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PRINT THE LEGEND

Anlässlich seines 100. Geburtstages wird John Wayne allüberall gefeiert. Doch was bedeutet der Westernheld für die Filmgeschichte? – Experten geben Auskunft.

Am 26. Mai wäre John Wayne 100 Jahre alt geworden. Die Faszination, die von diesem Schauspieler ausging, ist ungebrochen: Der Star, der über einen Zeitraum von fast 50 Jahren grundsätzlich nur Hauptrollen spielte, wurde 1999, 20 Jahre nach seinem Tod, vom American Film Institute unter den größten männlichen Akteuren aller Zeiten als Nummer 13 aufgelistet, und noch heuer bei einer HarrisPoll-Umfrage zum drittbeliebtesten Filmstar gewählt.

Aufrichtigkeit, Männlichkeit und Patriotismus waren im Film wie im Leben die Ideale, die John Wayne repräsentierte. Auch für den mit ihm befreundeten Journalisten James Bacon gab es keinen Unterschied zwischen dem John Wayne auf der Leinwand und dem John Wayne aus Fleisch und Blut. Das mag für manche bedenklich klingen, denn Wayne war auch ein "erzkonservativer Sturkopf, der den Vietnamkrieg lautstark befürwortete, einer Gleichstellung von Frauen, Indianern und Afroamerikanern äußerst skeptisch gegenüberstand und auch sonst Ansichten äußerte, die gut und gerne aus der geschichtlichen Epoche stammen könnten, in der seine Filme spielten" (Annekatrin Liebisch, "teleschau").

Raubeinige Ikone


Doch was bedeutet John Wayne für die Filmgeschichte? Und könnte ein Schauspieler wie er auch in der Gegenwart noch erfolgreich sein? Wir haben Experten danach und nach ihren Lieblingsfilmen mit John Wayne befragt.

Für Thomas Fanta von der "Wiener Zeitung" ist die Popularität John Waynes hauptsächlich aus der Sicht der Middle-Class-Amerikaner erklärbar: "Für sie bedeutete er eine überlebensgroße, raubeinig-grundehrliche Ikone, die für unverrückbare konservative Werte und für eine Frontier-Mentalität in archetypischer und idealisierter Ausformung stand. Für uns Europäer stellt er sich etwas nüchterner dar: als ein Urgestein, das aus seiner mangelnden Wandlungsfähigkeit das Beste herausholte. Allerdings verfügte er, vielleicht das wichtigste Kriterium, über viel Charisma. Losgelöst vom reaktionären Touch , funktionierte er als Identifikationsfigur mit Unterhaltungswert. Wayne hat so oder so seinen fixen Platz in der Filmgeschichte."

Fantas Lieblingsfilm ist "Der schwarze Falke": "Das Epos von John Ford gehört für mich zu den besten und reifsten Western der Filmgeschichte. Wayne hat vorher und nachher nie wieder einen derart komplexen Charakter verkörpert." Und Fanta weiter: "Gerade in Zeiten des US-Neokonservatismus schmücken sich viele Figuren des Action- oder Kriegsfilmgenres mit Elementen à la Wayne und sind damit erfolgreich – was jedoch in erster Linie an dem Archetypus und der konservativen Patriotismus-Beschwörung liegt. Wayne selbst hätte heute nicht mehr viele Chancen. Das zeigt sich daran, dass er im Alter eine zeitgemäße Annäherung versucht hat, die von wenig Erfolg gekrönt war."

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Christoph Huber von der "Presse" meint: "John Wayne war natürlich immer erstens Star und zweitens Schauspieler, und weil bei diesem Typ von Ikone das Talent oft nicht viel gilt (manchmal zurecht), sieht man in ihm gern nur einen charismatischen Selbstdarsteller. Es gibt aber viele Filme, die beweisen, dass im klobigen (Pionier-)Körper von John Wayne auch ein subtiler Schauspieler steckte – man denke nur an Fords 'Kavallerie'-Trilogie.

