Als ich 1994 an Christian Loidl mit der Bitte herantrat, einen Text für 
  mein neues Stück zu schreiben, stande er vor der an sich widersprüchlichen 
  Aufgabe, einen autor-, schwere - und bedeutungslosen Text zu finden, der einen 
  zäsurlosen Fluß, einen Ausschnitt eines endlosen Kontinuums zeigen 
  sollte. Loidl fand diesen Text, indem er mit einem Diktaphon über mehrere 
  Wochen hinweg Protokolle über die letzten erfaßbaren Gedanken an 
  der Grenze des Traumes erstellte und diese Protokolle ohne poetische Zensur 
  aneinanderreihte. Das Ergebnis war für mich so überzeugend, daß 
  es unmittelbar zu ersten Achse des Stückes wurde, kaum unterbrochen oder 
  verändert.
  Der Titel "ICHT" bezieht sich einerseits auf das mittelhochdeutsche 
  Wörtchen "iht", also ein Etwas, irgendein Ding. Auf das Stück 
  übertragen bedeutet das das Fehlen einer bestimmenden Differenz, einer 
  bedeutenden Form, einer inhaltlichen Repräsentation.
  Andererseits verstand ich den Namen "ICHT" als Kontraktion von ICH 
  -NICHT oder nICHT; das Ich als Repräsentation in seinem Verschwinden, in 
  seiner Ent - Mächtigung.
Das Stück zeigt strukturell ursprünglich verschiedene Schichten:
1.Primärschicht ist der fortlaufende Text, rhythmischer Generator, Zeitgeber, bestimmend für den einzigen Gestus des Stückes: Geschwindigkeit - Verschwinden.
2.1.Sekundärschicht A: eine gezählte Struktur, die als dem Text unterlegte ihn gestisch gegenläufig interpretiert, und zwar jenseits seiner verbalen Verfügbarkeit, dort wo die Sprache das Unbewußte zufällig berührt. Die Interpretation jenseits der Sprache führt über diese hinaus in die Musik, in die Geschichten des Unbewußten.
 2.2.Sekundärschicht B: eine gekritzelte Schrift ("automatic writing" 
  als direkte Projektion des Unbewußten), welche die erste Sekundärschicht 
  verwischt, zur Spur einer Ordnung werden läßt.
  Diese zweite Schicht interpretiert aber auch die Primärschicht, indem sie 
  diese verdoppelt; sie zeigt auf das Unbewußte, indem sie die erste Schrift 
  spiegelt.
Das Stück wurde zunächst in der Version ICHT 2 als Performance mit 
  Christian Loidl, Stimme, Bernhard Lang, Keyboard und Tapes und Andreas Heidu, 
  E-Gitarre beim Festival "Das Innere Ohr" im Offenen Kulturhaus in 
  Linz 1995 realisiert.
  1997 erfolgt die Uraufführung der Version ICHT 1 für Mezzosopran und 
  8 Instrumente mit dem Klangforum Wien bei der Biennale für Neue Musik in 
  Hannover.
Bernhard Lang 1996