DAS DIGITALE INTERVIEW
Gott ist Kommunikation!
(ein Emailinterview aus der Anfangszeit...)
ONLINE: Herr Magister Bidner, Sie bieten als katholischer Theologe ,,Spirituelle Begleitung" über das Internet an. Existiert über-haupt Nachfrage für eine solche ,,Dienstleistung"?
BIDNER: Das Echo war mengenmäßig bisher nicht überwältigend, die Qualität aber durchwegs ermutigend. Dazu muß ich bemerken, daß ich dieses Angebot kaum promotet habe. Die SurferInnen entdecken mich einfach hin und wieder. Da ich an der Universität eher skeptische Stimmen zu ,,Internetseelsorge" und ,,therapeutische Möglichkeiten" zu hören bekam, ergriff ich einfach selbst die Initiative und stellte mein Angebot in den Raum - den Cyberspace. Ich habe für mich selbst die spintuellen Dimensionen eines lebensbegleitenden Austausches via eMail erfahren. Dies bedeutet auch, daß ich im Moment was die ,,seelsorgliche" Komponente meiner Internet-aktivitäten betrifft - ausgelastet bin.
Wie sieht die Amtskirche solche Aktivitäten?
Leider ist das Interesse bei den ,,kirchenamtlichen" Stellen noch eher gering. Einige Orden und engagierte Gruppen sind die rühmliche Ausnahme. Das Internet als Chance, den Menschen näher zu kommen, erscheint vielen ,,meiner Zunft" als Weg in die falsche Richtung. Kommunikation mittels Computer wird als ,,zweitklassig" eingestuft. ,,Der persönliche Kontakt bleibt auf der Strecke!" so heißt es. Tatsächlich mache ich tagtäglich die gegenteilige Erfahrung.
Haben Sie schon gIäubige Christen, die ihre Freizeit lieber mit dem Computer als im Gespräch mit Menschen verbringen, im Netz ,,getroffen"? Ist das nicht ein Widerspruch?
,,Computerspiele" sind berechenbar, zwischenmenschliche Kommunikation ist es nicht! Ich spiele zuweilen gerne mit dem Computer noch lieber mit Menschen und dem Computer und am allerliebsten mit anderen Menschen. Das ,,entweder - oder" halte ich für falsch. Der Computer ist für mich Werkzeug, Partner zum Spiel und Mittel der Kommunikation. Ich sehe hier keinen Widerspruch!
Ganz plakativ: Ist das Wesen von OnlineKommunikation nicht hart, unpersönlich, kommerzialisiert, ichbezogen? Wenn Sie so wollen - gottlos?
Für mich bedeutet das römisch-katholische Dogma von der Trinität, daß Gott Kommunikation ist. Er ist online - persönlich - auf ein Du hin geöffnet. Die Folgerung: Onlinekommunikation ist göttlich! Dazu jedoch ein ABER: Kommerz und Egoismus sind es nicht! Die tickende Uhr der ,,Gebührenimpulse" im Online-Verkehr ist auch für viele ein ,,Teufel im Detail". Sei es nun der Kirchenbeitrag oder die Telekomrechnung.
In Frankreich wurde in den vergangen Tagen ein ,,virtueller Friedhof" in Betrieb genommen'. Dort kann man noch zu Lebzeiten Botschaften an seine Hinterbliebenen richten, die aber erst nach dem Ableben veröffentlicht werden. Halten Sie dergleichen für erwägenswert? ( ,,Gottesacker" im cyberspace. Im Februar wurde auf http://Www.burgundy.net/ji ein ,,virtueller Friedhof' eröffnet, hier kann man Nachrichten für den Zeitpunkt nach dem eigenen Tod hinterlassen. Eine Vereinbarung mit einen, Anwalt soll sicherstellen. daß nach dem Tode die Nachrichten im Internet verbreitet wird. )
Ich finde es ernüchternd, daß es ein Bedürfnis ist, diese letzte Botschaft via Internet zu übermitteln. Doch die noch relativ unnormierte, unkultivierte, ja anarchische Struktur der Computernetzwerke läßt eine Suche nach neuen Wegen zu. Unsere traditionelle Gesellschaft ist nicht sehr beweglich. Die Internautlnnen sind es offensichtlich! Und dies finde ich gut so!
Der US-Informatikprofessor Marvin Minsky gilt als Vordenker der ,,künstlichen lntelligenz". UnWngst kursierte folgendes Zitat: ,jeder einzelne Mensch ist zwar individuell ver schieden, aber irgendwie sind trotzdem alle gleich. Es wäre nett, auch von anderen intelligenten Wesen umgeben zu sein. Außerdem könnten wir Inteltigenz in eine Hardware stecken, die haltbarer ist als der menschliche Körper. Das Problem mit der Seele stellt sich in diesem Zusammenhang nicht: Denn solange die Seele keine Funktion hat kümmere ich mich nicht darum. Und sollte sie eine Funktion haben, na dann werden wir eben ein entsprechendes Programm schreiben." Wie sehen Sie diesen Standpunkt?
