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FINALE totALE – totALES FINALE

Shakespeare als Puppentheater – das neue Stück vom „Theater ohne Grenzen


Wer den Proberaum des „Theaters ohne Grenzen“ betritt, dem bleibt einmal vor Staunen und auch vor Schrecken die Luft weg. Eine Horde von Puppen steht da aufgereiht, eine Mischung aus tierischen und menschlichen Gestalten, die meisten gewaltbereit, böse, häßlich und doch auch wieder schön.

Spielarten von Macht


Es sind dies die Figuren für Shakespeares Königsdramen, konzipiert von Airan Berg und Martina Winkel, geschaffen vom südafrikanischen Puppenbauer Roger Titley. Es sind keine Marionetten, sie sind nicht sehr beweglich, und das müssen sie auch nicht sein: In „FINALE totALE“, das am 6. April im Stadttheater Mödling Premiere hat, fährt der Puppenspieler Airan Berg die Szenen mit kleinen Kameras ab; hinter ihm befindet sich eine große Videowand, auf der „Richard II.“, „Henry IV., Teil 1 und 2“ und „Henry V.“ in geraffter Form zu sehen sind – als dritter Teil von Berg und Winkels Trilogie über die Spielarten von Macht.

Das „Theater ohne Grenzen“ wurde 1993 von Airan Berg und Martina Winkel als zeitgenössisches Figurentheater für Erwachsene gegründet; beide kamen vom Wiener Burgtheater, Berg war Regie-Assistent, Winkel Dramaturgin. Im Zuge einer Weltreise landeten sie auch in Bali, wo sie das dortige Schattentheater kennen- und seine Kunst erlernten. – Wieder in Wien, schufen sie – gemeinsam mit dem Puppenbauer Christoph Krumböck – ihr „Theater mit Figuren, Objekten, Schatten und Projektionen“, für ihre meist sozialkritischen Projekte suchen und entwickeln sie entsprechende formal-ästhetische Umsetzungen, welche auch modernste Technik beinhalten.

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Sie hantieren mit naturalistischen Puppen ebenso wie mit Alltagsgegenständen. Das erste Stück „Mordgaudi“ war ein Spiel für Küchengeräte, Obst und Gemüse zum Thema Ausländerfeindlichkeit, in „ALT/TAG“ wurden Szenen aus dem Alltag des Alterns dargestellt, das Kindertheaterstück „Fly to Hawaii“ handelte von den Vorurteilen, die wir auf unsere Reisen mitnehmen. „Weiße Schatten auf schwarzer Wand“ war eine „szenische Annäherung an das Nichts“, während es in „Schlappstock“ um Arbeitslosigkeit und in „Liebesbeweis“ um Kindesmißbrauch ging, einmal mit Holz-, einmal mit Barbie-Puppen dargestellt.

Macht des Staunens


Gleich 1993 initiierten Berg und Winkel ihr Puppentheater-Festival „Die Macht des Staunens“, das seither alle zwei Jahre mit internationaler Besetzung in Wien stattfindet (zuletzt, 1999, mit Puppentheatern aus Deutschland, England, Italien und Bali). Die Kritik lobt das „Theater ohne Grenzen“ als „eine der innovativsten Gruppen Wiens“ (Falter) und ihre Produktionen als packend und berührend, vielschichtig und schockierend realistisch.

In ihrer Macht-Trilogie stellten Berg und Winkel 1995 in „BLUT/STROM“ das Nibelungenlied samt endzeitlicher Völkerschlacht als Schattenspiel dar, in „MACHTGEIL“ widmeten sie sich 1997 in einem Spiel der optischen und politischen Täuschungen dem biblischen König David, zeigten die Struktur einer Machtergreifung zwischen Schattenschirm und Videomonitor.

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Jetzt also Shakespeare. Nachdem sie die meisten ihrer Stücke auch selbst geschrieben hatten, wollten Berg und Winkel wieder einmal nach einer Vorlage arbeiten. Für die Königsdramen haben sie sich entschieden, weil darin, so Winkel, „alle Spielarten von Macht“ vorkommen und auch die Mechanik der Macht sichtbar wird – und weil die Figuren darin, obwohl historisch, „absolute Personen“ sind.

Macht der Medien


Für Berg gehört die Arbeit mit Videokameras ebenfalls zum Thema Macht. Er bezeichnet das Kameraobjektiv als Subjektiv: Für welche Bilder entscheidet man sich, welche Informationen gibt man weiter? Er denkt dabei auch an die Macht der Medien, die uns allen einen bestimmten Ausschnitt des (Welt-)Geschehens als Wirklichkeit verkaufen. Die Zuschauer von „totALES FINALE“ jedenfalls sollen erleben, wie der Film, den sie sehen, life gemacht wird.

Hergestellt wurden die Puppen von Roger Titley, der seine „special effect puppets“ sonst für internationale Film- und Werbeproduktionen kreiert. Weil er wieder einmal rein künstlerisch tätig sein wollte, hat er Berg und Winkel für zwei Monate zu sich nach Südafrika eingeladen, um an den faszinierend häßlichen Shakespeare-Puppen zu arbeiten.

Macht der Technik


Diese Puppen werden nun von Berg gespielt, gleichzeitig bedient er die Kameras, während Winkel das Life-Video abmischt – und zu dieser selbst entwickelten Mediamix-Technik wird Shakespeare im Original als auch in der Schlegel-Tieck’schen Übersetzung gesprochen. Berg und Winkel versprechen eine rasante Szenenfolge, welche die britischen Rosenkriege im Zeitraffer erzählt. Das Bühnenbild soll wie eine freigelegte archäologische Schicht wirken, die Aufführung wie ein Comicstrip, bei dem sich groteske Unterhaltung mit ironischem Entsetzen mischt.

Parallel zur Premiere von „FINALE totALE“ in Mödling arbeiten Berg und Winkel am zweiten Teil ihres „Shakespearean Showdowns“: „totALES FINALE“ behandelt die Trilogie „Henry VI.“ und „Richard III.“ und kommt am 4. Mai im Wiener Theater „Scala“ heraus, wo das „Theater ohne Grenzen“ ab 26. April gastiert. Und vom 12. Bis 14. Mai werden dort beide Teile, also alle Spielarten von Macht, an einem Abend gezeigt. ###

© morgen 2000

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