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BILLARD UNTER PALMEN


Am 18. September findet im Wiener Palmenhaus das Finale des betandwin Snooker Cup 2005 statt. Platzreservierungen oder frühes Kommen sind angeraten. Denn Snooker erlebt zur Zeit einen wahren Boom. Waran das liegt?


Es gibt wohl kaum eine Sportart, bei der die Schiedsrichter so kollegial agieren wie beim Snooker. Die Männer und Frauen in Anzügen mit weißen Handschuhen stellen die Bälle (nicht Kugeln!) auf, reinigen sie, reichen den Spielern Hilfsmittel (wie Brücken, für „unerreichbare“ Bälle), und ihre wenigen strengen Entscheidungen werden nicht angezweifelt. Im Gegenteil: Es ist sogar üblich, Fehler selbst zuzugeben oder zu melden, sollten sie von den Schiedsrichtern übersehen worden sein. Snooker ist eine Gentlemen-Sportart und bei Turnieren tragen die SpielerInnen Gilet überm Hemd mit Mascherl.

Außerhalb der Spielstätten müssen die Spieler nicht unbedingt Gentlemen sein, wie viele Biographien belegen (die Eltern des Weltrang-Ersten Ronnie O’Sullivan saßen/sitzen im Gefängnis und er selbst war/ist Drogen nicht abgeneigt; auch Publikumsliebling Jimmy White hatte wegen seiner Alkoholabhängigkeit schon des öfteren Probleme mit der Polizei; etc.)

Aber es ist nicht dieser Widerspruch, der Snooker in der letzten Zeit sehr populär gemacht hat. Tatsächlich lässt sich kaum sagen, warum das so ist, warum Menschen in den Billard-Lokalen derzeit ihr Glück lieber an riesigen Tischen mit kleinen Bällen versuchen als beim Pool (mit kleineren Tischen und größeren Bällen), warum Millionen stundenlang den im Vergleich zu anderen Sportarten nicht besonders Action-reichen Übertragungen von Turnieren im TV zusehen.

Wer allerdings meint, Snooker habe etwas Beruhigendes an sich, war zum Beispiel nicht bei der öffentlichen TV-Übertragung des diesjährigen Weltmeisterschafts-Finales im Köö5, wo es zeitweise nicht anders zuging als in einer Fußball-TV-Runde, wo andererseits die Spannung manchmal so groß war, dass man die berühmte Stecknadel fallen hätte hören können. Oder er oder sie haben es noch nie gespielt.

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Leicht ist es nicht (aber leicht ist keine Billard-Sportart, auch nicht Pool, wenn man 8- oder 9-Ball spielt). Ein Snookertisch misst ca. 3,6 mal 1,8 Meter, die sechs Taschen, wo Bälle mit 5,25 cm Durchmesser hinein sollen, sind ca. 8,5 cm breit. Genauso wichtig, wie Bälle zu versenken („potten“), ist das Stellungsspiel, d.h. den weißen Ball in eine Position zu bringen, von wo aus man weiter potten kann. Wie das geht? Technik, Konzentrationsvermögen – und viel Training. Wer dem nichts abgewinnen kann, wird Snooker bald wieder aufgeben.

Die Langeweile der Kolonialsoldaten


Das Spiel geht so: Es besteht aus einer bestimmten Anzahl von „Frames“ (ähnlich den Sätzen beim Tennis), die von zwei (oder vier) Spielern gespielt werden. Punkte werden durch korrektes Versenken der Bälle oder durch Fehler des Gegners gemacht (diese zählen zwischen vier und sieben Punkten und werden dem Gegner zugeschrieben). Erst wenn ein roter Ball (1 Punkt) versenkt wurde, kommt ein andersfärbiger dran (gelb=2, grün=3, braun=4, blau=5, rosa=6, schwarz=7), diese werden jedoch auf ihren „Spot“ (fixer Punkt am Tisch) zurückgelegt. Es folgt ein roter, ein andersfärbiger, wieder ein roter, usw. Dies geschieht solange, bis alle roten Bälle vom Tisch sind, danach sollen die Färbigen in aufsteigender Reihenfolge ihres Wertes versenkt werden – und bleiben dann in den Taschen. Es gewinnt der Spieler, der die meisten Punkte erzielt.

Entstanden ist dieser Sport in den zahlreichen Offiziersmessen in Indien, wo sich britische Soldaten die Langeweile vertrieben. Da English Billiards (das mit drei Bällen gespielt wird) für die Soldaten zu anspruchsvoll war, wurden bald 15 rote und ein schwarzer Ball auf dem Tisch aufgestellt (Black Pool). Das Spiel war aber nicht taktisch genug und wurde mit der Zeit um die andersfärbigen Bälle erweitert. So auch im Regiment, zu dem Sir Neville Bowes Chamberlain gehörte der – einer Anekdote zufolge – dem Spiel seinen Namen gab.

Das Wort „Snooker“ war damals ein umgangssprachlicher Begriff für junge Rekruten und bedeutete „Anfänger“. Als es einem Offizier nicht gelang, einen unmittelbar vor der Tasche liegenden Ball zu versenken, bezeichnete Chamberlain ihn als „regular snooker“. In der darauf folgenden Auseinandersetzung schlug Chamberlain vor, das noch namenlose Spiel Snooker zu nennen, da doch alle Spieler regelrechte „snookers“ wären. Heute bezeichnet man als „Snooker“ die Stellung, in der man keinen Ball „on“ sieht. Anders gesagt: Wenn der zu spielende Ball hinter anderen Bällen „versteckt“ ist und somit (direkt) unanspielbar ist.

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Wenn so ein Snooker möglich ist, tritt das gentlemen’s agreement außer Kraft. Schließlich kann man damit den Gegner zu Fehlern zwingen. Und wenn dieser den Ball nicht trifft, kann der Schiedsrichter auf „Foul and a Miss“ entscheiden, worauf man den Stoß wiederholen lassen kann. Woraufhin der Schiedsrichter die Bälle wieder so anordnen muss, wie sie vor dem Stoß gelegen sind, – und selbstverständlich die Spieler befragt, ob sich ihre Erinnerungen mit der seinen decken.

Wer nun ein wenig Snooker-Luft schnuppern will, kann diesen Sport am 18.9. vor dem Cup-Finale im Palmenhaus auf einem Showtable unter fachkundiger Anleitung ausprobieren. Wer lieber erst einmal zusehen will, sollte, wie gesagt, vielleicht einen Platz reservieren. Schon letztes Jahr waren am Finaltag Sitzplätze schwer zu ergattern. ###

© Augustin 2005

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