"Die Sterne des Hungers" beziehen sich auf Texte von Christine Lavant,
und zwar auf die Gedichte "Im rueckgrat aufwaerts glimmt ein licht",
"So also geht erleuchtung vor", "Zeig an mir die kräuter
welche bestärken", "Lösch aus mein gesicht und führe
mich blind". Dazwischen wurde Machauts Rondeaux "Ma Fin es mon commencement"
interpoliert, das nach 20 Takten im Original exakt rückwärts läuft.
Die Lavant-Texte wurden, um das Original unangetastet zu lassen, mittels des
Textgenerators "Abulafia" unterschiedlich zersplittert und erscheint
nur in Bruchstücken.
Harmonisch erforscht das Stück weiter die neuen Frequenzmodulationsspektren,
die erstmals in DW14 Verwendung fanden und in den Folgestücken zur harmonischen
Grundlage wurden. Auch die in DW9 zitierten Zellulären Automaten finden
hier als algorithmische Komplexe Eingang in die Instrumentaltextur.
Bernhard Lang Wien 22.05.2007
I. "Lösch aus…"
Zeig an mir die kräuter welche bestärken
Lösch aus mein gesicht und führe mich blind
Zu stauden und rauten und jeglichem dorn
Dem ein wohnt der heilige geist
Ich opfere dir und der mutter, dem sohn
Die betäubungen auf den tanz im gedächtnis
Den listig erschlichenen mohnkopfschlaf
Und den abdruck des herzens im lehme
Ich will dich nicht knechten mit siegel und spruch
Ich will deine magd sein im duft der befehle
Zeig an mir die kräuter erlaub meinem mund
Den absud zu trinken von dem der bestärkt
Als wächter als schläfer als töter
Bring meiner seele den nächsten befehl
Zu köpfen die staude die raute den dorn
Zu atmen den rauch zu trinken das öl
Zu essen die asche und du iss mein herz
Diesen wächter und schläfer und töter
II. "Hungerstern/Erleuchtung"
So also geht erleuchtung vor
Man lernt die atemzüge zählen
Schaut starr dir zu beim apfelschälen
Und rollt dir selbst das herz durchs tor
Zu allen essens zeiten
Schon steigt aus meinem zweiten
Augbrunnen auch ein hungerstern
Blüht grün stirbt rot und fällt als kern
Schwarz zu den unkraut samen
Durch meine fast schon lahmen
Gekreuzten beine sticht ein dorn
Die zunge schmeckt nach mut terkorn
Und stillt nicht durst noch hunger
Dann freilich steigt ein junger
Halm schmal er mond im hirn empor
So traurig geht erleuchtung vor.
III. "Die Trübsinnsstaude"
Zerstöre die trübsinnsstaude und säe
Drei körner vom weißen mohn in mein herz
Ich brauche leichtere träume
Um über die brücke zu kommen
Du bist’s doch, der mich gerufen hat
Mit dem laut ohne namen wie vögel rufen
Oder das brechende eis im märz
Und kinder im mutterleibe -?
Ich weiß von deinem ufer noch nichts,
nur dass uns strömende namen trennen
und dass du nach den ertrunkenen suchst
mit dem netz des gerichtes
zerstöre die trübsinnststaude in mir
ihre früchte sind aus geschmolzenem blei
und tropfen als name hernieder
dein netz wird verbrennen
IV. Im Rückgrat aufwärts
Im rueckgrat aufwaerts glimmt ein licht
Vor augen ginstergelbe nacht
Der schlaf steht duftend und gesalbt
Im vorhof seiner wuerdigung
Und wartet auf und wartet ab
Die zeit der traumverrueckung
Die halsschlagader mondversippt
Halbiert und viertelt wort fuer wort
Vor hungerzeiten bebt das hirn
Samt flaumig ab wie judasbart
Durchs ginstergelbe licht
Durchs ginsterlicht den jakobsgang
Steigt sonne auf und ab und auf
Mit schwarzgefleckten wangen
Mit wilden flügelringen
Von keinem traum verrueckt
Der schalf dreht duftend und gesalbt
Den ueberkreuzten schluesselblick
Zur neuen judasstaude
Ma fin est mon commencement et mon commencement ma fin,
Et teneure vraiement, Ma fin est mon commencement,
Mes tiers chans trois fois seulement
Se retrograde et einsi fin,
Ma fin est mon commencement et mon commencement ma fin