Anzumerken lohnt sich, dass Wayne im ersten Teil, 'Fort Apache', die Stimme der Vernunft spielt und die liberale Ikone Henry Fonda den reaktionären Narren, aber das passt eben nicht zu einer populären Filmgeschichte und Legendenbildung, die das Private gern ungebrochen in der Kunst wiederfand. Daher kommt die Faszination für seine Rolle als rassistischer Besessener in 'The Searchers', obwohl – wie in allen Filmen John Fords – auch da die Dinge komplexer, dialektischer sind. Man braucht freilich nicht schönzureden, dass John Wayne als Regisseur erzreaktionäre Selbstdarstellerfilme gedreht hat, insbesondere den Vietnamfilm 'Green Berets', doch John Wayne stand noch ungebrochen für etwas. Und oft stand er dabei für Widersprüchliches, etwa für eine Idee von Freiheit und für ihren notwendigen Untergang, auch darüber hat John Ford einen schönen Film gedreht: 'The Man Who Shot Liberty Valance' – und der berühmteste Satz daraus heißt: 'When the legend becomes fact, print the legend.' Der 100. Geburtstag von John Wayne wird diesem Satz – wieder einmal – Recht geben."

Für Huber ist jeder John-Ford-Film ein Lieblingsfilm ("manche etwas mehr, manche ein bisschen weniger"), "und der letzte Wayne-Film ist eindeutig ein Vermächtnis, entsprechend elegisch inszeniert von einem der letzten Vermächtnis-Verwalter der Vorzüge und der Ökonomie des Hollywood-Studio-Systems, dem großen Genre-Künstler Don Siegel: 'The Shootist', ein Film vom Sterben einer krebskranken Ikone – mit einer krebskranken Ikone in der Hauptrolle."

Für die "Diagonale"-Intendantin Birgit Flos war John Wayne "ein typischer Western-Darsteller, eine dumpfbackige Papafigur, unattraktiv, breithüftig, unbeweglich, autoritär, reaktionär. Er hat mich nie besonders interessiert – schon gar nicht als Unterstützer des Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater, oder als redneck in seiner Haltung zum Vietnam-Krieg. Dann habe ich, allerdings erst nach den Italo-Western von Leone und Corbucci, mein Interesse für den Western und den Außenseiter-Antihelden, der wider Willen und vorübergehend die Sache der domestizierten Siedlungen vertritt und allein zurück bleibt, doch noch entdeckt. John Ford und Howard Hawks sind in diesem Genre die prägenden Gestalten in der amerikanischen Filmgeschichte. In 'Red River' und 'The Searchers' ist John Wayne vor allem deswegen so gut, weil er sein eigenes Image durchbricht und diesen autoritären Alles-immer-schon-Besser-Wisser-Macho selbstironisch in Frage stellt und scheitert."

Tiefe, lakonische Stimme


"Am besten hat mir an John Wayne seine Stimme gefallen, die originale, tiefe, lakonische – in der Synchronisation ist sie leider zum Horrorklang aller Fernsehwestern verkommen." Wegen Wayne wäre Flos allerdings nicht ins Kino gegangen. "Als Ringo Kid in 'Stagecoach' fand ich ihn noch nicht so holzschnittartig und deswegen sympathischer – das war sein erster Film mit John Ford. Da ist er ein Außenseiter, ein Rebell und auf der Seite der Unangepassten; er wird mit der geretteten 'damsell in distress' eine kleine Farm bewirtschaften – allerdings knallt er dafür eine Menge Indianer ab."

Über John Waynes "Erben" sagt Birgit Flos: "Charles Bronson hat ein trauriges, rechtslastiges Schauspieler-Image-Ende gefunden. Clint Eastwood hingegen ist sicher genauso erfolgreich wie John Wayne. In dessen Darstellungen sind Waynes Werte immer schon quasi eingebaut und mit Brüchen und Gegenbildern inszeniert. Es gibt sogar eine direkte Verbindung zwischen den beiden: John Wayne sollte ursprünglich als 'Dirty Harry' gecastet werden. Vielleicht könnte man sich sogar 'The Unforgiven' mit ihm besetzt vorstellen."