Nicht umsonst spricht ,,man" nicht mehr vom IQ, sondern vom EQ. Emotionale Qualitäten mögen in einem Programm keine Funktionalität haben, aber solange Menschen mit im Spiel sind, geht es auch um unsere Seele. Ich denke der Android Data ist auf dem richtigen Weg: Menschwerdung - nicht Intelligenzbestie.
Vertragen sich solche Wesensformen mit der christlichen Lehre?
,,Moderne Theologie" mag den Anschein erwecken, mit Teufel, Engel und Dämonen fertig zu sein, aber sie ist sich dennoch bewußt, daß es mehr gibt als unsere ,,Schulweisheit" sich träumen läßt. Es gibt Platz für Kreativität, auch für den Anteil des Menschen an der Schöpfung. Wenn die Existenz eines Außerirdischen oder einer neuen Wesensform das religiöse Gebäude eines Menschen oder einer Kirche zum Einsturz bringen kann, stand es ohnehin auf Sand.
Auf Ihrer Homepage bezeichnen Sie sich als Mitglied der ,,virtuellen Diözese" Partenia. Gibt es diese tatsächlich?
Partenia ist das Titularbistum von Bischof Gaillot. Als Rom seine ehemalige Diözese in Frankreich neu besetzt hatte, bekam Bischof Gaillot eine andere: Partenia, nur als ein Titel existent - also ohne Gemeinde, um die sich Bischof Gaillot hätte kümmern können. Nun, aus der Not Wurde eine Tugend. Partenia -die seelenlose Diözese - wurde zum symbolischen Zufluchtsort für alle engagierten und aufgeschlossenen Geister in der Kirche. Ein Ort im Cyberspace, an dem der nunmehr Von seinen diözesanen Aufgaben befreite Bischof seine weltweite Gemeinde betreuen kann. Gaillots Eintreten für Unterdrückte und Ausgegrenzte, seine Offenheit in der Auseinandersetzung mit Fragen wie Zölibat, Sexualität und ,,Neue Medien" sind für mich beispielgebend. Wenn mir der Freiraum in der römisch-katholischen Kirche zu eng zu werden droht, ist Partenia für mich das Symbol Von christlichem Freimut! Kein Sektentreff, sondern ein hypermoderner Wallfahrtsort.
Kennt eine virtuelle Diözese auch Messfeiern und Sakramente?
Ein Beichtgespräch via Internet - insoferne persönlich kommuniziert wird - kann ich mir durchaus Vorstellen. Einen Beichtautomaten halte ich theologisch für inakzeptabel. Die Zeichenhaftigkeit der Sakramente zielt auf gemeinsame Feiern. Die reale Diözese ist der Virtuellen hierfür in der Regel Vorzuziehen. Gewisse Rituale wie etwa die Taufe sind via Internet nicht vermittelbar.
Sie bieten an, als ,,virtual Buddy" persönliche Probleme und Fragen online im Internet zu besprechen. Wie funktioniert das?
Das Projekt entwickelte sich aus einem eMail-Kontakt Ich war schon als "Buddy" d.h. als ,,emotionaler Begleiter" von HIV-Positiven und Aidskranken bei der Salzburger Aidhilfe tätig und konnte nun meinen Arbeitsbereich in das Internet verlegen. Die übernommene Betreuung verläuft sehr intensiv und ,,erfolgreich". Wesentlich ist, daß ein Beziehungsaufbau via Internet gelingen kann und Begleitung möglich ist.
Können Sie religiös interessierten Menschen einige interessante Web-Adressen empfehlen?
- PARTENIA KATHPRESS/KATHWeb-Titelseite/Homepage Predigtdienst der Redemptoristen Kirchenvolks-Begehren-Oesterreich ÖkumenischeVersammlung - KircheIntern Magazin für Kirche und Gesellschaft
Kann das Internet den Kirchen helfen, besseren Zugang zu den Gläubigen zu finden?
Ja und Nein! - Wenn sich die ,,Amtskirche" nur als Verwalterin von Traditionen versteht, nützt auch das Internet nichts. Wenn das Internet als Chance zur Kommunikation, Information und als Servicedienst verstanden wird, dann ist eine bessere Verständigung durchaus möglich! Gewisse Großunternehmen haben das schon er die große(n) Kirche(n) noch nicht!