Bernhard Lang

Der Golem

Musiktheater für Stimmen, Chor Großes Orchester und Jazz-Trio
nach dem Roman von Gustav Meyrink und einem Video-Libretto von Peter Misotten

Der Golem ist das neueste Stück in der Serie der 'Theater der Wiederholungen', mit dem ich 2002 begonnen hatte; es basiert auf einem Text von Gustav Meyrink, den ich das erste Mal 1973 gelesen hatte. Es handelt sich um einen Text über Identität und Schizophrenie, über Ichverlust und Ichverdopplung, wobei die jüdische Legende vom Golem als Metapher über dem ganzen Stück schwebt: Doubles, Scheinkörper, halluzinierte Personen, Puppen bevölkern die Gassen des Ghettos, wobei diese mehrfach auf eine kommende Apokalypse verweisen. Der Golem wird dabei umfunktioniert als imaginäres Zeichen des eigenen Körpers, als Zeichen des sich selbst im Spiegel betrachtenden Ichs.

Der Komposition vorangestellt war das Video-Libretto von Peter Misotten ('Montezuma', Mannheim 2010), welches bereits eine erste Lesart des Textes verkörperte und den Entwurf der Grundstruktur enthielt: die 22 Großen Schlüssel des Tarot, die 22 hebräischen Buchstaben.

Dieses erste Libretto wurde nicht vertont, sondern in der Komposition aufgelöst, die dann wiederum durch das Lesen des Videos ein Netzwerk aus assoziativen Klängen, Neureferenzierungen des Meyrink-Textes und Wiederholungsstrukturen formte:

Wiederholungen spielen schon in Meyinks Golem-Text eine entscheidende Rolle:
der Golem ist ein Wiedergänger, die Wiederholung seines Erscheinens ist mit politischen Zäsuren in der Geschichte des Ghettos verbunden. Er ist per se ein Simulakrum, eine Wiederholung des menschlichen Körpers, seine Arbeit, das Glöckenläuten, eine sich wiederholende.
Gleichzeitig stellt er das Spiegelbild des Protagonisten dar, ist mit diesem identisch in der Wiederholung.

Meyrink hat in seinem Buch zahlreiche religiöse und mystischen Theorien seiner Zeit verarbeitet und zitiert: die für das Stück wesentlichste mag die buddhistische Konzeption eines ich-losen Subjekts sein, welche die agierenden Personen letztlich in Traumsubstanz auflöst und ihnen allen Wirklichkeitsgehalt abspricht, außer der Vermutung, allesamt Splitter eines einzigen kollektiven Subjektes zu sein.

In dieser Hinsicht liest sich der Golem wie ein einziger großer Kommentar zu Prospero:

ACT IV SCENE I

These our actors,
As I foretold you, were all spirits and
Are melted into air, into thin air:
And, like the baseless fabric of this vision,
The cloud-capp'd towers, the gorgeous palaces,
The solemn temples, the great globe itself
Ye all which it inherit, shall dissolve
And, like this insubstantial pageant faded,
Leave not a rack behind. We are such stuff
As dreams are made on, and our little life
Is rounded with a sleep.

Bernhard Lang Wien 12.05.2015