewöhnt haben.

Typographie


„In der Monarchie haben die Setzer als einzige Arbeiter Schwerter tragen dürfen“, weiß Walter Pfeifer. Und bedauert, daß „unser Wissen“ verschwinden wird. Der Kollege von der anderen Tageszeitung meint, daß es wahrscheinlich niemandem abgeht: Die Leser wären verbildet, weil typographische Kenntnisse vielerorts nicht mehr zur Anwendung kämen.

Allerdings arbeiten die technischen Redakteure im Standard auch im derzeitigen Redaktionssystem noch mit typographischen Maßen. Lehrlinge hat man Gerhard Richter schon lange nicht mehr eingeschult. Und wer seinen Job machen will, der muß belastbar sein („Manchmal stehe ich acht Stunden unter Strom“) und auch in stressigen Situationen genau arbeiten können, zumal der Standard ja teilweise direkt ins Internet oder an die apa ginge. Und obwohl er sich fragt, wie man die Zeitungsherstellung früher finanziert hat („Da waren wir zehn Mal so viele Leute!“), ist er sich im klaren, daß „Einsparen immer ein Thema“ bleiben wird.

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Daß die Layouter um ihre Arbeitsplätze bangen müßten, hält Philipp Walz, Redaktionssystem-Experte des Standard, für „falsche Panikmache“. Man habe von 1. auf 2. Juni eine Upgrade-Umstellung vorgenommen, mit stärkerem Server und einfacher zu bedienender Oberfläche. Die Redaktion könnte jetzt theoretisch selbst umbrechen, das sei aber derzeit noch nicht in Umsetzung. Und der technische Bereich müsse sich auf geänderte Jobdescriptions einstellen.

Zukunftsmusik


Der anonym bleiben wollende technische Redakteur hat noch von ganz anderen Umstellungen läuten gehört. Und für werden die Layouter keine Description mehr brauchen.

Da ist ein System im Entwicklungsstadium, das den kompletten Zwischenbereich zwischen Zeitungsredaktion und Druckerei abschaffen wird. Die schreibende Zunkft wird ihre Artikel direkt auf einen Druckzylinder schicken. Und der wird noch dazu so flexibel sein, daß er die auf ihm gespeicherten Informationen löschen kann. Und eine andere speichern. Einfach. Per Knopfdruck.

Dann wird auch die Generation das Sagen haben, die mit Computern aufgewachsen ist, die in ihrem Vorleben nichts mit Satz zu tun hatte. Und dann wird er, der letzte Layouter, daheim seine Zeitung aufschlagen und resigniert feststellen: „Die haben keine Ahnung von Typographie.“

© ED 1997

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