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Für Andreas Ungerböck von der Filmzeitschrift "Ray" ist John Wayne in erster Linie ein großer Schauspieler. "Mit seinen politischen Ansichten hatte und habe ich meine Probleme, andererseits muss man auch sehen, dass das andere Zeiten waren, es herrschte Kalter Krieg, und was hätte er damals schon anderes von sich geben sollen? In Vietnam wurden vieles zurechtgerückt, und Amerika war danach nicht mehr wie zuvor." Ungerböck mag Wayne-Filme, in denen es nicht ganz so bierernst zugeht, und bei denen sich zeigt, wie viel Humor der Mann auch hatte. "Aber über allem thront für mich 'Der Mann, der Liberty Valance erschoss' – John Wayne, James Stewart und Lee Marvin in einem der besten Western, ja Filme aller Zeiten."

Daran, dass ein Schauspieler wie John Wayne in der Gegenwart ebenso erfolgreich sein könnte, glaubt Ungerböck nicht – vor allem deswegen nicht, weil es kaum noch Western und Abenteuerfilme gibt. "Diese alte Zeit ist wohl wirklich vorbei, und dass sich jemand so lang an der Spitze hält wie John Wayne, ist heute sehr unwahrscheinlich. In mehr oder weniger plumpen Actionfilmen à la Schwarzenegger oder Stallone kann ich ihn mir nicht vorstellen."

Für Michael Omasta ("Falter") ist John Wayne ein "amerikanisches Gesamtkunstwerk: beeindruckend, von zeitloser Größe, dabei oft peinlich bis hassenswert. Wie die Nation, deren Tugenden und Untugenden er, perfekt wie kein anderer, im Leben und im Film verkörpert hat."

An seinen ersten Film mit John Wayne kann sich Omasta nicht mehr erinnern ("denn irgendwie scheint er immer schon da gewesen zu sein"), als Lieblingsfilm nennt er "El Dorado" von Howard Hawks, "weil darin nichts so einfach klappt, wie es sollte: Wayne alias Cole Thornton, ein Revolvermann, hat ziemliches Übergewicht, kaum noch echte Haare am Kopf, eine Kugel im Rücken und muss sich alle möglichen Tricks einfallen lassen, um das Ende des Films überhaupt zu erleben. Einmal reitet er auf seinem Pferd sogar rückwärts."

Auf die Frage, ob jemand wie John Wayne auch heute erfolgreich wäre, antwortet Omasta mit "einem klaren Jein! Der gesamtgesellschaftliche Stellenwert des Kinos, die gesamte Filmproduktion und sogar die 'Erwerbsbiografien' von Filmstars sind heute völlig anders." Und der Filmkritiker stellt eine Gegenfrage: "Könnte heute ein Auto wie das Ford-T-Modell oder der VW-Käfer noch erfolgreich sein?" ###


Zur Person 
John Wayne wurde am 26. Mai 1907 in Winterset, Iowa, USA, als Marion Robert Morrison geboren, später aber von seinen Eltern in Marion Michael Morrison umbenannt.
Während seiner 50-jährigen Karriere trat Wayne kontinuierlich als Hauptdarsteller von Westernfilmen in Erscheinung und prägte in der Rolle des raubeinigen Westernhelden die Mythologie dieses Filmgenres in entscheidender Weise.
Er spielte in Genreklassikern wie "Ringo" (1939) oder "Rio Bravo" (1959), war aber auch häufig in Kriegs- und Abenteuerfilmen zu sehen. John Wayne war als amerikanischer Patriot bekannt und pflegte auch als Privatmann die traditionellen Wertvorstellungen, die er in seinen Filmrollen personifizierte. Er galt als der populärste republikanische Hollywoodstar seiner Zeit und unterstützte 1964 die Präsidentschaftskampagne des umstrittenen Republikaners Barry Goldwater, der als "konservativer Hardliner" bezeichnet wurde. Außerdem setzte er sich kurz vor seinem Tod für den Republikaner Ronald Reagan ein, der 1980 Präsident der USA wurde. John Wayne war in den USA unter dem Spitznamen "The Duke" (Der Herzog) bekannt, nämlich nach einem Hund, den er als Kind besessen hatte. Wayne starb am 11. Juni 1979 in Los Angeles.


© Wiener Zeitung 2007

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